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Tip: „zweintopf“ in Gleisdorf

Ein Teil der Arbeit des Duos zweintopf (Eva Pichler & Gerhard Pichler) führt konsequent durch den öffentlichen Raum. Andere Schritte okkupieren geradezu klar begrenzte Räume. So diese Landschaftsdeutung:

„fencing IV (landscape)“
zweintopf
Vernissage: Freitag 06.07.2012, um 18:00
Galerie einraum, Gleisdorf
(Ausstellungsdauer bis Ende Juli)

Das Duo "zweintopf“ und Kunstsammler Erich Wolf (rechts)

„Ein lineares Element, das eigentlich der Grenzziehung und -durchsetzung dient, wenn auch meist in Zusammenhang mit „untergeordneten“ Lebewesen, die es ohne großen Aufwand auf den ihnen zugeordneten Flächen hält, ist das Grundelement für eine raumgreifende Installation im Einraum Gleisdorf. zweintopf verwendet dazu handelsübliches Zaunband: ein vier Zentimeter breites Kunststoffgeflecht, verwoben mit feinen Drahtlitzen, das aus dem fortschrittlichen, westlichen Landschaftskontext kaum mehr wegzudenken ist.

Aus dieser Linie falten sich in unzähligen, genormten Schichten imaginäre Gebirge auf, die mittels Weidezaungerät unter gleichmäßig pulsierenden Strom gesetzt werden können. Eine Vereinnahmung des Raumes, die damit gleichzeitig seine strikte Ausnehmung bedeutet: die Landschaft und damit der Ausstellungsraum selbst scheinen sich hier zu wappnen, wenn sie sich nach dem Prinzip der Konditionierung jeder Berührung und damit einer planmäßigen Eroberung und Nutzung entziehen.“

Die Website von zweintopf: [link]

kunst ost & kultur.at

Was heute kunst ost ist, begann im Jahr 2009 als ein Projekt des kultur.at: verein für medienkultur. Es war das überhaupt erste LEADER-Kulturprojekt der Steiermark. Dieses Projekt wurde inzwischen aufgrund seiner Komplexität als eigene Rechtsperson (Verein) etabliert, ereignet sich aber nach wie vor im engen Wechselspiel mir kultur.at.

Das wird im Zentrum von drei Personen erbracht, die einen konkreten Kompetenzen-Mix repräsentieren:
+) Martin Krusche (Künstler): Kunstpraxis, Kulturpolitik, Alltagskultur und Mobilitätsgeschichte, Projektentwicklung, eigenständige Regionalentwicklung
+) Mirjana Peitler-Selakov (Kunsthistorikerin): Kuratorische Arbeit, Kulturpolitik, Frauen & Technik, Projektentwicklung
+) Jörg Vogeltanz (Graphic Novelist): Kunstpraxis, Graphic Design, Projektentwicklung

Bei kunst ost sind inzwischen a) durch „location crews“ und b) durch „Laborgruppen“ weitere Kompetenzbereiche erschlossen. Darüber hinaus bestehen inzwischen regionale Kooperationen mit verschiedenen Einrichtungen, deren Schlüsselpersonen uns in folgenden Themen verstärken:

Durch Kooperationspartner sind folgende Kompetenzen repräsentiert:
+) Gerwald Hierzi (City-Manager Gleisdorf): regionale Fragen, kommunale Fragen, Wirtschaft, eigenständige Regionalentwicklung
+) Günther Marchner (Sozialwissenschafter) Kulturpolitik, Projektentwicklung, eigenständige Regionalentwicklung
+) Andreas Turk (Ziviltechniker) regionale Fragen, kommunale Fragen, Projektentwicklung, eigenständige Regionalentwicklung
+) Erich Wolf (Unternehmensberater/Kunstsammler): steirische Gegenwartskunst nach 1945, Wirtschaft, Projektentwicklung

Wir arbeiten in Summe an einer Neudeutung und Praxis des Verhältnisses zwischen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in der speziellen Situation abseits des Landeszentrums.

Unser Gesamtvorhaben befaßt sich
a) mit den Fragen der Medienkultur und der Medienkonvergenz in Theorie und Praxis (internetgestützt und im analogen Raum),
b) mit den Bedingungen der Gegenwartskunst abseits des Landeszentrums,
c) mit Alltagskultur und Mobilitätsgeschichte,
d) mit Fragen einer zeitgemäßen Kulturpolitik in der „Provinz“ sowie
e) einer angemessenen Praxis im Aufbau und Bestand einer regionalen Community.

Daraus resultieren Diskursarbeit, Bildungsaufgaben, kulturellen Vorhaben und künstlerischen Projekte in landes- und bundesweiten, aber auch internationalen Kooperationen.

Das ergibt als Hauptthemen:
+) Gegenwartskunst,
+) Frauen & Technik,
+) Alltagskultur,
+) Mobilitätsgeschichte,
+) Medienkompetenz in Dimensionen eigenständiger Regionalentwicklung.

Unser außerösterreichischer Kooperationsschwerpunkt liegt vor allem in Südosteuropa (Balkan).

Und wie zeigt sich, daß es funktioniert, wenn was funktioniert? Zum Beispiel:
+) im Entstehen autonomer „Location Crews“, die sich selbstständig organisieren und uns über „Schlüsselpersonen“ zur Kooperation verbunden sind
+) in projektbezogenen Kooperationen mit eigenständigen Kulturinitiativen
+) in laufenden Diskursen innerhalb einer wachsenden Community, welche über Internetstützung verbunden bleibt
+) in wachsender Vernetzung mit Kulturschaffenden, mit Sach- und MachtpromotorInnen
+) in medialer Präsenz und im Medienecho plus angemessene Zugriffszahlen im Web
+) im wachsenden Echo bei Funktionstragenden von Politik und Verwaltung in der Region
+) über angemessene Inhalte in der kommenden Publikationsreihe („Fachbibliothek“)
etc. etc.

KWW: Was geht, was kommt, was (aus-) bleibt…

Wir sagen gerne „Die Wirtschaft“, aber so weit ich sehe, gibt es „Die Wirtschaft“ nicht; wenigstens nicht in dem Zusammenhang, der uns Kunst- und Kulturschaffende hier in der Region beschäftigen mag. Wir träumen gerne. Wir träumen uns das Echo anderer Verhältnisse zurecht. Das führt zu ganz merkwürdigen Klitterungen.

Da wären also „Die Mäzene“. Die gehören aber, so das Träumen, den Vergangenheiten an. Deshalb habe „Der Staat“ die Mäzene abgelöst. Und wo könnte sonst noch Geld für die Kunst herkommen? Na, denken Sie doch an „Die Wirtschaft“!

Kaufmann Gregor Mörath macht in seinem Geschäft eine erste Ausstellungserfahrung

Wie erwähnt, die gibt es nicht. Und Kunstschaffende, die ökonomisch zu hundert Prozent vom Staat abhängen, sind auch eine fragwürdige Option. Das wirft allerdings einige Fragen auf. Wie sollen sich Staat, Markt und Zivilgesellschaft zueinander verhalten? Warum sollen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander zu tun haben?

Wie möchten wir den Umgang der verschiedenen Sektoren miteinander geregelt haben? Welche Geldflüsse soll es geben, gestützt auf welche Art von Leistungsaustausch? Ich kann das rausbrüllen, so oft ich will, vorerst erhalte ich keine Antworten. Die einzige markante Antwort, die ich aus meinem Umfeld kenne, wird von der IG Kultur Steiermark promotet und lautet: „plus 25%“. (Ein schwaches Statement!)

Ich bleib noch etwas beim beliebten Bild „Die Wirtschaft“. Das bedeutet in Österreich, über 60 Prozent der heimischen Betriebe sind EPU, also „Ein-Personen-Unternehmen“. Die werden naturgemäß eher selten im Bereich Kunstsponsoring aktiv, zumal ein erheblicher Anteil dieser EPU über die Jahre selbst unter großem ökonomischem Druck steht.

Die EPU sind gewissermaßen Teil der KMU: „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der Unternehmenslandschaft und haben damit wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur.“ [Quelle] Laut „KMU Forschung Austria“ sind das „99,6% der gewerblichen Wirtschaft“ [Quelle] Die reißen uns hier auch nicht heraus.

In unserer regionalen Kulturpraxis habe ich es permanent mit EPU-Leuten zu tun, ferner mit einigen führenden Kräften von Klein- und Mittelbetrieben, wie etwa der Stadtapotheke, dem Kaufhaus Mörath, Elektro Kurtz, Buchhandlung Plautz oder die eigenständige Volksbank, Raiffeisenbank, Zweirad Laller etc.

Soweit dort Budgets für Kunstprojekte vorhanden sind, gehen sie in eigene Kulturveranstaltungen. Investitionen in die Vorhaben anderer Leute sind von diesen Betrieben her die Ausnahme.

Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer von „KWB“, bei einer Session mit Künstlerin Maruša Sagadin (Foto: Sagadin)

Keiner dieser Betriebe mit unterschiedlich großem Angestelltenstab hat Ressourcen, die ein konventionelles Kunstsponsoring ermöglichen würden. Sachleistungen sind möglich. So hat mich etwa Bernhard Kurtz (Elektro Kurtz) noch nie abblitzen lassen, wenn ich für eine Veranstaltung einen großen Monitor plus DVD-Player gebraucht hab etc.

Es gibt in dieser Betriebsdimension gelegentlich Ausnahmen wie etwa den Unternehmensberater Erich Wolf, der erhebliche Mittel in Ausstellungen, Kataloge und Werke investiert; weil er Kunstsammler ist. Das heißt, er folgt seinen eigenen Intentionen und Obsessionen, agiert nicht als Sponsor im herkömmlichen Sinn.

In der nächst größeren Betriebskategorie sieht das schon anders aus. Etwa Binder +Co oder KWB, da hat man Ressourcen und auch eine entsprechende Orientierung, durch die eine Kofinanzierung von Kunstprojekten immerhin möglich ist, zuweilen vorkommt.

Von einigen Betrieben der Region weiß ich, daß sie Kunstsammlungen haben, was ja seinerseits Mittel bindet, die folglich nicht in „außenliegende“ Aktivitäten investiert werden. Das heißt: Die Kunstaffinität ist da, aber die verfügbaren Mittel sind gebunden.

Manches Engagement muß, wie wir es eben erlebt haben, nicht einmal nach außen und an eine Öffentlichkeit adressiert sein. Es kann auch bedeuten, ein Kunstprojekt firmenintern abzuwickeln. Was dabei unausweichlich bleibt: Der Anspruch an hohes inhaltliches Niveau und professionelle Umsetzung.

Wenn eine Firmenleitung Geld verfügbar macht, damit etwa die Management-Riege mit einer Künstlerin in eine Tages-Session geht, dann handelt das von Anforderungen, welche regionale Voluntaries für gewöhnlich nicht zu erbringen imstande sind; so zumindest unsere praktische Erfahrung.

Da brauch ich schon wen, der oder die a) das Metier beherrscht und b) die Abläufe bewältigt, wenn Leute mitziehen, die etwa noch keinerlei Erfahrung mit solchen Sessions haben; ich benötige dazu aber vor allem Ideen und Konzepte, auf die sich eine Firmenleitung einläßt.

Derlei Ideen und Konzepte fallen weder vom Himmel, noch sind sie flott formuliert und noch flotter verkauft. Es kann in Firmen ohne weiteres auf einen mehrmonatigen Dialog mit Entscheidungstragenden hinauslaufen, die ihrerseits allenfalls erst etwas herausfinden müssen bzw. mitgestalten möchten. Es ist also in der Anbahnung mitunter sehr arbeitsintensiv.

Unternehmensberater Erich Wolf folgt mit großer Zähigkeit seinen Kunst-Obsessionen

Internationale Players investieren bei uns eher nicht in regionale Kunstprojekte. Ich sehe bestenfalls ihre Logos auf den Plakaten von Sportvereinen. Die Gegenwartskunst hat hier keinen vergleichbaren Stellenwert und was die Voluntaries machen, wird von einem Management wie etwa dem bei Magna Steyr keiner näheren Betrachtung unterzogen.

Wo aber Wege offen sind, hab ich noch nie gehört, daß vom Kunstfeld eine grandiose Idee angekommen sei, die das umgehende Zücken eines Scheckheftes bewirkt hätte. Wege. Zeit. Prozesse. Ich denke, wo es gelingt, einzelne Geschäftsleute für Vorhaben zu interessieren und schließlich zu gewinnen, müssen beide Seiten geneigt sein, miteinander Erfahrungsschritte zu setzen. „Schnelles Geld“ ist dabei keinerlei relevante Kategorie.

Was dann hinter dem nächsten oder übernächsten Horizont an Kooperationen zwischen Kunst und Wirtschaft greifbar werden mag, das muß, wie mir scheint, inhaltlich und in den Modusfragen überhaupt erst erkundet, erarbeitet werden.

— [kww] —

Vision 2050: Das aktuelle Ensemble

Kürzlich notierte ich hier in „Was (nicht) zu übersehen war“: „Wir haben miterlebt, wie Wissensarbeit immer weniger wert wurde, also immer schlechtere Bezahlung erhielt. Wir sind in einer Situation angelangt, die von Kompetenzverlusten und Stagnation geprägt ist.“ [Quelle]

Sozialwissenschafter Günther Marchner beim Nachdenken in Gleisdorf

Es war nicht das erste Mal, daß ich diese Aspekte – Kompetenzverlust und Stagnation – zur Sprache gebracht hab. Was mag dem gegenüberstehen? In meiner Themenreihe „Die Gefolgschaft des Ikarus“ ging es am 18. Mai um eine kleine Schlußfolgerung:

„Eine Sache um ihrer selbst willen gut zu machen, im gesamten Ereignisfeld zwischen materiellen und immateriellen Möglichkeiten. Das scheint eine Grundlage zu sein, auf der wir vorankommen, wenn wir klären möchten, was es mit Würde auf sich haben mag…“ [Quelle]

Sie können davon ausgehen, daß ich in derlei Denk- und Arbeitsansätzen einige Schnittpunkte mit jenen des Kulturwissenschafters Günther Marchner habe.

So heißt es bei ihm in der Beschreibung eines aktuellen Projektes etwa: „Mit der Veränderung von Wirtschaft, Arbeitswelten und Technologien geht altes Wissen und Erfahrungswissen von Menschen in Gemeinden, in Betrieben oder in der Landwirtschaft verloren.“

Erfahrungswissen. Das ist eine Kategorie und kulturelle Dimension, die in unserer Sozialgeschichte jenen Bereich des Handwerks dominiert, von dem sich vor eigentlich erst recht kurzer Zeit das Ingenieurswesen abgezweigt hat, das Metier der „Maschinenwissenschafter“, also derer, denen oft eine Theorie dem Ergebnis vorausgeht, während im Handwerk die praktische Erfahrung wichtigste Basis auf dem Weg zu Lösungen ist.

(Kleine Einschub: Das bedeutet natürlich keinesfalls, daß im Handwerk ohne Annahmen/Theorien gearbeitet werden könne, umgekehrt die Wissenschaft ohne praktische Erfahung auskäme.)

Erfahrungswissen, das ist aber auch eine radikal bedeutende Option, wenn man darüber nachdenkt, daß Problemlösungen in einer Region eher nicht von außen kommen werden, sondern vorzugsweise von den eigenen Leuten erarbeitet werden sollten.

Genau das betonte übrigens Techniker Michael Naradoslawsky bei unserer jüngsten „Vision 2050“-Session. Polemisch verkürzt: „Berater von außen? Schmeißen’s das weg! Es muß jemand vor Ort sein!“ Im Gesamtzusammenhang seiner Aussage zu hören in der Sound-Datei #6: [link]

Marchner stellt für sein aktuelles Projekt „Altes Wissen mit Zukunft“ unmißverständlich fest: „Gleichzeitig gibt es viele Herausforderungen, für die vor allem noch bestehendes Erfahrungswissen zum Zukunftspotenzial werden kann.“ Das greifen wir auf.

So rundet sich für uns bei kunst ost das Ensemble der fixen Kooperationsverhältnisse, um
a) bisher Erarbeitetes für weitere Schritte besser bündeln zu können und
b) für die nahe Zukunft ein zeitgemäßes Konzept für eine regionale Kulturinitiative in die Praxis zu überführen, wobei
c) die Gegenwartskunst ein wichtiger Angelpunkt ist, aber
d) die Fragen der Regionalentwicklung auch von uns bearbeitet werden.

Das „Kooperationsfeld kunst ost“ hat also nun vier Schwerpunktbereiche, die zu einander komplementär angeordnet werden, wobei uns für jeden Bereich eine „Schlüsselperson“ gegenübersteht:
+) Günther Marchner (Sozialwissenschafter): Regionalentwicklung / Altes Wissen
+) Mirjana Peitler-Selakov (Kunsthistorikerin): Frauen & Technik
+) Andreas Turk (Ziviltechniker): Regionalentwicklung / Vision 2050
+) Erich Wolf (Kunstsammler): Gegenwartskunst

— [Vision 2050] —

Gegenwartskunst und Alltagskultur

Ich hab eben in einem Beitrag notiert: „Wir können aus dem Landeszentrum keine kulturpolitischen Strategien beziehen, …“ In diesem Text ist auch das Identitäts-Thema angeschnitten: [Quelle] Es bleibt ja höchst erstaunlich, welche Zuschreibungen eine Region erfährt und welche Identitätsmerkmale dabei betont werden, wenn man diese Arbeit allein den diversen Managements und Agenturen überläßt. Da kommt dann vieles, was ich im Leben der Menschen dieser Region real finde, überhaupt nicht vor.

Im eingangs genannten Text ist auch von der Langsamkeit die Rede, von Fragen, die offen bleiben dürfen, von allerhand Überlegungen, die eine längerfristige kulturelle Entwicklung nahelegen. Der Kunstsammler Erich Wolf nennt als „Problem der Politik“ einmal mehr, wo sie mit unseren Verfahrensweisen zu tun bekommt: „Hier gibt es keine kurzfristigen Antworten und Ergebnisse.“ Eine längerfristige kulturelle Entwicklung der Region im Auge zu haben, das verlangt unerbittlich vollkommen andere Verfahrensweisen, als sie in der Regionalpolitik üblich sind.

Links der Zivilktechniker Andreas Turk, rechts der Unternehmensberater Erich Wolf

In der Kooperation mit a) Kunstsammler Erich Wolf und b) Ziviltechniker Andreas Turk bearbeiten wir ZWEI Themenkomplexe, die wir zu einander komplementär sehen. Mit Wolf (Styrian Contemporary) geht es im Schwerpunkt um Gegenwartskunst auf internationalem Niveau. Mit Turk geht es um die regionale Verankerung einer Reihe von Teilprozessen im Kontext Vision 2050“.

Identität. Na, die wurzelt sicher sehr wesentlich darin, was mir mein Selbstverständnis ermöglicht. Und dazu gehört, was ich an Kompetenzen und Fertigkeiten aufbiete. Daraus ergeben sich dann auch Tätigkeitsfelder, wo andere andocken können, wo sich kleine Gemeinschaften bilden.

Hohes handwerkliches Niveau aus privater Passion...

Ein Beispiel dafür sind „Schrauber“ aus der Region, die sich mit dem Erhalt historischer Fahrzeuge befassen. Nicht bloß Mechaniker, allerhand Techniker, auch Tischler, in Summe also Handwerker. Sie sind gut vernetzt und wenn zum „Cruising“ gerufen wird, kommen auch welche aus der Süd- und Obersteiermark angerollt, sogar aus dem Burgenland.

Ich hab in einem Logbuch-Eintrag beschrieben, welche kuriosen Vorgeschichten solche Milieus mitunter haben: [ink] Da verzweigen sich die Biografien Richtung Vergangenheit ganz unmittelbar in die agrarische Welt, die uns ja auch beschäftigt.

So wurzelt etwa ein Museum bäuerliches Handwerk aus vergangenen Zeiten [link] mitten in Fischbach in der Geschichte eines Ehepaares, deren Landwirtschaft nur durch Nebenerwerb bestehen konnte. Der Bauer wurde zum LKW-Fahrer, was ja auch jene Abschnitte der Mobilitätsgeschichte illustriert, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Massenmotorisierung führten.

Fischbach: Museum bäuerliches Handwerk aus vergangenen Zeiten

Im Erkunden solcher Teilbereiche regionalen Lebens liegen Erfahrungen, die uns mit den Wurzeln dessen vertraut machen, was wir uns unter „regionaler Identität“ vorstellen. Dem gegenüber steht die Befassung mit Gegenwartskunst, die uns Wahrnehmungserfahrungen beschert, die Möglichkeiten anbietet, andere Denkweisen zu erproben als jene, die uns gut vertraut sind.

Höchst verschiedene Milieus haben in all dem einen kuriosen Schnittpunk. Die Intention, eine Sache um ihrer selbst Willen gut zu machen. Das scheint der Angelpunkt zu sein, über den sich Kontraste und Gegensätze als ein größeres Gemeinsames mit einander drehen.

— [Vision 2050] —

Vision 2050: Warum so eilig?

Wir können aus dem Landeszentrum keine kulturpolitischen Strategien beziehen, weil dort Vorbedingungen und Gegenwart gleichermaßen unterschiedlich zu den Provinzmomenten sind. Hinzu kommt, daß in unserer Serie von Arbeitstreffen Ziviltechniker Andreas Turk etwas pointiert hervorgehoben hat, was nicht vom Himmel gefallen ist.

Ich kenne selbst seit den 1980er-Jahren die Debatten, was es an der Provinz verändert habe, daß Zentrumsbevölkerung sich ansiedelt, die zwar ihren Berufsschwerpunkt weiterhin im Zentrum habe, auf der Suche nach mehr Lebensqualität aber herausgezogen sei.

Andreas Turk (links) und Erich Wolf: "Dürfen Fragen offen bleiben?"

Turk sagt polemisch scharf: „Früher haben hier Leute für die Region gearbeitet, heute fragen sich viele: Was krieg ich von der Region?“ Das korrespondiert übrigens mit dem, was ich in den letzten eineinhalb, zwei Jahren von etlichen Bürgermeistern zu hören bekam. Die Erwartungen der Menschen, was Kommunen ihnen bieten sollten, steigen laufend. Dagegen sinke die Bereitschaft, sich im Gemeinwesen und für das Gemeinwesen zu engagieren, merklich.

In unseren Erörterungen kulturpolitischer Optionen sind wir bei einem Fragenkomplex, der auch die Lokal- und Regionalpolitik herausfordert: Was kommt denn tatsächlich aus der Region? Woraus wird hier Identität bezogen? Das verweist ferner auf die Überlegung, was in den Identitätsfragen sichtbar würde, wenn man es nicht Werbeagenturen überläßt, Behauptungen zu promoten, WAS diese Region sei und WER ihre Menschen seien.

Erich Wolf: "Langfristige kulturelle Entwicklung..."

Damit kommen wir flott zu einigen Überlegungen, die auch auf dem Kunstfeld zentrale Bedeutung haben. Etwa:
+) Habe ich Zeit für Wahrnehmungserfahrungen, die nicht gleich zu praktisch nutzbaren Ergebnissen führen müssen?
+) Gibt es eine Wertschätzung für diese ganz anderen Zugänge, welche sich auch in verfügbaren Ressourcen ausdrückt?
+) Dürfen dabei Fragen offen bleiben?

Hier sieht etwa Kunstsammler Erich Wolf einen Kontrast Kulturschaffender zu gängiger Politikpraxis: „Es muß nicht immer eine Antwort kommen, ich kann auch eine Frage im Raum stehen lassen. Manche Fragen werden vorerst nicht beantwortet.“

Das mag provokant klingen. Aber es bekommt sofort ganz anderes Gewicht, wenn ich etwas „Realpolitik“ genauer überprüfe und dabei feststellen muß, daß sehr oft Lösungen bloß SIMULIERT werden. Österreich ist gerade jetzt reich an Beispielen dafür, wo die Politik längst Grenzen ihrer Kompetenzen erreicht hat, was von ihren Funktionstragenden aber keineswegs offengelegt wird. Statt dessen bekommen wir dann oft Scheinlösungen serviert.

Da wäre es eigentlich redlicher und sinnvoller, offen zu sagen: Diese und jene Frage kann im Augenblick nicht beantwortet werden. Wir werden allerdings kaum Akteurinnen und Akteure der Politik finden, die so einen Modus in Betracht zögen. (In der Befassung mit Kunst ist das ganz anders.)

Wir kennen den Modus, auf komplexe Fragen simple Antworten zu generieren. Das ist übrigens auch ein erhebliches Problem für die Arbeitspraxis von Bürgermeistern. Turk kennt diese Legion von Beratern, welche Länder durchstreifen, Tonnen von Papieren produzieren, die, wenn sie sich verkaufen lassen, oft zu diesem Punkt führen: Und jetzt macht damit, was ihr wollt!

So werden häufig Ressourcen verbraten, die keine Chance auf Ergebnisse greifbar machen. Uns beschäfigen im Augenblick natürlich Finanzierungsmodelle für künstlerische Projekte (in der Provinz). Uns beschäftigt dabei, wie sie sich zeitgemäß begründen lassen und mit welchen Argumenten sie zu konkreten Kooperationen führen können. Der große Themenbogen ist in unserer Arbeit schon klar: Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft; warum und wie mögen diese Genres in Wechselwirkung gebracht werden? Für welche Vorhaben sind welche Modi der Kooperation realistisch?

Kleiner Einschub:
Wir haben uns in unserer jüngsten Session eine Serie von Features angesehen, die von XXKunstkabel produziert wurden: [link] Der vormalige MAK-Chef Peter Noever sagt da an einer Stelle: „Man muß sich von der Idee trennen, daß gute Dinge eine große Öffentlichkeit haben.“

Das ist ein von mehreren wichtigen Aspekten, den wir bisher eindeutig zu wenig klar vertreten haben. Regionale Politik zeigt kaum Courage, sinnvollen Prozessen Zeit zu lassen und ihnen zu erlauben, in kleinen Kreisen zu beginnen, um sich in Ruhe zu entwickeln.

Edelbert Köb im XXKunstkabel

Genau diese Überlegungen waren ja auch in unserer Session mit Michael Narodoslawsky (TU Graz) Gegenstand unserer Erörterungen; und sind hier nachzuhören: [Link #1] [Link #2] Daß also relevante Prozesse in kleinen Kreisen begonnen mögen und Zeit haben, sich zu entwickeln.

Narodoslawsky betonte gerade jenen Bereich, der mich auch in der Kooperation mit Turk beschäftigt: Den Arbeitsansatz „Vision 2050“. Narodoslawsky sagte sinngemäß: 2050, das ist noch sehr weit weg. Warum wollen sie es jetzt eilig haben, an dieser Vision zu arbeiten und ein schnelles Ergebnis zu produzieren?

Genau da berührt sich das auch mit den Intentionen von Erich Wolf, der einerseits als Unternehmer die Abläufe der Wirtschaft sehr gut kennt, andrerseits als Kunstsammler ein interessantes Hauptmotiv hat: „Ich sammle, um Prozesse dieser Zeit zu erhalten und sie zugänglich zu machen.“

Dieser Ansatz handelt ganz offensichtlich auch von der Intention, Prozessen Raum zu geben und Prozesse zu VERSTEHEN. Kein schlechtes Motiv für kulturelles Engagement.

— [styrian contemporary] —
— [vision 2050] —

Themen und Arbeitsebenen

Das ursprüngliche „Trägersystem“, die Kulturinitiative kultur.at: verein für medienkompetenz, hat im Jahr 2009 ein Projekt realisiert, das inzwischen als kunst ost: soziokulturelle drehscheibe Eigenständigkeit erreichte.

Diese institutionelle Eigenständigkeit beider Formationen erweist sich als sinnvoll, weil ein thematisch sehr komplexer Prozeß entstanden ist. Aus den letzten Jahren hat sich eine Aufgabenstellung herauskristallisiert, die sich aus folgenden Genres zusammensetzt:

1) Kunstvermittlung und -präsentation
2) Diskursarbeit: a) Kunstdiskurs & b) kulturpolitische Diskurse
3) Lobby- und Communityarbeit
4) Dokumentation & Publikation
5) Grenzüberschreitende Kooperationen

Dazu sind im Hintergrund
+) laufende Basisarbeit und
+) Archivarbeit sowie
+) der Ausbau der Web-Präsenz nötig.

Wir verfolgen als thematische Hauptlinien folgende Bereiche
1) Gegenwartskunst
2) kulturelle Praxis auf der Höhe der Zeit
3) Frauen & Technik
4) Sozialgeschichte/Mobilitätsgeschichte

Das verzahnen wir regional in zwei Komplexe
1) Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft
2) Zwischen Landwirtschaft und High Tech

Aus diesem Themengefüge soll sich quer durchs Jahr eine Kontinuität der Ereignisse und Veranstaltungen ableiten lassen, in der eine heterogene Community vielfältige Kompetenzen zur Wirkung bringt.

Das zeigt sich in der Praxis grundsätzlich über drei Optionen:
+) Produktionen aus dem „Kernbereich“, von Mirjana Peitler-Selakov (Kunsthistorikerin) und Martin Krusche (Künstler) entwickelt.
+) Produktionen aus einem engeren Kreis von „Schlüsselpersonen“ der Drehscheibe kunst ost.
+) Kooperationen mit vollkommen eigenständigen Kulturinitiativen der Region.

Dazu kommen zwei Kooperationen gänzlich anderer Art, die im Sinne eigenständiger Regionalentwicklung Gewicht haben. Einerseits die mit dem Unternehmer und Kunstsammler Erich Wolf: [link] Andrerseits die mit dem Ziviltechniker Andreas Turk: [link]

Da erarbeiten wir gerade die Grundlagen eines längerfristigen Zusammenwirkens. Wie schon angedeutet, das Zusammenspiel von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft hat aktuell Klärungen verlangt: Warum sollen wir überhaupt diese Genres verknüpfen? Wovon handeln mögliche Gemeinsamkeiten und wie sollte das in gemeinsames Tun überführt werden? Das ist inzwischen erheblich klarer und wird für den Rest des Jahres 2012 schon praktische Ergebnisse zeigen.

Wovon handelt Kulturpolitik? #19

Unter meinen Notizen findet sich folgende Passage: “In einer Rezession konsolidieren sich die Starken.” Das sagte der Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf in einem unserer Gespräche. Als Unternehmensberater und Wirtschaftstreuhänder wird er damit wohl kein Bonmot fabriziert haben, sondern einen Hinweis auf den konkreten Lauf der Dinge. (Zu Wolf und styrian contemporary siehe: [link]!)

Ich schließe daraus: Die Konsolidierung der Starken geht in einer Rezession zwangsläufig auf Kosten der Schwachen. Sollen wir daher versuchen, uns auf die Seite der Starken zu bringen? Das hieße bloß, diesen unverschämten Modus zu bestätigen.

Kunstsammler Erich Wolf: "Kurzfristig tut sich überhaupt nichts. Ernsthaftes Arneiten und Kämpfen um Unverwechselbarkeit sind notwendig."

Ich würde bevorzugen, daß wir uns überlegen, wie der Modus zu ändern wäre. Ich denke, in regionaler Dimension ist das realistisch und machbar. Es dürften dazu bloß momentan gängige Protest-Posen nicht ausreichen. Ich meine, was unter dem Stichwort „BürgerInnenbeteiligung“ zur Debatte stünde, müßte beim Wort genommen werden: als BETEILIGUNG.

Derlei Aufraffen, derlei Eingreifen, dieses Hineingehen in die Agenda eines Gemeinwesens ist zugleich auch das Ende jeder wie immer gezimmerten Unschuld. Dann sind es nämlich nicht mehr „die Anderen“, die dies oder das zu verantworten haben, dann ist man selbst mit im Boot jener, die Verantwortung tragen.

Vielleicht höre ich deshalb an so manchen Ecken Protestgeschrei, dem kein eigenes Handeln folgen will. Gerade im Kulturbereich ist das momentan sehr populär. Es kursieren endlose Listen der Vorhaltungen an Politik und Verwaltung. Aber wo ist der konsequenten und vor allem öffentliche kulturpolitische Diskurs? Wo finde ich anregende Beispiele einer Best Practice, die genau NICHT einfach nur das reproduziert, was wir schon in den 1970er- und 80er-Jahren entwickelt haben? Was weist konkret in die nahe Zukunft?

Kulturpolitik darf kein Schattenspiel sein!

In diesen Belangen mangelt es erheblich. Wenigstens drei Viertel von dem, was ich, wenn ich die Steiermark im Blickfeld behalte, in derlei Fragen momentan zu lesen bekomme, handelt von einer etwas gespenstischen Option: Der Staat möge für dies und das, aber speziell möglichst für alles aufkommen. Das bedeutet, polemisch verkürzt, hier ruft ein ganzes Metier nach gut hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat. Und das im Namen der Freiheit der Kunst.

Ich hätte es gerne leichter, denn meine Mühen um ein adäquates Jahreseinkommen sind in den letzten Jahren immer mehr geworden, damit ich nur gering unter das absacke, was ich vor Jahren verdienen konnte. Das ist ein sehr anstrengender Weg, auf dem ich inzwischen laufend Grenzen meiner Belastbarkeit erfahre. Aber das brächte mich nicht auf die beunruhigende Idee, mir hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat zu wünschen.

Das bedeutet freilich, falls mir mein gegenwärtiger Marktwert als Kunstschaffender nicht erlaubt, auf dem Kunstmarkt ausreichend Geld zu lukrieren, und das trifft vermutlich auf weit mehr als drei Viertel Österreichs Kunstschaffender zu, brauchen wir kulturpolitische und künstlerische Strategien, die der Option „hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat“ etwas Konkretes gegenüberstellen.

Wenn ich das so hinschreibe, meint es freilich, daß ich nicht bloß träume, sondern konkret an solchen Strategien arbeite und daß ich erprobe, was mir bisher eingefallen ist. Ich hab hier schon mehrfach angedeutet: Kulturpolitik ist NICHT, was Funktionstragende der Politik generieren, sondern was aus dem Kräftespiel zwischen ihnen und uns und anderen Leuten entsteht. DAS ist POLITIK.

Diese Ansicht verlangt unausweichlich, auch die eigene Position als eine aktive zu entwickeln, in der Konzept und Initiative keine Fremdwörter sind.

Es war in meiner Gegend überaus anstrengend, die letzten Jahre ökonomisch zu bewältigen. Ich wäre am Rande der Verzweiflung, würden sich jetzt nicht positive Tendenzen abzeichnen, die leichteres Fahrwasser versprechen.

Aber ich schätze die Erfahrungen, daß im regionalen Kulturgeschehen der Fokus ganz eindeutig auf die zivilgesellschaftliche Initiative und Verantwortung gestellt ist. Das bedeutet, WIR haben entworfen und erprobt, was kulturpolitische Optionen für die nahe Zukunft sind. Die Regionalpolitik zeigt, daß sie diese Arbeit nicht ignorieren wird.

2015 wird die Steiermark von der Verwaltung her radikal verändert sein

Es gibt ein Datum, VOR dem wir nichts zu lachen haben werden und NACH dem auch anstrengende Passagen winken. Am 31.12.2014 endet formell das, was wir von der Verwaltung her bisher als „die Steiermark“ kannten. Die aktuelle Verwaltungsreform wird dazu führen, daß dann unausweichlich neue Gemeindegrenzen gezogen werden und alle Erlässe neu erlassen werden müssen etc.

Das soll mit den Wahlen im März 2015 abgeschlossen sein. Bedenkt man, wie viel Widerstand diese Aussicht schon jetzt in den vor allem kleinen Gemeinden auslöst, müssen wir uns auf eine gewaltige Konfliktlage einstellen. (Siehe: Unruhe in der Kleinregion!)

Die Erfahrungen der letzten Jahre belegen: Wird es den kommunalen Kräften zu eng, geht als allererstes die Kulturpolitik über Bord, denn wir haben keinen breiten gesellschaftlichen Konsens, daß das ein Thema von hoher Priorität sei. Es wird also Zeit, daß wir uns für das wappnen, was absehbar ist.

— [übersicht] —

styrian contemporary

Ich hab im vorigen Beitrag [link] deutlich zu machen versucht, wie wir gerade bei kunst ost konkret zu machen beginnen, was an Zusammenwirken von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft a) wünschenswert und b) realistisch erscheint. Von unserer Kooperation mit Kunstsammler Erich Wolf war hier schon öfter die Rede: [link]

Kunstsammler Erich Wolf

Von meinen Erörterungen mit Historiker Robert F. Hausmann hab ich auch schon erzählt: [link] Nun saß ich mit beiden an einem Tisch, weil ich angenommen hatte, es gebe einige Fragestellungen, die uns gemeinsam interessieren, also könnten wir eventuell auch einige Aufgabenstellungen finden, für die uns Kooperation reizen mag. Da geht es um Kunst und Wissenschaft, im Kielwasser dieser Optionen natürlich auch um die Wirtschaft.

Ich bevorzuge solche Kräftespiele. Meine eigene künstlerische Praxis hat ja sehr viel mehr den Charakter von Forschungstätigkeit, als daß sie vor allem an ein Publikum adressiert wäre. Mit dieser Tendenz bin ich keinesfalls allein auf weiter Flur. Wolf hat als Sammler (mit dem Schwerpunkt bildender Kunst der Steiermark nach 1945) eine sehr aktuelle Vorstellung vom Status quo. Er sagte: „Die Kunst war nie zuvor so wissenschaftsaffin wie heute.“

Historiker Robert F. Hausmann

Was das Potential für eine Kooperation dieser beiden Genres betrifft, nannte Wolf einen recht interessanten Aspekt: „Die Kunst kann dort weiter gehen, wo die Wissenschaft aufgrund ihrer Bedingungen einmal innehalten muß.“ Außerdem betonte er, auch das Kunstpublikum müsse sich heutzutage mehr mit Zugängen zur Wissenschaft befassen, um Zugänge zur Kunst zu finden.

Damit bin ich erneut bei dem im vorigen Beitrag [link] zitierten Richard Buckminster Fuller: “Je fortgeschrittener Wissenschaft ist, desto näher kommt sie der Kunst. Je fortgeschrittener Kunst ist, desto näher kommt sie der Wissenschaft.”

Historiker Hausmann berührte in unserem Gespräch dann noch einen äußerst brisanten Punkt, der heute, was seine Wirkung angeht, zu gerne übersehen wird oder unzureichend bewertet wird: „Im 19. Jahrhundert kommt die Freizeit. Was tut man damit?“

Wir sehen heute, daß eine mit Milliarden-Budgets gerüstete Freizeitindustrie, eng begleitet von Medienkonzernen, um die von Erwerbstätigkeit freie Zeit und das Geld der Menschen ringt. Diesem Kräftespiel stehen wir Kulturschaffende in der Wissensarbeit und im kulturellen Engagement gegenüber. Das ist kein einfaches Match!

In diesem Zusammenhang sei notiert: Der Verein „styrian contemporary“ (Federführend: Erich Wolf) ist gerade in seiner Gründungsphase und wird in Kürze als formeller Kooperationspartner von kunst ost und kultur.at im regionalen Kulturgeschehen auftauchen.

Wir werden so zwar die vorhin angedeuteten Major Companies der Freizeit- und Medienindustrie nicht anrempeln können, aber wir werden eine klare, regionale Position zugunsten von Bildung, Kunst und Kultur errichten. Neugier, Debatten, Wissenserwerb, ästhetische Erfahrungen…

Unruhe durch Umbrüche

Der Informationsabend zum Thema Gemeindezusammenlegungen war von einer Brisanz, die ich weit unterschätzt habe. Vor allem war mir nicht klar, wie bald schon neue Faktenlagen auf gesetzlicher Ebene den Zustand der Steiermark verändern werden. Der Tag steht inzwischen fest. Es ist der 31.12.2014.

Angesichts der Tatsache, daß Fusionen kommen werden und auch gegen Widerstände durchgesetzt werden sollen, erscheint es mir etwas gespenstisch, wie wenig öffentlicher Diskurs in der Sache bisher stattfindet. Die Konsequenzen dieses Prozesses und seiner Ergebnisse werden auch für uns Kulturschaffende fundamental sein.

Bürgermeister Christoph Stark (links) und Kunstsammler Erich Wolf beim Diskussionsabend zum Thema "Gemeindezusammenlegung"

Vor allem aber werden unsere langjährigen Bemühungen dort leiden, wo wir auf Kooperationen mit den Gemeinden aus sind, denn wo Unfriede und womöglich Konfusion herrschen, bekommt der Kulturbetrieb als erstes Schläge und Abfuhren. Das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt.

Der erste Teil meine Notizen zu einem der Diskussionsabende ist im Projekt-Logbuch zusammengefaßt: [link]

Ich bin durchaus beunruhigt und meine, wir sollten uns wappnen, vor allem aber in der Netzwerkbildung und in praktischen Kooperationen vorankommen. Ähnliche Unruhe kommt nämlich längst auch in den diversen LEADER-Managements auf, weil schon eine Weile klar ist, daß die steirischen LEADER-Regionen beizeiten über Fusionen in der Anzahl verringert werden.

Auch diese Unruhe betrifft uns, weil es eine neue LEADER-Periode geben wird, für die der Pionierbereich „LEADER Kultur“ in die Gänge kommen muß, um weiter in diesem Rahmen arbeiten zu können.

Historiker Robert F. Hasumann beim Diskussionsabend zum Thema "Gemeindezusammenlegung"

Ich hab allerdings auch gute Nachrichten auf Lager. Seit heute ist klar, daß kunst ost eine Kooperation mit dem BG/BRG Gleisdorf [link] eingeht, um, den Themenschwerpunkt „Frauen und Technik“ längerfristig zu bearbeiten. Unsere Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov und Schulleiter Nikolas Schweighofer haben sich eben über Details geeinigt. (Zum Themenschwerpunkt „Tech_Lab“ siehe:Gleisdorf als Angelpunkt!)

Von unserem kommenden Kunst-Symposion hab ich schon mehrfach erzählt. „Regionalität und Realität // Globalität und Virtualität“ wird am 7. und 8. September dieses Jahres in Gleisdorf stattfinden. Außerdem will sich die Grazer Geschichtswissenschaft in das regionale Kulturgeschehen der Steiermark einbringen; davon habe ich im Beitrag „Kulturgeschichte und Kulturgeschehen“ berichtet: [link]

Dabei fiel mir auf, daß es zwischen diesen beiden Themenkomplexen vielleicht Schnittpunkte geben könnte, die eventuell das Potential für eine längerfristige Kooperation hätten. Um das herauszufinden, werde ich in den nächsten Tagen mit Kunstsammler Erich Wolf und mit Historiker Robert F. Hausmann ein gemeinsames Arbeitsgespräch führen.

Es muß überhaupt erst einmal abgeklopft werden, was diese meine Idee taugt, aber ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, daß wir mindestens auf einige relevante Fragestellungen kommen, die uns für das regionale Kulturgeschehen interessieren, daraus könnten sich dann auch durchaus ein paar gemeinsame Aufgaben ableiten lassen. Schauen wir einmal, dann sehn wir schon.