In einem aktuellen Arbeitsgespräch mit LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli stand erneut zur Debatte, was der Begriff Regionalentwicklung meint. Das Wort Entwicklung allein macht schon deutlich: Es geht um eine Reihe von Zustandsänderungen. Dabei spielt also Zeit eine wesentliche Rolle.
Unternehmer Ewals Ulrich schätzt Denkweisen und Modi aus dem Kulturbereich
Der Kulturpakt Gleisdorf hat sich nun in der Kleinregion Gleisdorf als eigenständige Kulturplattform konsolidiert. Mit dem Frühjahrs-Schwerpunkt 2014 unter dem Titel „Spannungsfelder“ tritt Kunst Ost in die zweite Reihe zurück und realisiert ein letztes April-Festival als aktuellen Beitrag zu diesem Halbjahresschwerpunkt.
Von links: Alois Reisenhofer (KUlturreferent), Christoph Stark (Bürgermeister) und Gerwald Hierzi (City Manager)
Ich habe schon erzählt, daß Kunsthistorikerin Sigrid Meister sich nun in Teilzeitkarenz befindet, also ihr Sohn inzwischen groß genug ist, um ihr mehr Spielraum für andere Aufgaben zu lassen, so daß ihre Arbeit für das Museum im Rathaus (MiR) wieder Konturen annimmt.
Während wir bei der Berichterstattung über Österreichs Bundespolitik aus Parlament oder Club-Alltag längst schon einen schäbigem Tonfall kennen, möchte man fast nicht glauben, wie entspannt und freundlich es im Gleisdorfer Gemeinderat zugeht.
Dabei hilft gewiß die Tatsache, daß der Haushalt des Vorjahres, rund 16,7 Millionen Euro, als ausgeglichen und korrekt gilt. Fritz Aigner (FP): „Es gab keine Beanstandungen in der Buchhaltung.“ Paul Stoschitzky (SP) und Karin Reder (Grüne) bekräftigten, daß Budgetüberschreitungen gut begründet waren und aus verfügbaren Mitteln abgedeckt werden konnten. Das alte und das aktuelle Budget (Ordentlicher Haushalt 2012) findet man auf der Website von Gleisdorf als PDF-Datei.
Hier die Übersicht der Gleisdorfer Budgets der letzten Jahre: [link]
Zwischenbemerkung: Auch die Umgebungsgemeinden Gleisdorfs gelten als florierende Kommunen. Es ist zur Zeit keine „Abgangsgemeinde“ darunter, also ein Haushalt in tiefroten Zahlen. Dieses Detail ist nicht unerheblich, wenn man über das Thema „Kleinregion“ und Gemeindezusammenlegungen nachdenkt. Aber dazu später noch ein paar Takte.
Vizebürgermeisterin Christa Lang ist beim Abstimmen höchst konzentriert.
Diesmal wurde ein Grundsatzbeschluß von großer sozialer Bedeutung gefällt. Die Sonnenhauptschule ist Basis eines „Haus des Kindes“, für dessen Errichtung nun eine Steuerungsgruppe formiert wird. Den Vorsitz führt Wolfgang Weber (SP). Wichtig ist für die Zukunft der Kinder auch der Vertragsabschluß zum Thema „Lehre mit Matura“.
Vizebürgermeisterin Christa Lang (SP), die Bürgermeister Christoph Stark (VP) zum nahen Geburtstag gratulierte, kam auf ihre beharrliche Forderung nach einem WC im GEZ zu sprechen. Stark: „Ich habe eine mündliche Zusage, daß eine öffentliche WC-Anlage errichtet wird.“ Dafür waren Verhandlungen um eine Erweiterung des Park & Ride-Terrains im Bereich Neubaugasse im Sand verlaufen, weil die ÖBB kein Budget übrig haben.
Mirko Franschitz (VP) erzählte, man sei bei der Rettung nach der Kilometerleistung jüngst sieben Mal rund um die Erde gefahren. Er schlug einige engagierte Leute aus dem Rot Kreuz-Bereich für Ehrungen vor: „Wenn jemand bereit ist, für die Gemeinschaft etwas zu tun, dann soll das auch bemerkt werden.“
Bemerkenswertes Detail: Fritz Aigner (FP) schlug vor, das Kulturbudget zu erhöhen, statt zusätzliche Ausgaben durch Nachbedeckungen zu bestreiten. Ein erster klarer Wegweiser in die Richtung eine neuerlichen Aufwertung des Kulturbereiches.
Tamara Niederbacher, hier neben Josef Wurm, verlangt der Runde im Bereich Rechnungswesen einiges ab.
In der Sache halte ich für grundlegend, daß die Gemeinde mit Sicherheit nicht Richtung „Selbstbedienungsladen“ oder „kultureller Rundumservice“ gehen wird, sondern eher auf engagierte Bürgerinnen und Bürger setzt, die ihrerseits Ideen erarbeiten, wovon die kulturelle Entwicklung der Stadt handeln möge und was davon im Sinne einer BürgerInnenbeteiligung von der Basis her getan werden kann.
Zum heißen Thema Gemeindestrukturreform sagte Stark, er habe mit allen Umgebungsgemeinden bilaterale Gespräche geführt. „Die Fusionslust der Kolleginnen und Kollegen ist bestenfalls homöopathisch vorhanden.“ Im April sollen Debatten mit der Bevölkerung der „Kleinregion Gleisdorf“ absolviert werden, Ende Mai des Jahres werde man sich dem „Amtsvorschlag“ des Landes Steiermark stellen.
Das Aviso ist klar: „2014/2015 muß sehr viel umgesetzt werden.“ Und zwar in kurzer Zeit, denn die Neuordnung soll in den Wahlen im März 2015 bestätigt werden. Siehe zu diesem Thema auch: „Unruhe in der Kleinregion“ [link]
Ich erlebe nun seit vielen Jahren das häufige Betonen von „Bürgerbeteiligung“, „Bottom up-Prinzip“ und ähnlichen Ansätzen zur Kooperation zwischen den verschiedenen Sektoren einer Gesellschaft. Die drei Bereiche Staat Markt und Zivilgesellschaft sind in den jeweiligen Lagern mit allerhand Ressentiments hochgerüstet. Von den Zinnen so mancher Festung wird einander zugegrinst.
Regionalentwicklung, Regionalpolitik, regionales Bewußtsein, das sind Optionen, die in der regionalen Kulturpolitik noch kaum Spuren hinterlassen haben. Es gab dazu von der Landesebene her einige Impulse, etwa die Ablöse des Veranstaltungstyps „Landesausstellung“ durch die „regionale“. Das hatte zwei wunde Punkte: Es kam von der Landesebene und es ist der Gegenwartskunst gewidmet.
Wohin? Zu mehr Konsumation oder mehr Partizipation?
Nicht einmal die sogenannte „Initiativenszene“ zeigte sich ausreichend in der Lage, solche Ansätze jenseits des Landeszentrums Graz angemessen in Empfang zu nehmen. Nun ist „LEADER Kultur“ gewissermaßen die „Cousine“ dieses Ereignisses „regionale“, das Ganzjahresereignis neben dem Festival. „LEADER Kultur“ hat Schnittpunkte mit der „regionale“, was Intentionen und Aufgaben betrifft, ist gleichermaßen der Provinz verpflichtet und der Gegenwartskunst.
Ich könnte im Augenblick nicht so genau sagen, was meine Kolleginnen und Kollegen in der Sache entwickelt haben, was landesweit Stand der Dinge ist und wo die einzelnen Projekte praktisch hinzielen; vor allem aber, worin wir nun Potential und konkrete Schnittstellen hätten, um dieses neue kulturelle Geschehen auf dem Lande in wesentlichen Teilen ein wenig zu verknüpfen.
Kunstwerke brauchen RAUM. Es ist ein Unfug und Affront, sie zwischen Bankschalter, diversen Plunder und Warenbestände zu quetschen.
Aber zurück zum lokalen „Erfahrungsbereich Kulturpolitik“. Ich hab schon angedeutet, daß es kaum praktische Beispiele gibt, wo Kulturpolitik über Ortsgrenzen hinaus geführt wird und den Ansatz einer regionalen Kulturpolitik zeigen möchte. Das ist allein schon deshalb staunenswert, weil wir von diversen Regionalkonzepten umhüllt sind wie von Zwiebelschalen. Regionext, „Großregion Oststeiermark“, Kleinregionen im Sinne der „Lokalen Agenda 21“, LEADER plus, Städtepartnerschaft etc.
Gut. Es ist eben so. Und wie schon notiert, Kulturpolitik wird regional – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf zwei wesentliche Aufgaben beschränkt:
a) Das Verwalten von Kulturbudgets beziehungsweise das Rechtfertigen eines völligen Fehlens von Kulturbudgets und
b) das Eröffnen von Veranstaltungen.
Wir hatten also bei kunst ost einige Inhalte und Positionen zu erarbeiten, die es reizvoll werden ließen, über diese knappen Optionen der „Zwei Aufgaben“ hinauszudenken und hinauszugehen. Das wäre zwar prinzipiell in den genannten Programmen der Regionalentwicklung schon angelegt, hatte aber zum Beginn unserer Arbeit noch keinerlei konkrete Entsprechung in der Region.
Ganz im Gegenteil, wir haben unter anderem erlebt, daß einzelne Funktionäre der Lokalpolitik unsere Arbeit massiv angefochten haben; und zwar genau weil sie verstanden, daß wir hier auch (kultur-) politische Fragestellungen bearbeiten.
Das sind also gewichtige Barrieren im Bereich möglicher Zusammenarbeit. Anders betrachtet, in dieser Sache ist noch viel an Verständigung, Entwicklungsarbeit und Erfahrungsaustausch notwendig. Wo dann derlei Kooperation mit Funktionstragenden der Kommunen schon klappt, erweisen sich zwei andere Themenbereiche als sehr leichtgängige Krisenquellen:
+) Bestehende Phantasien über die Möglichkeiten von Sponsoring bei Kulturprojekten.
+) Die reibungslose Kombination von bezahlter und unbezahlter Arbeit bei Kulturprojekten.
Die Annahmen über Sponsoring sind gewöhnlich aus den Landeszentren übernommen, wo sie einem anderen Kontext entstammen, in den meisten Fällen nämlich aus diversen, sehr repräsentativen Formen des Kulturbetriebs. Das meint bei uns auf dem Lande dann eigentlich weder die Gegenwartskunst noch die Hobby-Varianten der Voluntary Arts. Das meint eher Operette und Musical, dann aber doch ab und zu hochrangige Gegenwartskunst mit entsprechendem „Promi-Faktor“ (Marke: Arnulf Rainer umarmt einen Bürgermeister).
In Summe meint es Repräsentationskultur, mit der hauptsächlich die Selbstdarstellung von bürgerlichen Kreisen in Events realisiert wird. Prozeßhafte Arbeit kommt da kaum vor. Gut, das sind tradierte Formen, wie sie im 20. Jahrhundert reichlich in die Provinzen gefunden haben. Unsere Arbeit wird nicht gegen solche Formen zu entfalten sein, sondern neben diesen Formen.
Es ist allerhand Sponsorleistung regionaler Wirtschaft an den Sport gebunden. Es fehlt uns noch an ausreichenden Ideen und Konzepten, was Wirtschaft und Kunst/Kultur in der Provinz so verbinden könnte, daß die Wirtschaft hier nennenswerte Budgets investieren würde, die genau nicht vozugsweise in das Repräsentative gehn.
Die Erfahrung zeigt, daß einzelne Geschäftsleute für Eigenveranstaltungen im Kunst- und Kulturbereich durchaus beträchtliche Ausgaben in Kauf nehmen. Dagegen ist der Modus „Geben Sie uns Ihr Geld, wir machen dann schon“ irrelevant. Gleichermaßen substanzlos ist die halbherzige Überredungskonsequenz, um brutto 100,- bis 150,- Euro auf den Tisch zu hauen. In diesem Modus fettet sich die Hobby-Liga ein Vernissagen-Buffet auf, aber kulturelle Entwicklungsarbeit ermöglicht das nicht.
Gerwald Hierzi ist der neue Geschäftsführer des TIP Citymanagements und leitet ab nun das Gleisdorfer Büro für Kultur und Marketing. Wir hatten gerade ein ausführliches Gespräch darüber, wie er seinen Auftrag sieht, welche Prioritäten er setzt und was dabei die möglichen Schnittpunkte mit dem Kulturbereich sind, soweit das engagierte Bürgerinnen und Bürger betrifft.
Damit ist schon ein sehr wesentlicher Punkt berührt, mit dem wir bei „kunst ost“ offenbar richtig lagen. Es bewährt sich, was wir beschlossen haben: In der Selbstorganisation auf ein höheres Niveau, mindestens mittelfristige Planung vor dem Hintergrund eines Jahreskonzeptes, relevante Themenstellungen, Kooperationsangebote.
Gerwald Hierzi leitet das Gleisdorfer Büro für Kultur und Marketing
Das 2011er-Jahr darf im Rückblick als ausgesprochenes Krisenjahr gelten. Im Oktober 2010 hatten die Kommunen alles zusammengekürzt, was der Politik vertretbar erschien; das betraf am härtesten den Kulturbereich, weil er vielerorts am meisten Akzeptanz für Kürzungen hatte. Siehe dazu den Eintrag „Einige Takte…“: [link]
Auch die Stadt Gleisdorf hatte gekürzt. In zwei Schritten. Das ergab von 2010 auf 2011 ein Minus von rund 75% im Kulturbudget. Wir haben darauf mit einer Konzentration der Vorhaben reagiert und die Konstituierung von autonomen „location crews“ forciert, außerdem verstärkt auf Kooperation gesetzt. Das ist auch die Grundlage des kommenden „April-Festivals“: [link]
Das bedeutet, mehr Eigenverantwortung und Engagement als Basis, konsequente inhaltliche Arbeit und wachsende Kooperationen, um verfügbare Ressourcen besser nutzen zu können. All das im Rahmen einer mittelfristigen Planung und ausdrücklich längerfristigen Perspektiven, die klar formuliert sind. So hofften wir, einen Status quo zu schaffen, an dem dann Kommunen und andere Einrichtungen wieder andocken möchten, durch den es zu wachsenden Kofinanzierungen kommen kann.
Hierzi kann sich mit diesem Arbeitsansatz sehr gut anfreunden. Wir müssen im Augenblick nichts übers Knie brechen, sind uns aber einig, daß wir eine weitreichendere, detailliert ausgearbeitete Kooperation herbeiführen werden, die alle drei Sektoren verknüpft: Staat, Markt und Zivilgesellschaft, also 1) Politik und Verwaltung, 2) Wirtschaftstreibende und 3) Einzelpersonen und Kulturinitaitiven.
Bei solchen Themen schweben gerne alte Klischees im Raum, daß Künstler dies nicht leisten könnten und das nicht mit ihrem Tun vereinbar sei etc. Dieses Gedanken-Gerümpel haben wir gleich entsorgt. Die Professionals, also Freischaffende, sind EPU, sind „Einpersonen-Unternehmen“, mit den ganz banalen Anforderungen jedes EPU und wer denen nicht gerecht werden kann, verschwindet vom Markt. Das ist so klar wie unsentimental. Die Befassung mit Kunst konstituiert da keinerlei Sonderstatus.
Und andere, die sich aus persönlicher Passion in ihrer Freizeit der Kunst widmen, sind dadurch nicht daran gehindert, jenes bißchen Know how zu erwerben, das nötig ist, um in einem Kollektiv Kulturschaffender mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, als es viele bisher in Betracht gezogen haben.
Wie gesagt, davon ausgehend versprechen wir uns, aus eigener Kraft ein Organisationsniveau zu erreichen, das es Leuten aus der Politik, der Verwaltung und der Wirtschaft attraktiv erscheinen läßt, mit uns zu kooperieren und Kofinanzierungen einzubringen.
Hierzi hat mich übrigens nun informell unterrichtet, daß der Kulturausschuß unser aktuelles Ansuchen einstimmig angenommen hat. Damit ist ein neuer Modus eingeführt, der sich bewähren sollte. Ein Zitat aus unserem Ansuchen:
[…] Ich möchte Sie namens des Vereins “kunst ost” ersuchen, mit uns kulturpolitisches Neuland zu betreten. Gleisdorf war nun über Jahre der Angelpunkt einiger Innovationen im Kulturbereich. Wir würden das gerne in eine neue Phase überleiten und zu einem Beispiel von „best practice“ entwickeln, welches nicht nur steiermarkweit Gewicht hat, sondern EU-weit zur Debatte stehen kann.
Damit ist eine Kooperationssituation gemeint, in der die Stadt Gleisdorf an einem Kulturschaffen teilnimmt, das sich prozeßhaft entfaltet. Es wird nicht über die eine oder andere einzelne Veranstaltung realisiert, sondern über Ihre Unterstützung einer gesamten Jahrestätigkeit des Vereins. […]
Gleisdorf hat sich also nun mit uns auf einen Weg begeben, im Kulturbereich Verfahrensweisen zu erproben, die hier noch nicht gepflegt wurden. Wir verlassen damit eindeutig den altgedienten Modus, indem Menschen von den Kommunen Dienstleistungen und Subventionen erwarten, und gehen auf ein Feld, wo wir uns in Augenhöhe begegnen und gemeinsame Vorhaben erarbeiten.
Es ist schon so, daß meine verfügbare Zeit momentan kaum für künstlerische Praxis reicht, großteils für Debatten, Entwicklungsarbeit und administrative Aufgaben draufgeht. Es wäre ohne Zweifel angenehm, würde mir ein Teil der mühsamen Dinge abgenommen, um mehr Platz für die künstlerische Arbeit zu lassen. Wäre. Könnte. Würde. Träumereien. Der Status quo fordert uns momentan auf andere Art.
Eva ursprung (ganz links) bei der Session in Schloß Hainfeld
Wir hatten eben dieses von Künstler Gerhard Flekatsch initiierte Arbeitstreffen in Schloß Hainfeld, bei dem wir daran gingen, neue Ideen für eine sinnvolle Kooperation mit Wirtschaftstreibenden zu erarbeiten. Eine „Urbanisierung“ der „Provinz“ wäre ja Unfug, weshalb auch herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring uns keinen Meter weiterhelfen.
Das war zugleich der Auftakt zu einer kleinen Ausstellung, an der unter anderem Künstlerin Eva Ursprung beteiligt ist. Wie das in Berufsgruppen so üblich ist, auch wir plaudern unter der Arbeit über die „Hackn“, über den Zustand des Betriebes. In den letzten Monaten wurden wir alle vom Lauf der Dinge ziemlich gezaust. Erschöpfungszustände sind inzwischen Standard.
Ich möchte es noch konkreter ausdrücken: Was die Kommunen und das Land uns innerhalb der letzten zwölf Monate zugemutet haben, war so anstrengend, ich bin in dieser Phase definitiv beschädigt worden. Einer der dümmsten Aspekte daran ist die Tatsache, daß unter sprunghaft ansteigendem Krisendruck viele Leute in Politik und Verwaltung diesen Druck sofort an uns weitergereicht haben, in dem sie ansatzlos alles fallen ließen, womit sie grade noch befaßt waren.
Dadurch sind nicht nur wir Kunstschaffenden individuelle beschädigt worden. Dadurch sind auch schon erreichte, also erarbeitete Ziele den Bach runtergegangen. Aber so ist das eben und einschlägige Klagen können beim Salzamt abgegeben werden.
Harmonischer Gemeinderat; die eklatanten Einbrüche im Kulturbereich sind offenbar niemandem aufgefallen
Ich habe gerade in Gleisdorf eine Gemeinderatssitzung miterlebt und war verdutzt, welche Harmonie da herrschte. Das es im Kulturgeschehen nicht nur der Stadt, sondern der ganzen Region gerade ein veritables Desaster gegeben hat, schien diese Harmonie mit keinem Funken Unruhe zu trüben.
Meine Standardfloskel in diesen Zeiten: Es IST so. Und wir haben es offenbar selbst verabsäumt, während der wenigstens letzten zwanzig Jahren konkret wie mit Nachdruck zu fordern, daß in Politik und Verwaltung ausreichend Leute auftauchen müßten, die per Kompetenz in der Lage wären, zu VERSTEHEN, wovon wir reden. Es gibt sie vereinzelt und wir bekommen keinerlei Streß, diese wenigen gelegentlich zu treffen.
Ansonsten haben wir momentan nicht einmal das geringste Gesprächsklima, das zu angemessenen ÖFFENTLICHEN DISKURSEN führen könnte. Man ahnt, dem Abfassen von Protestnoten messe ich die allergeringste Bedeutung bei. Davon kursieren außerdem längst auffallend viele aus der Szene, deren Amtsdeutsch, deren „Funktionärssprech“ kann ich keine fünf Zeilen weit ernst nehmen; wie sollte es dann jemand in Politik und Verwaltung?
Hainfelds Schloßherrin Annabella Ditz und Kunstsammler Erich Wolf: Ohne eine Praxis des Kontrastes wäre in der Region wohl kaum Boden zu gewinnen
Ich bevorzuge vorerst die Arbeit an einer möglichst detaillierten Darstellung des Status quo, um daraus passende Strategien abzuleiten, Handlungspläne zu erarbeiten und loszulegen. All das, wie angedeutet, von öffentlichen Diskursen begleitet. Da wie dort muß es heißen: „Nennen Sie Ihre Gründe!“
Ich mißtraue jenen, die sich darin bedeckt halten, egal, in welchem Lager sie stehen.
angenehmer weise komme ich mit der arbeit gar nicht damit nach, unseren online-pressespiegel auf stand zu bringen: [link] naja, im spätsommer wird das getan sein. an dieser sache ist wichtig, daß uns eine kontinuierliche präsenz in regionalen medien gelingt. denn medienpräsenz hat den rang von „realitätserzeugung“. das bedeutet, was in den medien vorkommt, gibt es, das wird von den menschen als existent wahrgenommen. was in den medien keine erwähnung findet, rangiert meist unter „unwichtig“ bis „gibt’s net!“
diese medieal vermittelte wahrnehmung spielt wiederum in einem anderen rang-system eine rolle, die wir nicht ignorieren können. ob wir von manchen schlüsselpersonen und machtpromotoren wahrgenommen werden, hat viel einfluß darauf, ob wir mit unseren ansichten und ansprüchen gehört werden oder nicht.
ich brauch für die entwicklung unserer vorhaben zugang zu mehreren verschiedenen ebenen. hier ein arbeitsgespräch mit landesrat christian buchmann (2. v. links) und funktionastragenden der stadt gleisdorf
wenn wir in verhandlungen augenhöhe zu unseren gegenüber erwarten, hat das viel damit zu tun, ob man uns die kompetenz und den rang zutraut, die beide voraussetzung sind, daß man quasi für eine begegnung in augenhöhe zugelassen wird. ich kenn die empörung darüber, daß es solche gefälle im verhältnis der menschen gibt, über mehrere partituren rauf und runter.
wir kinder der gegenreformation sind leider nach zutiefst autoritäten mustern gestrickt und der lauf der dinge hat gezeigt, daß jene, die ganz ostentativ allergisch auf solche autoritätsformationen reagieren, oft selbst die härtesten bedingungen und unerbittlichsten gefälle einführen.
unterm strich bleibt jedenfalls, daß ein fruchtbarer und vor allem über längere zeiträume kontinuierlicher dialog zwischen sach- und machtpromotoren nicht von selber entsteht, sondern in den meisten fällen mühsam erarbeiten werden will.
ohne permanente diskursarbeit wäre für uns kaum klärbar, nach welchen kriterien wir nun um welche strukturellen maßnahmen konzentriert ringen sollten
daraus folgt auch, es braucht meist längerfristigen umgang mit einander, in dem achtsamkeit und die neigung zu respektvoller betrachtung platz haben, damit eine begegnung in augenhöhe stattfinden kann, wo menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen positionen dann bestenfalls auch zu kooperationen finden. es ist freilich eine reizvolle aufgabe, übliche barrieren einzuebnen, um auf die art neuen handlungsspielraum zu schaffen.
ich habe nun seit einiger zeit mit „kunst ost“ ein hauptprojekt installiert, das für „kultur.at“ völlig neue optionen ermöglicht. das soziokulturelle potenzial dieses projektes fesselt mich. aber ein spezieller höhepunkt ist natürlich aktuell die nun feststehende kooperation mit erich wolf, dem repräsentanten der „sammlung wolf“. durch die zusammenarbeit mit ihm bekommt unser fokus auf die gegenwartskunst ganz neue nuancen und perspektiven.
der mann befaßt sich seit jahrzehnten intensiv mit gegenwartskunst, hat sich in der sammlung auf steirische kunst vor allem der nachkriegszeit konzentriert, und ist natürlich auch teil angemessener netzwerke. somit erweitert sich unser handlungsspektrum und unser streben nach professionalisierung einzelner projektbereiche.
kunstsammler erich wolf
gerade unter den krisenhaften entwicklungen der landesbudgets und der kommunalen situationen stellt sich ja laufend neu die frage, welche guten gründe wir vorbringen können, um jene finanzierungen zu schaffen, die ein zeitgemäßes kulturelles engagement verlangt; mehr noch, die so eine konzentration auf gegenwartskunst unabdingbar benötigt.
mit dem aktuellen presse-info von „kunst ost“ [link] ist eine wegmarke am beginn des neuen arbeitsabschnittes hervorgehoben. wir sind uns übrigens einig, daß sich unsere konzeptuelle orientierung in drei bereichen einlösen und bewähren muß. was wir in summe vorhaben, muß LOKAL funktionieren, respektive im bezug auf die „kleinregion gleisdorf“. es muß REGIONALe und steiermarkweite relevanz entfalten können, es muß sich aber auch in einigen INTERNATIONALen bezügen als tauglich erweisen.
das ist eine spannende aufgabenstellung, weil wir so gefordert sind, ein sehr komplexes kräftespiel zu bearbeiten. es weist einiges darauf hin, daß einige unserer wege bisher noch nicht begangen wurden…
der begriff „bottom up“ steht in der regionalpolitik für „bürgerbeteiligung“ und für „von der basis her“. das finde ich nun seit jahren in vielen papieren („regio next“, „leader“, „lokale agenda 21“ etc.) als wichtige anforderung, die in der kommunalpolitik beachtet werden möge. aber was bedeutet das in der praxis?
wir loten das in gleisdorf nun seit einigen jahren aus. zugegeben, ich komme damit nicht annähernd so zügig voran, wie ich es mir wünschen würde. woran mag das liegen? man kann natürlich pech haben und in einer gemeinde leben, wo sich alte funktionärsherrlichkeit massiv gegen eine praxis der bürgerbeteiligung abschottet. solche fälle gibt es, sogar hier in nächster nähe. in gleisdorf ist das zum glück nicht so.
eine meiner wichtigsten erfahrungen in diesen zusammenhängen ist die wachsende klarheit, daß politik und verwaltung gegenüber dem alltagsleben, wie ich es kenne, von grundsätzlich anderen konventionen und prioritäten geprägt sind, was vor allem bedeutet: kommunikation ist knifflig.
politik und verwaltung an einem arbeitstisch mit mir; von links: kulturbüro-leiter winfried kuckenberger, bürgermeister christoph stark und kulturreferent alois reisenhofer.
unterm strich kommt das freilich auf einige aspekte herunter, die in jeder banalen beziehung zu einem ende oder zu neuen ufern führen können. einer dieser aspekte: haben wir genug zeit und gelegenheit, um uns darüber zu verständigen, was wir von einander verstanden haben?
eine andere, sehr grundlegende erfahrung besagt: es braucht zeit!
diese prozesse, aus denen auf den feldern der kultur und der regionalpolitik KOOPERATION entstehen kann, in der man einander in AUGENHÖHE begegnet, lassen sich über kein knie brechen und sind nicht beliebig beschleunigbar. zeit ist ein enorm wichtiger faktor. (wir müssen also herausfinden, wie sichergestellt werden kann, daß uns weder geld, noch langer atem ausgehen.)
ich hab bei verschiedenen gelegenheiten betont, an dieser gesellschaft mißfalle mir zur zeit vor allem zweierlei: stagnation und rasender kompetenzverlust. ich bin nicht der einzige, dem das aufstößt. da wir eben eine kulturdebatte hatten, fand ich bemerkenswert, wie einhellig meine drei gesprächspartner – bürgermeister, kulturreferent und kulturbüro-leiter – jene tendenz zur „eventitis“ kritisiert haben, in der bei EVENTS ein immer höherer aufwand nötig sei, um menschen zu mobilisieren, wobei es in diesen abläufen kaum noch möglich erscheine, INHALTE zur debatte zu bringen.
das ist nun ein fragenkomplex, den wir teilen, wie unterschiedlich auch sonst unsere prioritäten sein mögen. etwa diese frage: wie können wir menschen gewinnen, sich auf relevante themen einzulassen und sich damit nachvollziehbar auseinanderzusetzen? das sind unter anderem soziokulturelle agenda.
da fallen auch fragen nach kommunikationsstrategien und verfahrensweisen im umgang miteinander an. ausdrücklich NICHT, um einander schönfärberei anzudienen oder die jeweils anderen ansichten zu „verkaufen“. ich war angenehm überrascht, wie sehr genau dieser punkt unter uns verschiedenen leuten als konsenstauglich erschien: über relevante themen der region ins gespräch kommen.
kunst hat ihre eigenen regeln und strategien in ihrem verhältnis zur gesellschaft (die ausstellung von ulla rauter im rahmen des „frauenmonats“ von „kunst ost“)
das sind ja auch zusammenhänge, wo kunstschaffende themen und anlässe finden, mit ihren bevorzugten mitteln stellung zu beziehen. die kunst nicht als „angewandte solzialarbeit“, als wellness-faktor oder dekorationsgeschäft, auch nicht als „quotenbringer“ für das tourismus-büro, sondern als ganz eigenständige disziplin mit ihren eigenen regeln; aber die kunstschaffenden als mitmenschen, die auf ihre umgebung einfallsreich reagieren.
was zur zeit die vorrangigen probleme der region sind, halte ich für evident. strukturelle und budgetäre schieflagen werden durch kommunikations-hemmnisse und eine reihe anderer defizite verschärft. etliche standortnachteile haben geschichte und tradition. der problemkatalog wurde mehrfach abgefaßt und ist evident. aber was schließen wir daraus? und was gedenken wir zu tun?
derlei dinge debattiere ich im kontext von kunst und kultur gerade mit funktionstragenden aus politik und verwaltung. ich will herausfinden, wie ein „bottom up-modell“ in der praxis angelegt sein muß, um funktionieren zu können. ich will verstehen können, wo teilweise die kommunikation zwischen
a) politik und verwaltung und
b) zivilgesellschaft klemmt.
dazu ist es einigermaßen hilfreich, die konzepte und prioritäten der jeweiligen gegenüber zu kennen. so hab ich kürzlich erfahren, bürgermeiszter christoph stark habe ein konzept für die „region gleisdorf“ verfaßt und den funktionstragenden der kommunen zur diskussion gestellt.
es ist ja nicht so, daß politische papiere immer als „geheimdokumente“ gehandelt werden. ich bekomme auf anfrage meistens die gewünschten unterlagen, deren kenntnis ich für wichtig halte
solche arbeitspapiere werden nicht grade am schwarzen brett ausgehängt. aber wenn ich darum frage, bin ich noch selten enttäuscht worden. ich halte es für vorteilhaft, intentionen und arbeitsansätze der politik auf wunsch möglichst detailliert erfahren zu können.
ich schätzte es auch sehr, wenn nicht ignoriert wird, daß ich darüber dann eventuell ein gespräch führen möchte; sei es, daß ich einwände vorzubringen habe, sei es, daß ich etwas davon aufgreifen möchte.
Wir durchleuchten heuer Zusammenhänge im regionalen Leben zwischen agrarischer Welt und High Tech, zwischen trivialen Mythen und realen Strategien der Krisenbewältigung. Es geht gewissermaßen um die Praxis der Zuversicht.
Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. Die soziokulturelle Drehscheibe „kunst ost“ schafft für diese kulturelle Möglichkeit einen Rahmen. Es geht um eine Versuchsanordnung, in der grundverschiedene Kreative Gelegenheit finden, gemeinsam für einige Wochen zu einem größeren Ganzen zu finden.
(coverfoto: christian strassegger)
Mit dem Thema des „April-Festivals“ 2011 – „elektrisiert“ – widmen wir uns dem Funken, der uns bewegt, um auf die Zukunft aktiv zugehen zu können.
Heuer haben wir erstmals das Formieren völlig autonomer „Location Crews“ angeregt, um so eine Organisationsform einzurichten, in der die teilnehmenden Personen selbst mehr Verantwortung für das Ganze tragen, in der zugleich die Prinzipien eigenständiger Regionalentwicklung in eine aktuelle Praxis überführt werden.
Wir haben außerdem innerhalb des „April-Festivals“ 2011 Schwerpunkte gesetzt. Neben den „Tagen der Kunst“ realisieren wir andere „Thementage“, wie etwa einen „Tag der agrarischen Welt“, einen „Tag der trivialen Mythen“ oder einen „Nikola Tesla-Tag“. (Tesla ist jener herausragende Ingenieur, dessen Erfindungen zu Grundlagen der Elektrifizierung der Welt wurden: [link])
In der praktischen Umsetzung des Festivals ergibt sich eine spezielle Referenz an die „Energie-Region“, indem heuer eine Gruppe Kunstschaffender aus Gutenberg, das zu den nördlichsten Gemeinden der Region zählt, in Wetzawinkel (Hofstätten), der südlichsten Gemeinde in der „Energie-Region“, gastiert. Zugleich haben wir in dieser Gesamtveranstaltung erstmals ein kulturelles Zusammenwirken der „Kleinregion Gleisdorf“ erreicht und so eine Praxis-Situation geschaffen, um mit solchen Anforderungen der Regionalentwicklung weitere Erfahrungen sammeln zu können.
+) Eine kurze Übersicht der Orte und Veranstaltungen: [link]
+) Das Programm mit den Akteurinnen und Akteuren: [link]
+) Laufende Notizen zur inhaltlichen Entwicklung dieses Festivals: [link]
Für „kunst ost“ Martin Krusche, Künstler Mirjana Peitler-Selakov, Kunsthistorikerin Nina Strassegger-Tipl, Kulturmanagerin
P.S.:
In unserer Arbeit bündeln wir vier Genres, die wir zu einander in Wechselwirkung bringen, damit Menschen mit sehr unterschiedlichen Intentionen und Talenten Anknüpfungspunkte finden: Alltagskultur, Voluntary Arts, Kunsthandwerk und Gegenwartskunst. Siehe dazu auch: [link]