Von Martin Krusche & Richard Mayr
Diese Episode bietet gewissermaßen einen Blick auf unsere Werkbank, greift einen Moment aus einem komplexen Prozeß heraus.

Von Martin Krusche & Richard Mayr
Diese Episode bietet gewissermaßen einen Blick auf unsere Werkbank, greift einen Moment aus einem komplexen Prozeß heraus.
Ich bin laufend mit Sammlungen befaßt. Mit meinen eigenen, in bescheidener Dimension, mit weit üppigeren, die sich manche Menschen leisten, mit so stattlichen, daß sie nach eigenen Häusern verlangen.
Eine der anregendsten ist in dieser Geschichte die private Wunderkammer von Emil Gruber, von dem der einleitende Traktat zu unserem Avantourismus stammt: [link]
Es ist bloß die Hälfte der Lieferung. Der Fahrer war so freundlich, mir meine Wohnungstür nicht völlig zuzumauern. Außerdem kamen die Pakete in zwei Durchgängen. Das hat seine Vorteile, denn Kartons, mit solchen Alben vollgepackt, bringen es auf ein stattliches Gewicht, das geschultert und unters Dach verbracht werden muß.
Also habe ich mir diese freudigen Mühen aufteilen können. Es ist insgesamt eine lange Geschichte auf einem gewundenen Weg. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich begonnen hab, mit Michael Toson an diesem Vorhaben zu arbeiten. Nun aber liegt das kuriose Album vor mir und duftet heftig. Ich liebe den Geruch von Druckfarbe ebenso wie den von altem Papier, welchen betagte Bücher verströmen. Frische Drucksorten riechen naturgemäß vollkommen anders.
Ich mag auch diese gewundenen Wege, auf denen etwas wird, das sich derart prozeßhaft entwickelt, langsam entfaltet. Hier ist es ein Stück Mobilitätsgeschichte, das erzählt und gezeigt wird. Die Historie hab ich zusammengefaßt, Techniker Michael Toson schuf die Ausschneidebögen, Graphic Novelist Jörg Vogeltanz besorgte das Art Work.
Die „Puch-Werke“, das sind neun Bastelbögen mit den maßgeblichen Fahrzeugen aus der Grazer Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier eine kleine Leseprobe der Geschichte zu dieser Geschichte: [link]
So ist außerdem ein Akzent gesetzt, mit dem unser Kuratorium für triviale Mythen in einen nächsten Bereich der Arbeit an unserer Mobilitätsgeschichte geht. Das hat eine Erzählebene in der Themenleiste „Die Gefolgschaft des Ikarus“: [link]
Das hat außerdem schon bald eine Station im Rahmen unseres April-Festivals: „Gehen, reiten, fahren“ (Fahrzeug & Fetisch) [link] Die Geschichte des 20. Jahrhunderts belegt mehr als deutlich, daß die soziokulturelle Inszenierung und emotionale Aufladung dieser Hauptobjekte einer damals neuen Massenkultur, der Automobile und schließlich Motorräder, so radikal, langfristig und mit derart hohem Budgetensatz betrieben wurde, da kann eine rein rationale, vor allem ökologisch begründete Kritik dieser Entwicklung gar nicht hinreichen.
Wir wollen also klären, über welche soziokulturellen Zugänge diese Thema greifbarer werden kann und wohin diese Entwicklung führen mag…
[Das Puch-Buch]
(Euro 9,- zuzügl. Versandkosten)
[Der Avantourismus]
[Das April-Festival 2012]
wir haben bei „kunst ost“ die aufgabe gewählt, im zentrum unserer arbeit der GEGENWARTSKUNST zu mehr augenmerk, wertschätzung und spielraum zu verhelfen. um das zu bewirken, sind wir allerdings gut beraten, den größeren zusammenhang dieses kulturellen themas zu beachten, zu betrachten und zu bearbeiten.
wir konzentrieren uns also über weite strecken auf SOZIOKUKTURELLE themenstellungen. der themenrahmen ist so definiert: „zwischen landwirtschaft und high tech“. dabei beziehen wir uns vor allem auf aspekte der sozialgeschichte und mentalitätsgeschichte, um von daher auf die gegenwärtige alltagspraxis verschiedener lebensbereiche einzugehen.
rund um das vorhaben „vision 2050“ ergeben sich nun anlässe, erneut zu klären, welche rollen KULTURSCHAFFENDE im gemeinwesen finden und einnehmen können. gemeinwesen, das ist im grunde auch ein überbegriff für die summe jener kräftespiele, in denen sich menschen zwischen eigennutz und gemeinwohl entscheiden. dieses thema habe ich gerade in einer begegnung gestreift.
gemeinderat wolfgang leitner ist techniker. in einer kleinen plauderei hat er jene zwei interessanten pole betont, die zu beachten vermutlich sehr wichtig ist. einerseits spricht er gegen die inzwischen immer häufiger beklagte überregulierung und meint berispielsweise: „wenn du dir ein haus baust, willst du ja auch nicht, daß dir jedes detail vorgeschrieben wird.“ auf der anderen seite, wenn wir über belange der ökonomie und ökologie sprechen, sagt er: „manches kannst du nur über den preis und über vorschriften regeln“, weil die meisten menschen in der orientierung auf eigennutz keine ausreichende motivation aufbrächten, diesen eigennutz zugunsten des gemeinwohls angemessen zurückzunehmen.
ich denke, genau hier stecken auch manche vorhaben der regionalpolitik fest. ich schließe daraus, daß gemeinwohl passend dargestellt werden muß, um in diesen punkten etwas voranzubringen. und das geht sicher nicht über flotte werbesprüche. für kunst- und kulturschaffende kann das bedeutet: begegnen und erzählen. („erzählen“ meint hier freilich ganz verschiedene künstlerische techniken und verfahrensweisen.)
das meint nicht, der kulturbetrieb sei als „werkzeugkiste“ für sozialarbeit und regionalpolitische reparaturarbeiten gedacht. der kulturbetrieb schafft einen ereignis- und erfahrungsraum für einige ganz grundlegende kompetenzen der menschen. das hat auch seine trivialen ausläufer.
ich sehe mich selbst als ein kind der pop-kultur. diese proleten-situation in grazer hochhäusern hatte zwar einzelne momente mit beethoven und mozart, aber ohne goethe, zweig und handke. das war also keine kindheit nach der art des bildungsbürgertums, sondern eine welt, in der „readers digest“ und popmusik dominiert haben, in der comic-hefte als „schundhefte“ ausgewiesen, aber sehr populär waren.
diese meine welt, in der harte schläge als normal galten, aber intellektualität verdacht erregte, ließ mich an trivialen stoffen großen geschmack finden. das ist ein stück hintergund jenes tätigkeitsbereiches, den wir heute in der region einem „kuratorium für triviale mythen“ übertragen haben: [link] von sammler emil gruber, der unser manifest des „avantourismus“ verfaßt hat, habe ich eine vorstellung von „wunderkammern“ bezogen, die sehr emotionales, genau nicht theoretisch fundiertes sammeln ausdrücken.
in grubers avantouristischen traktat heißt es an einer stelle: „2. Unsere vertragliche Pflicht ist nicht die ordnungsgemäße Vermittlung von Pauschalavantourismuserkenntnissen sondern individuelle avantouristische Erkenntnisleistungen.“ ein ironischer hinweis darauf, daß wir erfahrung und erkenntnis nur über eigeninitiative und die wahrnehmung eigener verantwortung für erreichbar halten.
inzwischen sind freilich noch ganz andere felder von jugendkulturen aufgegangen, die von anderen musiken und anderen codes bestimmt sind, anders als alles, mit dem ich aufgewachsen bin. kurios genug, daß wir darin berühungspunkte und überlappungen finden, denn wenn diese youngsters party machen, repräsentiere ich eigentlich dabei die generation, die von ihnen schon zu großeltern gemacht wurde. das ergibt interessante begegnungen und kuriose interferenzen: [link]
noch einmal zurück zu gemeinderat wolfgang leitner, der dem kulturausschuß von gleisdorf angehört. in unserer erörterung kam ein nebensatz vor, den ich für sehr wichtig halte: „wir können im kulturausschuß nur bearbeiten, was uns vorgelegt wird.“ der ausschuß ist also kein gremium, das von sich aus in kulturpolitischen fragen aktiv wird. er ist ein fachausschuß, der dem gemeinderat zuarbeitet.
daraus folgt, wir müssen vor allem einmal von uns aus klären, welche rollensituation und welches verhältnis wir als kunst- und kulturschaffende gegenüber a) dem gemeinderat und b) dem kulturausschuß einnehmen wollen. von da ab kann sicherlich wachsende verständigung greifen, kann sich auch ein zeitgemäßer entwurf der kooperation zwischen a) der kommune und b) bürgerinnen und bürgern entwickeln.
was das an kulturpolitischen optionen für nicht bloß einen ort, sondern eine region ergeben soll, will erst geklärt sein.
[2050: übersicht]
die „avantouristische zentralbibliothek“ hat zuwachs erhalten. diese kleine bibliothek hat sozialhistoriker matthias marschik vor einer weile mit seinem opulenten band „flieger, grüß‘ mir die sonne …. eine kleine kulturgeschichte der luftfahrt“ initiiert. sammler emil gruber setzte mit dem film „two lane blacktop“ von monte hellman einen wichtigen cineastischen akzent in dieser jungen sammlung.
nun kam per post gerade marschiks aktuelle publikation: „automobil in wien 1955-1975“. der band erschien im „sutton verlag“ wo zur zeit unsere gemeinsame publikation über den steyr-puch 500 in arbeit ist. das „kuratorium für triviale mythen“ [link] ist also wieder aktiver und der „avantourismus“ wird neue blüten treiben.
unser nächstes projekt ist eine publikation mit den ausschneidebögen von michael toson, wobei das artwork von graphic novelist jörg vogeltanz kommen wird. apropos toson. der fährt inzwischen, wenn das wetter nicht zu unfreundlich ist, einen ferrari mondial, was am steuer einige unerschrockenheit verlangt und in der garage die fertigkeiten eines versierten mechanikers.
marschik und ich sind bescheidener motorisiert, dafür mit unseren überlegungen gerade in den optionen jener legendären hochenergie-zone, die sich überm teich als ära der „muscle cars“ manifestiert hat, während europas automobilismus ideologisch und technisch andere wege ging. aber dem thema widmen wir uns wohl erst kommendes jahr näher. (siehe zu marschik auch: „individuelle mobilität„!)
lokalaugenschein. platzabsprachen. einige drinks und plaudereien. mit franz sattler und emil gruber (foto) im wollsdorferhof; also draußen auf der „strecke“, wo wir in wenigen tagen die ausstellung „wheels“ eröffnen werden. davor wird noch eine andere ausstellung eröffnet: „ungleich/ist gleich“ [link]
das heurige „april-festival“ ist zu einer bemerkenswerten schau kollektiver kreativität geworden. dabei zeigt sich einmal mehr, daß es für solche ereignisse eben nicht bloß um gegenwartskunst gehen kann, sondern erst eine verknüpfung aller „vier genres„ zu einem derartigen ereignis führt.
der bisherige verlauf und die inhaltliche arbeit hat übrigens inzwischen eine klare themenstellung für das kommende jahr und das „april-festival“ 2012 ergeben. wir werden uns eine komplexe aufgabenstellung erarbeiten und dann an die umsetzung gehen: „leben: die praxis der zuversicht“. die startseite ist schon montiert: [link]
ich hab inzwischen auch etwas zeit gefunden, unsre radio-leiste voranzubringen. in sound-miniaturen von jeweils rund zwei minuten länge deponiere ich die „kunst ost kulturnotizen“ auf „radio gleisdorf“ und schließlich in unserem ton-archiv. das aktuelle blatt: [link]
übrigens, die online-dokumentation des
erzeitigen „april-festivals“ wächst: [link]
wenn es gar so dicht hergeht, neige ich zu komplexitätskrisen. (dabei hat nicht die momentane komplexität meiner arbeit eine krise, sondern ICH wegen eben dieser komplexität.)
das hängt nicht bloß mit einem größeren arbeitspensum zusammen. es ereignet sich vor allem, wenn ich innerhalb einzelner tage zwischen zu vielen zu kontrastreichen themen und aufgaben hin- und herpendeln muß.
da liegen dann zum beispiel gerade 60 zentimeter gedicht an … kleiner scherz! zu unserer station „wheels“ im rahmen des „april-festivals“ habe ich ein gedicht geschrieben, das in seiner endfassung bestätigt sein will, um auf ein banner von 60 x 60 zentimeter zu kommen: [link]
doch bevor wir diese station realisieren, steigt noch der erste „tag der trivialen mythen“, genauer: an diesem tag auf dem anwesen der familie pölzer in brodingberg steigt unsere „essig-rakete“.
und das ist keine gar so kleine sache, die medienkünstler niki passath da vorbereitet. übrigens, hier ist eben bei „vive les robots“ ein interview mit passah erschienen: [link] während ein teil der crew an der rakete arbeiten wird, hat ein anderer teil in der küche zu tun.
bei der brodingberg-session wird nämlich unsere experimental-bäckerin ida kreutzer ordinieren. sie repräsentiert für mich eine zeitgemäße deutung des begriffes kunsthandwerk. (mitte des monats wird ida übrigens ihre neue firma formell eröffnen.)
inzwischen wäre mit meinen „drei tenören“ ein lokalaugenschein fällig, aber zum bevorzugten termin habe ich schon einen lokalaugenschein mit meinen „avantouristen“. (franz sattler plädiert inzwischen längst wieder für das reisen. ja, wir sollten abhauen!)
übrigens! heimo steps, zur zeit vorsitzender des steirischen förderbeirates, hat mir nun die zwei termine für die „talking communities“ bestätigt. wir werden also im mai den öffentlichen diskurs über rahmenbedingungen des kunstgeschehens fortführen.
soll ich weitererzählen? ich lasse es vorerst. gehen wir einmal durch die nächsten stationen, dann werde ich hier die weiterens schritte im projekt „kunst ost“ darlegen.
— [april-festival] —
das aktuelle arbeitsjahr von „kunst ost“ wird verstärkt der idee gewidmet sein, aktion und reflexion beieinander zu halten. kunstpraxis in einigen konkreten veranstaltungs-vorhaben. kompetenz-gewinne durch eine kontinuierliche auseinandersetzungen mit fragen zur kunst. debatten und konkrete schritte quer durch die region.
ein beispiel, wie dabei auch „unscharfe zonen“ geschätzt werden: unser „kuratorium für triviale mythen“ ist eingerichtet, um die grauzonen und die überlappenden felder zwischen alltagskultur und gegenwartskunst zu bearbeiten. aktuell lösen wir das im „avantourismus“-projekt „wheels„ ein. (das steht seinerseits bewußt im kontrast zum „tag der agrarischen welt“.)
eine spezielle anordnung haben wir in jenem „work in progress“, für das sich drei unternehmer der region eingefunden haben … um selbst eine persönliche rolle im kulturgeschehen der gegend einzunehmen, die zu einem gemeinsamen künstlerischen statement führen soll: [link]
inzwischen bereiten wir weitere station der „konferenz in permanenz“ und der „talking communities“ vor, außerdem besuchen wir demnächst das hochspannungslabr der TU in graz. das knüpft an schritte an wie etwa kürzlich der gemeinsame besuch der ausstellung „roboterträume“: [link]
wie erwähnt: aktion und reflexion in einem fluß der ereignisse. all diese möglichkeiten fließen augenblicklich in das kommende „april-festival“; die wachsende übersicht: [link]
gruber, sattler und ich … wir sind drei männer, die knapp nach der mitte des 20. jahrhunderts geboren wurden. das ist insofern von bedeutung, als wir mit einem sozialen versprechen aufwuchsen, das während des zweiten weltkrieges formuliert wurde: „ihr werdet ALLE am kommenden wohlstand teilhaben!“
dieses große versprechen hatte ein zentrales kultobjekt, ein vehikel, das sehr bald selbst zum materiellen ausdruck dieses versprechens wurde: das automobil. emil gruber, franz sattler und ich stammen aus eher proletarischen milieus. in unseren kindertagen war der erwerb eines eigenen autos eine soziale sensation mit enormen konsequenzen.
zugleich sind wir kinder der pop(ulär)kultur. eine gewaltige kulturelle bewegung, die auf kunst und wirtschaft gleichermaßen radikal einfluß genommen hat. ein soziokulturelles phänomen, das in wenigen jahrzehnten weltumspannende präsenz und wirkung erreichte.
wenn wir uns nun in der „energie-region“ diesem themenkomplex widmen, dann bedeutet das, wir bearbeiten fundamente dieser (industrie-) gesellschaft, wir gehen den rätseln, fragen und anforderungen nach, die am beginn des neuen jahrhunderts offensichtlich sind. diese ganze geschichte, zugleich ein populäres mythengebilde, ist nicht nur gelegentlich anlaß für kriege gewesen, es ist auch eines der zentralen momente jener umbrüche, in die wir mittlerweile gestürzt sind.
was ist also das große ganze und wie zeigt es sich in seiner regional erfahrbaren dimension? welche erzählungen klingen dabei an und welche politischen kräftespiele erreichen uns in diesem zusammenhang?
das trio gruber-krusche-sattler setzt dazu beim kommenden „april-festival“ einen akzent in der gemeinde albersdorf, welche stark vom industriellen geschehen im vorgelagerten raab-tal geprägt ist. das trio wird über mittel der bildenden kunst und der literatur ein gemeinsames künstlerisches statement erarbeiten, das in einem foto von franz sattler und einem song von bruce springsteen seinen ausgangspunkt hat.
so entsteht die ausstellung „wheels“. sie ist ihrerseits kein isoliertes einzelereignis, sondern der impuls für ein längerfristiges projekt, in dem wir den weiten horizont der gesamten themenstellung ausleuchten werden.
an einer stelle des springsteen-songs „thunderroad“ heißt es: „we got one last chance to make it real / to trade in these wings on some wheels“. die flügel und die räder; in kombination eine nun schon jahrhundert-metapher für mobilität …
„wheels“ ist ein weiterer „avantourismus“-akzent, initiiert vom „kuratorium für triviale mythen“.
+) april-festival: „elektrisiert“
+) avantourismus
+) kuratorium für triviale mythen