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Kulturherbst: Ein neuer Angelpunkt

Mit dem Albersdorfer Bürgermeister zur Konsens-Überprüfung in Ludersdorf. Warum betone ich so ein Detail? Ich hatte mit Robert Schmierdorfer einige Punkte zur Veranstaltung „Mythos Puch“ durchzugehen. Wenn wir uns zu besprechen haben, heißt das nicht, wir würden uns dazu bloß in seiner Gemeinde treffen.

Bürgermeister Robert Schmierdorfer
Bürgermeister Robert Schmierdorfer

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Umbruch: Reflexionsarbeit

Klausur, das bedeutet, Einflüsse von außen temporär möglichst einzudämmen und im Inneren der Klause, einem Häuschen in Bad Mitterndorf, hohe Verdichtung zu erreichen. Bei freundlichem Wetter entlassen wir uns abschnittweise natürlich auch auf die Terrasse. So oder so, es wird ausgekocht, es wird destilliert… Gedanklich, damit wir uns recht verstehen.

Kulturwissenschafter Günther Marchner ist ein Kenner unseres Metiers

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Proviant für den Marsch durch das „Tal der Tränen“

Im vorigen Eintrag [link] war die Frage gleichermaßen implizit und explizit auf dem Tisch: Was hat das Gemeinwesen davon, für Kunst und Kultur öffentliche Gelder aufzuwenden? (Völkstümlich: „Zu wos brauch ma des?“) So liegt bei uns die Anforderung, den Leistungsaustausch darzustellen und zu begründen.

Damit meine ich, wir können uns keine selbstreferenziellen Erklärungsmodelle leisten, wie sie bei Sekten üblich sind, wir müssen gegenüber anderen Metiers unsere kulturpolitischen und budgetären Ansprüche nachvollziehbar darlegen.

Ein Wiener Souvenir für unser "Kuratorium für triviale Mythen": Schnappschuß eines Steyr Diesel 380, als Touristenkutsche adaptiert.

Ich war gerade in Wien, saß unterwegs in einem Kleinbus des Landes Steiermark, den ich unter anderem mit zwei Beamten aus dem Wirtschaftsbereich teilte. Einer von ihnen sagte in unserer Plauderei ebenso unverhüllt wie unmißverständlich, das nächste Doppelbudget der Steiermark werde ein „Tal der Tränen“.

Das erinnerte mich an März 2010. Wir waren gewarnt, es ist kein Geheimnis gewesen, was uns Ende 2010/Anfang 2011 an Kürzungen treffen werde. Das führte in meinem Metier aber, so weit ich mich erinnere, nicht dazu, daß wir uns gewappnet und strategisch vorbereitet hätten, der versprochenen Krise angemessen zu begegnen.

Philosoph Erwin Fiala wies in Pischelsdorf symbolisch auf die zunehmende Abwertung von Wissensarbeit hin.

Kleiner Einschub:
Philosoph Erwin Fiala unterließ während des formellen Teils der Veranstaltung in Pischelsdorf jeglichen Kommentar mit dem Hinweis, er sei Professional, den man für seine Beiträge bezahlen müsse.

Ein wichtiger Akzent im Zusammenhang mit der Tatsache, daß wir heute eine aggressive Abwertung der Wissensarbeit erleben, wie wir das einst bei der Industriearbeit beobachten konnten, ohne in jüngerer Vergangenheit auf die Idee zu kommen, daß uns derlei auch betreffen könnte; noch dazu, wo der Bedarf an Content radikal gestiegen ist.

Fortsetzung:
Also erweitere ich meine „Reflexion über Pischelsdorf“ hier kurz um Bezüge zu dieser Ausfahrt nach Wien. Das paßt inhaltlich AUCH; weil ich in Pischelsdorf noch einige Überlegungen mit Philosoph Erwin Fiala debattiert hatte. Dabei gewannen zwei Teilthemen besonders scharfe Konturen. Das eine handelt vom Mangel an Trennschärfe zwischen Fragen der Kunst und Fragen der Kunstvermittlung.

Das andere handelt vom Mangel an Kenntnis der Entwicklungen eines/unseres Metiers, was etwa meint: Ich kann selbst bei bezahlten Kräften der steirischen Initiativenszene nicht voraussetzen, daß sie eine wenigstens kursorische Kenntnis der Entstehung und der wichtigsten Entwicklungsstufen dieses jungen soziokulturellen Phänomens haben.

Obwohl also diese Geschichte kaum weiter zurückverfolgbar ist als bis zum Ende der 1970er-Jahre, höre ich etwa von ausgewiesenen Funktionstragenden der Initiativenszene: „Tut mir leid, davon weiß ich gar nichts, dafür bin ich noch zu jung.“

Es ist nun etwas schwierig, einen kohärenten kulturpolitischen Diskurs zu führen, wenn mir der aktuelle Kontext unseres Metiers unklar ist, weil ich über seine inhaltliche Entwicklung zu wenig weiß. Aus so einer Position heraus bleibt es ferner problematisch, angemessene Vorstellungen zu entwickeln, die sich in kulturpolitische Streitgespräche einbringen ließen.

Veronika Ratzenböck präsentierte eine aktuelle Studie

Aber zurück zum Stichwort „Tal der Tränen“, zu meiner Wien-Exkursion und den Denkanstößen, die ich von dort mitbekommen hab.

Ich war eingeladen worden, einen Debattenbeitrag zu „Kultur und die EU-Regionalpolitik: Praxis und Perspektiven“ einzubrigen. Wir fanden uns im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ein. Unmittelbarer Anlaß dazu war, daß Veronika Ratzenböck und das Team der österreichischen kulturdokumentation [link] einige ihrer Arbeitsergebnisse präsentierten.

Im Zentrum der Veranstaltung stand eine neue Studie, die unter anderem unsere Arbeit zum Gegenstand hat, aber eben auch genau die Zusammenhänge der impliziten Frage: „Wozu brauchen wir das?“ Es geht um die Studie „Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung. Kunst- und Kulturprojekte und die EU-Strukturförderung in Österreich“.

Die Studie kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden: [link]

Außerdem ging es um ein „Policy Handbook“, genauer: European agenda for culure – work plan for culture 2011-2014: Policy Handbook. Dieses Dokument ist hier downloadbar: [link]

„Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung. Kunst- und Kulturprojekte und die EU-Strukturförderung in Österreich“

Die Studie betont, was ich am eigenen Metier zu kritisieren habe, denn wir sind die Ersten, die an der Behebung eben jenes Defizites zu arbeiten hätten: „Die Bedeutung von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft für die Struktur- und Regionalentwicklung wird zwar immer stärker, aber noch zu wenig wahrgenommen.“

Mit dem Ensemble von Kategorien „Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“ komme ich gut zurecht. Wir haben deutlicher herauszuarbeiten, was dabei das Genre Kunst sei und wodurch es sich von den anderen Genres unterscheidet.

In der Studie heißt es zu diesen drei Genres/Metier: „Sie sind Motoren für die europäische wirtschaftliche Dynamik, weisen überdurchschnittliche Wachstumsquoten auf und fördern neben Kreativität, Innovation und Unternehmergeist auch die so genannten weichen Faktoren wie z. B. Lebensqualität, Wohlbefinden und kulturelle Vielfalt.“

Na, es wird uns nicht fad werden, regional zu klären, wo und genau womit wir solchen Zusammenhängen gewachsen sind und was genau das für die Region bedeutet…

— [Dokumentation] —

Das Buch von Renate Krammer

Künstlerin Renate Krammer gehört zu den markanten Bezugspunkten laufender Veranstaltungen von kunst ost. Vor allem ihr grafisches Werk demonstriert eine Tiefe, wo mit Ausdauer die langen Handlungsstränge ihres Tuns zu ästhetischen Erscheinungen führen, die neben ihren Themen, Inhalten, eben auch jene Zeit des Handelns repräsentieren.

Dieser Krammer’sche Weg ist nun Thema eines Buches, das am 8. Mai in Wien präsentiert wird. Renate Krammers „Linien/Lines“, erschienen in der edition keiper, bietet einen detailreichen Eindruck in diese kräfte- und zeitraubende Arbeit. Einige Blätter daraus sind hier als PDF-Dokument downloadbar: [link]

Philosoph Erwin Fiala präzisiert an einer Stelle des Buches, wie dann auch die Betrachtenden in das Prozeßhafte einbezogen werden: „Wird eine Fläche primär durch die Linie gestaltet, durch die zeichnerische Geste, so muss sie durch die Imagination des Betrachters ergänzt werden – und gerade darin liegt ein Merkmal der spezifischen Qualität des Graphischen.“

Renate Krammer (Foto: edition keiper)

Fiala an anderer Stelle: „Renate Krammer geht es zunächst aber darum, wie schnell die einfachsten piktographischen Formen und Zeichen beginnen, den Kommunikationsalltag zu determinieren und zu regeln, …“

Das verweist zum Beispiel auf die Anforderung, mit der wir im Alltag stets konfrontiert werden. Über eine Zeichenflut, mit welcher nicht bloß der öffentliche Raum intensiv bespielt wird, dringen stets Nachrichtern, Botschaften, Angebote auf uns ein. Während dieser Teil unsere Alltags davon geprägt ist, daß uns über solche Kanäle stets etwas angedient, verkauft, angedreht werden will, schaffen Kunstwerke ganz andere Zusammenhänge, in denen unsere „Blickkompetenz“ gefordert ist, unsere Fähigkeit, visuelle Codes zu lesen und zu dechiffrieren.

Übrigens! Bei unsere abschließenden Session zum „April-Festival“ im Bad Gleichenberger „Kopfbahnhof“ wird eine filmische Arbeit von Renate Krammer zu sehen sein: [link]

— [Krammer: Home] —

das kühle extrazimmer 12

ich wiederhole einen ganzen absatz aus einem vorherigen eintrag, um dann recht ausführlich darzulegen, warum und wie netzkultur eine wirkungsvolle position gegenüber dem boulevard und medien-bezogenen major companies ernöglicht.

„das wohnzimmer mit seiner elektronik-ausstattung als platons höhle? wenn ich netzkultur als ein sinnvolles praxisfeld verstehe, auf dem wir medienzugänge und medienkompetenzen erlangen und praktizieren können, dann heißt das vor allem auch: üben wir meinungsbildung, um eine meinung zu haben. üben wir mediengestützte kommunikation, um eine grundlegende vorstellung zu erlangen, wie diese angebliche ‚informationsgesellschaft’ funktioniert.“ [quelle]

falschmünzerei wurde zu einem grundlegenden handwerk der medienindustrie, die aneignung von bildern, aus denen irreführende selbstdarstllungen werden, sind standard. ich nehme einen kleinen umweg. drei große konzerne dominieren den nahrungsmittelmarkt in österreich. dabei werden produkte aus der industriellen landwirtschaft mit bildern aus der bäuerlichen landwirtschaft berworben, vermarktet. das heißt, der dominante apparat plündert die kultur des marginalisierten bereiches, um mit dessen erscheinungsbildern an jenen verkaufserfolge zu arbeiten, durch welche die bäuerliche landwirtschaft marginalisiert wird. das ist ein ziemlich zynischer prozeß, ein ungeschminkert raubzug.

übertrage ich diese erfahrung auf den medienbereich, passen die bilder natürlich nicht ganz genau. dennoch liegen ein paar anregungen in so einem vergleich. flaches entertainment gibt sich als kulturelles geschehen von relevanz aus und generiert jene breitenwirkung, über die anspruchsvolleres kulturgeschehen marginalisiert und abgewirtschaftet wird. was hat netzkultur dagegen auszurichten?

auch im alltag, etwa im restaurant um die ecke: arbeitsgeräte aus dem leben eines ärmlichen proletariats werden zum wohlfühl-dekor für die besser gestellten enkel und sind inhaltlich ein aufgelegter schwindel

wir haben uns von der werbebranche in wirtschaft, politik und einigen anderen genres daran gewöhnen lassen, daß die systematische täuschung von menschen akzeptabel sein soll, daß ein behaupten ohne belege preiszugeben und ohne einer verifizierung standzuhalten etwas anderes als lügen sein soll. diese mischung aus falschmünzerei und marktschreierei hat kuriose konsequenzen.

irgendwelche einwände? selbstverständlich! viele! aber!

gegenüber dem boulevard und den diversen major companies der medienwelt werde ich mich nicht als guerrilero gebärden, denn diese pose wäre mit einem federstrich erledigt. mit einem hammer in der hand eine festung flach machen zu wollen, das sind eitle träume, welche einen für einige zeit über den mangel an konkretem tun hinwegtrösten können.

andrerseits ist unsere kultur reich an erfahrungen, daß die tyrannis oft eine einzelne stimme fürchtet, daß ein system kursierende gerüchte bekämpft, daß klar vetretene positionen, auch wenn sie bloß ein flüstern auf dem glacis sind, zuweilen in der festung vernommen werden.

um bei der eingangs skizzierten analogie zu bleiben: es ist kategorial zwischen industrieller und bäuerlicher landwirtschaft zu unterscheiden, auch wenn die bilder täuschen. intentionen, methoden und wirkungsweisen sind höchst unterschiedlich. solche unterscheidungen kennen wir natürlich auch im medienbereich, in unserer informationellen umwelt. unsere kultur ist von solchen divergenzen geprägt.

doch um das eine vom anderen unterscheiden zu können, brauchen wir kriterien und neue medienkpompetenzen. vor allem, wo globale player via propaganda mimikry betreiben und in diesem geschäft der verstellung, der maskerade – wie erwähnt – oft jene kulturen plündern, die sie überrennen, an den rand drängen, marginalisieren. in diesen kräftespielen stehen einander also völlig ungleiche parteien gegenüber.

die erwähnten kriterien und medienkpompetenzen werden uns zum zweck einer angemessenen kritikfähigkeit selbstverständlich nicht von diesen major companies angetragen. wir müssen sie also von anderen instanzen einer gesellschaft beziehen. der kulturbereich ist nur eine dieser instanzen. kulturschaffende und die von ihnen geschaffenen initiativen sehen zum teil genau darin einige ihrer wesentlichen aufgaben und ein stück ihrer legitimation: medienkompetenzen und kulturell relevante inhalte zu vermitteln. das ist ein wichtiger inhaltlicher schwerpunkt, seit sich in österreich eine „netzkultur-szene“ herausgebildet hat.

netzkultur, das war für mich auch immer ein konsequenter diskurs über das, was wir da tun: robert adrian x (links) und peter karoshi in meinem "ncc-set" im "dom im berg" (2003)

dieser szenebegriff ist freilich ein sehr offener, der für ein vexierbild steht. aber im schnittpunkt mehrerer deutungen finden wir ein konglomerat von autonomen kulturinitiativen, print-leuten, radio-leuten und (kultur-) server-crews, begleitet von einzelnen kunstschaffenden oder kleinen gruppen davon. (siehe dazu auch: [ncc]!)

aus den frühen jahren der theorie und praxis dieser szene stand in österreich das prinzip, für „public access“ zu sorgen. das meinte in zeiten vergleichsweise hoher zugangskosten, für den kulturbereich möglichst fette, preiswerte übertraguntsraten einzufordern. es stand ein „austrian cultural backbone“ zur debatte. es gehörte dazu, für die nutzung dieser technologie kompetenzen der handhabung UND bezüglich inhaltlicher fragen zu bieten.

aus der zeitungs-szene waren diskurse um fragen der meinungsbildung längst eingeführt, war ein augenmerk auf inhaltliche kompetenzen und kommunikationsvermögen präsent. vom fall des rundfunkmonopols und der preis- wie performanceentwicklung im web-bereich versprachen wir uns neue möglichkeiten, die demokratischen anliegen bezüglich kritischer öffentlichkeit nun besser voranzubringen. ganz so ist es dann nicht gekommen. dennoch hat sich einiges ändern lassen. vor allem sind etliche unserer kulturpolitischen anliegen heute auch in gesetze eingegangen.

so korrespondiert beispielsweise, was ich unter dem stichwort „public access“ angedeutet habe, mit einem gesetzesauftrag, den man aus dem aktuellen steirischen kultuförderungsgesetz herauslesen kann. der paragraph 1 nennt im absatz (4) als „insbesondere folgende Ziele“ der kulturförderung unter anderem „eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit“.

das ist auffallend NICHT das geschäft der meisten medienkonzerne. ich nenne stellvertretend das genre tv. fernsehsender fluten unseren alltag mit bildern, die vorgeben, unsere realität abzubilden, was definitiv nicht der fall ist. dabei entsteht eine normative kraft, durch die unsere realität gezwungen wird, sich an diesen bildern messen zu lassen, sich ihnen sogar anzugleichen. das surrogat erhebt sich über das original. das ganze ist außerdem ein enormes business. wohin das zielt, hat berlusconi unmißverständlich klar gemacht.

in der debatte mit philosoph erwin fiala (rechts)

also was tun, wenn sich der boulevard in solchem vorgehen weder bremsen noch aushebeln läßt? ein erster schritt kann sein, sich klar zu machen, daß „die öffentlichkeit“ und „der öffentliche diskurs“ nur phantasmen sind. beides gibt es nicht. es gibt statt dessen ein stückwerk an mehr oder weniger qualifizierten teilöffentlichkeiten. was wir als öffentlichkeit oder öffentlichen diskurs wahrnehmen, ist tatsächlich nicht mehr als ein chor sehr unterschiedlicher stimmen.

allerdings bemühen sich major companies auffallend, diesen chor zu homogenisieren. bezüglich der nazi-ära waren derlei bemühungen mit dem begriff „gleichschaltung“ bedacht. ich meine, der begriff taugt heute noch, um zu benennen, was hier versucht wird. das phantasma von „der öffentlichkeit“ verdeckt den stückwerk-charakter von realer öffentlichkeit.

hat man das einmal verstanden, mag einem deutlich werden, daß sich auch kleine chöre und einzelne stimmen in diesen chor, in dieses stückwerk mischen können. war das noch vor jahrzehnten stark davon abhängig, wer dank welcher türhüter welche medienzugänge hat, so hat die aktuelle mediensituation den gatekeepers sehr viel an bedeutung genommen.

die „neuen medien“ haben – nur weil sie da sind – noch keine „neue demokratie“ eingeführt, aber sie haben die mediensituation prinzipiell enorm verändert. das „broadcasting“ war eine methode des faschismus: „ein sender/viele empfänger“. durch die edv-gestützte medienkonvergenz plus die faktische situation „viele sender/viele empfänger“ ist broadcasting keineswegs suspendiert, aber die karten wurden neu gemischt.

was wir also brauchen, sind medienpraxis, medienkompetenz, aber auch einige „alte qualitäten“, also basics der meinungsbildung und des diskurses.

mit diesen fertigkeiten und dem willen, eine zeitgemäße zivilgesellschaft zu formieren, die sich an bewährten bürgerrechten orientiert und deren praktische umsetzung laufend probt wie praktiziert, können sich einzelne in den vorhin erwähnten chor einbringen, können gruppierungen in diesem zusammenhang längerfristig erhebliche wirkung entfalten.

ich werde mich in solchen prozessen selbstverständlich nicht an einrichtungen messen, mit denen ich in keiner weise vergleichbar bin. das heißt, mein tun im medienbereich und im bereich der netzkultur braucht sich nicht an der enormen wirkung großer companies messen lassen. es genügt, wenn ich in meinem unmittelbaren lebensraum mediale wirkung entfalte und dem DAUER verleihe.

meine praktische erfahrung besagt, daß ich innerhalb eines bezirkes, einer einzelnen stadt sowieso, eine mediale situation zu generieren vermag, die etwa von ortshonoratioren und von der regionalpolitik nicht ignoriert werden kann. wenn ich das schaffe und wenn da noch, 20, 50, 100 andere wären, die das in ihrem umfeld auf ähnlich art pflegen, wäre die situation einer zivilgesellschaftlichen öffentlichkeit schon eine völlig andere als unser jetziger status quo.

ich denke, dafür muß die sache mit der meinungsbildung sehr ernst genommen werden. also sachkenntnis und kommunizierbare positionen, bei gleichzeitigem verzicht auf die phrasendrescherei, wie sie der boulevard pflegt, wie wir sie auch aus der politik kennen. es gibt keinen grund, sich des jargons zu bedienen, der von kommerziellen medien forciert wird, weil man den menschen angeblich mehr komplexität nicht zumuten könne.

die marktlage mag es den firmen ja aufzwingen, daß man im brutalen wettkampf mit anderen die aufmerksamkeit von massen an sich reißt und für einige minuten bei sich halten kann. marktschreierei und komplexitätsreduktion bis zur nach unten ausgebeulten flachheit müssen wir von solchen anbietern weder übernehmen, noch müssen wir mit diesem getöse konkurrieren.

wir können all die nischen besetzen, die von solchem lärm verschont oder abgeschottet sind. vielleicht muß man manchmal sehr leise werden, um gehört zu werden.

[NETZKULTUR: der überblick]