Die Kunst bekommt einen Bezugspunkt. Oberdorf erreicht man zum Beispiel von St. Ruprecht aus, vorbei an Schloß Stadl, auf dem Weg zu einem bedeutenden Naturereignis der Region.
Das Haus liegt an einem der Eingänge zur Raabklamm: [link] Seine Basis war einst ein Preßhaus, also ein Ort der Weingewinnung. Dieser ebenerdige Bereich [link] ist heute als Ausstellungsraum adaptiert, wie das ganze darüber liegende Geschoß für Kulturveranstaltungen bereit steht.
Hilde Sowinz will hier einen längerfristigen Galeriebetrieb etablieren. So verknüpft sie ihre Emotionen für die Kunst und ihren Geschäftssinn, um an einem ungewöhnlichen Ort in der Region einen fixen kulturellen Bezugspunkt zu schaffen und sich dort ein Publikum zu erarbeiten.
Das Haus Oberdorf 33 ergibt so auch den Galerienamen
Diese Ambitionen und Überlegungen teilt Sowinz mit dem St. Ruprechter Hans Gesslbauer. Der ist seinerseits gewillt, in räumlich mäßiger Distanz zu Oberdorf einen ähnlichen Bezugspunkt zu schaffen, einen Ausstellungsraum zu eröffnen. Präsenz und Kontinuität sind zwei wesentliche Aspekte, unverzichtbare Grundlagen, um der Kunst abseits von Zentren Räume aufzubauen.
Hilde Sowinz und Hans Gesslbauer
Hier sind also weitere engagierte Menschen am Werk, um der Region ein paar neue kulturelle Facetten zu verleihen. Der formelle Auftakt für diese Ereigniskette wird sich innerhalb des kommenden „April-Festivals“ ereignen. Am Freitag, dem 13. April 2012, eröffnet Sowinz um 19:00 Uhr die Ausstellung „natürlich-künstlich“ (Ein Leben, inspiriert von der Natur) mit Arbeiten von Hans Gesslbauer, Adolf Gsell und Johann Vidrich.
Ich hab große Freude daran, wie sich Dinge momentan entwickeln. Wie schon bei unserer zweiten KWW-Session [link] zu betonen war: Diese Region hat eine auffallende Dichte inspirierter Menschen. Sie hocken natürlich nicht alle innerhalb eines Ortszentrums. Sind mehrere zu treffen, ergibt das stets eine kleine Reise durch die Region.
Der Fotograf Richar Mayr
Den gestrigen Abend habe ich mit dem Fotografen Richard Mayr [link] und dem Regisseur Alfred Ninaus [link] zugebracht. Wir haben nun Übereinkunft für deren Part beim kommenden „April-Festival“. Film und Buch über das Wechselland ergeben den Anlaß, die Fragen der Umbrüche zu erörtern. Es betrifft Menschen wie ganze Regionen gleichermaßen. Nichts bleibt wie es ist und dennoch soll in all dem etwas von Bestand sein.
Der Regisseur Alfred Ninaus
Ich hab das hier [link] schon einmal kurz in einer Notiz erwähnt. Wie gelingt es also, im unausweichlichen Fluß der Veränderungen Indentität zu bewahren? Das ist weit kniffliger und anspruchsvoller, als man gewöhnlich vermuten möchte. Ein heftiges Beispiel: Ein kleiner Vorfall im eigenen Leib, eine winzige biochemische Katastrophe, und man weiß nach dem Aufwachen nicht mehr, daß man der war, der letzte Nacht schlafen gegangen ist.
So drastisch ereignen sich soziale Veränderungsprozesse zum Glück gewöhnlich nicht. Aber es ist ganz erheblich, was etwa ein Jahrzehnt im Verlauf an einem Lebensraum, einer Region bewirken kann; natürlich auch an einer einzelnen Biografie. Das wird wohl an jenem Abend zur Sprache kommen, den wir nun vorbereiten:
„Mensch im Wechsel“ (Eine regionale Auseinandersetzung)
Film, Buch, Autorengespräch
Alfred Ninaus (Regisseur), Richard Mayr (Fotograf) & Fritz Aigner (Autor)
[April-Festival 2012]
Ich hab mit der Themenleiste „Die Gefolgschaft des Ikarus“ [link] nun begonnen, zentrale Grundlagen unserer Mobilitätsgeschichte kulturgeschichtlich aufzuarbeiten. Das weist übrigens auf eine Station beim kommenden „April-Festival“ hin, wo wir dieses Thema im Raum Weiz auf eine Praxisebene herholen werden: „gehen, reiten, fahren“ [link]
Mobilitätsgeschichte greifbar: Unser "Puch-Buch"
Das hat eine andere Verzweigung in einer Print-Publikation, die gerade fertig wird. In „Das Puch-Buch“ [link] (Einige Puch-Werke), gemeinsam mit Magna Steyr-Mitarbeiter Michael Toson und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz erarbeitet, skizzieren wir das am Beispiel eines Stückes (alt-) österreichischer Konzerngeschichte, die bis in die Gegenwart Präsenz zeigt. (Dazu gibt es eine Serie von Tosons Ausschneidebögen mit den wichtigsten Fahrzeugen.)
Unsere nächste Kunstpostkarte zeigt eine Grafik von Michela Knittelfelder-Lang
Eine andere Produktion ist demnächst verfügbar. Die Ausgabe #9 in unserer Kunstkarten-Editon ist [link] gerade in Arbeit. Sie wird eine Druckgrafik von Michaela Knittelfelder-Lang zeigen.
Mit “kunst ost” entstand das überhaupt erste LEADER-Kulturprojekt der Steiermark. Eine Besonderheit, da dieses EU-Programm davor dem landwirtschaftlichen Bereich, den Kommunen und regionalen Firmen gewidmet war, nicht den Kulturinitaiativen und der Gegenwartskunst.
Während andere Verfahrensweisen darauf zielen, möglichst viele Personen und Formationen unter ein gemeinsames Dach zu holen, bemühen wir uns, kulturpolitisches Neuland zu betreten. Das heißt, wir forcieren die Bildung und Konsolidierung völlig eigenständiger Gruppierungen, die in sich autonom bleiben.
Das bedeutet auch, wir haben keineswegs vor, als „kunst ost“ über Quantität zu punkten, sondern über kontinuierliche Prozesse, die im regionalen Leben wirken.
Ein gemeinsames Auftreten mit „kunst ost“, beziehungsweise unter dem Signum von „kunst ost“, erfolgt jeweils nur temporär, projektbezogen. Das geschieht von Mal zu Mal mit einer generellen Themenstellung, die wir in ihren möglichen Aspekten gemeinsam bearbeiten.
Damit haben wir heuer einen neuen Status quo erreicht, der sehr vielversprechend ist. Ich denke, dieses Mehr an Eigenverantwortung bringt ein Mehr an Engagement. Das wiederum dürfte Kommunen in den krisenhaften Budgetsituationen eher dazu bewegen, Kofinanzierungen einzubringen. Außerdem haben wir für die jeweils gewählten Zeitfenster und Vorhaben ein großes Maß an wechselseitig verfügbaren Ressourcen im Spiel.
Das bedeutet, die einzelnen „Kleingruppen“ („location crews“) verstärken sich in diesem begrenzten Miteinander gegenseitig, ohne darin ihre Autonomie zu schmälern. Daraus sollten ausreichend positive Arbeitserfahrungen entstehen, damit zukünftige Kooperationsbereitschaft zunimmt.
Wir würden das inzwischen gerne in eine neue Phase überleiten und zu einem Beispiel von „best practice“ entwickeln, welches nicht nur steiermarkweit Gewicht hat, sondern EU-weit zur Debatte stehen kann. Ich denke, diesen neuen Abschnitt haben wir inzwischen schon betreten.
Die Formationen für dsas kommende „April-Festival“: [link]
Optimale Präsentationsräume für Kunst, die um der Kunst willen errichtet wurden, das bleibt meist urbanen Zentren vorbehalten. In der Provinz gibt es gewöhnlich keinen ausreichenden gesellschaftlichen Konsens, daß es sowas geben soll, daß es folglich finanziert werden soll. Das schafft „leere Zonen“ im Bereich zeitgemäßen Kulturgeschehens.
Das Gleisdorfer „Museum im Rathaus“
Gelegentlich findet man Ausnahmen. So ist etwa das Gleisdorfer „Museum im Rathaus“ ein feiner und inzwischen bewährter Ausstellungsort. Aber wie angedeutet, das sind die Strukturen in urbanen Zentren.
Manches entsteh auch aus privater Initiative. Seien es Geschäftsräume, die sich für Ausstellungen eignen, wie etwa das Firmengebäude des Gleisdorfer Installateurs Karl Reisenhofer. Seien es vormalige Geschäftsräume, die in privater Initiative für kulturelle Zwecke adaptiert werden, wie die Gleisdorfer „werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“ [link] von Wolfgang Seereiter.
Die „werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“
Ein „white cube“ ist die Ausnahme, freie Flächen und freie Räume, der Kunst vorbehalten, sind in der Regel nicht leistbar. So wäre die Provinz kulturell eine „perforierte Zone“ mit erheblichen „weißen Flecken“. So ist es aber in der Praxis nicht. Ich hab in „Ein neuer Angelpunkt“ [link] von Hildegard Sowinz erzählt, die privaten Raum für die Kunst öffnet.
Der adaptierte Weinkeller von Gottfried Lamprecht.
Ich hab hier auch schon vom Winzer Gottfried Lamprecht [link] erzählt, der einen alten Weinkeller adaptiert hat und uns für eine Station im kommenden „April-Festival“ öffnen wird. Das sind Bezugspunkte, die uns helfen, aus der Provinz als kulturell „perforierte Zone eine kulturell „vernetzte Zone“ zu machen.
Dazu braucht es Vertrautheit und Kooperation. So können in Summe vorhandene Ressourcen besser gemeinsam genutzt werden, können öffentliche und private Mittel komplementär zur Wirkung gebracht werden, um die kulturelle Situation der Provinz zu stärken.
Dabei muß auch beachtet werden, „kunst ost“ ist hier kein „Generalunternehmen“, keine oststeirische „Kulturprokuratur“, sondern vor allem einmal ein Angelpunkt für so manche Bewegung. Die erlebbaren Ergebnisse resultieren aus der Summe sehr unterschiedlicher Anstrengungen einzelner Personen und ebenso anderer Kulturinituiativen.
Ich denke, das sind brauchbare Schritte, um unter aktuellen Anforderungen neue Erfahrungen zu sammeln, wie Konsumation und Partizipation in angemessene Wechselwirkungen kommen, wie Eigenverantwortung sich mit kommunalen Agenda verbünden könnte. Das dürfte auch interessante Erfahrungen erbringen, worauf sich Selbstbewußtsein und „regionale Identität“ real stützen mögen.
Das EU-Programm LEADER hat eine steirische Besonderheit. Nur in diesem Bundesland gibt es dazu auch ein Kulturkonzept, das mit Sonderrichtlinien ausgestattet wurde. Das führte zu einer Reihe von regionalen Projekten. Hier ein kleiner Überblick auf dem Landesserver: [link]
Die für uns zuständige Fachreferentin in der Kulturabteilung des Landes Steiermark ist Sandra Kocuvan. Auf regionaler Ebene sind wir in solchen Projekten jeweils einer LAG verpflichtet, einer „LEADER Aktions-Gruppe“. Diese ist im Fall von „kunst ost“ ein Gremium der „Energie-Region Weiz-Gleisdorf“, in der Iris Absenger-Helmli als Regionalmanagerin tätig ist: [link]
Sandra Kocuvan (links) und Iris Absenger-Helmli bei der zweiten KWW-Session
Die LEADER-Kulturleute treffen sich mehrmals im Jahr, heuer zunächst am Donnerstag, dem 26. April 2012, in Gleisdorf; und zwar im Rahmen des „April-Festivals“ von „kunst ost“: [link]
Wir sind auf „Facebook“ momentan mit mehreren Arbeitsbereichen präsent. Laufende Informationen gibt es über die Basis-Leiste: [link] Dahinter tun sich dann zwei Schwerpunktbereiche auf. Einer davon ist neuen Möglichkeiten in der Kooperation von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft gewidmet („KWW“), der andere dem großen Thema Mobilitätsgeschichte.
Der Bereich Mobilitätsgeschichte ist um eine wachsende Erzählung ergänzt: „die gefolgschaft des ikarus“ [link] Einen besonderen Themenschwerpunkt haben wir ferner mit „Frauen und Technik“, womit wir heuer auf eine neue Aktionsebene vorstoßen werden: [link]
Das bedeutet, wir arbeiten nicht nur an diesem speziellen Sachzusammenhang, sondern wir wollen dabei auch zeigen, daß es gelingt und Sinn ergibt, von der Provinz aus Schritte zu setzen, die sich in Augenhöhe mit den zuständigen Leuten im Landeszentrum realisieren lassen. (Subthema: Das Denkschema „Zenrum/Provinz“ neu deuten.)
Zum Themenkomplex Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft haben wir eben die zweite Session absolviert, in der ziemlich deutlich geworden ist, wie und wohin wir die weitere Arbeit orientieren werden. Dazu gibt es eine downloadbare Video-Dokumentation (mp4, 259MB) von Künstler Gerhard Flekatsch: [link]
Von links: Mirjana Peitler-Selakov & Martin Krusche ("kunst ost"), Architekt Andreas Turk, Unternehmer Kurt Winter (Wirtschaftskammer) und Gerhard Flekatsch ("bluethenlese"), Foto: Sabine Zettl
In diesen Themenzusammenhängen, die noch um den Aspekt „Agrarische Welt“ [link] zu ergänzen wären, suchen wir laufend Erfahrungsaustausch mit inspirierten Leuten, ergeben sich auch verschiedene Kooperationsmöglichkeiten.
In Summe zielt unsere Arbeit darauf ab, der Gegenwartskunst neue Rahmenbedingungen und erhöhtes Augenmerk zu verschaffen. Dabei hat sich gezeigt, daß ein Angelpunkt solcher Möglichkeiten darin liegt, den Akteurinnen und Akteuren des Kulturschaffens mehr Respekt zu verschaffen; im Sinne von: Für Wahrnehmung und Akzeptanz sorgen, daß man es da mit sachkundigen und professionell agierenden Leuten zu tun hat, deren Themenzugänge und Umsetzungsschritte regionale und überregionale Relevanz haben.
Wäre es unter der Erde, müßte es für einen Keller gehalten werden. Der Zugang ist ebenerdig. Der Raum hat erhebliche Dimension. Hildegard Sowinz sagt, hier könnte man sehr schön Skulpturen zeigen. Über diesem Grundstock hat sie vor dreißig Jahren ein stattliches Haus errichtet, das zum Teil von einer Terrasse gesäumt ist. Die gewährt einen weiten Blick in die sanft hügelige oststeirische Landschaft hinter Sankt Ruprecht.
Hildegard Sowinz im Kellergeschoß ihres Hauses
Die Terrasse gehört zu einer der Etagen, die knapp und geschmackvoll möbliert, vor allem aber weitgehend frei gehalten ist. Und da kommt Sowinz auf den Punkt. Ihr liegt am kulturellen Geschehen, dieser Ort wird ein Angelpunkt für etliche Kunstvorhaben sein.
Das bedeutet vor allem einmal, Sowinz repräsentiert eine weitere „location crew“, durch die unser kommendes „April-Festival“ [link] bereichert wird. Das bedeutet auch, Sowinz hat vor, der Gegenwartskunst in der Region eine klare Position zu sichern.
Derlei private Initiative ist nicht nur abseits des Landeszentrums sehr notwendig, weil die Kunst da stets schwächere Strukturen hat. Das ist heute prinzipiell wichtig, wo wir im Kielwasser diverser Krisen neu klären müssen, mit welchen Mitteln und Methoden wir ein lebhaftes Kulturgeschehen in der Provinz ausstatten möchten.
Ich hab im Beitrag „Selbstermächtigung und Autonomie“ [link] schon implizit betont, daß ein Erarbeiten von Faktenlagen erst einmal unsere Sache sein muß. Von da ausgehend wird sich mit Kräften der Kommunen ganz gut verhandeln lassen, welche Kooperationen naheliegen und welche Ressourcen eine Gemeine allenfalls beitragen kann, damit hier längerfristige kulturelle Entwicklungen gestärkt werden.
Apropos! Um solche Aspekte geht es auch in unserem Arbeitsbereich „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“. Die jüngste Debatte hat einiges klarer gemacht, wohin die Arbeit konzentriert werden sollte. Künstler Gerhard Flekatsch hat nun einen Videomitschnitt unserer rund zweistündiger KWW-Zweier-Session im Web verfügbar gemacht: [link]
Ich erlebe in diesen Tagen, daß sich einer der wichtigsten Arbeitsinhalte von „kunst ost“ auf breiterer Ebene einlöst. Der Schritt zu Selbstermächtigung und Autonomie auf einer kollektiven Ebene. Das bedeutet, es haben sich nun einige eigenständige „location crews“ formiert, die ihren Part für das kommende „April-Festival“ [link] vollkommen nach eigenen Vorstellungen gestalten; in Korrespondenz mit der generellen Themenstellung.
Winfried Lehmann ist die Schlüsselperson der neuen Ludersdorfer Gruppe
Die jüngste dieser Formationen ist gerade in Ludersdorf entstanden. Da hat Winfried Lehmann die Aufgaben der „Schlüsselperson“ übernommen: [link] Heute werde ich noch eine Gruppe im Raum St. Ruprecht besuchen, die Interesse gezeigt hat, sich einzubringen.
Ich denke, in diesen Zeiten, wo Kommunen so vielfältig belastet sind, ist das ein vielversprechendes Konzept, wenn kulturell engagierte Leute solche Art von Eigenverantwortung zeigen. Auf die Art wird es sich am ehesten erreichen lassen, daß auch die Gemeinden zu den Vorhaben etwas beitragen.
Außerdem bedeutet diese Form der Kooperation, mit der wir hier beschäftigt sind, daß ein gemeinsamer und wechselseitiger Nutzen von in Summe erheblichen Ressourcen möglich wird. Auf die Weise kann überdies ausgelotet werden, was „bottom up“ in der regionalen Praxis konkret bedeuten soll.
„BürgerInnenbeteiligung“ ist ja leicht gesagt und klingt gut. Aber die letzten Jahre haben uns gezeigt, da müssen BEIDE Seiten erst üben und lernen, wie wir damit am besten umgehen. Für „kunst ost“ dürfen wir geltend machen: Darüber wissen wir heute sehr viel mehr als noch vor drei Jahren.
Die laufende Verständigung zwischen den verschiedenen Bereichen des Kulturgeschehens ist unverzichtbar! Karl Bauer (links, Kulturausschuß der Gemeinde Gleisdorf) und Wolfgang Seereiter („werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“)
Solche Überlegungen werden wohl auch Gegenstand einiger Erörterungen sein, die von LEADER-Kulturleuten der ganzen Steiermark angestellt werden. Zur Erinnerung, LEADER ist ein EU-Programm, das ursprünglich der Regionalentwicklung und auch dem agrarischen Bereich gewidmet war.
Die Steiermark hat als einziges Bundesland einen Kulturbereich in dieses Programm einbezogen: [link] Die LEADER-Kulturleute treffen sich einige Male pro Jahr, kommenden April in Gleisdorf: [link]
Und als Nachsatz zur jüngsten „KWW-Session“ [link], weil das ja auch für diese Arbeit hier Gewicht hat: Es wurde offensichtlich, Identität ist kein Zustand, sondern ein Ensemble von Relationen und ein Prozeß. Wenn wir mit dieser Kategorie „Identität“ arbeiten wollen, erweist sich gelingende Kommunikation als Hauptereignis von zentraler Bedeutung.
Das nennen ich wirklich gute Nachrichten! Malerin Irmgard Hierzer, Schlüsselperson einer „location crew“ für das kommende „April-Festival“, schrieb mir eben:
“noch etwas: die kleine gruppe ist so richtig angenehm. jeder leistet seinen beitrag, es ist für mich eine total schöne ZUSAMMENARBEIT“
Das bedeutet, wir haben nun mehrere kleine Formationen, die in sich völlig autonom arbeiten, was dann auch heißt: Der eigenen Chemie entsprechend und folgend. Das führt zu sehr unterschiedlichen Ensembles. Ich bin überzeugt, daß dieser Modus für die nahe Zukunft äußerst vielversprechend ist.
Das Foto für diese Station stammt von Christian Strassegger
Somit bekommt das „April-Festival“ voraussichtlich eine Stabilität, die sich als sehr wertvoll erweisen wird. Denn das bedeutet auch, es können sich kontroversielle Ansichten und Vorstellungen formieren, die dann NICHT in einer Plenar-Situation aufeinanderprallen müssen, sondern die sich in eigenständigen Stationen bewähren mögen, um so letztlich zu einander komplementär zu wirken.
Das sollte auch bedeuten, wo Konfrontation unverzichtbar erscheint, ereignet sie sich zwischen den Ideen und nicht zwischen den Menschen, die diese Ideen vertreten. (Ich hoffe, der grundlegende Unterschied in dieser Gewichtung wird deutlich.)
Das Augenmerk auf komplementäre Entwicklungen drückt sich auch in der thematischen Orientierung jener „location crew“ aus:
8 Künstler
8 Leben
8 Versuche zur PRAXIS DER ZUVERSICHT
[link]
Ein anderer Bereich, der sich konzeptionell gerade sehr gut einlöst, ist unsere Kooperation „KWW – Kunst Wirtschaft Wissenschaft“: [link] Zur dritten Session in dieser Serie haben wir augenblicklich für das Podium drei Zusagen, die eine äußerst interessante Kombination ergeben.
Hans Meister (links) im Gespräch mit Karl Bauer
Johann Baumgartner [link] leitet den Kulturbereich im Grazer „Raiffeisenhof“. Hans Meister, vormals Vizebürgermeister und Kulturreferent von Pischelsdorf, unterrichtet in der Obstbaufachschule Wetzawinkel: [link] Otto Sapper, aktiver Landwirt im Nebenerwerb, ist der Geschätftsstellenleiter der „WOCHE“ Gleisdorf: [link]
In dieser Arbeitsreihe möchte ich zu mehr Klarheit finden, WAS die Prioritäten und Fragestellungen in anderen Metiers sind, um so nicht nur ein wechselseitiges Kennenlernen voranzubringen, sondern auch besser sehen zu können, worin Kooperation denkbar und wünschenswert wäre.
Kooperation bedeutet unter anderem, Ressourcen zu teilen, um für gemeinsam gewählte Aufgaben besser gerüstet zu sein. Ein Denkansatz, den ich zum Beispiel im aktuellen Diskurs rund um das Grazer „Künstlerhaus“ kaum finden kann: [link]
Ich hab hier in einem vorigen Eintrag notiert: “Zurück zur Frage der Begegnung mit Leuten aus anderen Metiers und zu Fragen der Kooperation. Das ist für mich nämlich eines der Schlüsselwörter, wenn wir a) aus den Posen gebeugter Bittsteller und b) aus den Verknappungen durch jüngste Krisenfälle herauskommen wollen. Kooperation als die Grundlage von Kofinanzierung statt Förderung.“ [Quelle]
Dieser Orientierung zu folgen handelt nicht bloß von der Frage, was wir als Kunst- und Kulturschaffende brauchen, um UNSERE Ideen umzusetzen, sie handelt AUCH von der Frage, warum und wodurch andere mit uns zu tun haben sollen. Darauf brauchen wir konkrete Antworten…
Wir sind bei „kunst ost“ im Augenblick mehr als klar orientiert. Eine wesentliche Arbeitsebene ist der Kunst gewidmet. Das bezieht sich vor allen auf zwei Jahresschwerpunkte:
+) Das kommende „April-Festival“ mit dem Fokus auf regionalen Kräften: [link]
+) und das Symposion im Herbst mit dem Fokus auf internationalen Zusammenhängen: [link]
Die zweite Arbeitsebene ist den regionalen Rahmenbedingungen und Zusammenhängen gewidmet, in denen sich solche Aktivitäten entfalten. Dabei haben wir momentan zwei wesentlich Fragestellungen im Blickfeld:
+) Was ist regionale Identität?
+) Woher kommt das Neue?
Was nun die Region sei und mit welchen Konzepen wir dabei laborieren, ist gerade Gegenstand unserer Kooperation „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“, im Rahmen derer wir kürzliche die zweite Session absolviert haben: [link] Dabei hat Unternehmer Kurt Winter, der hier auch die Wirtschaftskammer repräsentiert, anschaulich geschildert, was auch unsere Erfahrung im Kulturbereich ausmacht.
Kurt Winter: "Und wenn man ganz weit weg ist, ist man from Austria.“
Wenn wir nämlich von Region und Identität sprechen, dann meist nicht von einem Zustand, sondern von Relationen, also von Bezugspunkten und wie sie sich zu einander verhalten. Unsere Arbeitspraxis handelt also davon, daß die Begriffe Region und Identität sehr dynamische Angelegenheiten benennen.
Winter ging von einer simplen Praxissituation aus: Wie stelle ich mich selbst vor, wenn ich irgendwo hinkomme und Leute fragen mich „Wo kommst denn her“? Das ereignet sich dann konkret auf eine Art, wie ich es auch kenne.
Winter: „Wenn ich hier bin, sage ich: Ich komm aus Pircha. Ludersdorf/Wilfersdorf. Weiß ein jeder. Wenn ich in Wien bin, kann ich sagen ‚Ich komme aus Gleisdorf’. Wenn ich in Innsbruck oder in Bregenz bin, ist es schon nicht mehr ganz so leicht. Da komme ich aus Gleisdorf bei Graz. Wenn man irgendwo weiter weg ist, ist man aus Graz. Und wenn man ganz weit weg ist, ist man from Austria.“
Das korrespondiert vorzüglich mit der Anforderung, „Region“ nicht als ein geschlossenes, eng geordnetes Gefüge zu verstehen, sondern stets in größeren Zusammenhängen zu betrachten. Das mag auch bedeuten, ich muß selbst immer wieder neu klären, wo ich gerade stehe und wie ich mich zu den jeweils anderen Positionen verhalte.
Kurt Winter an jenem Abend: „Region ist letztendlich das, aus meiner Sicht, womit einen andere bis zu einem gewissen Grad identifizieren und auch einordnen, weil es schwierig ist, solche Gespräche immer vom Grund auf durchzuführen. Deshalb geben sich viele Regionen irgendein Image.“
Mirjana Peitler-Selakov: "Was sind kreative Akte? Was sind individuelle und soziale Voraussetzungen für das Neue? Wie fördern wir das Neue?"
Mit dem anderen Fragenkomplex – Woher kommt das Neue? – ist auf der praktischen Ebene im Augenblick vor allem unsere Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov befaßt. Und zwar in einem mehrmonatigen Prozeß, der dialogisch angelegt ist, in dem sie mit Milena Bekerle und der Geschäftsführung von „KWB“ (KRAFT UND WÄRME AUS BIOMASSE GMBH) [link] ein gemeinsames Kunstprojekt erarbeitet, das heuer realisiert wird.
Wir sind also in Summe damit beschäftigt, in einem sehr kontrastreichen Bezugsfeld mit Menschen, die höchst unterschiedliche Aufgaben haben, jene Schnittpunkte zu erarbeiten, die brauchbare Ausgangspunkte für konkrete Kooperationen ergeben.
Die „Besetzungsliste“ jener zweiten KWW-Session ist ein anschauliche Ausdruck genau dessen: [link] Wenn wir in so einem Ensemble auch nur einige wenige gemeinsame Interessen herausarbeiten können, haben wir einen sehr vitalen Ansatz für das, was man unter „eigenständiger Regionalentwicklung“ verstehen könnte.