Archiv für den Monat: Februar 2012

Wovon handelt Kulturpolitik? #15

Kulturpolitik ist selbstverständlich nicht bloß das, was von Leuen aus Politik und Verwaltung ausgeht. Kulturpolitik wird auch durch das konstituiert, was wir Kunst- und Kulturschaffende tun, allenfalls unterlassen.

Daraus folgt zwingend, daß in Zeiten heftiger kulturpolitischer Kontroversen und Diskurse unser eigenes Tun gleichermaßen zur Debatte stehen muß. Aber zuerst etwas Grundsätzliches.

Als Kunstschaffender teile ich mit Leuten aus der Architektur und einigen anderen Genres eine sehr banale Erfahrung. Ich reiche immer wieder da und dort Projekte oder fertige Werke ein, um dadurch eine Bühne betreten oder ein Budget abholen zu können.

Manchmal werden meine Angebote berücksichtigt, manchmal werden sie abgelehnt. Das ist business as usual. Gremien haben ihre Kriterien. Im günstigsten Fall sind diese Kriterien bekannt. Im besten Fall wird eine Ablehnung begründet. Standard ist das aber nicht.

Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, daß eine Ablehnung in einer Art Anti-Krusche-Verschwörung begründet liegen könnte. Selbst vor rund einem Jahrzehnt wäre ich, obwohl ich da eine schwierige Zeit erlebte, nicht auf den Gedanken gekommen, die Politik habe mir irgendein Wasser abgegraben.

Kulturpolitische Kontroversen sind oft naheliegend. Dabei bevorzuge ich das Prinzip "Nennen Sie Ihre Gründe!"

Ich hatte wegen einer klaren Urheberrechtsverletzung seitens der steirischen ÖVP der damaligen Landeskulturreferentin und Landeshauptfrau Waltraud Klasnic einigen Kummer bereiten müssen: [link] Ergänzend: [link] (Nicht gerade vorteilhaft für einen steirischen Künstler.)

Ich möchte prinzipiell davon ausgehen, daß politisches Personal durchaus in der Lage ist, Kontroversen und Konflikte zu bestehen, ohne deshalb die Existenz eines Opponenten zu beschädigen.

Ich habe freilich auch schon anderes erlebt. So hat etwa im Jahr 2009 ein Weizer Funktionärsgespann definitiv versucht, mich a) als Kulturschaffenden nachhaltig zu diskreditieren und b) existentiell in den Graben zu fahren: [link]

So etwas kommt vor. Deshalb fiele es mir trotzdem nicht ein, das gesamte Metier unter Generalverdacht zu stellen. Schon allein aus dem simplen Grund, weil dann keinerlei Kooperation mehr denkbar und machbar wäre.

Unter meinen steirischen Kolleginnen und Kollegen hat sich in jüngster Vergangenheit einiges an Generalverdachtsneigungen zusammengebraut. So wird etwa die Kultur- und Förderungspolitik recht ausdauernd kritisiert und mit zum Teil extrem kreditschädigenden Unterstellungen bedacht. Daran ist mindestens folgendes kurios.

Dieses Unterstellungskonzert behauptet ja IMPLIZIT, daß der ganze Förderbeirat, wie er unter dem Vorsitz von Heimo Steps bestand, samt den zusätzlichen Fachbeiräten, korrupt gewesen sei und sich Zurufen aus der Landespolitik dienstbar gemacht hätte.

Diagonale-Intendantin Barbara Pichler

Explizit war das für mich nie zu hören, aber die Unterstellung stand im Raum. Das würde ja nach wenigstens einfachsten Belegen verlangen. Ich kenne aber keine. In solcher Tonlage geht es allerdings an verschiedenen Ecken weiter. Eben habe ich ein Glanzstück derlei Unterstellungsmanier entdeckt. Filmemacher Heinz Trenczak mußte erleben, daß zwei seiner Dokumentarfilme nicht für die kommende „Diagonale“ [link] ausgewählt wurden.

Prompt folgte in einem offenen Forum auf Facebook der Korruptionsvorwurf mit der Unterstellung, Intendantin Barbara Pichler hätte seine Filme ausgeschlagen, um das Land Steiermark als Fördergeber nicht zu brüskieren. Ich möchte prinzipiell davon ausgehen, daß die zuständigen Politiker kein Problem mit der Sichtbarkeit dieser Filme haben. Und Pichler?

Diagonale – Chefin Barbara Pichler hat meines Wissens einen makellosen Ruf. Wenn also unter Kulturschaffenden eine Kollegin so fundamental diffamiert wird, sollte das nicht ohne Belege laufen. Wer so eine Unterstellung nicht belegen kann, würde als infame Person gelten müssen. Da ersuche ich also um Auskunft, wie die Dinge liegen!

[überblick]

Läßt sich der Korruptionsvorwurf auch belegen?

Räume und Zonen

Optimale Präsentationsräume für Kunst, die um der Kunst willen errichtet wurden, das bleibt meist urbanen Zentren vorbehalten. In der Provinz gibt es gewöhnlich keinen ausreichenden gesellschaftlichen Konsens, daß es sowas geben soll, daß es folglich finanziert werden soll. Das schafft „leere Zonen“ im Bereich zeitgemäßen Kulturgeschehens.

Das Gleisdorfer „Museum im Rathaus“

Gelegentlich findet man Ausnahmen. So ist etwa das Gleisdorfer „Museum im Rathaus“ ein feiner und inzwischen bewährter Ausstellungsort. Aber wie angedeutet, das sind die Strukturen in urbanen Zentren.

Manches entsteh auch aus privater Initiative. Seien es Geschäftsräume, die sich für Ausstellungen eignen, wie etwa das Firmengebäude des Gleisdorfer Installateurs Karl Reisenhofer. Seien es vormalige Geschäftsräume, die in privater Initiative für kulturelle Zwecke adaptiert werden, wie die Gleisdorfer „werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“ [link] von Wolfgang Seereiter.

Die „werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“

Ein „white cube“ ist die Ausnahme, freie Flächen und freie Räume, der Kunst vorbehalten, sind in der Regel nicht leistbar. So wäre die Provinz kulturell eine „perforierte Zone“ mit erheblichen „weißen Flecken“. So ist es aber in der Praxis nicht. Ich hab in „Ein neuer Angelpunkt“ [link] von Hildegard Sowinz erzählt, die privaten Raum für die Kunst öffnet.

Der adaptierte Weinkeller von Gottfried Lamprecht.

Ich hab hier auch schon vom Winzer Gottfried Lamprecht [link] erzählt, der einen alten Weinkeller adaptiert hat und uns für eine Station im kommenden „April-Festival“ öffnen wird. Das sind Bezugspunkte, die uns helfen, aus der Provinz als kulturell „perforierte Zone eine kulturell „vernetzte Zone“ zu machen.

Dazu braucht es Vertrautheit und Kooperation. So können in Summe vorhandene Ressourcen besser gemeinsam genutzt werden, können öffentliche und private Mittel komplementär zur Wirkung gebracht werden, um die kulturelle Situation der Provinz zu stärken.

Dabei muß auch beachtet werden, „kunst ost“ ist hier kein „Generalunternehmen“, keine oststeirische „Kulturprokuratur“, sondern vor allem einmal ein Angelpunkt für so manche Bewegung. Die erlebbaren Ergebnisse resultieren aus der Summe sehr unterschiedlicher Anstrengungen einzelner Personen und ebenso anderer Kulturinituiativen.

Ich denke, das sind brauchbare Schritte, um unter aktuellen Anforderungen neue Erfahrungen zu sammeln, wie Konsumation und Partizipation in angemessene Wechselwirkungen kommen, wie Eigenverantwortung sich mit kommunalen Agenda verbünden könnte. Das dürfte auch interessante Erfahrungen erbringen, worauf sich Selbstbewußtsein und „regionale Identität“ real stützen mögen.

LEADER-Kulturtreffen in Gleisdorf

Das EU-Programm LEADER hat eine steirische Besonderheit. Nur in diesem Bundesland gibt es dazu auch ein Kulturkonzept, das mit Sonderrichtlinien ausgestattet wurde. Das führte zu einer Reihe von regionalen Projekten. Hier ein kleiner Überblick auf dem Landesserver: [link]

Die für uns zuständige Fachreferentin in der Kulturabteilung des Landes Steiermark ist Sandra Kocuvan. Auf regionaler Ebene sind wir in solchen Projekten jeweils einer LAG verpflichtet, einer „LEADER Aktions-Gruppe“. Diese ist im Fall von „kunst ost“ ein Gremium der „Energie-Region Weiz-Gleisdorf“, in der Iris Absenger-Helmli als Regionalmanagerin tätig ist: [link]

Sandra Kocuvan (links) und Iris Absenger-Helmli bei der zweiten KWW-Session

Die LEADER-Kulturleute treffen sich mehrmals im Jahr, heuer zunächst am Donnerstag, dem 26. April 2012, in Gleisdorf; und zwar im Rahmen des „April-Festivals“ von „kunst ost“: [link]

Wir sind auf „Facebook“ momentan mit mehreren Arbeitsbereichen präsent. Laufende Informationen gibt es über die Basis-Leiste: [link] Dahinter tun sich dann zwei Schwerpunktbereiche auf. Einer davon ist neuen Möglichkeiten in der Kooperation von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft gewidmet („KWW“), der andere dem großen Thema Mobilitätsgeschichte.

+) KWW [link]
+) Mobilitätsgeschichte [link]

Der Bereich Mobilitätsgeschichte ist um eine wachsende Erzählung ergänzt: „die gefolgschaft des ikarus“ [link] Einen besonderen Themenschwerpunkt haben wir ferner mit „Frauen und Technik“, womit wir heuer auf eine neue Aktionsebene vorstoßen werden: [link]

Das bedeutet, wir arbeiten nicht nur an diesem speziellen Sachzusammenhang, sondern wir wollen dabei auch zeigen, daß es gelingt und Sinn ergibt, von der Provinz aus Schritte zu setzen, die sich in Augenhöhe mit den zuständigen Leuten im Landeszentrum realisieren lassen. (Subthema: Das Denkschema „Zenrum/Provinz“ neu deuten.)

Zum Themenkomplex Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft haben wir eben die zweite Session absolviert, in der ziemlich deutlich geworden ist, wie und wohin wir die weitere Arbeit orientieren werden. Dazu gibt es eine downloadbare Video-Dokumentation (mp4, 259MB) von Künstler Gerhard Flekatsch: [link]

Von links: Mirjana Peitler-Selakov & Martin Krusche ("kunst ost"), Architekt Andreas Turk, Unternehmer Kurt Winter (Wirtschaftskammer) und Gerhard Flekatsch ("bluethenlese"), Foto: Sabine Zettl

In diesen Themenzusammenhängen, die noch um den Aspekt „Agrarische Welt“ [link] zu ergänzen wären, suchen wir laufend Erfahrungsaustausch mit inspirierten Leuten, ergeben sich auch verschiedene Kooperationsmöglichkeiten.

In Summe zielt unsere Arbeit darauf ab, der Gegenwartskunst neue Rahmenbedingungen und erhöhtes Augenmerk zu verschaffen. Dabei hat sich gezeigt, daß ein Angelpunkt solcher Möglichkeiten darin liegt, den Akteurinnen und Akteuren des Kulturschaffens mehr Respekt zu verschaffen; im Sinne von: Für Wahrnehmung und Akzeptanz sorgen, daß man es da mit sachkundigen und professionell agierenden Leuten zu tun hat, deren Themenzugänge und Umsetzungsschritte regionale und überregionale Relevanz haben.

Ein neuer Angelpunkt

Wäre es unter der Erde, müßte es für einen Keller gehalten werden. Der Zugang ist ebenerdig. Der Raum hat erhebliche Dimension. Hildegard Sowinz sagt, hier könnte man sehr schön Skulpturen zeigen. Über diesem Grundstock hat sie vor dreißig Jahren ein stattliches Haus errichtet, das zum Teil von einer Terrasse gesäumt ist. Die gewährt einen weiten Blick in die sanft hügelige oststeirische Landschaft hinter Sankt Ruprecht.

Hildegard Sowinz im Kellergeschoß ihres Hauses

Die Terrasse gehört zu einer der Etagen, die knapp und geschmackvoll möbliert, vor allem aber weitgehend frei gehalten ist. Und da kommt Sowinz auf den Punkt. Ihr liegt am kulturellen Geschehen, dieser Ort wird ein Angelpunkt für etliche Kunstvorhaben sein.

Das bedeutet vor allem einmal, Sowinz repräsentiert eine weitere „location crew“, durch die unser kommendes „April-Festival“ [link] bereichert wird. Das bedeutet auch, Sowinz hat vor, der Gegenwartskunst in der Region eine klare Position zu sichern.

Derlei private Initiative ist nicht nur abseits des Landeszentrums sehr notwendig, weil die Kunst da stets schwächere Strukturen hat. Das ist heute prinzipiell wichtig, wo wir im Kielwasser diverser Krisen neu klären müssen, mit welchen Mitteln und Methoden wir ein lebhaftes Kulturgeschehen in der Provinz ausstatten möchten.

Ich hab im Beitrag „Selbstermächtigung und Autonomie“ [link] schon implizit betont, daß ein Erarbeiten von Faktenlagen erst einmal unsere Sache sein muß. Von da ausgehend wird sich mit Kräften der Kommunen ganz gut verhandeln lassen, welche Kooperationen naheliegen und welche Ressourcen eine Gemeine allenfalls beitragen kann, damit hier längerfristige kulturelle Entwicklungen gestärkt werden.

Apropos! Um solche Aspekte geht es auch in unserem Arbeitsbereich „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“. Die jüngste Debatte hat einiges klarer gemacht, wohin die Arbeit konzentriert werden sollte. Künstler Gerhard Flekatsch hat nun einen Videomitschnitt unserer rund zweistündiger KWW-Zweier-Session im Web verfügbar gemacht: [link]

TIP: Günther Pedrotti

Günther Pedrotti [link] war bei unserer ersten KWW-Session [link] in Schloß Hainfeld mit von der Partie. Er stellt demnächst in der Villa Manin aus. Im Rahmen einer Gemeinschaftsausstellkung von Künstlern der Region Friuli Venezia Giulia und Slowenien, aus den österreichischen Regionen Burgenland, Kärnten und Steiermark sowie aus Westungarn.

Josef Danner, Thomas Gänszler, Andreas Heller, Tomas Hoke, Klaus Kerstinger, Claudia Klucaric, Ilse Lichtenberger, Günther Pedrotti, Johannes Ramsauer, Isa Riedl, Pierre Schrammel, Fritz Simak, Norbert Trummer, Walter Weer, Daphna Weinstein, Adrienn Kiss, Eva Sebök, Zsofia Sztranyak

Selbstermächtigung und Autonomie

Ich erlebe in diesen Tagen, daß sich einer der wichtigsten Arbeitsinhalte von „kunst ost“ auf breiterer Ebene einlöst. Der Schritt zu Selbstermächtigung und Autonomie auf einer kollektiven Ebene. Das bedeutet, es haben sich nun einige eigenständige „location crews“ formiert, die ihren Part für das kommende „April-Festival“ [link] vollkommen nach eigenen Vorstellungen gestalten; in Korrespondenz mit der generellen Themenstellung.

Winfried Lehmann ist die Schlüsselperson der neuen Ludersdorfer Gruppe

Die jüngste dieser Formationen ist gerade in Ludersdorf entstanden. Da hat Winfried Lehmann die Aufgaben der „Schlüsselperson“ übernommen: [link] Heute werde ich noch eine Gruppe im Raum St. Ruprecht besuchen, die Interesse gezeigt hat, sich einzubringen.

Ich denke, in diesen Zeiten, wo Kommunen so vielfältig belastet sind, ist das ein vielversprechendes Konzept, wenn kulturell engagierte Leute solche Art von Eigenverantwortung zeigen. Auf die Art wird es sich am ehesten erreichen lassen, daß auch die Gemeinden zu den Vorhaben etwas beitragen.

Außerdem bedeutet diese Form der Kooperation, mit der wir hier beschäftigt sind, daß ein gemeinsamer und wechselseitiger Nutzen von in Summe erheblichen Ressourcen möglich wird. Auf die Weise kann überdies ausgelotet werden, was „bottom up“ in der regionalen Praxis konkret bedeuten soll.

„BürgerInnenbeteiligung“ ist ja leicht gesagt und klingt gut. Aber die letzten Jahre haben uns gezeigt, da müssen BEIDE Seiten erst üben und lernen, wie wir damit am besten umgehen. Für „kunst ost“ dürfen wir geltend machen: Darüber wissen wir heute sehr viel mehr als noch vor drei Jahren.

Die laufende Verständigung zwischen den verschiedenen Bereichen des Kulturgeschehens ist unverzichtbar! Karl Bauer (links, Kulturausschuß der Gemeinde Gleisdorf) und Wolfgang Seereiter („werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“)

Solche Überlegungen werden wohl auch Gegenstand einiger Erörterungen sein, die von LEADER-Kulturleuten der ganzen Steiermark angestellt werden. Zur Erinnerung, LEADER ist ein EU-Programm, das ursprünglich der Regionalentwicklung und auch dem agrarischen Bereich gewidmet war.

Die Steiermark hat als einziges Bundesland einen Kulturbereich in dieses Programm einbezogen: [link] Die LEADER-Kulturleute treffen sich einige Male pro Jahr, kommenden April in Gleisdorf: [link]

Und als Nachsatz zur jüngsten „KWW-Session“ [link], weil das ja auch für diese Arbeit hier Gewicht hat: Es wurde offensichtlich, Identität ist kein Zustand, sondern ein Ensemble von Relationen und ein Prozeß. Wenn wir mit dieser Kategorie „Identität“ arbeiten wollen, erweist sich gelingende Kommunikation als Hauptereignis von zentraler Bedeutung.

TIP: ARTeFACTS ”wordwide”

Fotograf Christian Strassegger eröffnet am 16. Februar 2012 in der Hartberger Galerie „44QM“ seine Ausstellung.

ZU den Arbeiten sagt Strassegger:
„Als Mensch beobachte ich die Welt und die Zeit in der ich lebe und mache mir Gedanken über meine Spezies und all die schönen Dinge und den Irrsinn den sie hervorbringt. Als Künstler gieße ich diese Gedanken in Beton, nagle sie auf Holz, grabe sie in die Erde und lasse sie keimen und wachsen. Die ausgestellten Werke sind Statements zur Lage und zur Zeit in der wir leben.“

44 QM – Galerie der Stadt Hartberg
Sparkassenplatz 4
A-8230 Hartberg
[link]

Wovon handelt Kulturpolitik? #14

Künstler Karl Grünling hat in der „Kleinen Zeitung“ vom 7.2.12 ein paar Überlegungen zur kulturpolitischen Lage der Steiermark vorgelegt, die interessante Anregungen für eine aktuelle Debatte sein könnten. Mit den drei Bereichen der (Aus-) Bildung, Produktion und Vermittlung im möglichen Zusammenhang hält er sich gar nicht erst auf. Grünling spricht für die wirtschaftlichen Fragen von uns Kunstschaffenden. Seine Forderung: Mehr Direktförderung, weniger Funktionärswesen.

(Quelle: Kleine Zeitung)

Ich denke allerdings nicht, daß sein Befund ausreichend stichhaltig ist. Prinzipiell steht es ja jeder Einzelperson frei, zum Beispiel beim Land um eine Förderung vorstellig zu werden. Es gibt momentan einen neu besetzten Förderbeirat, dessen Tun wir noch nicht genau kennen, weil er in dieser Form ganz jung ist: [link]

Aber dem früheren, unter dem Vorsitz von Heimo Steps, wird man nicht vorwerfen können, er habe sich von der Politik zurufen lassen, was er tun solle. Wer also auf ein Förderansuchen negative Antwort bekam, das Recht auf Einspruch und Anhörung genutzt hat, wer dann dennoch ohne Zusage blieb, wird wohl akzeptieren müssen, daß ein bestimmtes Vorhaben zu dem Zeitpunkt nicht durchzubringen war. Das ist in jedem Metier ein ganz normaler Vorgang.

(Quelle: Kleine Zeitung)

Grünling meint, so würden wir an die Programmatik diverser Institutionen angepaßt. Sehen wir einmal davon ab, daß künstlerische Arbeit seit wenigstens fünftausend Jahren unter genau diesen Bedingungen stattfindet, daß nämlich Auftraggeber Interessen äußern. Auch das ist völlig normal und war nie anders. Man kann es sich freilich anders wünschen. Das hieße zum Beispiel, nicht für den Markt zu produzieren. Etliche Kunstschaffende haben diesen Weg gewählt. (Ich etwa.)

Was genau wäre nun wünschenswert? Zwei Wege der direkten Finanzierung von Kunstschaffenden sind gut eingeführt: Die Bestellung von Auftragswerken und Ankäufe. Dem könnte sich auch der Staat widmen. Halt! Tut er ja. Sollte es mehr Budget dafür geben? Welche Vergabe-Modi wären dabei vorteilhaft?

Beides müßte entsprechend begründet werden, denn daß a) die Marktsituation für Kunstschaffende in Österreich katastrophal ist, wissen wir ebenso wie daß uns b) die verfügbaren Budgets als zu klein erscheinen. Ein „Bitte mehr von all dem!“ fällt also in den Bereich „No na!“ und ist daher eine Null-Aussage.

Blieben noch einige andere Optionen. Stipendien? Gibt es. Ein lebenslanges Stipendium? Eine fixe Anstellung? Ein geschützer Arbeitsplatz? Das müßten Kunstschaffende schon aus Prinzip ablehnen. Die historischen Beispiele dafür sind eher beunruhigend bis abschreckend.

(Quelle: Kleine Zeitung)

Von der Einengung und der Gängelung ist unter meinen Kolleginnen und Kollegen oft die Rede. So auch hier. Aber wodurch soll die denn möglich sein? Wer kann mir mein Tun diktieren? Wer ZWINGT mich zu Kompromissen im Werk? Ja, ich weiß, die Marktlage kann nicht ignoriert werden, wenn man auf dem Kunstmarkt sein Brot verdienen will.

Aber das bedeutet bloß, ich werde mich dem entziehen, wenn mir da Bedingungen winken, die ich unakzeptabel finde, wenn mir meine künstlerische Freiheit geschmälert werden soll. Es gibt tausend andere Tätigkeiten, die mir Geld einbringen können und es mir ermöglichen, meine künstlerische Freiheit zu verteidigen.

Moment! Da ich Künstler bin, möchte ich mich freilich auch von meinem künstlerischen Werk ernähren können und sollte dabei nicht auf andere Tätigkeiten angewiesen sein. Gut. Aber ich will dabei keine Zurufe vom Markt entgegennehmen? Schwierig! Und eine Abnahmegarantie gibt es in keiner Branche, so natürlich auch nicht auf dem Kunstfeld. Was wäre der Ausweg?

Grünling nennt eine Option. Ein „eigenes Kulturbudget“, welches Kunstschaffenden direkt zugute komme. Das wäre also ein Splitting des bestehenden Kulturbudgets in ein a) Kulturbudget und ein b) Kunstbudget. Ist das so gemeint? Ist das machbar? Ist das wünschenswert? Das Kunstbudget wäre dann nur der primären Kunstproduktion gerwidmet, keinen anderen Aspekten wie Vermittlung, Diskurs etc.

Wer darf oder soll folglich im Bereich dieses Kunstbudgets einkommen? Nach welchen Kriterien soll jemand als kunstschaffende Person anerkannt werden? Vor allem von wem? Welches Gremium wäre dafür zuständig? Vielleicht ein Förderbeirat zuzüglich Fachbeiräte? Die haben wir ja schon. (Und der Modus ist seit dem 2005er-Kulturförderungsgesetz nicht übel.)

Wer würde sich mit den verbleibenden Mitteln eines Kulturbudgets um (Aus-) Bildung plus Vermittlung kümmern, um Kuratorien, Diskurs, Reflexion, kunsthistorische Texte etcetera? Oder regeln wir das selbst, weil wir ja die Berufendsten wären und weil es da schließlich um UNSER Berufsfeld geht? Nein, wir sollten uns eigentlich primär der Kunst selbst, der Kunstproduktion widmen. Aber wer bezahlt uns das? Der Markt? Der Staat? Ja. Nein. Beide und alle. Sonst noch wer?

Kurz, mir ist völlig klar, was Grünling meint. Und könnte ich das haben, wäre es fein. Angenehm. Aber das ist auch leicht dahingesagt. Jetzt möchte ich allerdings gerne wissen, wie dieser Modus genau aussehen würde. Dann wüßte ich schon etwas mehr, was wir konkret mit den Leuten aus Politik und Verwaltung verhandeln müssen.

Post Scriptum:
Wir haben nun die ersten Februar-Tage und nichts, absolut nichts, belastet meine Existenz als Künstler so sehr wie Modus und die Höhe der Beiträge, über die ich an Finanzamt und Sozialversicherung gekettet bin. Das wurde nämlich gerade wieder für das erste Quartal im neuen Jahr amtlich ausformuliert und schnürt mir den Hals ab.

Ich möchte also, etwas polemisch, anfügen:
Um das laufende Geschäft kümmere ich mich schon, wenn die Politik uns den Rücken stärken möchte, daß die Finanz- und Sozialreglements einer Kunst-E-M-U mit prekärer Marktsituation angemessener wären.

Immerhin sind rund 60 Prozent der Betriebe Österreichs „Einmannunternehmen“, wobei wir Kunstschaffende mit materiellen und immateriellen Gütern arbeiten, deren Marktwert und Sozialprestige einen kulturellen Status quo des Landes reflektieren, der so problematisch ist, wie es Grünling ja andeutet.

[überblick]

Komplementäre Momente

Das nennen ich wirklich gute Nachrichten! Malerin Irmgard Hierzer, Schlüsselperson einer „location crew“ für das kommende „April-Festival“, schrieb mir eben:

“noch etwas: die kleine gruppe ist so richtig angenehm. jeder leistet seinen beitrag, es ist für mich eine total schöne ZUSAMMENARBEIT“

Das bedeutet, wir haben nun mehrere kleine Formationen, die in sich völlig autonom arbeiten, was dann auch heißt: Der eigenen Chemie entsprechend und folgend. Das führt zu sehr unterschiedlichen Ensembles. Ich bin überzeugt, daß dieser Modus für die nahe Zukunft äußerst vielversprechend ist.

Das Foto für diese Station stammt von Christian Strassegger

Somit bekommt das „April-Festival“ voraussichtlich eine Stabilität, die sich als sehr wertvoll erweisen wird. Denn das bedeutet auch, es können sich kontroversielle Ansichten und Vorstellungen formieren, die dann NICHT in einer Plenar-Situation aufeinanderprallen müssen, sondern die sich in eigenständigen Stationen bewähren mögen, um so letztlich zu einander komplementär zu wirken.

Das sollte auch bedeuten, wo Konfrontation unverzichtbar erscheint, ereignet sie sich zwischen den Ideen und nicht zwischen den Menschen, die diese Ideen vertreten. (Ich hoffe, der grundlegende Unterschied in dieser Gewichtung wird deutlich.)

Das Augenmerk auf komplementäre Entwicklungen drückt sich auch in der thematischen Orientierung jener „location crew“ aus:
8 Künstler
8 Leben
8 Versuche zur PRAXIS DER ZUVERSICHT
[link]

Ein anderer Bereich, der sich konzeptionell gerade sehr gut einlöst, ist unsere Kooperation „KWW – Kunst Wirtschaft Wissenschaft“: [link] Zur dritten Session in dieser Serie haben wir augenblicklich für das Podium drei Zusagen, die eine äußerst interessante Kombination ergeben.

Hans Meister (links) im Gespräch mit Karl Bauer

Johann Baumgartner [link] leitet den Kulturbereich im Grazer „Raiffeisenhof“. Hans Meister, vormals Vizebürgermeister und Kulturreferent von Pischelsdorf, unterrichtet in der Obstbaufachschule Wetzawinkel: [link] Otto Sapper, aktiver Landwirt im Nebenerwerb, ist der Geschätftsstellenleiter der „WOCHE“ Gleisdorf: [link]

In dieser Arbeitsreihe möchte ich zu mehr Klarheit finden, WAS die Prioritäten und Fragestellungen in anderen Metiers sind, um so nicht nur ein wechselseitiges Kennenlernen voranzubringen, sondern auch besser sehen zu können, worin Kooperation denkbar und wünschenswert wäre.

Kooperation bedeutet unter anderem, Ressourcen zu teilen, um für gemeinsam gewählte Aufgaben besser gerüstet zu sein. Ein Denkansatz, den ich zum Beispiel im aktuellen Diskurs rund um das Grazer „Künstlerhaus“ kaum finden kann: [link]

Ich hab hier in einem vorigen Eintrag notiert:
“Zurück zur Frage der Begegnung mit Leuten aus anderen Metiers und zu Fragen der Kooperation. Das ist für mich nämlich eines der Schlüsselwörter, wenn wir a) aus den Posen gebeugter Bittsteller und b) aus den Verknappungen durch jüngste Krisenfälle herauskommen wollen. Kooperation als die Grundlage von Kofinanzierung statt Förderung.“ [Quelle]

Dieser Orientierung zu folgen handelt nicht bloß von der Frage, was wir als Kunst- und Kulturschaffende brauchen, um UNSERE Ideen umzusetzen, sie handelt AUCH von der Frage, warum und wodurch andere mit uns zu tun haben sollen. Darauf brauchen wir konkrete Antworten…

Wovon handelt Kulturpolitik? #13

Wenn wir im Kulturbereich Boden gewinnen möchten, sollten wir in der Lage sein, den Status quo realistisch zu betrachten und darzustellen. Das betrifft natürlich auch die Selbsteinschätzung, denn jene, die uns in kulturpolitischen Verhandlungen gegenüber stehen, verzichten ja keinesfalls darauf, uns so oder so einzuschätzen. Wir sollten demnach allfällige Diskrepanzen dieser Ansichten erörtern können.

Unsere Praxis zeigt außerdem, daß es vorteilhaft ist, wenn uns die anderen Positionen nicht egal sind, wenn wir uns über angemessenes Interesse brauchbare Eindrücke verschaffen können, was die Prioritäten, Codes und Reglements jener Metiers sind, mit denen wir aus sachlichen Gründen zu tun bekommen.

Kulturpolitische Froststarre? Sicher nicht!

Kleiner Eischub: Wenn ich hier „wir“ und „uns“ schreibe, meine ich Kunst- und Kulturschaffende im Sinne eines Metiers, eines Berufsfeldes, NICHT im Sinne einer bestimmten „Szene“.

Ich möchte deutlich machen, daß ein kulturpolitischer Diskurs nicht nur von uns und unseren Prioritäten handeln kann, weil ja unser Tun von anderen Bereichen mitbestimmt wird, stellenweise abhängig ist. Wir können also nicht bloß über Positionen reden, wir müssen uns auch mit den Relationen (zwischen verschiedenen Metiers) befassen.

Ich finde genau an diesen Schnittpunkten oft ein schlampiges Reden über eine „Freiheit der Kunst“. Doch diese Freiheit ist meines Wissens inhaltlicher Natur, was die Kunstwerke selbst angeht, sie ist nicht als soziale Kategorie eingeführt. Wir müßten ja sonst entweder eine quasi aristokratische Existenz anstreben, die sich materiell völlig auf Kosten anderer ereignet oder wir müßten „geschützte Arbeitsplätze“ wünschen, an denen wir von herkömmlichen Anforderungen, wie sie werktätige Menschen meist kennen, weitgehend freigestellt sind.

Ich teile die vehemente Forderung nach angemessener Bezahlung von Kunst- und Kulturschaffenden. Dazu müssen wir freilich sehr konkret klären, WOFÜR wir bezahlt werden sollen. Ich denke, anders ist das nicht verhandelbar.

Ich hab am Beispiel des aktuellen kulturpolitischen Diskurses, der rund um das Grazer Künstlerhaus entstanden ist, skizziert, daß diese Diskussionen in der Steiermark überwiegend, wenn auch nicht ausnahmslos, hinter sich selbst herhinken. Damit meine ich, was viele Kunst- und Kulturschaffende dazu gerade äußern, erreicht nicht einmal das Level jener Papiere, die schon verfügbar sind und der steirischen Politik an mehreren Stellen übergeben wurden: [link]

Man mag darüber spekulieren, woran das liegt. Mich schert diese Frage am allerwenigsten. Es muß einem in einer Demokratie freistehen, aus gemachten Überlegungen genau KEINE Schlüsse zu ziehen, diesen fehlenden Schlüssen daher KEINEN Handlungsplan nachzureichen und in der Folge NICHT zu handeln, sondern weiterhin vor allem bloß zu sudern.

Ich hab bei meiner einschlägigen Themenleiste im Web (“kunst.rasen“) schon vor einer Weile eine Liste mit Links publiziert, auf der die wichtigsten Quellen zusammengefaßt sind: [link] Im oben erwähnten Artikel zur Lage findet sich folgende Empfehlung:

„Ich weiß, ich weiß, das Lesen kostet Zeit, Zeit ist kostbar. Aber lassen Sie mich phantasieren. Jemand verwendet einen Nachmittag, einen einzigen mickrigen Nachmittag, auf eine flüchtige Lektüre der hier genannten und leicht verfügbaren Dokumente. Zum Beispiel auf einem bequemen Sofa ruhend, zum Beispiel bei Kaffee und Kuchen.

Das würde nach meiner Meinung tatsächlich genügen, um sich kulturpolitisch einigermaßen auf die steirische Höher der Zeit hin zu bewegen.

Zurück zur Frage der Begegnung mit Leuten aus anderen Metiers und zu Fragen der Kooperation. Das ist für mich nämlich eines der Schlüsselwörter, wenn wir a) aus den Posen gebeugter Bittsteller und b) aus den Verknappungen durch jüngste Krisenfälle herauskommen wollen. Kooperation als die Grundlage von Kofinanzierung statt Förderung.

Ich meine, der Begriff Förderung impliziert ein GEFÄLLE, der Begriff Kooperation setzt Augenhöhe voraus. Über welche Fragen und Schritte lassen sich Augenhöhe, Kooperation, folglich da und dort Kofinanzierung erreichen? Das beschäftigt uns zum Beispiel im Arbeitsbereich „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“: [link]

(Quelle: Kleine Zeitung)

Künstler Gerhard Flekatsch hat eben ein Fazit aus unserer zweiten Session zusammengefaßt: „Fliessende Identitäten und veränderbare Beziehungen“ [link] Wir waren davon ausgegangen, daß verschiedene Berufsgruppen permanent mit der Begrifflichkeit „regionale Identität“ laborieren und wollten genauer herausarbeiten, was sichtbar wird, wenn man in diese Geschichte tiefer reingeht.

Flekatsch: „Vom individuellen Selbstverständnis, über unterschiedlichste Identifikationsangebote, die Relativität überlappender Kollektiv-Zugehörigkeiten oder über die Modelle der Konsumation gegenüber der Partizipation, kristallisierte sich immer mehr heraus, dass Identität ein Ensemble von Relationen und ein Prozess ist – dass wir Identität als ständigen Fluss begreifen müssen.“

Fußnote: Hier ist mein Intro als Soundfile von neun Minuten: [link] Das soll deutlich machen, wovon wir ausgegangen sind. Nun bereiten wir gerade die dritte Station vor, die wieder öffentlich zugänglich sein wird.

Es geht mir hier aber noch um ein anderes Gefälle als bloß das soziale zwischen Kulturleuten und jenen aus übrigen Metiers. Jenes zwischen Landeshauptstadt und Regionen, wie es sich nicht nur im Denkschema „Zentrum/Provinz“ ausdrückt, sondern auch in einer Asymmetrie der Mittel und Möglichkeiten. In den letzten Jahren habe ich öfter notiert: „Provinz war gestern!“ Jetzt meine ich, daß wir uns das Wort Provinz zurückholen und es neu konnotieren sollten.

[überblick]