Das Laufende umsetzen, nächste Schritte herbeiführen, Neues planen… Ich geb’ zu, manchmal fällt es mir schwer, so einen Fluß der Dinge sicherzustellen. Es ist ein gravierendes Kräftespiel.
Aber genau diese Kontinuität scheint eine der Voraussetzungen zu sein, damit solche Art Kulturarbeit auch in Kommunen und Unternehmen ausreichend ernst genommen wird, um Kooperationen und Kofinanzierungen wert zu sein.
Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov
Wir haben momentan im Zusammenspiel von kultur.at und kunst ost eine Reihe von Dingen auf die Schiene gebracht, die spannende Zeiten versprechen. Das lohnt dann die Anstrengung. Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov schreibt gerade ihre Dissertation.
In dieser Phase hat sie aber auch den kommenden „Frauen-Monat“ („Frauen, Macht und Technik“) von kunst ost vorbereitet und, was dem eine erhebliche Perspektive gibt, die Grundlagen für ein „Tech-Lab“ geschaffen, in dem wir wohl einige neue Maßstäbe setzen werden, was den Kontext „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“ betrifft.
Darüber hinaus wird Mirjana Peitler-Selakov dann ihr Engagement auf dem Kunstfeld reduzieren, denn sie kehrt in die Automobilentwicklung zurück, hat eine leitende Funktion im E-Car-Bereich von Magna Steyr [link] übernommen.
Kunstsammler Erich Wolf
Eine andere Praxisvariante des Kontext „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“ realisieren wir in Kooperation mit dem Unternehmer und Kunstsammler Erich Wolf: [link] Daraus ergibt sich der heurige Herbst-Schwerpunkt von kunst ost, welcher traditionell der Gegenwartskunst im internationalen Rang gewidmet ist.
Erich Wolf ist federführend in der Entwicklung des Symposions „Regionalität und Realität // Globalität und Virtualität“, das wir am 7. und 8. September dieses Jahres im Hause von Binder+Co [link] realisieren werden.
Damit möchte ich deutlich machen, daß wir augenscheinlich eine nächste Stufe erreicht haben, Themenstellungen und Arbeitsweisen hier in der Provinz auf ein Niveau zu bewegen, wo wir weder den Vergleich mit Projekten im Landeszentrum scheuen müssen, noch beim Schritt über Landesgrenzen eine schlechte Figur machen. Das meint auch, der primäre Ereignisort Gleisdorf erweist sich als ein Angelpunkt kultureller Innovation.
Ich kann die Stunden, bevor es los geht, nie leiden. Dabei bin ich für die Eröffnung des April-Festivals in der höchst entspannenden Position am Rande gewesen. Das war eindeutig der Abend von Irmgard Hierzer, die mit ihrer Crew den Auftakt unseres Frühlingsschwerpunktes gestaltet hat. Und was für ein Auftakt!
Malerin Irmgard Hierzer
Wir sind auf einem interessanten Weg. Da geht es eindeutig längst nicht bloß um Repräsentation. Was sich in dieser üppig besuchten Vernissage eingelöst hat, ist das Ergebnis eines komplexen Prozesses, der im Akt einer Ausstellung keineswegs abbricht.
Inhaltliche Impulse, kontrastreiche Zugänge, gelegentliche Kontroversen, Privates verschränkt sich ab und zu mit den Arbeitsverläufen einer Gruppe, selbst Leben und Sterben berühren die Wege jener kleinen Reisegesellschaften, als deren Summe sich kunst ost inzwischen erweist.
Das ist vielleicht der für mich wichtigste Aspekt in dieser Geschichte. Es geht keineswegs immer ohne Reibungen, aber es hat Bestand. Kontinuität. Und es läßt, wie sich stets neu zeigt, keinen Aspekt des Lebens aus. Dazu kommt, was zu hoffen war, aber keineswegs gesichert schien: Dieses Prozeßhafte ist inzwischen wieder Anlaß, daß sich Offizielle aus den Kommunen solchem Geschehen zuwenden.
Ich denke, wir werden zeigen können, daß hier eine Art soziokultureller Prozesse erprobt wird, die einem konzentrierten Wirken von Geist, Emotionen und gestalterischen Kompetenzen in einem komplexen Zusammenhang Kontinuität geben; als einem kulturellen Geschehen, in dem Repräsentation zwar weder unterschätzt noch gering geschätzt wird, wo deren Anlaß aber ein weit höheres Gewicht bekommt.
Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov im Gespräch mit Kunstsammler Erich Wolf
Da nun dieses April-Festival gerade erst begonnen hat, beschäftigt mich allerdings schon, welche Schritte uns zum April 2013 führen könnten. Klar ist jetzt schon, diese Schritte führen im kommenden Herbst über ein Symposion, das den Titel „regionalität und realität // globalität und virtualität“ trägt: [link]
Ich bin bereits eine Weile im Dialog mit Kunstsammler Erich Wolf, der die Hauptperson in diesem Vorhaben ist, der Angelpunkt eines mehrjährigen Vorhabens, um so eine Plattform für steirische Gegenwartskunst aufzubauen: „ereignis-ort, präsentationsraum, bildungsstätte, arbeits-ort, drehscheibe für einen umfassenden know how-transfer. ein projekt, das sich nicht nur lokal und regional bewähren soll, sondern das auch internationale relevanz entfaltet.“ [Quelle]
Lokal, regional, national… klar, fehlt noch international. Die Aktivitäten von „kunst ost“ sollten schrittweise eine Relevanz in all diesen Aktions-Radien entwickeln. Das verlangt Prozesse, in denen ZEIT ein enorm wichtiger Faktor ist. Und natürlich Kommunikation.
Es scheint auch, daß einige Funktionstragende der Kommunen zu verstehen beginnen, es habe einen WERT, solche Prozesse zu entwickeln und zu betreuen, Kulturarbeit solle nicht NUR in Events bzw. eröffenbare Veranstaltungen münden.
Mit dem Themenfokus KWW (Kunst Wirtschaft Wissenschaft) haben wir gerade eine Arbeitsbereich fix konstituiert, der vor allem einmal auf lokale und regionale Wirkung zielt. Siehe: [link] Das zuständige Team (Fickel, Flekatsch, Krusche, Peitler-Selakov) wird dazu am 25. Jänner 2012 in der Oststeiermark einen weiteren Akzent setzen.
Von links: Fotograf Christian Strassegger, Zuchtleiterin Johanna Winkler, Assistent Jure Kolaric, Tierarzt Karl Bauer
Eine andere Formation ist auf Tour über die Dörfer, um in Gesprächen mit höchst unterschiedlichen Menschen in größeren Unternehmen überhaupt erst einmal zu erfahren, womit wir es da wirtschaftlich in der Region konkret zu tun haben. Wir erleben in diesen Gesprächen, daß hier Kompetenzen wirken, die uns zu Facetten führen, auf die wir selbst teilweise nie gekommen wären. So wie kürzlich in der Lederfabrik Wollsdorf: [link] Oder jüngst bei der „Saatzucht Gleisdorf“: [link]
Dieses Team sind Tierarzt Karl Bauer, Malerin Michaela Knittelfelder-Lang, Künstler Martin Krusche, Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov und Fotograf Christian Strassegger.
Die Kooperation mit Kunstsammler Erich Wolf und unser Ziel, eine regionale Plattform von internationalem Rang aufzubauen, welche der steirischen Gegenwartskunst gewidmet ist, habe ich schon mehrfach erwähnt: [link]
Dem stehen strukturell kleinere Initiativen gegenüber, die sich beispielsweise als eigenständige Location Crews formieren, um Beiträge für regionale Veranstaltungen zu erarbeiten. Ein Exempel dafür ist die Runde um Irmgard Hierzer, die ein konkretes Team für einen Beitrag zum kommenden April-Festival stellt: [link]
Der Gleisdorfer Maler Gernot Schrampf
Das April-Festival 2012 hat schon eine konzeptionelle Vorgeschichte, wird aber gerade dem neuen Stand der Dinge angepaßt: [link] Dazu gehört auch die Kooperation mit eigenständigen Kulturinitiativen der Region.
So hat eben ein Arbeitsgespräch mit Gernot Schrampf von der „Malwerkstatt Gleisdorf“ zu einer Verknüpfung von Vorhaben geführt. Diese Gruppe wird im Frühjahr in Wetzawinkel eine Klausur mit Gästen aus Deutschland und Ungarn realisieren. Das wollen wir für eine kleine Kulturkonferenz nutzen, in der wir uns Fragen nach Rahmenbedingungen und kulturpolitischen Anforderungen widmen wollen.
Die Ausstellung der Klausur-Ergebnisse im „Museum im Rathaus“ wird einen Beitrag zum April-Festival ergeben. So verdichten sich Verfahrensweisen, wo einerseits „kunst ost“ seine eigenen Schwerpunkt-Teams einsetzt, wo aber andrerseits der Kontakt und Austausch mit völlig eigenständigen Kultuformationen der Region gesucht wird.
Zusammenfassend:
Am Anfang des April-Festival 2011 stand folgende Idee: „Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. …“ [Quelle]
Das ist die Grundidee, mit der wir auch in den Prozeß „Vision 2050“ einstimmen. Mit den Mitteln Kulturschaffender anregen, daß die Region sich quasi selbst erzählt…
Wir haben bei „kunst ost“ unsere Prioritäten für 2012 zu präzisieren. Das handelt im Kernbereich von einem Konzentrationsprozeß. Dabei werden wir auch stärker auf die Kooperation mit anderen, völlig eigenständigen Formationen setzen.
Eine wesentliche Kooperationsebene, die einem Prozeß dient, der gleichermaßen regionales wie internationales Gewicht erzeugen soll, ist die jene, auf der wir eine PLATTFORM STEIRISCHE GEGENWARTSKUNST herbeiführen werden. Dieser Prozeß ist auf fünf Jahre angelegt und hat heuer begonnen.
>>In einem mehrjährigen Prozess soll im Raum Gleisdorf eine Plattform für Gegenwartskunst entstehen, die in ihrem Präsentationsbereich zeigen wird, was steirische Gegenwartskunst leistet und auf welche künstlerischen Leistungen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sich dieses Potenzial stützt.<<
Neben herkömmlicher Kunstvermittlung stehen auch verschiedene Formen von Kommunikation und Know how-Transfer auf unserer Checkliste.
>>In anderen Wirkungsbereichen soll die Plattform eine Art Relaisstation ergeben, welche heimisches Kunstgeschehen mit internationalen Verknüpfungen ausstattet und dabei jungen Kunstschaffenden der Steiermark jenes Know how anbietet, das für sie nötig ist, um auch international zu reüssieren.<<
Kunstsammler Erich Wolf (links) im Gespräch mit Fotograf Franz Sattler
Das beinhaltet auch, neue Modi zu erarbeiten, wie Kultur und Wirtschaft interagieren können, ohne dabei essentielle Interessenslagen zu beschädigen. Im Vorfeld dieses Projektes, das auf ein sehr hohes Organisationsniveau zielt, arbeiten wir nun schon eine Weile in einem Umfeld, das einerseits in KMU-Dimension belebt ist, andrerseits aber auch von Betrieben, die in ganz Europa, teils sogar weltweit präsent und aktiv sind.
Dazu besteht bei „kunst ost“ derzeit schon eine eigene Arbeitsgruppe, zu der auch Kooperationspartner gehören. Das Kürzel „KWW“ steht für Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft: [link] Die Kooperationspartner sind der Künstler Gerhard Flekatsch vom Verein „bluethenlese“ und der Unternehmer Horst Fickel.
Die Plattform für steirische Gegenwartskunst erarbeiteten wir als Kooperationspartner des Unternehmers und Kunstsammlers Erich Wolf: [link] Hier ist also ein wachsendes Geflecht von Akteurinnen und Akteuren mit höchst unterschiedlichen Kompetenzen.
Dabei zeigt sich, es liegt offenbar noch viel Arbeit vor uns, um zu klären, was denn nun tatsächlich jene Fragen sind, die uns gemeinsam beschäftigen und über die wir allenfalls zu gemeinsamen Themenstellungen kommen können, aus denen sich gemeinsame Vorhaben ableiten lassen.
Wir haben bei „kunst ost“ nun eine klare Ausrichtung auf die zeitgleiche Bearbeitung zweier verschiedener Ebenen. Repräsentation und Reflexion werden betont. Das bedeutet, die Ausstellungstätigkeit bleibt wohl wichtig, soll aber nicht im ursprünglichen Umfang forciert werden. Die Botschaft „Möglichst viele regionale Kunstschaffende in einer Ausstellung“ ist eine inhaltliche Nullbotschaft.
Themenbezug, Konzentration, aber auch die konkrete Interaktion der Beteiligten, also die wechselseitige Anregung, sind wichtig. Das dürfte dann auch zu qualitativ ganz anderen Veranstaltungen führen, die überdies eine kultur- und regionalpolitische Relevanz haben. Das kam bei unserem letzten Plenum einmal mehr auf den Punkt: [link]
Unsere Kooperation mit Kunstsammler Erich Wolf weist auch in diese Richtung. Da geht es einerseits um Gegenwartskunst auf der Höhe der Zeit und mit internationaler Relevanz, da geht es andererseits um Fragen, wie sich genau das angemessen mit regionalen Agenda verknüpfen läßt. Kulturreferate, die immer nur machen, was sie immer schon gemacht haben, würde die Rolle von Kunst und die Aufgaben der Kulturschaffenden einerseits völlig unterschätzen, sie blieben andrerseits relevante Beiträge schuldig, in den aktuellen Umbrüchen der gesamten Gesellschaft zukunftsweisend zu agieren. Die Übersicht: [link]
Kunstsammler Erich Wolf
Kunstsammler Erich Wolf hat übrigens eben erst den renommierten Preis „maecenas“ erhalten, mit dem sein Engagement als Unternehmer für die Kunst gewürdigt wurde. Das bedeutet in Summe, die Aktivitäten von „kunst ost“ verknüpfen sehr unterschiedliche Referenzsysteme. Eine Gesamtsituation, in der es uns passabel gelingen sollte, in der krisenhaften Situation neue Perspektiven zu gewinnen.
Einer unserer Bezugspunkte ist das Thema Frauen und Technik. Ich hab hier vor einigen Tagen eine Publikation erwähnt, die Gerlinde Knaus diesem Thema gewidmet hat: „Pionierinnen” (Die fabelhafte Welt der Frauen in der Technik, Band 2) [link] Diese Publikation (mit einem Mirjana Peitler-Selakov-Feature) ist nun auch also kostenloser Download im PDF-Formamat verfügbar. Die Datei hat etwa 3,8 MB: [link]
Diese Publikation berührt allein durch ihre Existenz auch die Frage, wo und wie wir für uns Deutungshoheit in Anspruch nehmen. Der erschütternd geringe Anteil von Frauen in der Technik hat einiges mit Definitionsmacht zu tun, über die Frauen ganz generell einschlägige Kompetenzen oft abgesprochen werden. Daß dem widersprochen werden muß, ist klar.
Im Kulturbetrieb haben wir vergleichbare Probleme. Aber leider dominiert da, daß wir Deutungshoheit gerne anderen überlassen und uns wundern, wenn nicht nach unseren Erwartungen verfahren wird. Das brisanteste Beispiel ist momentan sicher die Debatte rund um das Grazer Künstlerhaus.
Letzten Sommer gab es eine Aussendung der IG Kultur Steiermark (Thu Jul 28 14:27:26 CEST 2011) zur dieser Debatte. Darin wurde aufgerufen: „Rettet das Künstlerinnenhaus“, was von einem gleichlautenden Transparent an der Hauswand unterstrichen wurde. Besonders rührend die Nachricht: „Während der Enquete plazierte eine unbekannte Gruppe von Künstler_innen ein Transparent mit dem Text ‚Rettet das Künstlerinnenhaus’ an die Hausfassade.“ [link]
Allerdings erfahren wir nicht genau, wovor das Künstlerhaus gerettet werden solle. Ein sich hartnäckig haltendes Gerücht besagt: vor Joanneum-Boss Peter Pakesch. Doch der ließ längst verlauten, er müsse dieses Haus nicht haben. Worin besteht also der Rettungsbedarf? Wir wissen es nicht so genau. Und wir wissen auch nicht so genau, wer diese Ansicht vertritt. Eine „eine unbekannte Gruppe von Künstler_innen“? So schaut’s aus.
Ein derzeitiger Dauerbrenner dieses öffentlichen Diskurses der IG Kulur ist die Meldung „Die Webseite www.kuenstlerInnenhaus-graz.at wird demnächst erweitert.“ Zuerst war die Webadresse mit einem Standbild versehen. Dann produzierte sie nur Fehlermeldungen. Inzwischen ist erkennbar eine Datenbank aktiviert. Aber die Startseite generiert seit nun gut einer Woche nur die Nachricht: „Not Found / Apologies, but no results were found for the requested archive. Perhaps searching will help find a related post.“
Damit haben wir die lustige Situation, daß ein Personenkreis, dem es nun seit geraumer Zeit nicht einmal geling, seine kritischen Diskurs zur Sache zu organisieren, das Künstlerhaus zur Selbstverwaltung überlassen haben möchte. Das wirkt wenig vielversprechend.
Amüsanterweise findet auch seit Tagen niemand etwas daran, daß sich im Impressum nur die Notiz „bla bla“ befindet, was im Volksmund eine „aufgelegte Wuchtel“ genannt wird, die man im Vorbeigehen nicht liegen lassen kann, sondern kicken muß. Bla. Bla. Und?
Was in der Sache bisher an Positionen und Optionen veröffentlicht wurde, dürfte hier überwiegend zusammengefaßt sein: [link] Bis Ende des Jahres soll der Landeskulturbeirat über bisher eingegangene Konzepte befunden haben.
Es ist schon so, daß meine verfügbare Zeit momentan kaum für künstlerische Praxis reicht, großteils für Debatten, Entwicklungsarbeit und administrative Aufgaben draufgeht. Es wäre ohne Zweifel angenehm, würde mir ein Teil der mühsamen Dinge abgenommen, um mehr Platz für die künstlerische Arbeit zu lassen. Wäre. Könnte. Würde. Träumereien. Der Status quo fordert uns momentan auf andere Art.
Eva ursprung (ganz links) bei der Session in Schloß Hainfeld
Wir hatten eben dieses von Künstler Gerhard Flekatsch initiierte Arbeitstreffen in Schloß Hainfeld, bei dem wir daran gingen, neue Ideen für eine sinnvolle Kooperation mit Wirtschaftstreibenden zu erarbeiten. Eine „Urbanisierung“ der „Provinz“ wäre ja Unfug, weshalb auch herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring uns keinen Meter weiterhelfen.
Das war zugleich der Auftakt zu einer kleinen Ausstellung, an der unter anderem Künstlerin Eva Ursprung beteiligt ist. Wie das in Berufsgruppen so üblich ist, auch wir plaudern unter der Arbeit über die „Hackn“, über den Zustand des Betriebes. In den letzten Monaten wurden wir alle vom Lauf der Dinge ziemlich gezaust. Erschöpfungszustände sind inzwischen Standard.
Ich möchte es noch konkreter ausdrücken: Was die Kommunen und das Land uns innerhalb der letzten zwölf Monate zugemutet haben, war so anstrengend, ich bin in dieser Phase definitiv beschädigt worden. Einer der dümmsten Aspekte daran ist die Tatsache, daß unter sprunghaft ansteigendem Krisendruck viele Leute in Politik und Verwaltung diesen Druck sofort an uns weitergereicht haben, in dem sie ansatzlos alles fallen ließen, womit sie grade noch befaßt waren.
Dadurch sind nicht nur wir Kunstschaffenden individuelle beschädigt worden. Dadurch sind auch schon erreichte, also erarbeitete Ziele den Bach runtergegangen. Aber so ist das eben und einschlägige Klagen können beim Salzamt abgegeben werden.
Harmonischer Gemeinderat; die eklatanten Einbrüche im Kulturbereich sind offenbar niemandem aufgefallen
Ich habe gerade in Gleisdorf eine Gemeinderatssitzung miterlebt und war verdutzt, welche Harmonie da herrschte. Das es im Kulturgeschehen nicht nur der Stadt, sondern der ganzen Region gerade ein veritables Desaster gegeben hat, schien diese Harmonie mit keinem Funken Unruhe zu trüben.
Meine Standardfloskel in diesen Zeiten: Es IST so. Und wir haben es offenbar selbst verabsäumt, während der wenigstens letzten zwanzig Jahren konkret wie mit Nachdruck zu fordern, daß in Politik und Verwaltung ausreichend Leute auftauchen müßten, die per Kompetenz in der Lage wären, zu VERSTEHEN, wovon wir reden. Es gibt sie vereinzelt und wir bekommen keinerlei Streß, diese wenigen gelegentlich zu treffen.
Ansonsten haben wir momentan nicht einmal das geringste Gesprächsklima, das zu angemessenen ÖFFENTLICHEN DISKURSEN führen könnte. Man ahnt, dem Abfassen von Protestnoten messe ich die allergeringste Bedeutung bei. Davon kursieren außerdem längst auffallend viele aus der Szene, deren Amtsdeutsch, deren „Funktionärssprech“ kann ich keine fünf Zeilen weit ernst nehmen; wie sollte es dann jemand in Politik und Verwaltung?
Hainfelds Schloßherrin Annabella Ditz und Kunstsammler Erich Wolf: Ohne eine Praxis des Kontrastes wäre in der Region wohl kaum Boden zu gewinnen
Ich bevorzuge vorerst die Arbeit an einer möglichst detaillierten Darstellung des Status quo, um daraus passende Strategien abzuleiten, Handlungspläne zu erarbeiten und loszulegen. All das, wie angedeutet, von öffentlichen Diskursen begleitet. Da wie dort muß es heißen: „Nennen Sie Ihre Gründe!“
Ich mißtraue jenen, die sich darin bedeckt halten, egal, in welchem Lager sie stehen.
wahrnehmung. irritation. reflektieren. woher beziehen wir impulse, um über das banal notwenige der alltagsorganisation auch hinauszugelangen? menschliche kultur bietet dazu viele quellen und gelegenheiten. kommt man am garten von kunstsammler erich wolf vorbei, dann überrascht da neuerdings eine arbeit von hans kupelwieser. das ergibt vor allem in der morgensonne markante augenblicke.
eine arbeit von prof. kupelwieser in der sammlung wolf
ich habe schon erzählt, daß wir nun begonnen haben, einen längerfristigen prozeß in gang zu setzen, um ein kompetenzzentrum für gegenwartskunst herbeizuführen. dazu soll es jeweils im herbst der kommenden jahre ein symposion geben, welches diesem ziel gewidmet ist. für 2012 lautet die von künstler richard kriesche fstgelegte themenstellung: „regionalität und realität // globalität und virtualität“ [link]
kunstsammler erich wolf
wir haben gerade das datum präzisiert: am 07. und 08. september 2012 soll das hauptereignis über die bühne gehen. wir werden diesen kernbereich allerdings noch mit anderen vorhaben verknüpfen. somit ist also die erste große station dieses „work in progress“ dingfest gemacht. weitere details in kürze…
gegenwartskunst ist ein themenbereich, der uns die möglichkeit bietet, grundlegende menschliche kompetenzen zu verfeinern und zu vertiefen. wer das bloß als dekorationsgeschäft deutet oder den tourismusagenda zuordnet, wird seine bzw. ihre kenntnis der welt noch etwas auf stand bringen müssen.
wir haben kürzlich unsere kooperation mit der „sammlung wolf“ fixiert [link] und dazu ein ideenpapier vorgelegt, das einem „kompetenzzentrum für gegenwartskunst“ gewidmet ist: [link]
kunstsammler erich wolf hat den auftakt für das kommende symposium nun markiert
kunstsammler erich wolf hat das nun mit künstler richard kriesche auf eine nächste ebene inhaltlicher konkretisierung gebracht: „regionalität und realität // globalität und virtualität“, so der titel eines symposions, das wir im herbst 2012 in gleisdorf realisieren werden.
dieses symposion wird einerseits gelegenheit sein, internationale gäste zu treffen, um mit ihnen fragen der kunstvermittlung und der präsentation von gegenwartskunst zu erörtern. andrerseits wird es unser erster von zwei größeren schritten „zur begründung der gründung des ersten regionalmuseums für zeitgenössische kunst in österreich“, so die formulierung von kriesche.
das heißt, wir haben nun einen mehrjährigen prozeß initiiert, der uns über solche und andere stationen zu einer klärung offener fragen auf der höhe der zeit bringen soll. es gibt ja eine ganze reihe von zusammenhängen, die sich darauf beziehen, wie zentrum und „provinz“ sich zu einander verhalten mögen. naheliegend, dem kulturbereich dabei eine spezielle rolle einzuräumen, wo es um INHALTLICHE klärungen geht.
innerhalb des KULTURbereiches ist dann aber die GEGENWARTSKUNST ein eigenes feld, überdies ein ANDERES genre als die in der region vorherrschenden VOLUNTARY ARTS.
da also äpfel nun mal keine birnen sind und das aktive gestalten laufender prozesse in der region auch eine klarheit der begriffe verlangt, wollen wir mit diesem prozeß den gesamten themenkomplex deutlicher sichtbar machen.
Der Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf demonstriert, daß Ausstellungen nur ein Teil zeitgemäßen Kunstgeschehens sind und daß man sich hier mit einigen Ereignislinien absolut auf Augenhöhe mit dem Zentrum Graz und anderen, weit größeren Orten des Kulturgeschehens befindet.
Von links: Vortragender Martin Titz, Tänzerin Linda Samaraweerova, Künstler Karl Karner und Gastgeber Erich Wolf
Damit meine ich, daß es schon vorab Rahmenbedingungen und Mittel in ausreichendem Maß geben muß, damit Kunstschaffen möglich ist. Das setzt wiederum einen breiteren gesellschaftlichen Konsens voraus, denn die Kunst kann nicht bloß dem Markt anvertraut sein. Dieser Konsens hat Kenntnis zur Vorbedingung, ist also an Bildungsfragen geknüpft.
Bei der aktuellen Personale in den Räumen von Erich Wolfs Kanzlei wird eine Werkschau des Feldbachers Karl Karner gezeigt. Der ist ein Mann zwischen Handwerk und Kunst, zwischen einzelnem Exponat und Gesamtkunstwerk, welcher mit Witz und energischem Zugriff eine ironische Sicht auf die Welt schafft.
Das meint unter anderem, Karner verdient sein Brot in einer Kunstgießerei. Daraus folgt, daß er für einen Teil seines Werkes über alle handwerklichen Fertigkeiten selbst verfügt. Er führt also das Gedankliche, Konzeptuelle, Schöpferische selbst auch bei allen Stationen in physische Momente über.
Karl karner beherrscht neben der Konzeption auch die handwerkliche Umsetzung komplexer Arbeiten
Durch die lebhafte Einführung von Martin Titz und den penibel gearbeiteten Karner-Katalog aus der „Sammlung Wolf“ werden Zugänge zum Verständnis so komplexer Kunstpraxis geöffnet. In der Deutung, der sachkundigen Kommentierung, erhalten wir Gelegenheit, etwas über künstlerische Strategien und Verfahrensweisen mitgeteilt zu bekommen. Hier werden zum Teil genau jene menschlichen Fertigkeiten auf speziellem Niveau angewandt, wie wir sie auch für die Alltagsbewältigung brauchen, wie sie zugleich nötig sind, um auf emotionaler und symbolischer Ebene nicht bloß ein Leben in endloser Routine zu führen.
Das meint auch, künstlerische Praxis bietet Wahrnehmungserfahrungen, die unserem Leben Perspektiven eröffnen, wie sie Tätigkeiten der Alltagsbewältigung in der Regel nicht generieren. Bei Karner handelt das von einem sehr breiten Spektrum der Genres und Techniken. Zeichnungen, Plastiken, Installationen und größere Ensemble, auch Perfomances, bei denen zum Teil Tänzerin Linda Samaraweerova ins Spiel kommt.
So wird über die laufende Ausstellung und den Katalog begreiflich gemacht, daß Gegenwartskunst nicht nur von Objekten, sondern auch von Prozessen handelt.
ohne zu reisen würde meine existenz als künstler völlig mißraten. zweierlei bedingungen lösen sich auf den fahrten ein. im fremden zu sein und vor ort zu ein. die irritation durch das, was man noch nicht kennt und die konkrete anschauung dessen, was woanders ist… jenseits aller mutmaßungen.
das sind auch grundlagen jener kooperationsansätze, die wir bei „kultur.at“ und im rahmen von „kunst ost“ entwickelt haben. zur erinnerung: „kunst ost“ war ursprünglich ein projekt von „kultur.at“. wegen seiner anwachsende dimension und komplexität hatten wir es schließlich ausgelagert und mit einer eigenen struktur versehen.
doch im verweben der unterschiedlichen aufgaben und vorhaben ergibt es ein ganzes, das sich wechselseitig bedingt. es löst sich auch auf reisen ein. das meint einerseits die besuche von kolleginnen und kollegen in anderen regionen. davon verdichtet sich nun etwas in unserer „kulturspange“: [link]
teil der "kulturspange" (von links) franz maunz, eva ursprung, mirjana peitler-selakov und gerhard flekatsch
das gewinnt andererseits erweiterungen über unser „balkan büro“ [link] die krisen des vormaligen jugoslawien sind auch die krisen europas. uns damit und mit den konsequenzen zu befassen bedeutet, sehr viel von jenen kräftespielen zu begreifen, die ganz europa bewegen. (in den „fahrten südost“ — teil #1 und teil #2 — sind einige aktuelle notizen zusammengefaßt.)
diese mischung aus konzentration auf lokale und regionale, aber auch auf grnzüberschreitende zusammehänge bündeln sich nun in unserer arbeit an der startphase eines „kompetenzzentrums für gegenwartskunst“: [link]
steinernes monument eines brockens europäischer historie: die brücke über die drina
in kooperation mit dem kunstsammler erich wolf haben wir begonnen, gegen ressentiments und kompetenzdefizite, die es in verschiedenen instanzen dieser gesellschaft gibt, der gegenwartskunst gerade in dieser von krisen bestimmten zeit neues terrain zu gewinnen.
reflexionsvermögen, flexibilität des denkens, problemlösungskompetenzen, all das, was politik und wirtschaft so sehr fordern, was aber voe allem eine zeitgemäße demokratie dringend braucht, sind fertigkeiten, die in ihrer entfaltung klare vorbedingungen haben. es geht um WAHRNEHMUNGSERFAHRUNGEN, also um ästhetische erfahrungen. genau DAS bedeutet „ästhtetik“: wahrnehmung.
es gibt nur wenige genres, in denen all das so radikal, also grundlegend zu anwendung kommt, wie in der befassung mit kunst; egal ob als kunstschaffender oder als rezipierender mensch. so gesehen ist es absurd, daß gegenwartskunst vor allem jenseits der landeszentren als „abgehoben“ diffamiert und als „elitär“ herabgewürdigt wird.
man kann ja über kunst reden: malerin herta tinchon im arbeitsgespräch ("talking communities")
es ist ebenso absurd, daß budgets dafür so umfassend gekürzt wurden. aber das scheint im augenblick nicht verhandelbar zu sein. also brauchen wir strategien und neue modi, um in dieser zeit mit ihren kompetenzverlusten und ihrer stagnation nicht nur terrain zu halten, sondern boden zu gewinnen.