Archiv für den Monat: Februar 2011

vehikel der zuversicht

„wie geht es ihnen?“
„danke, kann nicht genug klagen!“

zugegeben, solche momente waren mir in den letzten monaten vertraut. es ist ein mühsamer abschnitt gewesen, ein ringen, um die sicherung unseres kultur-projektes. aber ich hab keine freude am klagen. es kostet kraft und zeit, bringt nichts und läßt einen dort sitzen, wo man gerade feststeckt.

lieber in bewegung bleiben. unser april-festival ist sozusagen das „vehikel der zuversicht“, mit dem wir leute aus verschiedenen bereichen bewegen wollen, den kulturbereich zu stützen, mitzutragen, auch wenn die budgets krachen.

dagobert eberdorfer, schulleiter in wetzawinkel, lüftet gerade ein betriebsgeheimnis, während veterinär karl bauer die kurve kratzt

eben waren wir auf lokalaugenschein in der fachschule von wetzawinkel, wo wir unseren „tag der agrarischen welt“ realisieren möchten. hausherr dagobert eberdorfer kommt uns dabei sehr entgegen. eine weitere station in der umgebung von gleisdorf, die wir uns als längerfristigen teil eines gemeinsam entwickelten regionalen kulturgeschehens wünschen.

den nachmittag davor habe ich auf etwas kuriose art verbracht. für den 17. februar war in graz die entscheidung der zweiten instanz im fall herberstein angekündigt. der skandal hat ja in der steiermark einiges an strukturen grundlegend verändert.

von links: journalistin monika bertsch, frau olga (wurm), regionale großmeisterin des gulaschkessels, und heinz boxan, vormals verwalter in herberstein

wir saßen mit dem vormaligen verwalter heinz boxan, als beitragstäter nun rechtkräftig verurteilt, im ruhigen extrazimmer des gasthofs „wurm“ und erörterten den stand der dinge.

wie erbärmlich die hochmütig angelegte klamotte endete, in der über geraume zeit die republik ausgeplündert wurde, machte der „standard“ im bericht nach der urteilsverkündung deutlich: „Jedes Urteil ist nicht nur ein Urteil gegen mich, sondern auch ein Urteil gegen meine Kinder.“ Bei ihrem Schlusssatz brach die tränenerstickte Stimme von Andrea Herberstein. [quelle]

kann mir zufällig jemand sagen, was das eine mit dem anderen zu tun hat? eben! gar nichts! diese weinerliche art, das ganze gebäude an manipulationen, täuschungen, kostspieligen erhabenheiten und merkwürdigen konstruktionen nun in solcher larmoyanz zurechtzustellen, erscheint mir ekelhaft.

aber die selbsternannte „gräfin“ die sich nun nicht mehr so nennt, interessiert mich recht wenig. mich interessiert viel mehr dieses stück regionalgeschichte, das auch ein stück reale regionalentwicklung ist, in dem sich so viele menschen auf allen ebenen haben hinreißen lassen, regeln zu übergehen, zu brechen. mich interessiert diese kumpanei, die lösungen zugusten des gemeinwohls vorgab und doch bloß eigennutz beförderte.

in einer zeit, wo probleme rasch wachsen und wirksame lösungen rar werden, steigt offenbar die neigung vieler leute, flotte lösungen herbeizuhudeln, notfalls zu simulieren, eventuell auch über gesetzesbruch aus dem boden zu stampfen.

ich denke, das „system herberstein“ steht für eine komplexe „realpolitische“ problemlage, die wir uns noch genauer ansehen sollten; vor allem unter den aktuellen anforderungen, bei diesen zunehmenden problemen, jenseits des landeszentrums nun die strukturen zu sichern und der massiven „neuen landflucht“ etwas wirksames  entgegenzusetzen.

was uns das angeht, wo wir doch ein kulturprojekt betreiben?

wir haben nach den realen bedingungen unseres lebens und unserer arbeit in der region zu fragen. ohne verständnis dieser zusammenhänge bleibt kulturpolitik unklar, hat folglich das kunstschaffen keine beschreibbaren bedingungen.

das geht uns also eine menge an, wie dorfhonoratioren und mitglieder verschiedener deutungseliten hier den lauf der dinge deuten und beeinflussen, entsprechend oder entgegen den regeln der republik.

— [kunst.rasen] —

strategiedebatten

wir haben nun eine art besprechungs-marathon hinter uns. es ging nicht nur darum, das projekt „kunst ost“ durch die verdichteten krisen-auswirkungen der jahreswende zu steuern und dabei wieder zu stabilisieren. es ging auch darum, den regionalpolitischen status quo zu erheben, um eine vorstellung entwickeln zu können, unter welchen konkreten bedingungen wir heuer unsere arbeit entfalten.

es mißfällt mir zu räsonieren, aber ich bin momentan ziemlich aufgebracht, welches durcheinander offenkundig in den fragen der regionalentwicklung herrscht. die kommunikation zwischen den verschiedenen ebenen (land, region, gemeinde, zivilgesellschaft) liegt sehr im argen. dabei klingt es fast schon lustig, daß wir im arbeitsjahr 2010 drei verschiedene landeskulturfererenten erlebt haben.

gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer ist gerüstet, kulturpolitische überlegungen und arbeitsschritte anzugehen, die über eine einzelne orts- und gemeindegrenze hinausreichen

unser jüngstes arbeitsgespräch mit den kulturleuten des „offiziellen gleisdorf“ (siehe zwischenstände“!) hat mehr als klar gemacht, daß a) die kommunalen teams von den rabiaten budget-kürzungen merklich durchgerüttelt sind und b) die diversen regional-konzepte als eher verwirrend statt hilfreich empfunden werden.

da ist also mindestens einiger stress im verhältnis der „kleinregion gleisdorf“ („lokale agenda 21“) und der „energie-region weiz-gleisdorf“ (LEADER plus) zueinander, da gibt es dann auch noch die „oststeiermark neu“ und das „regionalmanagement ost“. was denn nun eine „großgemeinde“ und eine „großregion“ praktisch sei, erscheint mir momentan eher unklar.

die bürgermeister fühlen sich verpflichtet, andauernd meetings zu besuchen, deren sinn und nutzen vielen nicht mehr klar ist. aber überall muß von den kommunen in irgend einen topf eingezahlt werden und arbeitszeit geht drauf. ergebnisse? wissen wir nicht so genau!

gerald gigler (hier mit „kunst ost“-exponentin mirjana peitler-selakov) ist einer unserer diskussionpartner für die frage, wie sich das kulturelle klima stabilisieren und für die gegenwartskunst boden gewinnen läßt

dazu kommt, daß hinter dem nächsten horizont neue gemeinde-zusammenlegungen anstehen. das bringt etliche orts-chefs schon jetzt in kampfstimmung und in verschiedenen notizen klingt die bereitschaft zu widerstand an. aber auch deren personal ist teilweise sauer oder am rande seiner möglichkeiten.

siehe dazu etwa bürgermeister christoph starks tagebucheinträge wie diesen: „Wenn dann verlautet wird, dass man nun eine neue Organisationseinheit schaffe, in die (angeblich) vieles integriert werde, dann ist es nicht verwunderlich, dass es zu mittelschweren allergischen Reaktionen kommt. Auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ [quelle]

ich höre in informellen gespräche, daß etliche gemeinden noch heute die konsequenzen älterer gemeinde-zusammenlegungen nicht verdaut haben. die liegen zwar schon jahrzehnte zurück, bringen aber immer noch differenzen hervor, die sich zwischen zugehörigen „alter“ katastralgemeinden auftun.

zu all dem hatten wir erfahren, es bestünde seit dem ende des vorjahres ein regierungsbeschluß, die LEADER-regionen der steiermark zu reduzieren. erst war von neun, zuletzt sogar von bloß sieben verbleibenden regionen die rede. man kann sich die unruhe in den bestehenden LEADER-managements vorstellen.

ich habe noch nie zuvor in meinem leben eine derart vielschichtig konfuse situation erlebt, in der uns regionale kulturarbeit gelingen soll, während sich unsere potenziellen gegenüber in den kommunen mehr denn je mit „ganz anderen sorgen“ herumschlagen.

ich bin zur zeit WÜTEND, wie konfus sich manche „offzielle“ des regionalen geschehens geben, wie viel an blicken gerade wieder hinter die tellerränder zurückrutschen, in welchem ausmaß die kommunikation vor allem auch unter kulturschaffenden selbst eingebrochen ist etc.

von krisenmanagement keine rede und ich weiß auch nicht so genau, was da draußen zur zeit an problemlösungs-kompetenzen aktivierbar ist, um manches von dem zu kompensieren, was uns eben an strukturen und ressourcen weggebrochen ist.

das lokale generell in größeren zusammenhängen betrachten: karl bauer (links) vom gleisdorfer kulturausschuß und kamillo hörner vom "steirischen volksbildungswerk"

in den letzten wochen wachsender konfusion war nun gleisdorfs kulturfererent alois reisenhofer der erste, von dem ich in unserem jüngsten arbeitsgespräch konkret gehört habe, daß wir uns nach dem april-festivaldarauf konzentrieren würden, ein treffen mit engagierten leuten der „kleinregion gleisdorf“ zu absolvieren, um optionen und strategien zu besprechen.

das ist für mich heute der erste konkrete ansatz einer regionalen kulturpolitik, die über einzelne ortsgrenzen hinaus in die nahe zukunft gedacht sein will. mit diesem wissensstand trafen wir nun auch gerald gigler zu einer strategiebesprechung. gigler ist beim land steiermark für den LEADER-bereich zuständig (abteilung 16).

wir haben uns bemüht, eine brauchbare ansicht vom status quo zu formulieren und daraus überlegungen abzuleiten, welche schritte und aktivitäten in nächster zeit vielbversprechend erscheinen, um das kulturelle klima zu stabilisieren und der gegenwartskunst boden zu gewinnen.

zwischenstände

was geschieht zur zeit? na, so allerhand. eben hatten wir eine weitere station der „talking communities“: [link] tom tipu pono und renate buchgraber vom projekt „:freie galerie:“ fanden sich zu einer debatte ihrer konzeptionellen grundlagen ein. das in graz ansässige galerie-projekt wird – von einigen kühnen annahmen über den kunstbetrieb ausgehend – nun aus der webpräsenz in eine zusätzliche ereignis-zone im realraum überführt.

tom tipu pono und renate buchgraber vom projekt „:freie galerie:“

einiger anlaß, einschätzungen und aussichten zu debattieren. davor hatten wir ein bemerkenswertes arbeitsgespräch mit meinen “drei tenören”, die freilich nicht singen, sondern ein ungewöhnliches projekt-trio ergeben, in dem eine reflexion über unseren lebensraum zu einem gemeinsamem fotografischen statement führen wird.

da war der moment, in dem franz lukas kopfschüttelnd sagte: „je mehr ich über meine letzten aussagen nachdenke, desto mehr entferne ich mich davon. ich fange wieder bei null an.“ das hat uns amüsiert und es war ihm vermutlich in dem augenblick gar nicht klar, wie sehr genau das, diese radikale bereitschaft, vorläufig erreichtes zu verwerfen, oft ein wertvolles fundament künstlerischer praxis ist. eine unverzichtebare art von produktivem zweifel.

das trio im radikalen kontrast: richard mayr, andreas turk und franz lukas

lukas sagte, es werde seine arbeit vermutlich darauf hinauslaufen daß er nur ein einziges bild zeige, in dem sich der prozeß verdichte. ich wünschte, er würde gute gründe finden, sich von dieser konsequenten konzentration nicht abbringen zu lassen. wir haben also im set nun den „buddhisten“ (lukas), den „praktikanten der kontraste“ (turk) und den „zeitreisenden“ (mayr).

von links: das gleisdorfer kultur-team alois reisenhofer, sigrid meister und winfried kuckenberger

andere session, anderes trio. gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer, kulturbüro-leiter winfried kuckenberger und „MIR“-kustodin sigrid meister in einer debatte mit uns, wo es denn nun regional/kulturell weitergehen könne und wovon allenfalls eine weiterführende kooperation zwischen “kunst ost“ und der stadt gleisdorf handeln könnte.

jungejunge! das sind frostige zeiten. und irgendwie ist in der region so allerhand schaden entstanden; genauer: in der regionalpolitik. das hat aber vielleicht auchn sein gutes. der status quo legt uns behutsame schritte nahe. achtsame prüfung der möglichen vorhaben und der fragen, was dabei das zeug zum konsens hat.

neben all dem erreicht mich einige unruhe anläßlich des buches über den „fall herberstein“, das nun erscheint. ich habe daran als sekretär von autor heinz boxan mitgearbeitet. dadurch haben wir bei „kunst ost“ die basis-finanzierung für das erste quartal 2011 erwirtschaftet: [link]

boxan stand mit andrea herberstein, die sich notorisch „gräfin“ nennen ließ, vor gericht. beide wurden für die verübten betrügereien verknackt; boxan zu bedingten, herberstein zu unbedingten strafen. das buch erscheint in kürze, denn für den 17. februar wird das gerichtsurteil der zweiten instanz erwartet: [link]

ich erhalte inzwischen schon manche zuschrift, die mir „andere blickwinkel“ zum casus quasus anbietet. alles sehr interessant, denn es illustriert, was noch heute populäre auffassungen von regionalentwicklung sind, welche sich auch die falsche „gräfin“ nutzbar machte. ich bin sehr neugierig, was ich in der angelegenheit noch erfahren darf …

— [kunst.rasen] —

drehmoment versus drehzahl

was hat sich inzwischen ereignet? unser „nikola tesla-tag“ ist abgegerundet. zum vortrag des versierten branimir jovanovic [link], dem leiter des belgrader „tesla-center“, bekommen wir eine einführung von bernhard kober, dem mitbegründer des kuratorium für triviale mythen, der uns folgendes verdeutlichen wird: „Antrieb“ (Drehmoment jetzt versus Drehzahl bis zum Schluss. Ein Vergleich von Benzin- und Elektromotoren)

vergleicht benzin- und elektromotren: bend kober

damit hat kober nämlich alltäglich zu tun. nein, nicht weil er formell ingenieur wäre, was er allerdings praktisch schon ist, eine art ingenieurs-punk, der gerne auf seiner 1978er vespa krawall macht oder sich tagsüber auf seinem surfbrett den schlaf holt, welchen er nachts gelegentlich nicht findet. vor allem aber: kober ist sehr versiert im umgang mit ferngesteuerten miniatur-automobilen und -hubschraubern: [link]

die verblüffend leistungsfähigen miniatur-motoren sind laut kober „gleich aufgebaut aber wesentlich leistungsstaerker. 2takter, gemischschmierung mit 3,5 cm³ hubraum, aber 40.000 U/min und 2,7 PS. und das is no ungetuned! die elektromotoren sind, soweit i das so beurteilen kann, im klein- und im grossformat gleich, nur dass es bei den fliegern auch aussenlaeufer gibt.“

warum interessiert uns das? wir stecken in einem enormen umbruch, der davon handelt, daß die ära von verbrennungsmotoren als basis von massenmobilität endet. das ist nicht bloß ein thema der technologie. das ist ein soziokultureller veränderungsschub von fast unermeßlicher dimension. in diesem zusammenhang verschaffen wir uns einige ansichten, was hier an grundlagen zur debatte steht.

ähnlich wie bei der themenstellung agrarische welt versuchen wir unter anderem zu klären: worüber reden wir denn da überhaupt? zum beispiel über den konkreten kontrast zwischen elektro- und bezinmotoren … (siehe zu kober auch die wohnungs-radrennen von „muchar“: grazer altbau-radkriterium!)

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

agrarische welt #1

vergangenen sommer fuhr ich mit dem gleisdorfer tierarzt karl bauer in das kosovo: [link] ich besuchte mit ihm und seinem kosovarischen kollegen skifter ajvazi mehrere bauern und verschiedene einrichtungen der agrarischen welt. meine tage in diesem geschundenen land, auf den spuren der beiden tierärzte, haben mich allerhand darüber gelehrt, wie landwirtschaft noch heute stark mit unserem leben zusammenhängt, selbst wenn das – wie in meinem fall – ein urbanes leben ist.

die tierärzte skifter ajvazi (links) und karl bauer beim besuch eines kosovarischen bauernhofes

diese eindrücke und unsere diskussionen während der langen autofahrten waren für mich wesentliche impulse, in diesem „april-festival“ das thema „agrarische welt“ näher zu beleuchten; zumal die region, in der wir leben, ja nicht einfach eine „energie-region“ ist, sondern ein komplexes soziokulturelles gebilde, das sich in einem spannungsfeld zwischen dem agrarischen und high tech entwickelt, entfaltet hat.

anfang des vorigen dezembers haben wir das mit werner höfler, dem bürgermeister von hofstätte, debattiert: [link] von da an war es für uns ziemlich klar, daß wir ein großes thema vor uns haben, dessen verflechtung mit der (regionalen) industrie-welt einiger beachtung wert ist: [link] wir nahmen uns vor, dagobert eberdorfer nach möglichkeit für dieses vorhaben zu gewinnen.

debatte in wetzawinkel (von links): tierarzt karl bauer, schulleiter dagobert eberdorfer und kamillo hörner, leiter "steirisches volksbildungswerk"
debatte in wetzawinkel (von links): tierarzt karl bauer, schulleiter dagobert eberdorfer und kamillo hörner, leiter "steirisches volksbildungswerk"

als direktor der „obstbaufachschule wetzawinkel“, genauer: Fachschule für OBST-Wirtschaft und EDV-Technik“, ist er hausherr einer einrichtung, die auch tradition in kulturveranstaltungen hat; ganz zu schweigen von der inhaltlichen relevanz des ortes für unserer themenstellung.

direktor eberdorfer hat sich unserem projekt angeschlossen und wir werden in wetzawinkel unseren ersten „tag der agrarischen welt“ realisieren. mit im boot (besser: im traktor ;-)) kamillo hörner, der das steirische volksbildungswerk leitet.

mit hörner haben wir beim „april-festival“ 2010 in wetzawinkel eine wichtige session zum thema kunsthandwerk gehabt. [das skriptum online: link] während unserer schritte richtung  die fachschule gab es vor einigen tagen übrigens eine Böse Überraschung“ („Kleine Zeitung“) für den schulleiter, die ihrerseits gewissermaßen ein statement zu unserem thema ist. ich möchte daraus schließen: wir sind zeitgerecht am richtigen punkt …

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

talking communities #4

unsere „konferenz in permanenz“ ist hauptsächlich der laufenden erörterung von kulturpolitischen fragen und anforderungen zeitgemäßer medienkompetenz gewidmet. sie hat eine vorgeschichte, die über mehrere jahre in sehr verschiedene formen stattfand: [link]

mit unserer „novi sad-session“ haben wir einige unserer inzwischen erprobten verfahrensweisen gebündelt. es geht um die möglichkeit, diskurs und reale soziale begegnung zu verknüpfen und damit (teils) auch markierungen im öffentlichen raum zu setzen. damit betonen wir a) die notwendigkeit kritischer debatten und b) die konkrete körperliche anwesenheit im öffentlichen raum als politische kategorie.

kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov (links) in der debatte mit "diagonale"-chefin barbara pichler (mitte) und deren mitarbeiterin brigitte bidovec. thema: visuelle codes verstehen

damit drücken wir ferner kulturpolitische ansprüche aus, gestützt auf eine simple bedingung: „nennen sie ihre gründe!“ das hat uns in seiner aktuellen umsetzungsform zum konzept der „talking communities“ geführt: [link]

kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov ist gerade damit befaßt, dies arbeitsebene um eine spezielle version zu ergänzen, die kunstschaffende und publikum in eine gemeinsame debatte führt.

es geht bei all dem auch um aktuelles rüstzeug, speziell um medienkompetenzen, die uns nützen sollen, a) eine von medienanwendungen durchdrungene gesellschaft besser zu verstehen und b) einiges davon in künstlerischer praxis nützen zu können.

philosoph dragan prole bei unserer "novi sad-session"

in der notiz #1 ist der aktuelle auftakt skizziert, den wir im serbischen novi sad realisiert haben. die notiz #2 erläutert einige basics und den zusammenhang mit einem wesentlichen schlüsselerlebnis; als osvaldo puccio, der damalige botschafter chiles, meiner einladung nach gleisdorf folgte.

die notiz #3 nimmt bezug auf prozesse, die zu einer position „jenseits der salons“ führen mußten. um es etwas polemisch auszudrücken: wenn die burgeoisie zu einem die welt umspannenden konzept geworden ist und die „neue landflucht“ urbanes leben betont wie nie zuvor, wenn überdies eine anachronistische bohéme die spaßnummer zwischen „alles karajan!“ und „es bellen die rebellen“ gibt, haben wir einigen klärungsbedarf, auf welche arten wir uns wo und wozu treffen möchten, um der gegenwartskunst boden zu sichern. vor allem jenseits des landeszentrums …

— [talking communities] —

Ausstellung: wheels

Emil Gruber, Martin Krusche und Franz Sattler sind drei Künstler, die dem „Kuratorium für triviale Mythen“ angehören. In einem dialogischen Prozeß loten sie einige Zusammenhänge aus, die das Thema „Fetisch Automobil“ berühren. Damit bezieht sich das Trio regional auch auf den Veranstaltungsort, auf ein industriell geprägtes Vorfeld von Albersdorf/Prebuch, in dem Zulieferbetriebe der Automobilindustrie ansässig sind.

emil gruber (links) und franz sattler sind reisende mit leidenschaft

Die Ausstellung „wheels“ ist ein gemeinsames Statement, in dem der Mythos untersucht wird, durch den das Automobil zur wuchtigsten „Kultur-Maschine“ unserer Spezies wurde. Vehikel, Projektionsfläche, Status-Symbol, auch Container für die verrücktesten Inhalte.

Da wir an der Schwelle zu völlig neuen Vorstellungen von (Massen-) Mobilität stehen, erscheint es lohnend, jene Klischees, Krisen, Mythen und Phantasmen, die uns an diesen historischen Fahrzeugtyp fesseln, zu überprüfen.

martin krusche ist der gründer des "kuratorium für triviale mythen"

Das Künstler-Trio geht dabei von einem Bruce Springsteen-Song („Thunder Road“) und einer Fotografie Sattlers aus, entwickelt jenseits dieser Markierungen ihr aktuelles Ensemble des „Avantourismus“.

Gruber, Krusche und Sattler setzen damit einen Kontrapunkt zum „Tag der agrarischen Welt“, welcher im Rahmen des „April-Festival“ 2011 von „kunst ost“ einen anderen Schwerpunkt der „Kleinregion Gleisdorf“ ausmacht. Das ergibt zugleich einen Pol in jenem Spannungsfeld der „Energie-Region“, das sich sozialgeschichtlich zwischen dem Agrarischen und High Tech aufblättert.

Ausstellung: „wheels“
Emil Gruber, Martin Krusche und Franz Sattler
(„Kuratorium für triviale Mythen“)
Eröffnung: 16.4.2011, 19:00 Uhr
Albersdorf/Prebuch, Gemeindezentrum

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

april-festival 2011: elektrisiert

Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. Die Stimmen zu erheben ist in diesem Fall auch metaphorisch gemeint und bezieht sich auf das Einsetzen der jeweils bevorzugten Kommunikations- und Gestaltungsmittel.

das plakat-motiv für dieses festival stammt von christian strassegger

Das sind soziokulturelle Aufgabenstellungen. Wir erproben bei „kunst ost“ verschiedene Möglichkeiten, solche Prozesse herbeizuführen. Das Jahresthema 2011 lautet „elektrisiert“. Es geht dabei um den Funken, der uns bewegt, um auf die Zukunft aktiv zugehen zu können.

Bei der Arbeit am Teilprojekt ungleich/ist gleich kam für uns ein zentraler Aspekt der ganzen Geschichte zum Vorschein; gewissermaßen eines der großen Themen menschlicher Gemeinschaft: Die Bewältigung der Wildnis.

Das meint nicht etwa die Beherrschung der Wildnis, denn diese Idee ist ein Phantasma, welches uns die Natur regelmäßig herunterräumt. Aber die Bewältigung der Wildnis als ein Ringen um Lebensräume, in denen die Menschenwürde sichere Orte hat, das ist eine große Aufgabe, die ohnehin nur in einzelnen Schritten angepackt werden kann.

Wir durchleuchten heuer Zusammenhänge im regionalen Leben zwischen agrarischer Welt und High Tech, zwischen trivialen Mythen und realen Strategien der Krisenbewältigung. Es geht gewissermaßen umd die Praxis der Zuversicht.

— [zum aprilfestival 2011] —

aviso: ungleich/ist gleich

Als versierte Unternehmer repräsentieren sie ein Stück des Gedeihens dieser Region: Franz Lukas ist Handwerker, Richard Mayr Apotheker und Andreas Turk Ingenieur. Damit verkörpert das Trio symbolisch die Planung, die Herstellung und den Handel.

Das ist freilich nicht die einzige Weise, in der diese sehr unterschiedlichen Männer hier zu einander in Beziehung gesetzt werden. Jeder von ihnen ist ein exzellenter Fotograf. Ihre bevorzugten Modi, dieses künstlerische Medium einsetzen, sind so kontrastreich wie ihre Lebensgeschichten.

von links: andreas turk, richard mayr und franz lukas

So war es reizvoll, Lukas, Mayr und Turk für einen Prozeß zu gewinnen, in dem eine komplexe Aufgabenstellung zu einem gemeinsamen Ergebnis, einem gemeinsamen Statement führen soll. Dabei entstand der Auftakt einer Reflexion über das Leben in der „Energie-Region“.

Daraus ergibt sich ein Ensemble von visuellen Äußerungen gemäß der Vorstellung von Künstler Martin Krusche, die besagt: Falls diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, wenn die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben, indem sie dabei ihre bevorzugten Kommunikations- und Gestaltungsmittel einsetzen.

Das wäre „Poiesis“, also Poesie, in einem sehr grundlegenden Sinn. Lukas, Mayr und Turk setzen das nun in einer gemeinsamen Ausstellung fotografischer Arbeiten um.

Ausstellung: „ungleich/ist gleich“
Franz Lukas, Richard Mayr und Andreas Turk
(im Dialog mit Martin Krusche)
Eröffnung: 14.4.2011, 19:00 Uhr
Gleisdorf, Ingenos

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

nikola tesla labor

unser „april-festival 2011“ ist dem thema „elektrisiert“ gewidmet. wir untersuchen dabei einige der grundlagen unserer kultur, wie sie hier in der region zur zeit konkret erlebbar sind. das handelt von einem spannungsfeld zwischen agrarischer welt und high tech, das berührt energie-fragen und den fundamentalen umbruch in unseren vorstellungen von (massen-) mobilität.

warum sind das nun auch themen der kunst? im umfeld von „kunst ost“ haben sich zwar manche kreative weitgehend nur fragen der ästhetik verpflichtet, doch die meisten leute fragen auch nach den bedingungen ihres tuns, also nach unseren lebensbedingungen.

eine „kunst ost“-exkursion führte in das „nikola tesla labor“, wo wir uns einige zusammenhänge der hochspannungstechnik darlegen ließen

zu den praktischen formen dieses fragens gehören auch besuche wie jener im grazer „nikola tesla labor“. der techniker werner lick vom „institut für hochspannungstechnik und systemmanagement“ [link] demonstrierte und erläuterte einige grundlegende vorgänge, welche die „elektrifizierung der welt“ ausmachen.

wir hatten schon bei unserem besuch in einem werk für elektromotoren [link] festgestellt, daß sich aus solchen exkursionen nicht nur wissen über zusammenhänge gewinnen läßt, sondern auch ästhettische anregungen aus den konkreten anlagen der jeweiligen technologie ergeben. das wird sich wohl in manchen künstlerischen arbeiten niederschlagen.

werner lick vom „institut für hochspannungstechnik und systemmanagement“ führte uns auf einem kurzbesuch in die hochspannungs-welt

ähnlich erlebten wir es auch beim besuch der ausstellung „roboterträume“, durch die uns medienkünstler niki passath geführt hatte: [link] das bedeutet keineswegs, sich nun ausschließlich technologischen themenstellungen zu widmen.

unsere werkzeuge bilden unsere vorstellungen vom menschen und der welt ab. außerdem wirken sie in der verwendung auf uns verändernd zurück. es sind also sehr komplexe prozesse von massiven wechselwirkungen, in denen wir unsere werkzeuge verstehen, benützen und gelegentlich hinter uns lassen …