Schlagwort-Archiv: richard frankenberger

Was es wiegt, das hat’s LI: Die Causa III

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

[Vorlauf] Ich hab in der zweiten Folge zu diesem kleinen Schwerpunktthema zusammengefaßt, wie sich ein Politiker, durch die Immunität eines Nationalrates gegen Einwände abgeschirmt, einigermaßen ausdauernd bemüht hat, meine Arbeit zu diskreditieren und ein regionales Kulturprojekt zu verhindern, das mit Budget und Prestige ausgestattet war.

Zwei für den Bereich zuständige Landesbedienstete hielten in der Sache damals die Füße still, zwei regionale Funktionäre fielen als Assistenten jenes Nationalrates auf. Das war kein Einzelfall. Stellt sich die Frage, wann es denn begonnen hat, daß sich in der Steiermark das kulturpolitische Klima derart abkühlte? Wurden auch andere Fälle bekannt, in denen sich sozial schwach aufgestellte Freelancers des Kunstfeldes gegen Funktionstragende wehren mußten?

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Was es wiegt, das hat’s XVI: Die kulturelle Vielfalt der Oststeiermark III

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

[Vorlauf] Eine letzte kleine Intrada in dieser Angelegenheit. Ich habe nun zwei Clubgespräche so ausführlich rezensiert, vor allem eine Serie von Zitaten kommentiert, damit man eventuelle Einwände gegen meine Kritik genau adressieren kann. Sollte der Abgeordnete Hannes Schwarz das Konzept dieser Serie ändern und/oder es gibt Erfreuliches zu berichten, werde ich das hier gerne tun. Bleibt es aber bei diesem Konzept und es kommen keine aussagekräftigeren Personen ins Spiel, sind meine weiteren Kommentare zu diesem Format unnötig. Dann hätte ich alles, was mir wichtig ist, schon gesagt.

April 2009: Michala Zingerle (2.v.r.) bei einer der regionalen Kulturkonferenzen in Gleisdorf
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Was es wiegt, das hat’s XIV: Die kulturelle Vielfalt der Oststeiermark II

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

[Vorlauf: Teil I] Eine weitere kleine Intrada. Freilich wurde ich inzwischen ermahnt, hier nicht die Klappe so aufzureißen, kritisieren könne jeder, es aber besser machen nicht. Nein, kritisieren kann nicht jeder. Gezänk und Ömpörung sind etwas anderes als Kritik. (Ich hab im Teil I ja skizziert, wodurch sich die Kritik davon unterscheidet.)

Anno 2009: „Wir lachen der Krise ins Gesicht“
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Was es wiegt, das hat’s XI: Die kulturelle Vielfalt der Oststeiermark I

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Vorweg eine kleine Intrada. Als ich mit meinen Notizen zum vierten Clubgespräch des Landtagsabgeordneten Hannes Schwarz fertig war, schien es unvermeidlich, daß ich den Text in zwei Teile schneide. Er ist nämlich sehr lang geworden, denn es gilt auch hier das Prinzip: Nennen Sie ihre Gründe!

Autor Martin Krusche und Kulturmanagerin Michaela Zingerle bei der Arbeit am Projekt Kunst Ost (7. Dezember 2009)

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Was es wiegt, das hat’s VI: Frankenberger

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Selbstdarstellung zählt. Was später an Fakten der Fall sein wird, danach fragt oft niemand mehr. Ich habe vor allem die letzten zehn Jahre mit vielen Menschen in leitenden Positionen gesprochen; in Betrieben vom Kaufhaus Mörath über Logistiker Knapp bis zu den Lehrwerkstätten von Magna Steyr. Überall habe ich gehört, daß immer häufiger Menschen auftreten, die zeigen eine beeindruckende Performance bei der Bewerbung, aber sie können nicht, was sie sagen. Als Gesprächspartner fand ich dabei jene Beispiele am amüsantesten, wo sich Leute vorstellen, die nicht einmal wissen, was genau der Betrieb produziert.

Richard Frankenberger am 4. Dezember 2006: „Cover Your Eyes“.
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Kooperationsfragen zur Gegenwartskunst

Die Kooperation avancierter Kulturinitiativen ist hierzulande keine selbstverständliche Sache. Man könnte sagen, wir seien es nicht gewöhnt, es habe eben keine Tradition. Doch gelegentlich raffen sich Formationen dazu auf. Mit Kunst Markt Hartmannsdorf bewährt sich das schon eine Weile. Michaela Knittelfelder-Lang ist beispielsweise, als verbindende Schlüsselperson, seit Jahren auch eine zentrale Akteurin von kunst ost.

Wolfgang Berger (links) und Richard Frankenberger

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April-Festival: Liebe Leute!

Betreff: ein stand der dinge
Von: der krusche
Datum: 10.04.2013 21:59

liebe leute!

da ich jeden aspekt der kulturarbeit aus den vielen jahren im detail kenne, weiß ich auch genau, welche anstrengung einzelne von euch im verlauf dieses prozesses grade auf sich nehmen müssen, damit das alles in seiner ganzen komplexität gelingt. und ich sehe, daß es GELINGT! April-Festival: Liebe Leute! weiterlesen

Begriffe klären!

Die IG Kultur Steiermark hat eine Veranstaltungsreihe gestartet, welche Fragen der Kulturpolitik gewidmet ist. Unter dem Generaltitel „Kunst der Kulturpolitik“ fand nun ein Themenabend zur Frage nach „Kulturpolitiken im ländlichen Raum“ statt. Ich hab mir das Podium mit Juliane Alton [link] von der IG Kultur Vorarlberg geteilt.

Vortragende Juliane Alton

Davor wurden von Hausherr Richard Frankenberger „K.U.L.M 2003 – 2012 oder 10 Akademiejahre“ präsentiert. Da wir im wesentlichen eine Fachkonferenz abhielten, also hauptsächlich „branchenkundige“ Leute vor uns hatten, mußten wir nicht gar so sehr den Status quo des Kulturbetriebes durchgehen, soweit es die operativen Bereiche angeht, den kennt eh jede/r.

Eine Debatte über Kulturpolitik muß für mich momentan zuerst einmal eine Erörterung von Begriffen sein, damit wir wissen, worüber wir reden. Wie kann ich Begriffe erörtern? Mein praktischer Zugang: Ich werf den Ball auf, indem ich momentan vorherrschende Begriffskonventionen der Kritik unterziehe.

Das stößt gleich einmal auf ein sehr österreichisches Problemchen. Da ist eine volkstümliche Unschärfe, was a) Kritik zur Sache und b) Kritik zur Person angeht. Wenn ich etwa eine konkrete Formulierung aufgreife und als höchst fragwürdig darstelle, dann wird das mitunter als „Watschen“ gedeutet, die jemand meint abbekommen zu haben.

Gasdtgeber Richard Frankenberger bei der Präsentation

Außerdem darf ich einen frappanten Mangel an Wertschätzung für den Dissens feststellen. Ich hab es hier schon merhfach erwähnt, Dissens ist ein Gewinn und „Wahrheiten“ treten ja keineswegs dadurch zutage, indem wir bei unserer Arbeit alle Widersprüche eliminieren.

Was wir dadurch nämlich verlieren, konnte ich abends beim Wein mit Gastgeber Richard Frankenberger noch herausarbeiten: „Ich weiß zwar, daß wir zwei keinen Konsens haben, aber ich weiß leider nicht, worin genau der Dissens besteht.“ Frankenberger schien amüsiert, wir sind in der Sache aber nicht schlauer geworden.

All das bedeutet ja auch den Verzicht auf Kenntnis von unterschiedlichen Positionen. Und das, genau das, muß ich als Verlust für ein geistiges Klima verstehen, um das wir eigentlich zu ringen haben.

Ich hatte als Teilthema für den Abend „Kunst ist kein Reparaturbetrieb“ vorbereitet: [link] Der Grund ist einfach und aktuell. Managements aller Arten sind in unserem Lebensraum auf heftiger Sinnsuche und Themensuche, durchforsten in dieserm Bedürfnis auch unsere Terrains.

Das weltweite Krisengeschehen seit 2008/2009 hat spätestens Ende 2010 heftig zu unserem Alltag hin durchgeschlagen. Viele Budgets sind weg, die steirische Verwaltungsreform sorgt zusätzlich für enorme Unruhe in den Gemeindenstuben, die kulturpolitische Entwicklung stagniert, erleidet Rückschläge, in den Zentralen diverser Managements ist man effizient auf der Suche nach verfügbaren Budgets und verwertbaren Ideen.

Ich denke daher, wir sind gut beraten, uns einmal mehr zu wappnen und aktiv gegen teilweise höchst hanebüchene „Übernahmeversuche“ und Vereinnahmungsschritte vorzugehen, die Positionen der Kunst auch als grundsätzliche Angelegenheiten der Conditio humana gegen eine touristische oder solzialarbeiterische Verwertung zu verteidigen.

K.U.L.M 2003 - 2012 oder 10 Akademiejahre

„Kunst um zu…“ kann nicht in Frage kommen. Wir müssen in der Lage sein zu klären, WARUM das so ist und WAS statt dessen unsere Beiträge zum Gedeihen des Gemeinwesens sind. Das bedeutet AUCH, wir müssen sehr klar und fundiert KULTURPOLITISCH argumentieren können.

Das wiederum schließt übliche Befindlichkeitsprosa, wie sie in der letzten Jahren reüssiert hat, in solchen Zusammenhängen aus.

Das verbietet eigentlich auch jenen flapsigen Public Relations-Propaganda-Jargon, der sich in nichts vom üblichen Gebell und Geschwätz auf dem Boulevard unterscheidet. Deshalb lautete die kulturpolitische Kernfrage, welche ich an diesem Abend deponiert hab:

Sind wir als Kunst- und Kulturschaffende willens und in der Lage, die Realität treffend und stichhaltig zu beschreiben, um eine temporär gültige Aussage zu treffen?

— [Dokumentation] —

die bürde?

künstlerische praxis als permanente bürde der kunstschaffenden? das wäre ein merkwürdiges lebens- und arbeitskonzept. „Zeitgenössische Kunst ist immer schwierig.“ wird künstler richard frankenberger zum auftakt in einem artikel („Kunst im Kukuruzfeld“) in der „WOCHE“ zitiert. ich darf widersprechen? denn was sagt das schon! es ist auch schwierig gebrauchte autos zu verkaufen. oder bürgermeisterin in einer kleinen gemeinde zu sein. oder eine mehrstöckige hochzeitstorte zu fabrizieren.

warum immer? und was heißt schwierig?

frankenberger präzisiert im zweiten satz: „Unsere Stärke ist es, hier zu bleiben.“ schon klar. im kleinen oststeirischen ort pischelsdorf läßt sich für gegenwartskunst nun seit jahren, nein, seit jahrzehnten keine situation herbeiführen, wie sie etwa ein kunsthaus in einem landeszentrum haben könnte. und selbst die „zentrumsleute“ knirschen inzwischen, was das betrifft: akzeptanz, interesse, publikumsfrequenz, budgets… keine chance auf eine entspannte situation!

gut, fragen sie einen gebrauchtwagenhändler, die bürgermeisterin einer kleinen gemeinde oder den zuckerbäcker ihres vertrauens. alle knirschen, weil sich keine entspannte situation ergeben will. aber die kunst! es liegt ja vielleicht in der natur der sache, wo es in der menschheitsgeschichte gerade erst einmal drei generationen her ist, seit sich breite bevölkerungsteile mit kunst befassen können. könnten! damit meine ich, mein großvater war zwar ein grundsätzlich etwas kunstinteressierter mann, aber der handwerker hatte sein lebtag keinen praktischen zugang zu kunstwerken und damit verbundenen ästhetischen erfahrungen, wie wir das heute für wichtig hielten.

anders ausgedrückt: seit wir formell aufgehört haben untertanen zu sein und seit wir die tyrannis der nazi losgeworden sind ist noch nicht gar viel zeit vergangen, um zugänge zur gegenwartskunst zu entwickeln, zu finden, zu erproben. es gibt vorerst keinen breiten gesellschaftlichen konsens, daß die befassung mit kunst wichtig sei. und es fehlt generell immer noch an konsequenter landesweiter vermittlungsarbeit.

werke der gegenwartskunst, manchmal mischungen aus artefakt und prozeß, können selbstverständlich nicht von einem breiten publikum rezipiert werden, wenn klischees den blick verstellen und vermittlungsarbeit fehlt

genau in diesem kontext halte ich es für FATAL und sehr kontraproduktiv, wenn die erste botschaft eines berichtes über kulturgeschehen jenseits des landeszentrums so beginnt: „Zeitgenössische Kunst ist immer schwierig.“ vor allem, weil das auch INHALTLICH gedeutet wird und weil sich so darin klischees bestätigen, mit denen der gegenwartskunst bescheinigt wird, sie sei unverständlich, abgehoben, elitär und letztlich… eher überflüssig; was sich ja allein schon in der schwachen ausstattung der kommunen mit kulturbudgets ausdrückt.

diese botschaft – „immer schwierig“ – kennt freilich noch andere wurzeln. eine künstlerische boheme hat sich einst, als zeitlich begrenztes soziokulturelles phänomen westeuropäischer prägung, in antibügerlichen attitüden gezeigt. es fällt manchen knstschaffenden heute noch schwer, sich zu entscheiden, ob sie nun ganz offen anstreben sollen, auch auf dem markt zu reüssieren, um dringende geldprobleme loszuwerden, oder ob sie sich auf einen eher mönchischen weg in die kunst einlassen mögen, der zwar tief in die sache führt, aber nicht von großem publikumsinteresse begleitet ist, um sich auch ökonomisch zu rentieren.

das sind fisimatenten eher persönlicher art, ohne große kulturpolitische relevanz. wer tief in der „provinz“ ein fixes und nicht gerade kleinens haus für gegenwartskunst einrichtet, muß entweder eine besondere konzeption vorweisen, die ausreichend publikum und allgemeines interesse mobilisiert, oder seine konzeption überdenken, falls das nicht auf eine „fitzcarraldo-nummer“ (opernhaus im regenwald) hinauslaufen soll.

wir werden, um in solchen fragen voranzukommen, weder „städtische salonkultur“ aus den zentren in die „provinz“ übertragen können, noch ergebnisse erzielen, indem wir alte rollenkonzepte des künstlerdaseins reanimieren, die von heroischen posen und edler einsamkeit handeln. das ist alles 19. jahrhundert. das hat sich, stendahl rauf und runter balzac, längst erledigt.

wäre unter uns kulturschaffenden zu klären, was gemeint sein könnte, wenn wir von kulturpolitik auf der höhe der zeit zu reden hätten.