Wenn wir darüber nachdenken, was denn eigentlich Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft konkret mit einander zu tun haben können/sollen, noch dazu jenseits des Landeszentrums, zeigt sich sehr schnell, daß unter den Kulturschaffenden vor allem einmal recht viele unüberprüfte Annahmen kursieren.
Das ist für uns einer der Gründe, über den in den letzten Jahren nicht mehr hinwegzusehen war, weshalb wir uns in kleiner Runde auf einer Art Gesprächs-Expedition durch die Region befinden. (Wir, das meint Karl Bauer, Michaela Knittelfelder-Lang, Christian Strassegger und mich.)
Von links: Johannes Weiß, Elisabeth Ruhsmann und Karl Bauer
Wir sagen gerne „Die Wirtschaft“, aber so weit ich sehe, gibt es „Die Wirtschaft“ nicht; wenigstens nicht in dem Zusammenhang, der uns Kunst- und Kulturschaffende hier in der Region beschäftigen mag. Wir träumen gerne. Wir träumen uns das Echo anderer Verhältnisse zurecht. Das führt zu ganz merkwürdigen Klitterungen.
Da wären also „Die Mäzene“. Die gehören aber, so das Träumen, den Vergangenheiten an. Deshalb habe „Der Staat“ die Mäzene abgelöst. Und wo könnte sonst noch Geld für die Kunst herkommen? Na, denken Sie doch an „Die Wirtschaft“!
Kaufmann Gregor Mörath macht in seinem Geschäft eine erste Ausstellungserfahrung
Wie erwähnt, die gibt es nicht. Und Kunstschaffende, die ökonomisch zu hundert Prozent vom Staat abhängen, sind auch eine fragwürdige Option. Das wirft allerdings einige Fragen auf. Wie sollen sich Staat, Markt und Zivilgesellschaft zueinander verhalten? Warum sollen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander zu tun haben?
Wie möchten wir den Umgang der verschiedenen Sektoren miteinander geregelt haben? Welche Geldflüsse soll es geben, gestützt auf welche Art von Leistungsaustausch? Ich kann das rausbrüllen, so oft ich will, vorerst erhalte ich keine Antworten. Die einzige markante Antwort, die ich aus meinem Umfeld kenne, wird von der IG Kultur Steiermark promotet und lautet: „plus 25%“. (Ein schwaches Statement!)
Ich bleib noch etwas beim beliebten Bild „Die Wirtschaft“. Das bedeutet in Österreich, über 60 Prozent der heimischen Betriebe sind EPU, also „Ein-Personen-Unternehmen“. Die werden naturgemäß eher selten im Bereich Kunstsponsoring aktiv, zumal ein erheblicher Anteil dieser EPU über die Jahre selbst unter großem ökonomischem Druck steht.
Die EPU sind gewissermaßen Teil der KMU: „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der Unternehmenslandschaft und haben damit wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur.“ [Quelle] Laut „KMU Forschung Austria“ sind das „99,6% der gewerblichen Wirtschaft“ [Quelle] Die reißen uns hier auch nicht heraus.
In unserer regionalen Kulturpraxis habe ich es permanent mit EPU-Leuten zu tun, ferner mit einigen führenden Kräften von Klein- und Mittelbetrieben, wie etwa der Stadtapotheke, dem Kaufhaus Mörath, Elektro Kurtz, Buchhandlung Plautz oder die eigenständige Volksbank, Raiffeisenbank, Zweirad Laller etc.
Soweit dort Budgets für Kunstprojekte vorhanden sind, gehen sie in eigene Kulturveranstaltungen. Investitionen in die Vorhaben anderer Leute sind von diesen Betrieben her die Ausnahme.
Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer von „KWB“, bei einer Session mit Künstlerin Maruša Sagadin (Foto: Sagadin)
Keiner dieser Betriebe mit unterschiedlich großem Angestelltenstab hat Ressourcen, die ein konventionelles Kunstsponsoring ermöglichen würden. Sachleistungen sind möglich. So hat mich etwa Bernhard Kurtz (Elektro Kurtz) noch nie abblitzen lassen, wenn ich für eine Veranstaltung einen großen Monitor plus DVD-Player gebraucht hab etc.
Es gibt in dieser Betriebsdimension gelegentlich Ausnahmen wie etwa den Unternehmensberater Erich Wolf, der erhebliche Mittel in Ausstellungen, Kataloge und Werke investiert; weil er Kunstsammler ist. Das heißt, er folgt seinen eigenen Intentionen und Obsessionen, agiert nicht als Sponsor im herkömmlichen Sinn.
In der nächst größeren Betriebskategorie sieht das schon anders aus. Etwa Binder +Co oder KWB, da hat man Ressourcen und auch eine entsprechende Orientierung, durch die eine Kofinanzierung von Kunstprojekten immerhin möglich ist, zuweilen vorkommt.
Von einigen Betrieben der Region weiß ich, daß sie Kunstsammlungen haben, was ja seinerseits Mittel bindet, die folglich nicht in „außenliegende“ Aktivitäten investiert werden. Das heißt: Die Kunstaffinität ist da, aber die verfügbaren Mittel sind gebunden.
Manches Engagement muß, wie wir es eben erlebt haben, nicht einmal nach außen und an eine Öffentlichkeit adressiert sein. Es kann auch bedeuten, ein Kunstprojekt firmenintern abzuwickeln. Was dabei unausweichlich bleibt: Der Anspruch an hohes inhaltliches Niveau und professionelle Umsetzung.
Wenn eine Firmenleitung Geld verfügbar macht, damit etwa die Management-Riege mit einer Künstlerin in eine Tages-Session geht, dann handelt das von Anforderungen, welche regionale Voluntaries für gewöhnlich nicht zu erbringen imstande sind; so zumindest unsere praktische Erfahrung.
Da brauch ich schon wen, der oder die a) das Metier beherrscht und b) die Abläufe bewältigt, wenn Leute mitziehen, die etwa noch keinerlei Erfahrung mit solchen Sessions haben; ich benötige dazu aber vor allem Ideen und Konzepte, auf die sich eine Firmenleitung einläßt.
Derlei Ideen und Konzepte fallen weder vom Himmel, noch sind sie flott formuliert und noch flotter verkauft. Es kann in Firmen ohne weiteres auf einen mehrmonatigen Dialog mit Entscheidungstragenden hinauslaufen, die ihrerseits allenfalls erst etwas herausfinden müssen bzw. mitgestalten möchten. Es ist also in der Anbahnung mitunter sehr arbeitsintensiv.
Unternehmensberater Erich Wolf folgt mit großer Zähigkeit seinen Kunst-Obsessionen
Internationale Players investieren bei uns eher nicht in regionale Kunstprojekte. Ich sehe bestenfalls ihre Logos auf den Plakaten von Sportvereinen. Die Gegenwartskunst hat hier keinen vergleichbaren Stellenwert und was die Voluntaries machen, wird von einem Management wie etwa dem bei Magna Steyr keiner näheren Betrachtung unterzogen.
Wo aber Wege offen sind, hab ich noch nie gehört, daß vom Kunstfeld eine grandiose Idee angekommen sei, die das umgehende Zücken eines Scheckheftes bewirkt hätte. Wege. Zeit. Prozesse. Ich denke, wo es gelingt, einzelne Geschäftsleute für Vorhaben zu interessieren und schließlich zu gewinnen, müssen beide Seiten geneigt sein, miteinander Erfahrungsschritte zu setzen. „Schnelles Geld“ ist dabei keinerlei relevante Kategorie.
Was dann hinter dem nächsten oder übernächsten Horizont an Kooperationen zwischen Kunst und Wirtschaft greifbar werden mag, das muß, wie mir scheint, inhaltlich und in den Modusfragen überhaupt erst erkundet, erarbeitet werden.
Wir sind bei „kunst ost“ im Augenblick mehr als klar orientiert. Eine wesentliche Arbeitsebene ist der Kunst gewidmet. Das bezieht sich vor allen auf zwei Jahresschwerpunkte:
+) Das kommende „April-Festival“ mit dem Fokus auf regionalen Kräften: [link]
+) und das Symposion im Herbst mit dem Fokus auf internationalen Zusammenhängen: [link]
Die zweite Arbeitsebene ist den regionalen Rahmenbedingungen und Zusammenhängen gewidmet, in denen sich solche Aktivitäten entfalten. Dabei haben wir momentan zwei wesentlich Fragestellungen im Blickfeld:
+) Was ist regionale Identität?
+) Woher kommt das Neue?
Was nun die Region sei und mit welchen Konzepen wir dabei laborieren, ist gerade Gegenstand unserer Kooperation „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“, im Rahmen derer wir kürzliche die zweite Session absolviert haben: [link] Dabei hat Unternehmer Kurt Winter, der hier auch die Wirtschaftskammer repräsentiert, anschaulich geschildert, was auch unsere Erfahrung im Kulturbereich ausmacht.
Kurt Winter: "Und wenn man ganz weit weg ist, ist man from Austria.“
Wenn wir nämlich von Region und Identität sprechen, dann meist nicht von einem Zustand, sondern von Relationen, also von Bezugspunkten und wie sie sich zu einander verhalten. Unsere Arbeitspraxis handelt also davon, daß die Begriffe Region und Identität sehr dynamische Angelegenheiten benennen.
Winter ging von einer simplen Praxissituation aus: Wie stelle ich mich selbst vor, wenn ich irgendwo hinkomme und Leute fragen mich „Wo kommst denn her“? Das ereignet sich dann konkret auf eine Art, wie ich es auch kenne.
Winter: „Wenn ich hier bin, sage ich: Ich komm aus Pircha. Ludersdorf/Wilfersdorf. Weiß ein jeder. Wenn ich in Wien bin, kann ich sagen ‚Ich komme aus Gleisdorf’. Wenn ich in Innsbruck oder in Bregenz bin, ist es schon nicht mehr ganz so leicht. Da komme ich aus Gleisdorf bei Graz. Wenn man irgendwo weiter weg ist, ist man aus Graz. Und wenn man ganz weit weg ist, ist man from Austria.“
Das korrespondiert vorzüglich mit der Anforderung, „Region“ nicht als ein geschlossenes, eng geordnetes Gefüge zu verstehen, sondern stets in größeren Zusammenhängen zu betrachten. Das mag auch bedeuten, ich muß selbst immer wieder neu klären, wo ich gerade stehe und wie ich mich zu den jeweils anderen Positionen verhalte.
Kurt Winter an jenem Abend: „Region ist letztendlich das, aus meiner Sicht, womit einen andere bis zu einem gewissen Grad identifizieren und auch einordnen, weil es schwierig ist, solche Gespräche immer vom Grund auf durchzuführen. Deshalb geben sich viele Regionen irgendein Image.“
Mirjana Peitler-Selakov: "Was sind kreative Akte? Was sind individuelle und soziale Voraussetzungen für das Neue? Wie fördern wir das Neue?"
Mit dem anderen Fragenkomplex – Woher kommt das Neue? – ist auf der praktischen Ebene im Augenblick vor allem unsere Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov befaßt. Und zwar in einem mehrmonatigen Prozeß, der dialogisch angelegt ist, in dem sie mit Milena Bekerle und der Geschäftsführung von „KWB“ (KRAFT UND WÄRME AUS BIOMASSE GMBH) [link] ein gemeinsames Kunstprojekt erarbeitet, das heuer realisiert wird.
Wir sind also in Summe damit beschäftigt, in einem sehr kontrastreichen Bezugsfeld mit Menschen, die höchst unterschiedliche Aufgaben haben, jene Schnittpunkte zu erarbeiten, die brauchbare Ausgangspunkte für konkrete Kooperationen ergeben.
Die „Besetzungsliste“ jener zweiten KWW-Session ist ein anschauliche Ausdruck genau dessen: [link] Wenn wir in so einem Ensemble auch nur einige wenige gemeinsame Interessen herausarbeiten können, haben wir einen sehr vitalen Ansatz für das, was man unter „eigenständiger Regionalentwicklung“ verstehen könnte.
Ich hab keine Ahnung gehabt, wie es sich fügen könnte. Unsere Session im Hause KWB [link] ging von einer äußerst heterogenen Runde aus. Wir haben die exponierten Personen auch zum Teil in eine Situation hereingeholt, die ihnen vorab nicht ganz klar gewesen ist. So ergab sich eine womöglich recht authentische Startsituation.
Von links: Erwin Stubenschrott, Kurt Winter, Werner Höfler, Karl Bauer, Sandra Kocuvan, Iris Absenger-Helmli, Gerhard Flekatsch
Damit meine ich: Menschen aus ganz unterschiedlichen Metiers, die in unserem Lebensraum ganz unterschiedliche Aufgaben haben und deshalb auch sehr verschiedene Prioritätenkataloge mitbringen, sind plötzlich für zwei Stunden mit einander verknüpft und sind gefordert, eine gemeinsame Themenstellung zu beleuchten.
Das hat natürlich keineswegs bloß Konsens generiert. Aber wir haben miteinander eine Gesamtsituation erlebt, in der sehr unterschiedliche Positionen einmal deutlich da sein konnten; ergänzt um Eindrücke, in welchen Zusammenhängen alltäglicher Arbeit diese unterschiedlichen Positionen bestehen.
Das waren in unserer zweiten Session diesmal:
+) Iris Absenger-Helmli (LEADER-Managerin, „Energie-Region“)
+) Karl Bauer (Tierarzt, Gemeinderat Gleisdorf)
+) Werner Höfler (Landwirt, Bürgermeister, Hofstätten a.d. Raab)
+) Sandra Kocuvan (Fachreferentin, Kulturabteilung d. Landes Steiermark)
+) Erwin Stubenschrott (Unternehmer, KWB)
+) Kurt Winter (IT-Fachmann, Wirtschaftskammer)
Ich hab übrigens einen Tonmitschnitt der Inputs und der darauf folgenden Debatte, den ich hier demnächst als Download zur Verfügung stellen möchte.
Von links: Karl Bauer, Sandra Kocuvan, Iris Absenger-Helmli
Wir werden im Basis-Team (Fickl, Flekatsch, Krusche, Peitler-Selakov) nun die gesamte Diskussion des Abends aufarbeiten; inklusive der Inputs aus dem Publikum. Eine Zusammenfassung dessen wird an die Leute geschickt, damit Einwände und Ergänzungen möglich sind.
Dann geht es in eine zweite Runde der Redaktionsarbeit, die ein kohärentes Arbeitspapier ergeben soll, mit dem ich geklärt sehen möchte, was wir an diesem Abend erarbeitet haben, was davon abgehakt werden kann und was uns in die nächste Station begleiten sollte.
Apropos nächste Station! Der Gleisdorfer Gemeinderat Karl Bauer [link] und Johann Baumgartner [link], im Raiffeisenhof für Bildung und Kultur zuständig, haben diesbezüglich schon Vorschläge gemacht. Wir werden also sehr bald die dritte Station unserer Serie fixiert haben.
Eines unserer Ziele ist ja, daß wir in die Praxis dieser oder jener Kooperation kommen. Dazu hat jener Abend nun schon ein paar interessante Ansätze geliefert. Ich darf dennoch betonen: Es geht hier um keine „schnellen Ergebnisse“, sondern vor allem einmal um einen anregenden Prozeß und um eine wachsende Kommunikationssituation. Es geht um einen längerfristigen belebten „Möglichkeitsraum“, in dem wir eine Art „Praxis des Kontrastes“ erproben können.
Andreas Turk (links) und Reinhard Weixler
Ich denke, es ist so, wie wir es grade exemplarisch mit der Firma KWB [link] erleben. KWB Und „kunst ost“ entwickeln nämlich zur Zeit gemeinsam ein Kunstprojekt. Und das läuft nicht auf die Art „Sie wünschen, wir spielen, zack, das war’s, und hier sind die Ergebnisse“. Allein der Entwicklungsprozeß dieses Projektes, das von unserer Seite Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov betreuet, erstreckt sich nun schon über mehrere Monate.
Offenbar wissen beide Seiten in diesem Prozeß, daß genau diese behutsame und konzentrierte Arbeit schon für sich Ergebnisse generiert, Erfahrung bringt, die in Wissen übersetzt werden kann. Und genau das ist – neben herkömmlichen Schritten der Kunstpräsentation – unsere Angelegenheit.
Das ergibt sich übrigens auch allein schon im Basis-Team. Fickl, Flekatsch, Krusche, Peitler-Selakov, das sind vier höchst unterschiedliche Charaktere mit ganz verschiedenen Temperamenten und Zugängen. Auch da gibt es keine „schnellen Ergebnisse“, sondern prozeßhaftes Arbeiten in laufender Kommunikation ist vorerst eines der Hauptereignisse. Nun also unterwegs zur dritten Station von „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“…
Das Thema „Regionale Identität: eine Illusion oder unsere Wirklichkeit?“ ergibt einen Angelpunkt, über den sich sehr unterschiedliche Genres in Wechselwirkung bringen lassen. Das ist für uns wichtig, wenn wir eine Begegnung in Augenhöhe bevorzugen und im kulturellen Engagement auf Kooperation setzen; so ein Schnittpunkt, bei dem selbst sehr gegensätzliche Positionen einen gemeinsamen Ausgangspunkt finden.
Bürgermeister Werner Höfler
Wir haben uns bemüht, für den Abend am 25. Jänner Personen zusammenzubringen, die aus ihrer Arbeitspraxis sehr konkrete Ansichten haben, was die Region sei und welche Fragen zum Thema Identität dabei augenblicklich vorrangig erscheinen.
In der Verständigung zu diesem Abend fällt auf: Exponierte Leute sind oft in Personalunion für mehrere Felder repräsentativ. So wird etwa Kurt Winter dabei sein, der einerseits beeideter Sachverständiger in der IT-Branche ist, andrerseits Gleisdorfer Wirtschaftsbund-Obmann. Winter ist also einerseits lokaler Wirtschaftstreibender, andrerseits bringt er Sichtweisen von der Landesebene her ein, nimmt an diesem Abend im Namen von Landesrat Christian Buchmann teil.
Gastgeber und KWB-Geschäftsführer Erwin Stubenschrott ist nicht nur ein bemerkenswertes Beispiel für unternehmerische Kreativität, er hat auch in Fragen des sozialen Klimas und dessen Bedingungen in der Region äußerst klare Vorstellungen.
LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli
Werner Höfler steht für die erhebliche Komplexität, welche wir im Lauf der regionalen Dinge heute finden. Als aktiver Landwirt ist er in Fragen der agrarischen Welt sachkundig. Als Bürgermeister von Hofstätten a.d. Raab hat er mit den Anliegen des Handwerks, der Industrie und des Speditionswesens zu tun, weil diese Metiers in der Gemeinde präsent sind.
Nun ist Hofstätten einerseits das Ergebnis einer vormaligen Zusammenlegung mehrerer Katastralgemeinden, andrerseits heute aber auch Teil der „Kleinregion Gleisdorf“, die dieses Thema Zusammenlegung erneut durchläuft. Überdies ist Hofstätten die südlichste Gemeinde der „Energie-Region Weiz Gleisdorf“, einer LEADER-Region.
Apropos! LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli wird auch an diesem Abend teilnehmen. Sie hat nun seit Jahren damit zu tun, Interessenslagen in den vielschichtigen Überlagerungen von Regionalkonzepten zu moderieren, aber auch im Kräftespiel zwischen einzelnen Gemeinden zu bestehen, die bei unterschiedlicher Größe auch höchst unterschiedliche wirtschaftliche Potenz haben; je nach betrieblicher Verfassung.
Wir werden ferner Sandra Kocuvan von der Kulturabteilung des Landes Steiermark hören. Sie ist unter anderem für das Festival „regionale“ und für die steirischen „LEADER Kulturprojekte“ zuständig.
Außerdem hat Tierarzt Karl Bauer sein Kommen zugesagt. Er ist als Gleisdorfer Gemeinderat mit der Kommunalpolitik vertraut, hat aber auch Erfahrung als Unternehmer.
Nicht zu vergessen, daß wir im „Basis-Team“ (Fickel, Flekatsch, Krusche & Peitler-Selakov) selbst den gesamten Themenblock „Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft“ repräsentieren. Sie ahnen schon, unser Tun ist einem Möglichkeitsraum gewidmet, der meint: Den Ort, die Region, das Land und internationale Anknüpfungspunkte.
Es geht aktuell vor allem einmal um ein Ausloten: Was sind a) relevante Fragen und b) naheliegende Aufgabenstellungen, die uns quer durch diese Genres gleichermaßen interessieren und beschäftigen?
Falls wir darüber Klarheit finden, falls die Verständigung zwischen Leuten gelingt, die berufsbedingt doch ganz verschiedene Codes pflegen, dürften sich daraus interessante Perspektiven ergeben.
Regionale Identität: eine Illusion oder unsere Wirklichkeit?
(Konferenz und öffentlich zugängliches Arbeitstreffen)
Mittwoch, 25. Januar 2012
[link]
Manchmal sind mir Kürzel lieber als Projektnamen mit Aussagekraft. Eine möglichst weit zurückgenommene Geste läßt irgendwie mehr Raum. Nun ist bei uns das Kürzel KWW festgeschrieben. Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft haben das Zeug zu Wechselbeziehungen, die gelegentlich für Nervosität sorgen. Dazu komme ich noch.
Horst Fickel, Gerhard Flekatsch, Mirjana Peitler-Selakov und ich bilden nun jenes Team bei „kunst ost“, das sich diesen Zusammenhängen verstärkt widmet. Ein Techniker, eine Kunsthistorikerin und zwei Künstler; kuriose Mischung.
Gerhard Flekatsch und Mirjana Peitler-Selakov
Der Auftakt war kürzlich auf Schloß Hainfeld gesetzt: [link] Nun legen wir uns in die Kurve, um das Ding auf die nächste Ebene zu bringen. Wer an diesen Themenzusammenhängen Interesse hat, sollte sich Mittwoch, den 25. Jänner 2012, vormerken. Da werden wir eine größere Session im Hause der Firma KWB [link] realisieren. (KWW bei KWB, das hat was.)
Die erwähnte Nervosität in den möglichen Wechselbeziehungen hat im Steirischen einen Favoriten unter den Feindbildern. „Kreativwirtschaft“. Eine von Unruhe gepeinigte Community des Kunstfeldes fürchtet lautstark, man könnte von der Kreativwirtschaft geschnupft werden, geschluckt, verschlungen, vereinnahmt.
Horst Fickel
Was daran verifizierbar ist: Die soziale Lage Kunstschaffender in Österreich ist schweren Belastungen ausgesetzt, weil die Politik sich seit Jahrzehnten weigert, angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen. Steuerfragen und jene der Sozialversicherung sind für Kunstschaffende in durchschnittlicher Einkommenssituation höchst problematisch. Das macht anderen Meteiers gegenüber nervös.
Dazu kommt beim Stichwort Kreativwirtschaft der „Schrecken der Anwendbarkeit“, weshalb wir dazu neigen, diesen Leuten mehr Beliebtheit zu unterstellen. Es könnte freilich auch vermutet werden, daß viele Kunstschaffende mit etwas schwächelndem Selbstbewußtsein und so manchem Mangel an Professionalität dazu neigen, ihre Selbstdefinition durch Feindmarkierung vorzunehmen.
Wir sehen uns also durchaus gefordert, mögliche Beziehungen zwischen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft aktiv zu gestalten, zu klären, welcher Art diese Beziehungen denn nun sein sollen. Das ist eine etwas interessantere, wenn auch etwas anstrengendere Art in der Welt zu sein.
Wir sehen uns auch gefordert, der Regionalpolitik Vorgaben zu machen, weil es hier in der Region keine irgendwie nachvollziehbare Vorstellng von Kulturpolitik gibt, die über das Verwalten von Budgets und Eröffnen von Veranstaltungen wesentlich hinausreichen würde.
In der Sache haben wir nichts zu beklagen, sondern Faktenlagen zun schaffen.
Wenn uns für die Zukunft etwas gelingen soll, müßte uns die Gegenwart einigermaßen klar und verständlich sein. Das ist momentan ein anspruchsvolles Thema, weil sich aus der Vergangenheit heraus nun im Lauf der Dinge ein Tempo entfaltet hat, das alle Lebensbereiche durchdringt und das in der Art bisher ohne Beispiel war.
Philosoph Peter Sloterdijk hat das in einem sehr anregenden Interview (manager magazin 2009) so beschrieben: „Wir sind in ein Zeitalter der unmenschlichen Geschwindigkeiten eingetreten — und dieser Übergang läuft mitten durch unsere Lebensgeschichten. Wir nehmen an einer maßlosen Beschleunigung teil und besitzen nur ein konfuses Vorgefühl von dem, was wirklich mit uns geschieht. In zwei oder drei Generationen wird man deutlicher sehen.“ [Quelle]
Von Links: Andreas Kindermann (Geschäftsführer), Karl Bauer (Tierarzt), Mirjana Peitler-Selakov (Kuratorin) Und Michaela Knittelfelder-Lang (Malerin) in der Lederfabrik Wollsdorf
Ein „konfuses Vorgefühl“. Das ist gelegentlich gar kein so übler Zustand, um etwas zu erahnen, wo genaueres Erkennen noch unmöglich bleibt. Aber bei „kunst ost“ wollen wir momentan einiges viel genauer wissen. Was soll denn das sein, die „Energie-Region“? Worauf läßt sich die Idee stützen, dies sei eine Region? Das muß sich ja ganz wesentlich aus dem Beziehen, was Menschen hier konkret tun, womit und wodurch sie ihre Leben gestalten.
Ich verfolge laufend, wie solche Fragen von der Politik her behandelt und beantwortet werden, vor allem auf kommunaler und auf Landesebene; siehe etwa Projekt-Log #356! Sitze ich mit einem Unternehmer an einem Tisch, kommen natürlich andere Aspekte ins Blickfeld. Eben hatte sich Andreas Kindermann, Geschäftsführer der Lederfarbrik Wollsdorf, für uns einige Zeit genommen.
In welchen regionalen Zusammenhängen ereignet sich ein Betrieb, der auf dem Weltmarkt eine markante Rolle spielt? Das war eine überaus spannende Debatte, von der ich noch ausführlicher erzählen werde. Die wirtschaftliche Situation eines Lebensraumes kommt uns ja meist nicht besonders bemerkenswert vor, so lange alles klappt und gedeiht. Erst wenn sich Defizite und Problemlagen breit machen, dämmert uns, daß wir diese Kräftespiele wenigstens skizzenhaft verstehen sollten.
Wollsdorf scheint zu gedeihen. Was bedeutet das? Was verlangt das? Davon später mehr! Ein anderes Gedeihen hat eben kuriose Früchte getragen. Ich habe hier schon von unserer Kooperation mit Unternehmensberater Erich Wolf erzählt und daß wir nun mit einem mehrjährigen Prozeß befaßt sind, der ein „Kompetenzzentrum für steirische Gegenwartskunst“ herbeiführen soll. Siehe: [link]
„Das unabhängige Wirtschaftskomitee ‚Initiativen Wirtschaft für Kunst’ vergibt den Österreichischen Kunstsponsoringpreis ‚Maecenas’ heuer bereits zum 23. Mal…“ Fein! Zum Beispiel an Erich Wolf. Ein schönes Signal und ein aktueller Anlaß, auf regionaler Ebene genauer herauszuarbeiten, was denn Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur genau sein können.
Genau das, solche Zusammenhänge, sind ja unter anderem auch Gegenstand des Projektes „iEnergie Weiz Gleisdorf“ selbst, wo etwa Universitäten und die Grazer TU den Auftakt gestaltet haben. Da wurden übrigens gerade die ersten Rückmeldungen eingearbeitet. Das adaptierte Szenario, mit dem wir uns befassen, ist hier deponiert: [link]
Die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur beschäftigen uns auch in der Kooperation mit einer Kulturinitiative der Nachbarregion „Vulkanland“. Künstler Gerhard Flekatsch ist unser Kooperationspartner im Verein „bluethenlese“, welcher im geschichtsträchtigen Domizil des Joseph von Hammer-Purgstall etabliert ist, im Schloß Hainfeld nahe Feldbach. („Geschichtsträchtig“ ist hier keine Floskel, sondern ergibt einen sehr konkreten historischen Hintergrund zu unseren aktuellen Kooperationen mit Südosteuropa.)
Künstler Gerhard Flekatsch und Künstlerin Eva Ursprung bei den Vorbereitungen für unsere aktuelle Session
Damit richten wir eine längerfristige Arbeitsebene ein, auf der ein Kreis relevanter Personen die Klärung solcher Fragen konsequent verfolgen wird. (Mit der darauf folgenden Station werden wir im Jänner 2012 bei „KWB“ zu Gast sein.) Wenn wir also präzisieren möchten, mit welchen Vorstellungen ausgestattet sich in eine Zukunft blicken läßt, die sich 2050 auf diese oder jene Art einlösen wird, dann sollte eine mit Kontinuität versehene Kommunikationslage zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sich als vorteilhaft erweisen können.