Archiv für den Monat: November 2011

Die Künstlerhaus-Debatte #4

Bin ich hinterm Mond und habs nicht bemerkt?

Die gute Nachricht: Von einem „Kulturkampf“ kann in Graz keine Rede sein. Kein Schlachtfeld in Sicht. Läßt sich solcher „Superismus“ einmal aus den Betrachtungen herausnehmen, muß nicht jedes Geschehen gleich das superste, wildeste, gefährlichste sein, bleibt ja vielleicht genug Transparenz im Blickfeld, um die Dinge etwas klarer sehen zu können. Etwa den Status quo der Debatten rund um das Grazer Künstlerhaus.

Die goschertste Seele auf dem Set ist momentan sicher der Peter Weibel. Doch aus dem läßt sich für die Sache sicher keine Galionsfigur schnitzen. (Was schert den die Grazer Szene?) Wer sich auf seine Seite reklamiert, tut das vermutlich ohnehin nur, um den Peter Pakesch zu triezen. Der muß zwar für alles mögliche als Feindbild herhalten, doch das wird langsam etwas fad.

Wie schaut’s aus? Ich hatte kürzlich an einem Artikel im Standard [link] bestaunt, daß da a) jemand auf irgendwelche Barrikaden steige und b) festgestellt wurde: „Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“ Siehe auch: [link] Mir schien beides nicht sehr plausibel.

Eine kleine Recherche zeigt nun, daß vor allem der scheinbare Zusammenhang zwischen a) dem Papier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ und b) den genannten 30 Seiten irreführend ist. Diese Werke haben keine besondere Verbindung. Eher im Gegenteil.

Das Einser-Papier stammt vom dort genannten Personenkreis und steht darin für sich. Das sei in der Konstellation äußerst sensibel höre ich. Eine der Unterzeichnerinnen, Eva Ursprung, teilte mir mit: „ab jänner sind an den verschiedenen locations der beteiligten (rotor, medienturm…) veranstaltungen geplant, in denen auf die einzelnen bearbeiteten themen näher eingegangen wird.“ Meiner Meinung nach ein Gewinn für den Lauf der Dinge, weil solche Erörterungen und Konkretisierungen mehr als nötig, ja überfällig sind.

Eine andere Sache ist die aktuelle Mailingliste der IG Kultur Steiermark unter der Federführung von Caroline Oswald Fleck und Eva Ursprung. Dafür sollte außerdem schon längst eine eigene Website als Plattform für Telekommunikation und Teleworking etabliert sein: [link]

Die wird zwar promotet, ist aber noch tot. Ich vermute, die Netzkulturszene hat vergessen, wie flott man etwa bei mur.at zum Bispiel ein Wiki in Gang bringen kann, um Diskurs und Diskussionsfluß via Web zu bewegen. Österreichische Gemütlichkeit ist irgendwie… radikal.

Übrigens! Dieser Community sei auch, so höre ich, das oben genannte 30 Seiten-Papier zuzurechnen. Womit haben wir es da zu tun? Wissen wir nicht, denn es gibt nicht einmal irgendwelche Diskursschnipsel oder inhaltliche Diskussionbeiträge der Leute auf irgendeiner Website der Netzkulturszene.

Da wäre ja zum Beispiel KIG! Kunst in Graz“: Eine „Plattform für interdisziplinäre Vernetzungsarbeit, mit Veranstaltungskalender und Diskussionsforum.“ Präsidentin: Anita Hofer. Die gehört auch dem Vorstand der IG Kultur Steiermark an. Sollte ich da nicht fündig werden können? Kann ich aber nicht. Gut, ich finde dort von mir einen Artikel, aber den kenn ich schon.

Immerhin, nach einigem Nachfragen erfuhr ich nun: „die 30 seiten sind texte zu den verschiedenen angesprochenen themen, erstellt durch kleine arbeitsgruppen. sie wurden (noch) nicht redaktionell bearbeitet, es ist aber geplant, das zu tun und in folge auf einige webseiten zu stellen.“

Das klingt für mich freilich ein wenig anders als das via Presse kolportierte „Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“

Zur Erinnerung, Kulturlandesrat Christian Buchmann ließ wissen: „Diese Konzepte wurden von mir am 2. November an den Landeskulturbeirat weitergeleitet, den ich um eine Expertise zu den Konzepten bis Ende des Jahres ersucht habe.“ [Quelle]

Damit meinte Buchmann die Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen), Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel, die IG Kultur, das Grazer Stadtmuseum, das Künstler-Paar Nestler-Rebeau und das Universalmuseum. Falls also ein Konzept der IG Kultur Steiermark „bis Ende des Jahres“ geprüft werden sollte, möchte man empfehlen: Bitte schneller schlafen, damit die Wachzeit noch entsprechend genutzt werden kann.

Ach, was rede ich darum herum? Ich bin eigentlich völlig konsterniert, daß eine Medienberichterstattung von Aktivitäten berichtet, als seien sie in vollem Gange, während sich so manches, wenn man nachfragt, als erst geplant, als beabsichtigt herausstellt.

Soll ich mir wünschen, daß ein teures Haus einer Community womöglich zur Selbstverwaltung überlassen wird, die in dieser jetzt doch sehr entscheidenden Phase zwar ihr Begehren äußerst, aber nicht einmal mit deren Begründungen nachkommt? Und was darf ich von einer online-Community erwarten, der heute noch nicht einmal jene angehören, die bei der letzten Pressekonferenz vor dem Künstlerhaus ihre Gesichter in einige Kameras gehalten haben?

Pardon, das ginge auf meinem Kontinent nicht. Oder bin ich auf einem anderen Planeten und wußte es gar nicht? Womöglich hinter dem Mond? Ich glaub, ich muß amal vor die Tür hinaus gehen und überprüfen, wo ich eigentlich bin. Und ich füge noch an: Vielleicht wäre bald nach der Legitimität und dem Mandat einer Gruppe zu fragen, die auftritt, als verträte sie „die Künstlerinnen und Künstler der Steiermark“, ohne zu diesem Zeitpunkt in genau dieser Sache auch nur ein kohärentes Ideenpapier vorlegen zu können.

[Die Debatte: Übersicht]

TIP: frauenCIRCUS – Museumsausstellung

Die „museum frauenCIRCUS phase 2“ hat im vergangenen Herbst bei und in Schloß Hainfeld (nahe Feldbach) stattgefunden. Diese Station erhält nun ihren heurigen Abschluß in Gleisdorf. Da wird am Donnerstag, dem 1. Dezember, um 19.00 Uhr zur Eröffnung gebeten.

Somit heißt es:
„frauenCIRCUS – Museumsausstellung“
im MiR (Museum im Rathaus)
Die Ausstellung ist dort bis 17. Dezember zu sehen
Öffnungszeiten: Di-Fr 15 bis 18 Uhr und Sa 10 bis 12 Uhr

[ACRYL]

Zucker und Kreml

Die Gedichte der Elena Fanajlova kamen für mich wie ein Schock daher. Diese Themen und diese Ausdruckskraft. Dieses ruhige, völlig unprätentiöse Auftreten der Autorin. Ein Abend in der Veranstaltungsreihe „Zuckerkreml.“, gleichlautend dem Titel eines Romans von Vladimir Sorokin, der auch zu Gast war.

Elena Fanajlova neben Valerij Šubinskij bei den Minoriten in Graz

Für mich war das wie bestellt, um mich meiner Einschätzung zu versichern, da ich meinen Leuten vor Ort im Augenblick nicht gar so freundlich gesonnen bin. Welche Standorte Kunstschaffender innerhalb einer Gesellschaft erscheinen angemessen? Was momentan eine Kontroverse um das „Künstlerhaus“ in Graz sein möchte, gestaltet sich schon seit einer Weile hauptsächlich als ein larmoyantes Gezeter.

Wäre da nicht wenigstens eine kohärente kulturpolitische Streitschrift [link] von einem Konsortium überwiegend sehr kompetenter Leute, man möchte empfehlen, den ganzen Jammerhaufen vor die Türe zu setzen und ihm mit auf den Weg zu geben, es sei vielleicht in zehn Jahren so weit, über derlei Anliegen erneut sprechen zu können.

Fanajlova also, Ärztin, Lehrerin, Journalistin. Wir sind das ja nicht gewohnt, von einem Regime zu konventionellen Berufen gezwungen zu sein, um sich dann auch noch einigermaßen unbehelligt der Kunst widmen zu dürfen.

Das führt dort teilweise zu ganz anderen Kompetenzlagen, vor allem aber, was meine persönlichen Erfahrungen angeht, zum weitgehenden Fehlen von Selbstmitleid; weil dafür keine Energie und Zeit vorhanden ist.

Der Abend mit dem „Zuckerkreml.“

Fanajlova, deren Texte von poetischer Kraft eine Ahnung vermitteln, womit wir es zu tun haben, wenn wir nach einem Land Ausschau halten, das auch unsere Geschicke stets mitgeprägt hat, ohne je in die Nähe des Friedens und Wohlstandes zu kommen, den wir für selbstverständlich halten.

Es war für mich einigermaßen überraschend, daß ein eventuell etwas unkonzentrierter Moderator zum Ende der Veranstaltung die Frage nach „engagierter Literatur“ aufwarf. Hatte Sartre das nicht im vorigen Jahrhundert schon vorläufig erledigt? Gab es seither neue Erfahrungen, die dieser Frage wieder zu Bedeutung verhelfen?

Mir ist nichts dergleichen bekannt. Gut, Österreich hat nicht einmal so viele Einwohner wie Moskau. Was wissen wir schon? Ereignisse wie Sinclair Lewis oder Upton Sinclair kennen wir nicht; daß Romane soziale und politische Konsequenzen bewirkt hätten.

Was mir noch einfiele, Bernhard, Handke, Jelinek, mit denen hätte man vermutlich jederzeit Ärger haben können, wollte man sie danach fragen, ob sie „engagierte Literatur“ verfassen würden. Gut, es ist AUCH eine soziale und politische Konsequenz, wenn man allein für das Existieren seiner Texte angefochten wird, weil einem von dieser (österreichischen) Gesellschaft solche Deutungsmacht nicht zugebilligt wird, zu beschreiben, was man sieht und wovon man weiß.

Sabine Hänsgen („Kollektive Aktionen“) erzählt von Prigov

Zurück zu jenem Abend bei den Minoriten. Es war für mich auch ein Wiedersehen mit Sabine Hänsgen von den „Kollektive Aktionen“, mit der wir uns gerade erst kurz als „Donau-Piraten“ konstituiert hatten; genauer, wir hatten den künstlerischen Herbstschwerpunkt von „kunst ost“ diesmal jenseits der Grenzen absolviert, in Serbien, sehr unmittelbar am Ufer der Donau, als Gäste der Gruppe „Treci Beograd“: [link]

Sabine führte uns durch die Ausstellung von Prigov, der als Samizdat-Autor und bildender Künstler Bedeutung erlangt hat. Allein schon das Video Dmitrij A. Prigov liest „Der Milizionär und die anderen“ lohnt den Besuch.

“In der Regel hatten seine Texte eine ‚Auflage’ in der Höhe von Schreibmaschinendurchschlägen. Sie existierten jenseits der staatlichen sowjetischen Distributionssphäre im Samizdat als vom Autor selbst hergestellte, nicht gedruckte Bücher.“ schrieb Sabine in einem begleitenden Text. „Engagierte Literatur“? Das träfe es wohl nicht genau. Literatur-Literatur. Kraft der Sprache. Inhalte.

Ein Exponat von Prigov

Also Graz. Dieses Graz, deren Kunstschaffende wohl fast ausnahmslos geheizte Stuben genießen dürfen und denen nicht einfallen möchte, wie sich nun genau Politik und Verwaltung zu ihnen verhalten sollen; da haben wir noch Klärungsbedarf. Immerhin hat die IG Kultur Steiermark zum Diskurs aufgerufen. Möge er sich ereignen, der Diskurs: [link]

Mögen Gründe genannt werden, Polemik sich geistreich zeigen, möge ausdrücklich zur Sprache kommen, was wir aufzubieten wissen, um uns als Kunstschaffende gegenüber einem heimischen Regime zu behaupten, das vorerst noch wenig Ambitionen zeigt, unserem Metier angemessene Rahmenbedingungen zu bieten. Oder sind es doch vor allem wir selbst, die noch nicht recht wissen, welche Prioritäten zu verteidigen werden? Denn ein Protestruf in der Art von „Mehr Geld!“ ist ja keine sehr qualifizierte Aussage…

[Die Debatte: Übersicht]

Die Künstlerhaus-Debatte #3

Die Selbstachtung zurückholen!

Der Titel kommt muskulös daher: „Peter Weibels Paukenschlag im Joanneum“. Im Text kracht es dann nicht so recht. Aber der Bericht „Zur Eröffnung des verplanten Joanneumsviertels eine großartige und plausible Ausstellung über den ‚Selbstmord der Kunst‘ – von Günter Brus bis Damien Hirst.“ in der Presse [Quelle] läßt doch erahnen: Sollte gesehen werden!

Eben wurde die Ausstellung "Selbstmord der Kunst" eröffnet (Foto: UMJ / N. Lackner)

Die zwei Kunstheoren im Vorspann – Brus und Hirst – sind von der Autorin bemerkenswert ausgewählt; sicher nicht die interessantesten Burschen in dieser Geschichte, aber immerhin welche, auf die auch ein an Kunst völlig desinteressiertes Publikum zu reagieren vermag. (Skandal-Potenzial!)

Eine besonders wichtige Passage im Text von Sabine B. Vogel scheint mir folgende zu sein: „Das Entscheidende sei die Ablösung der Repräsentation durch die Realität. Erst wurde der Gegenstand mit der Abstraktion aus der Malerei vertrieben, dann kam er als reales Ding wieder zurück.“

Das ist ein Zusammenhang, den wir bis heute nicht angemessen unter die Leute gebracht haben. Da läßt auch das steirische Feuilleton keine besonderen Ambition erkennen, eine größere Anstrengung zu erbringen. Damit meine ich, Kunstschaffende (quasi als „primäre Akteurinnen und Akteure“), Kunstgeschichte und Feuilleton haben es bis heute weder miteinander noch gegeneinander geschafft, eine allgemeine und grundlegende Kenntnis dessen zu verbreiten oder wenigstens allgemein ruchbar zu machen. Da liegt also noch viel Arbeit vor uns.

Marcel Duchamp, Boîte (Die große Schachtel, Foto: CROCE & WIR, Graz)

Zur Zeit geht es in den Debatten rund um das Grazer Künstlerhaus unter anderem auch um Ansprüche der steirischen Berufsvereinigung Bildender Künstler und Künstlerinnen. Daher sei aus einem Bericht zu deren aktueller Ausstellung „Mit Hirn“ zitiert: „Wohl uneinlösbar: der Anspruch der ambitionierten Schau, gewissermaßen die letzten Fragen des Kunstbetriebs beantworten zu wollen.“ [Quelle]

Das Motiv der „letzten Fragen“ ist der Metaphysik entlehnt. Diese radikalen Fragen mögen zwar die Kunst selbst betreffen, aber es würde mich sehr wundern, wenn der Kunstbetrieb damit, nämlich mit „letzten Fragen“, aufwarten könnte. Wenn also ein ganzes Kollektiv Kunstschaffender Fragen nicht beantworten kann, die ohnehin nicht gestellt werden, wovon erzählt der Autor dann NICHT, indem er diese Passage schrieb?

Falls das nun etwas verwirrend klingt, darf ich bekräftigen: Es IST verwirrend. Wovon reden wir denn da die ganze Zeit, wenn wir über die Kunst und den Kunstbetrieb sprechen? Ich hab hier kürzlich ein kulturpolitisches Papier deponiert, das von einem bemerkenswert besetzten Konsortium verfaßt wurde und eine sehr gute Grundlage für eine kulturpolitische Debatte abgibt: [link]

Inzwischen las ich allerdings: „Der Appell der heterogenen Gruppe ist kein Schnellschuss: Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“ [Quelle] Satte 30 Seiten? Wie bedauerlich, daß ich die nicht finden kann. Dabei ist etwa die IG Kultur schon eine Weile damit befaßt, diese Diskurse voranzutragen, hat dieses Papier ja auch mitverfaßt.

In der steirischen Netzkultur-Szene geht es im Netz etwas schleppend voran.

Werde ich bei der IG fündig? [link] Leider nein! Diese IG hat uns eine eigene Themen-Website avisiert: [link] Dazu hieß es kürzlich: „Morgen geht die Homepage dann ONLINE…“ Leider nein!

Ich muß keine böse Absicht unterstellen, es genügt, daß wir, die „Initiativenszene“, allein schon durch unser Kommunikationsverhalten und die von uns entworfene Mediensituation genau zu der „Seilschaften-Lage“ beitragen, die wir gerne kritisieren.

Denn es ist zeitraubend, sich relevante Informationen über den Status quo zusammenzutragen. Also haben nur Kleingruppen entsprechendes Wissen zur Verfügung, die geben es aber nicht adäquat weiter. (Das läuft letztlich auf eine Art Anhäufung von „Herrschaftswissen“ hinaus, das hinter diversen Kulissen gelagert wird.)

Seit Wochen oder Monaten könnte mindestens ein WIKI laufen, das von der steirischen Community gefüttert würde, damit wir eine leicht findbare Evidenzstelle für verfügbare Informationen hätten. Haben wir aber nicht. Wir? Eben! Das wird so gerne und so leicht dahingesagt. Doch wodurch wird es konstituiert?

Mehr noch, man könnte in Panik ausbrechen, wenn man liest, wie viel Tendenz zur Selbstaufgabe in diesem steirischen Kulturbetrieb mittlerweile herrscht. Da lese ich etwa in einem Brief von Politikerin Christa Hahn: „Ausführliche Runden und Reflexionen über die Grazer Kulturpolitik, über Gelungenes und aber auch über Misserfolge und nötige Veränderungen und Reformbedarf, eine Debatte über sinnvolle und weniger sinnvolle Schwerpunktsetzungen, den Umgang mit der freien Szene, dem Auftreten der Stadt gegenüber den großen Kunsteinrichtungen oder aber auch ein lebhafter Diskurs mit der steirischen Landes-Kulturpolitik sind unter diesen Rahmenbedingungen zu meinem Bedauern nicht möglich.“ [Quelle als PDF-Dokument]

Wie beunruhigend, wenn dann auf der bisher noch toten IG-Diskurs-Website als Motto zu lesen ist: „WIR HOLEN UNS DIE SELBSTVERANTWORTUNG FÜR UNSERE ARBEIT ZURÜCK“.

Mein Vorschlag: Die Selbstverantwortung aufpolieren, denn die muß doch da noch irgendwo sein. Ich will stark hoffen, daß sie niemandem von uns genommen wurde oder womöglich von jemandem in Eigeninitiative beim Salzamt abgegeben wurde. Aber da wäre noch eine Mission zu erfüllen. Vielleicht sollten wir uns langsam unsere SELBSTACHTUNG zurückholen…

[Die Debatte: Übersicht]

Die Künstlerhaus-Debatte #2

Sachpromotoren und Machtpromotoren

Die griechische Tragödie lehrt uns: Alle sollen gehört werden! Der Buddhismus lehrt uns: Nichts ist egal! Der erste Lehrsatz des „Steirischen Buddhismus“ lautet nach Goofy Schmidt: „Mir wurscht!“

Wie lief denn das bisher im Grazer Künstlerhaus? Im Mai 2007 berichtete die „Kleine Zeitung“: „Illusionen macht sich Werner Fenz, neuer Koordinator für das Programm im Künstlerhaus Graz, nicht: ‚Mit 10.000 Euro Budget pro Ausstellung ist klar, dass wir ohne die Mithilfe der Künstler wenig machen können.’ Optimistisch, ‚den schönsten Ausstellungsraum der Stadt’ künftig markant bespielen zu können, ist er dennoch: ‚Nicht gegen Kunsthaus und Neue Galerie, sondern als sinnvolle Ergänzung.’“


Walter Titz wußte außerdem zu berichten: „Die ersten fünf Monate des Jahres gehören den fünf alteingesessenen Grazer Kunstvereinen Berufsvereinigung bildender Künstler, Künstlerbund, Sezession, Vereinigung bildender Künstler und Werkbund.“ Also eine Art House-Sharing.

Fenz hat diese leitende Funktion im Künstlerhaus voriges Jahr abgegeben. Ich fragte bei Elisabeth Fiedler nach, sie trägt ja die „Leitung Abteilung Kunst im Außenraum, Institut für Kunst im öffentlichen Raum, Österreichischer Skulpturenpark“. Ihre Präzisierung:

„Lieber Martin, es ist richtig, ich wurde im Jahr 2010 kurzfristig gebeten, die Leitung des Künstlerhauses, da es sich innerhalb meines Departments befand, zu übernehmen. Das Programm war allerdings bis auf zwei Ausstellungen im Sommer/Herbst bereits fixiert. Neben den Vereinsausstellungen hatte die Neue Galerie einen zugesagten Termin für Alois Moosbacher sowie einen für den steirischen Kunstpreis, der durchgeführt werden musste. (Die Neue Galerie aber über keine Räume mehr verfügte.)

Ich kuratierte und realisierte die beiden Ausstellungen mit Markus Jeschaunig und Albert Mayr.

Im Zuge der Umorganisierung des Joanneums im Frühjahr 2011, nach der es keine Departments mehr gibt, wurde mir die neue Abteilung ‚Kunst im Außenraum’ mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum und dem Österreichischen Skulpturenpark überantwortet. Das Künstlerhaus scheint, wohl aufgrund der noch unklaren Situation, seither in keinem Organigramm auf…“


Was die „fünf alteingesessenen Grazer Kunstvereine“ angeht, die zur Zeit Beate Landen im Prozeß neuer Konzeptionen repräsentiert, schrieb Landen zu einem „Pressegespräch am 13. Juli 2011 im Raiffeisenhof“ bezüglich ihrer Erwartungen: „Die Berufsvereinigung der Bildenden KünstlerInnen Österreichs LV Steiermark bedankt sich sehr herzlich bei Herrn Landesrat Dr. Christian Buchmann, dass er es uns, trotz der anstehenden notwendigen Sparmaßnahmen, auf kulturellem Gebiet ermöglicht, während der Sanierung des Grazer Künstlerhauses unsere Jahresausstellung ‚Ausstellung – mit Hirn’ im Kunstbad des Raiffeisenhofs zu präsentieren! Allerdings betrachten wir dieses als Übergangs- und nicht als endgültige Lösung. Die endgültige, langfristige Lösung kann nur, nach beendeter Sanierung, das Künstlerhaus sein!“

Informell erwähnt Landen auch ein juristisches Gutachten, das sie zu ihren „guten Argumenten“ zählt. Man muß kein Geistesriese sein, um aus den diversen Verbandsmitteilungen der letzten Monate herauszulesen, daß die „klassischen Fünf“ erwarten, das Künstlerhaus werde ihnen auch zukünftig wie gewohnt zur Verfügung stehen.

Man muß andrerseits kein Prophet sein, um zu ahnen: Das kollidiert sehr wahrscheinlich mit einigen der Konzepte, die wir augenblicklich noch nicht genauer kennen. Um Landesrat Buchmann erneut zu zitieren: „Es sind dies Konzepte von den Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen), von Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel, von der IG Kultur, vom Grazer Stadtmuseum, vom Künstler-Paar Nestler-Rebeau, und vom Universalmuseum.“ (Siehe dazu den Eintrag „Über das Wollen, das Können und das Werden“! [link])

Universalmuseum-Boss Peter Pakesch, zuweilen im Fokus mancher Ereignisse, als seien in der Szene noch jede Menge unbewältigter Autoritätskonflikte vorhanden, weiß natürlich, wie so ein Laden zu schmeißen wäre, hat aber schon klar gemacht, daß er nicht müssen muß. Seine wichtigste Botschaft besagt: „Wir sind auch nicht böse, wenn wir das Künstlerhaus wieder los sind. Wir haben ohnehin genug zu tun.“ Sein Befund „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ kann hier nachgelesen werden: [Quelle]

Peter Pakesch (links) und Werner Fenz im Künstlerhaus

Das ist gewissermaßen eine Antwort oder Ergänzung zum ersten Papier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“, verfaßt von einer Runde höchst unterschiedlicher Kulturschaffender, von denen die meisten auch das Know how hätten, diesen Laden zu schupfen: Reinhard Braun (Camera Austria), Sandro Droschl (Kunstverein Medienturm), Søren Grammel (Grazer Kunstverein), Reni Hofmüller (ESC), Astrid Kury (Akademie Graz), Karin Lernbeiß (Streetgallery), Margarethe Makovec & Anton Lederer < rotor >, Eva Meran (the smallest gallery), Wenzel Mracek (Kunsthistoriker, Publizist), Eva Pichler & Gerhard Pichler (zweintopf), Heidrun Primas & Andreas Heller (Forum Stadtpark), Nicole Pruckermayr (Institut für zeitgenössische Kunst, TU Graz), Johannes Rauchenberger (Kulturzentrum bei den Minoriten), Ulrich Tragatschnig (Kunsthistoriker, Journalist) und Eva Ursprung (Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz; IG Kultur); siehe dazu: [link]

Wie kann es also weiterlaufen? Wer das Landeskulturförderungsgesetz kennt, weiß auch, daß es keinen Rechtsanspruch auf Kunstförderung gibt. Das wäre, überdies, so erklärte uns Heimo Steps bei unseren „talking communities“ [link] einmal, verfassungswidrig. Also geht es darum, daß nun Sachpromotoren und Machtpromotoren Konsens finden…

[Die Debatte: Übersicht]

Scharf stellen in unscharfen Verhältnissen

Wohin ich mich auch wende, Kulturschaffende führen Klagen über den Status quo. Mir ist das kein Rätsel und wir wissen ja auch, wie es gekommen ist. Aber um das deutlich zu sagen: Ich hab keine Lust, mich selbst als „Opfer“ oder „Problemfall“ zu definieren. Und ich hab auch keine Laune, dauernd nur mit dem befaßt zu sein, was uns schwer fällt. Da müssen auch noch andere Aspekte eine Rolle spielen können.

Die laufenden Debatten sind mir überdies etwas zu dünn. Ich wünsche mir:
+) Wenn schon Polemik, dann mit Esprit!
+) Wenn schon „Flaming“, dann aber radikal und mit grober Kelle!
+) Ansonsten hätte ich es gerne lieber sehr viel sachlicher und unaufgeregter!

Am wenigsten interessiert mich das populäre Verfahren, die Selbstdefinition durch Feindmarkierung vorzunehmen. Das ist erbärmlich. Ich brauche keine Wand, gegen die ich spielen kann, um anderen klar zu machen, wer ich bin und warum ich das bin.

Als Kunst- und Kulturschaffender muß ich in der gegebenen Situation neu klären, was ich selbst zu leisten vermag, wer mich als Verbündeten akzeptieren würde und was daraus folgt, wenn ich meine Position gegenüber Politik und Verwaltung zu verdeutlichen hab.

Wenn ich am Stand der Dinge Kompetenzmängel und Stagnation feststellen muß, dann betrifft das wahrlich nicht bloß die anderen Metiers, sondern auch unseres. Also liegt mir an brauchbaren Befunden, die einer Prüfung und Debatte standhalten. Daraus sind Schlüsse zu ziehen und Handlungspläne zu entwerfen, dann geht’s los. (Ja, ich wiederhole mich.)

"kunst ost" in der aktuellen Ausgabe von "top of styria"

Mich interessiert zur Zeit natürlich sehr, was wir als Kulturschaffende überhaupt direkt mit Wirtschaftstreibenden zu tun haben können. Das ist ja keineswegs so klar und herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring führen in unserem Bereich erfahrungsgemäß eher ins Leere.

In der heurigen Jahresausgabe von „top of styria“ ist auf Seite 18 meine Zusammenfassung solcher Überlegungen zu finden: [link]

Außerdem haben wir im Rahmen unserer „Kulturspange“, einer Kooperationsebene im Kulturbereich, nun eine Reihe von Arbeitstreffen eröffnet, wo solche Annahmen, Optionen, Überlegungen debattiert werden, um in praktikable Versuche zu münden: [link]

Ich sehe die wachsende Diskussion um das Grazer Künstlerhaus als einen interessanten Anlaß, um zu klären, wo denn Kunst- und Kulturschaffende in der Steiermark momentan überhaupt stehen; vor allem auch in ihrer Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung. Deshalb fasse ich einen Teil einschlägiger Beiträge hier zusammen: [link]

Techniker Michael Toson (links) und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz im Grazer Johann Puch-Museum

Die Alltagskultur bleibt derweil nicht unberücksichtigt. Aus unserem „Kuratorium für triviale Mythen“ ist inzwischen so einiges hervorgegangen. Das bildet längst einen speziellen Fokus auf Mobilitätsgeschichte. Der hat nun eine im Plauderton gehaltene Ebene auf Facebook, an der Person Johann Puch festgemacht: [link]

Die Künstlerhaus-Debatte

Über das Wollen, das Können und das Werden

Da war nun dieses kulturpolitische Arbeitspapier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ erschienen, in dem einige exponierte Kulturschaffende den Status quo skizziert haben: [link] Gegen Ende voriger Woche hat, so höre ich, Joanneum-Boss Peter Pakesch auf das Papier geantwortet. Diese Antwort ist leider bisher im öffentlichen Diskurs nicht aufgetaucht.

Peter Pakesch läßt wissen, daß er sich sein Leben auch gut ohne das Künstlerhaus vorstellen kann

Ich denke, es bleibt unverzichtbar, alle vertretenen Positionen auch sichtbar zu machen. Die IG Kultur Steiermark hat einiges an Statements und Presse-Reaktionen zusammengetragen, im Web deponiert: [link] Andere Akteurinnen und Akteure dieses Diskussions- und Klärungsprozesses zeigen sich in ihren Äußerungen noch sehr zurückhaltend.

Von APA/OTS kam kürzlich eine Meldung, die in manchen Punkten nachdenklich stimmt. Zum Beispiel: „So forderte die IG Kultur, das seit 2003 dem Joanneum zugeordnete Ausstellungshaus am Stadtpark lokalen Kulturschaffenden zur Verfügung zu stellen. Anita Hofer von der IG Kultur meint,…“ [Quelle]

Das halte ich für problematisch, denn „lokale Kulturschaffende“ wären jene von Graz, womit auch die IG Kultur Steiermark schon wieder einmal die Steiermark ausgeblendet hätte. Immerhin hieß es an anderer Stelle: „die Öffnung für die gesamte künstlerische Szene der Steiermark“, was offenbar den Leuten in der Grazer Szene nicht ganz selbstverständlich über die Lippen kommt.

In der OTS-Meldung heißt es weiters: „Am Kunsthaus Graz ‚sehen wir ja, wie so etwas läuft’, so Hofer: ‚Steirische Künstler haben kaum Chancen, dort auszustellen.’“ Da wäre freilich, mit Verlaub, einmal zu debattieren, warum Grazer Kunstschaffende vor allem in Graz mehr Ausstellungsmöglichkeiten haben sollen, anstatt sich zu rüsten, an anderen Orten und auch möglichst weit weg auszustellen.

Veronica Kaup-Hasler fühlt sich eher nicht prinzipiell für eine steirische Heimwerker-Bewegung zuständig

Eine Frage, in der schon Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals „steirischer herbst“, seinerzeit übel genommen wurde, daß sie auf ein ähnliches Anliegen hin wissen ließ, dieses Festival sei nicht primär als Schaufenster für heimische Kräfte konzipiert.

In gewissem Sinne wäre es sogar interessant auszuloten, was geschähe, wenn heimischen Leuten zuhause nur kleine Locations zum Üben verfügbar gemacht würden, es ihnen aber ansonsten möglichst schwer fallen solle, vor der eigenen Haustür auszustellen, um ihnen Geschmack an der Ferne nahezulegen. (Drohrufe, Verwünschungen und Briefbomben für mich bitte an das Salzamt adressieren!)

Zur Sache! Wir erfahren von Pakesch überraschend: „Wir sind auch nicht böse, wenn wir das Künstlerhaus wieder los sind. Wir haben ohnehin genug zu tun.“

Das hat doch Charme! Die Zeit wäre eventuell reif, Pakesch darin beim Wort zu nehmen, sich selbst die Verantwortung für so ein bemerkenswertes Haus aufzubürden. Ja, eine Bürde ganz bestimmt, denn solcher Strukturen Vorteile zu konsumieren ist eine viel gemütlichere Hackn, als sie Jahr um Jahr in Gang und in Schuß zu halten.

Ich habe inzwischen schon den Ruf nach Selbstverwaltung hören können. Prima!

Offen gesagt, als vor einer Weile zu lesen war, daß steirische Kunstschaffende nun einig seien: „Wir holen uns die Selbstverantwortung für unsere Arbeit zurück!“, habe ich erstmals heiße Tränen der Rührung in mein Taschentuch geweint. Warum hatten wir sie so lange nicht, die Selbstverantwortung? Wer hatte sie uns geraubt? Jetzt aber!

Christian Buchmann tut jetzt genau das, was wir von einem Landeskulturreferenten erwarten würden: Er bittet den Landeskulturbeirat, die eingegangenen Konzepte zu prüfen.

Scherzchen beiseite, das sind ja ernste Angelegenheiten. Landeskulturreferent Christian Buchmann ergänzte eben meine Notizen auf INFOGRAZ um eine Stellungnahme: „…aktuell liegen mir sechs Konzepte für eine zukünftige Positionierung des Künstlerhauses vor. Es sind dies Konzepte von
den Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen)
von Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel
von der IG Kultur
vom Grazer Stadtmuseum
vom Künstler-Paar Nestler-Rebeau
und vom Universalmuseum.

Diese Konzepte wurden von mir am 2. November an den Landeskulturbeirat weitergeleitet, den ich um eine Expertise zu den Konzepten bis Ende des Jahres ersucht habe.“ [Quelle]

Der Beirat wurde heuer im Frühjahr neu besetzt: [link] Unter diesem Link findet man auch ein downloadbares PDF-Dokument mit einem aktuellen Mission Statement des Landeskulturbeirates. Angesichts des personellen Status dieser Instanz wird es mit gängigen Verschwörungstheorien etwas langweilig.

Freilich gibt es die absolute Killerapplikation der Auguren, Blitzgneißer und Propheten, nämlich ein Ansichtenbündel, wonach das alles nur Getöse sei, eine Inszenierung, die bemänteln solle, daß Entscheidungen hinter den Kulissen längst gefallen seien, daß diese nun bloß noch von quasidemokratischen Prozessen bemäntelt und legitimiert werden sollen.

Vorzüglich nutzbarer Raum in günstiger Lage: Das Künstlerhaus Graz

Das Bequeme an solchen Verschwörungstheorien ist, daß sie niemals entkräftet werden und so auch nicht aus der Welt geschafft werden können, ganz egal, wie sehr sich diese oder jene Menschen in der Sache anstrengen. Deshalb sind mir Verschwörungstheoretiker so suspekt. Sie betreiben ein dubioses Geschäft, welches kaum angemessen überprüft werden kann.

Da bewegen wir uns also jetzt im Bereich von Glaubensgegenständen, zu denen jemand vor allem einmal sein eigenes Credo einreihen kann. Ich mach das hier gleich: Diese lahme Verschwörungstheoretisiererei ist eine letzte Zuflucht jener, die sich nicht aufraffen möchten, um Klärungen zu ringen. Selbst ein inspirierender Dissens ist harte Arbeit. Diese Arbeit muß nun gemacht werden. Schauen wir, dann sehn wir schon!

[Die Debatte: Übersicht]

Das kommende Puch-Buch

Verlagslektorin Dorothee Müller (Sutton Verlag, Erfurt) schrieb mir eben: „Außerdem brauchen wir bitte das Bild Nr. 105 noch einmal mit 20 Zentimetern Höhe und 300 dpi Auflösung oder noch besser als Originalbild. Dieses würden wir gerne für das Cover verwenden, dafür liegt es aktuell aber zu klein und qualitativ zu mangelhaft vor.“

Das betrifft jenes Buch über den Steyr-Puch 500, welches ich gerade gemeinsam mit Sozialhistoriker Matthias Marschik geschrieben hab. Siehe dazu auch die Notiz vom 25. Oktober 2011: [link]

Nun ist aber auf diesem Wunschbild ein Fiat Nuova 500 zu sehen, weshalb ich zu antworten hatte: „das geht leider keinesfalls, denn es ist KEIN puch, sondern ein fiat. die puchianer-kurie würde uns einen killer schicken.“

Der Fiat Nuova 500 war ein Hauptereignis der Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg

Müller: „Das falsche Coverbild tut mir natürlich sehr leid, da sind wir ja grad noch einmal mit dem Leben davongekommen… Um diesen Gefahren vorzubeugen, würden wir uns sehr freuen, wenn Sie uns noch eine Liste der Bildnummern schicken könnten, die als Coverbilder infrage kommen. Oder gibt es vielleicht sogar noch eine vergleichbare Aufnahme zu Bildnr. 105, die aber einen Puch zeigt?“

Zur Erläuterung der Episode: Das „Pucherl“ wurde in Graz-Thondorf gebaut. Die Karosserie stammt hauptsächlich vom italienischen Fiat, doch aufgrund einer Reihe technischer Details bestehen „Puchianer“ darauf, daß der Thondorfer Wagen NICHT als Fiat-Klon verstanden werden darf.

Die Historie von Steyr, Daimler und Puch ist die eines weit verzweigten Weltkonzernes, der heute von Magna Steyr repräsentiert wird

Wir haben es hier mit einem zentralen Stück österreichischer Mobilitätsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Der Automobilismus ist über fast hundert Jahre mit einem so horrenden Aufwand an Propagandamitteln eingeführt worden, daß wir heute kaum eine realistische Vorstellung davon haben, wie das gemacht wurde und was davon heute wie in unseren Köpfen sitzt.

Wir gehen diesen Motiven auf mehreren Ebenen konzentriert nach. Eine davon ist unser „Kuratorium für triviale Mythen“, bei dem das Kulturgeschichtliche daran mit einigem Augenzwinkern bearbeitet wird: [link] Andere Arbeitsbereiche führend mehr und mehr dazu, das ganze auch mit Fragen des Energiebereiches und jenen nach Ernährungssouveränität zu verknüpfen.

Für laufenden Notizen und Plauderein zu diesem gesamten Themenkomplex gibt es hier nun auch eine Facebook-Präsenz: [link]

Zur Jahreswende hin

Unser nächstes Plenartreffen findet am Freitag, dem 2. Dezember 2012, im Schloß Hainfeld [link] bei Feldbach statt. Ab 19:00 Uhr werden wir dort unsere Möglichkeiten und Vorhaben für das Jahr 2012 erörtern. Das Schloß, einst der Wohnsitz des Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, ist heute der Möglichkeitsraum des Kulturvereins „bluethenlese“: [link]

Bringt uns natürlich ins Grübeln: Wie können Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft abseits des Landeszentrums in eine gemeinsame Praxis kommen?

Wir haben dort schon einige Sessions absolviert, zuletzt die Konferenz „KUNST WIRTSCHAFT WISSENSCHAFT“: [link] Der Auftakt für eine längerfristige Entwicklungsarbeit, um neue und praktikable Ideen zu finden, diese Bereiche in Wechselwirkung zu bringen.

Denn es ist längst mehr als deutlich geworden: Herkömmliche Sponsoring-Ideen sind in unserem Bereich nicht anwendbar. Die Hauptfrage ist außerdem noch offen: Warum und womit sollen diese Bereiche interagieren, kooperieren? Diese inhaltlichen Fragen müssen formuliert und geklärt werden.

So ist nun unsere „Kulturspange“ [link] auch praktisch installiert und zur Wirkung gebracht. Über Künstler Gerhard Flekatsch ist sie in der benachbarten LEADER-Region „Vulkanland“ verankert. Über Künstlerin Eva Ursprung gibt es eine aktive Verbindung nach Graz.

Andreas Kindermann, Geschäftsführer von „Wollsdorf Leder“, und „kunst ost“-Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov

Wir hatten kürzlich ein sehr anregendes Gespräch mit Andreas Kindermann, dem Geschäftsführer von „Wollsdorf Leder“. Dabei hat sich einmal mehr gezeigt, was wir bei ähnlichen Besuchen schon herausgefunden haben: Themenstellungern, Fragen, Kommunikationsweisen, all das will zwischen so verschiedenen Milieus überhaupt erst einmal kennengelernt und begriffen werden.

Das heißt, hier geht es um Prozesse der Verständigung. Die haben eine ganz grundlegende Voraussetzung: Gegenseitiges Interesse. Das hängt nicht an den Bäumen, um gepflückt zu werden. Das ist im günstigsten Fall das Ergebnis von Begegnungen. Hier ist also von PROZESSEN und von ZEIT die Rede.

Karl Bauer, unser Sachpromotor in Fragen der agrarischen Welt, kennt berufsbedingt diese Aspekte, über die sich Prozesse nicht beschleunigen lassen, sondern als eine der grundlegenden Zutaten auch Zeit verlangen

Ich sehe darin – Prozesse und Zeit — zugleich eine wesentliche Basis von eigenständiger Regionalentwicklung. Denn was die Menschen und die Kräftespiele einer Region ausmacht, kann nicht von PR-Büros generiert werden, sondern – ganz im Gegenteil – ist ja primär das Ergebnis individuellen Tuns, das sich da und dort, also auch in wichtigen Betrieben der Region, zu kollektivern Ereignissen verdichtet.

Das sind Zusammenhänge, die ab nun verstärkt einen Teil der Aktivitäten von „kunst ost“ ausmachen werden; unter anderem auch, um uns als Kulturschaffende einigermaßen deutlich im Zusammenhang des großen Vorhabens „Vision 2050“ [link] zu Wort zu melden, denn Funktionstragende der Kommunal- und Regionalpolitik sind offenbar von sich aus eher noch nicht auf die Idee gekommen, daß in solchen Fragen einige Kompetenz bei den Kultur- und Kunstschaffenden liegt.

Nennen Sie Ihre Gründe!

Es ist schon so, daß meine verfügbare Zeit momentan kaum für künstlerische Praxis reicht, großteils für Debatten, Entwicklungsarbeit und administrative Aufgaben draufgeht. Es wäre ohne Zweifel angenehm, würde mir ein Teil der mühsamen Dinge abgenommen, um mehr Platz für die künstlerische Arbeit zu lassen. Wäre. Könnte. Würde. Träumereien. Der Status quo fordert uns momentan auf andere Art.

Eva ursprung (ganz links) bei der Session in Schloß Hainfeld

Wir hatten eben dieses von Künstler Gerhard Flekatsch initiierte Arbeitstreffen in Schloß Hainfeld, bei dem wir daran gingen, neue Ideen für eine sinnvolle Kooperation mit Wirtschaftstreibenden zu erarbeiten. Eine „Urbanisierung“ der „Provinz“ wäre ja Unfug, weshalb auch herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring uns keinen Meter weiterhelfen.

Das war zugleich der Auftakt zu einer kleinen Ausstellung, an der unter anderem Künstlerin Eva Ursprung beteiligt ist. Wie das in Berufsgruppen so üblich ist, auch wir plaudern unter der Arbeit über die „Hackn“, über den Zustand des Betriebes. In den letzten Monaten wurden wir alle vom Lauf der Dinge ziemlich gezaust. Erschöpfungszustände sind inzwischen Standard.

Ich möchte es noch konkreter ausdrücken: Was die Kommunen und das Land uns innerhalb der letzten zwölf Monate zugemutet haben, war so anstrengend, ich bin in dieser Phase definitiv beschädigt worden. Einer der dümmsten Aspekte daran ist die Tatsache, daß unter sprunghaft ansteigendem Krisendruck viele Leute in Politik und Verwaltung diesen Druck sofort an uns weitergereicht haben, in dem sie ansatzlos alles fallen ließen, womit sie grade noch befaßt waren.

Dadurch sind nicht nur wir Kunstschaffenden individuelle beschädigt worden. Dadurch sind auch schon erreichte, also erarbeitete Ziele den Bach runtergegangen. Aber so ist das eben und einschlägige Klagen können beim Salzamt abgegeben werden.

Harmonischer Gemeinderat; die eklatanten Einbrüche im Kulturbereich sind offenbar niemandem aufgefallen

Ich habe gerade in Gleisdorf eine Gemeinderatssitzung miterlebt und war verdutzt, welche Harmonie da herrschte. Das es im Kulturgeschehen nicht nur der Stadt, sondern der ganzen Region gerade ein veritables Desaster gegeben hat, schien diese Harmonie mit keinem Funken Unruhe zu trüben.

Meine Standardfloskel in diesen Zeiten: Es IST so. Und wir haben es offenbar selbst verabsäumt, während der wenigstens letzten zwanzig Jahren konkret wie mit Nachdruck zu fordern, daß in Politik und Verwaltung ausreichend Leute auftauchen müßten, die per Kompetenz in der Lage wären, zu VERSTEHEN, wovon wir reden. Es gibt sie vereinzelt und wir bekommen keinerlei Streß, diese wenigen gelegentlich zu treffen.

Ansonsten haben wir momentan nicht einmal das geringste Gesprächsklima, das zu angemessenen ÖFFENTLICHEN DISKURSEN führen könnte. Man ahnt, dem Abfassen von Protestnoten messe ich die allergeringste Bedeutung bei. Davon kursieren außerdem längst auffallend viele aus der Szene, deren Amtsdeutsch, deren „Funktionärssprech“ kann ich keine fünf Zeilen weit ernst nehmen; wie sollte es dann jemand in Politik und Verwaltung?

Hainfelds Schloßherrin Annabella Ditz und Kunstsammler Erich Wolf: Ohne eine Praxis des Kontrastes wäre in der Region wohl kaum Boden zu gewinnen

Ich bevorzuge vorerst die Arbeit an einer möglichst detaillierten Darstellung des Status quo, um daraus passende Strategien abzuleiten, Handlungspläne zu erarbeiten und loszulegen. All das, wie angedeutet, von öffentlichen Diskursen begleitet. Da wie dort muß es heißen: „Nennen Sie Ihre Gründe!“

Ich mißtraue jenen, die sich darin bedeckt halten, egal, in welchem Lager sie stehen.