Archiv für den Monat: Juni 2011

das kühle extrazimmer 12

ich wiederhole einen ganzen absatz aus einem vorherigen eintrag, um dann recht ausführlich darzulegen, warum und wie netzkultur eine wirkungsvolle position gegenüber dem boulevard und medien-bezogenen major companies ernöglicht.

„das wohnzimmer mit seiner elektronik-ausstattung als platons höhle? wenn ich netzkultur als ein sinnvolles praxisfeld verstehe, auf dem wir medienzugänge und medienkompetenzen erlangen und praktizieren können, dann heißt das vor allem auch: üben wir meinungsbildung, um eine meinung zu haben. üben wir mediengestützte kommunikation, um eine grundlegende vorstellung zu erlangen, wie diese angebliche ‚informationsgesellschaft’ funktioniert.“ [quelle]

falschmünzerei wurde zu einem grundlegenden handwerk der medienindustrie, die aneignung von bildern, aus denen irreführende selbstdarstllungen werden, sind standard. ich nehme einen kleinen umweg. drei große konzerne dominieren den nahrungsmittelmarkt in österreich. dabei werden produkte aus der industriellen landwirtschaft mit bildern aus der bäuerlichen landwirtschaft berworben, vermarktet. das heißt, der dominante apparat plündert die kultur des marginalisierten bereiches, um mit dessen erscheinungsbildern an jenen verkaufserfolge zu arbeiten, durch welche die bäuerliche landwirtschaft marginalisiert wird. das ist ein ziemlich zynischer prozeß, ein ungeschminkert raubzug.

übertrage ich diese erfahrung auf den medienbereich, passen die bilder natürlich nicht ganz genau. dennoch liegen ein paar anregungen in so einem vergleich. flaches entertainment gibt sich als kulturelles geschehen von relevanz aus und generiert jene breitenwirkung, über die anspruchsvolleres kulturgeschehen marginalisiert und abgewirtschaftet wird. was hat netzkultur dagegen auszurichten?

auch im alltag, etwa im restaurant um die ecke: arbeitsgeräte aus dem leben eines ärmlichen proletariats werden zum wohlfühl-dekor für die besser gestellten enkel und sind inhaltlich ein aufgelegter schwindel

wir haben uns von der werbebranche in wirtschaft, politik und einigen anderen genres daran gewöhnen lassen, daß die systematische täuschung von menschen akzeptabel sein soll, daß ein behaupten ohne belege preiszugeben und ohne einer verifizierung standzuhalten etwas anderes als lügen sein soll. diese mischung aus falschmünzerei und marktschreierei hat kuriose konsequenzen.

irgendwelche einwände? selbstverständlich! viele! aber!

gegenüber dem boulevard und den diversen major companies der medienwelt werde ich mich nicht als guerrilero gebärden, denn diese pose wäre mit einem federstrich erledigt. mit einem hammer in der hand eine festung flach machen zu wollen, das sind eitle träume, welche einen für einige zeit über den mangel an konkretem tun hinwegtrösten können.

andrerseits ist unsere kultur reich an erfahrungen, daß die tyrannis oft eine einzelne stimme fürchtet, daß ein system kursierende gerüchte bekämpft, daß klar vetretene positionen, auch wenn sie bloß ein flüstern auf dem glacis sind, zuweilen in der festung vernommen werden.

um bei der eingangs skizzierten analogie zu bleiben: es ist kategorial zwischen industrieller und bäuerlicher landwirtschaft zu unterscheiden, auch wenn die bilder täuschen. intentionen, methoden und wirkungsweisen sind höchst unterschiedlich. solche unterscheidungen kennen wir natürlich auch im medienbereich, in unserer informationellen umwelt. unsere kultur ist von solchen divergenzen geprägt.

doch um das eine vom anderen unterscheiden zu können, brauchen wir kriterien und neue medienkpompetenzen. vor allem, wo globale player via propaganda mimikry betreiben und in diesem geschäft der verstellung, der maskerade – wie erwähnt – oft jene kulturen plündern, die sie überrennen, an den rand drängen, marginalisieren. in diesen kräftespielen stehen einander also völlig ungleiche parteien gegenüber.

die erwähnten kriterien und medienkpompetenzen werden uns zum zweck einer angemessenen kritikfähigkeit selbstverständlich nicht von diesen major companies angetragen. wir müssen sie also von anderen instanzen einer gesellschaft beziehen. der kulturbereich ist nur eine dieser instanzen. kulturschaffende und die von ihnen geschaffenen initiativen sehen zum teil genau darin einige ihrer wesentlichen aufgaben und ein stück ihrer legitimation: medienkompetenzen und kulturell relevante inhalte zu vermitteln. das ist ein wichtiger inhaltlicher schwerpunkt, seit sich in österreich eine „netzkultur-szene“ herausgebildet hat.

netzkultur, das war für mich auch immer ein konsequenter diskurs über das, was wir da tun: robert adrian x (links) und peter karoshi in meinem "ncc-set" im "dom im berg" (2003)

dieser szenebegriff ist freilich ein sehr offener, der für ein vexierbild steht. aber im schnittpunkt mehrerer deutungen finden wir ein konglomerat von autonomen kulturinitiativen, print-leuten, radio-leuten und (kultur-) server-crews, begleitet von einzelnen kunstschaffenden oder kleinen gruppen davon. (siehe dazu auch: [ncc]!)

aus den frühen jahren der theorie und praxis dieser szene stand in österreich das prinzip, für „public access“ zu sorgen. das meinte in zeiten vergleichsweise hoher zugangskosten, für den kulturbereich möglichst fette, preiswerte übertraguntsraten einzufordern. es stand ein „austrian cultural backbone“ zur debatte. es gehörte dazu, für die nutzung dieser technologie kompetenzen der handhabung UND bezüglich inhaltlicher fragen zu bieten.

aus der zeitungs-szene waren diskurse um fragen der meinungsbildung längst eingeführt, war ein augenmerk auf inhaltliche kompetenzen und kommunikationsvermögen präsent. vom fall des rundfunkmonopols und der preis- wie performanceentwicklung im web-bereich versprachen wir uns neue möglichkeiten, die demokratischen anliegen bezüglich kritischer öffentlichkeit nun besser voranzubringen. ganz so ist es dann nicht gekommen. dennoch hat sich einiges ändern lassen. vor allem sind etliche unserer kulturpolitischen anliegen heute auch in gesetze eingegangen.

so korrespondiert beispielsweise, was ich unter dem stichwort „public access“ angedeutet habe, mit einem gesetzesauftrag, den man aus dem aktuellen steirischen kultuförderungsgesetz herauslesen kann. der paragraph 1 nennt im absatz (4) als „insbesondere folgende Ziele“ der kulturförderung unter anderem „eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit“.

das ist auffallend NICHT das geschäft der meisten medienkonzerne. ich nenne stellvertretend das genre tv. fernsehsender fluten unseren alltag mit bildern, die vorgeben, unsere realität abzubilden, was definitiv nicht der fall ist. dabei entsteht eine normative kraft, durch die unsere realität gezwungen wird, sich an diesen bildern messen zu lassen, sich ihnen sogar anzugleichen. das surrogat erhebt sich über das original. das ganze ist außerdem ein enormes business. wohin das zielt, hat berlusconi unmißverständlich klar gemacht.

in der debatte mit philosoph erwin fiala (rechts)

also was tun, wenn sich der boulevard in solchem vorgehen weder bremsen noch aushebeln läßt? ein erster schritt kann sein, sich klar zu machen, daß „die öffentlichkeit“ und „der öffentliche diskurs“ nur phantasmen sind. beides gibt es nicht. es gibt statt dessen ein stückwerk an mehr oder weniger qualifizierten teilöffentlichkeiten. was wir als öffentlichkeit oder öffentlichen diskurs wahrnehmen, ist tatsächlich nicht mehr als ein chor sehr unterschiedlicher stimmen.

allerdings bemühen sich major companies auffallend, diesen chor zu homogenisieren. bezüglich der nazi-ära waren derlei bemühungen mit dem begriff „gleichschaltung“ bedacht. ich meine, der begriff taugt heute noch, um zu benennen, was hier versucht wird. das phantasma von „der öffentlichkeit“ verdeckt den stückwerk-charakter von realer öffentlichkeit.

hat man das einmal verstanden, mag einem deutlich werden, daß sich auch kleine chöre und einzelne stimmen in diesen chor, in dieses stückwerk mischen können. war das noch vor jahrzehnten stark davon abhängig, wer dank welcher türhüter welche medienzugänge hat, so hat die aktuelle mediensituation den gatekeepers sehr viel an bedeutung genommen.

die „neuen medien“ haben – nur weil sie da sind – noch keine „neue demokratie“ eingeführt, aber sie haben die mediensituation prinzipiell enorm verändert. das „broadcasting“ war eine methode des faschismus: „ein sender/viele empfänger“. durch die edv-gestützte medienkonvergenz plus die faktische situation „viele sender/viele empfänger“ ist broadcasting keineswegs suspendiert, aber die karten wurden neu gemischt.

was wir also brauchen, sind medienpraxis, medienkompetenz, aber auch einige „alte qualitäten“, also basics der meinungsbildung und des diskurses.

mit diesen fertigkeiten und dem willen, eine zeitgemäße zivilgesellschaft zu formieren, die sich an bewährten bürgerrechten orientiert und deren praktische umsetzung laufend probt wie praktiziert, können sich einzelne in den vorhin erwähnten chor einbringen, können gruppierungen in diesem zusammenhang längerfristig erhebliche wirkung entfalten.

ich werde mich in solchen prozessen selbstverständlich nicht an einrichtungen messen, mit denen ich in keiner weise vergleichbar bin. das heißt, mein tun im medienbereich und im bereich der netzkultur braucht sich nicht an der enormen wirkung großer companies messen lassen. es genügt, wenn ich in meinem unmittelbaren lebensraum mediale wirkung entfalte und dem DAUER verleihe.

meine praktische erfahrung besagt, daß ich innerhalb eines bezirkes, einer einzelnen stadt sowieso, eine mediale situation zu generieren vermag, die etwa von ortshonoratioren und von der regionalpolitik nicht ignoriert werden kann. wenn ich das schaffe und wenn da noch, 20, 50, 100 andere wären, die das in ihrem umfeld auf ähnlich art pflegen, wäre die situation einer zivilgesellschaftlichen öffentlichkeit schon eine völlig andere als unser jetziger status quo.

ich denke, dafür muß die sache mit der meinungsbildung sehr ernst genommen werden. also sachkenntnis und kommunizierbare positionen, bei gleichzeitigem verzicht auf die phrasendrescherei, wie sie der boulevard pflegt, wie wir sie auch aus der politik kennen. es gibt keinen grund, sich des jargons zu bedienen, der von kommerziellen medien forciert wird, weil man den menschen angeblich mehr komplexität nicht zumuten könne.

die marktlage mag es den firmen ja aufzwingen, daß man im brutalen wettkampf mit anderen die aufmerksamkeit von massen an sich reißt und für einige minuten bei sich halten kann. marktschreierei und komplexitätsreduktion bis zur nach unten ausgebeulten flachheit müssen wir von solchen anbietern weder übernehmen, noch müssen wir mit diesem getöse konkurrieren.

wir können all die nischen besetzen, die von solchem lärm verschont oder abgeschottet sind. vielleicht muß man manchmal sehr leise werden, um gehört zu werden.

[NETZKULTUR: der überblick]

frauenmonat: aufbau

künstlerin ulla rauter bei der aufbauarbeit in der „popcorner-passage“ von gleisdorf. wir haben dort ein leerstehendes geschäftslokal gemietet, um im zentrum der stadt einen teil des „frauenmonats“ von „kunst ost“ zu realisieren.

beginn der tausend handgriffe: künstlerin ulla rauter vor ort

diese tausend handgriffe, um in eine komplexe themenstellung hineinzugelangen. dieses völlig andere bezugssystem der kunst, um einen stand der dinge erfahrbar zu machen. „FMTechnik!“ fokussiert auf die zusammenhänge von frauen, macht und technik. dazu hat kuratorin mirjana peitler-selakov die kleine veranstaltungsreihe in die reale wirtschaftswelt verzweigt, hat ein stück meta-ebene und diskurs einbezogen, schließlich mehrere passagen durch zonen der kunst gelegt.

künstler christian strassegger und kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov

dieses changieren zwischen alltagspraxis, theorie und kunst ergibt nach unserer erfahrung sehr interessante möglichkeiten, komplexe themen transparenter und greifbar zu machen. das handelt im gesamten jahresverlauf auch von querverbindungen zum „kuratorium für triviale mythen“: [link]

– [frauenmonat 2011: FMTechnik!] –
– [ulla rauter] –

zu den frühen akteuren des kuratoriums gehört norbert gall, brand manager von abarth österreich: [link] während rauter im abgedunkelten geschäftsraum erste anordnungen für ihre kommende ausstellung festlegte, landete gall in gleisdorf.

ich habe in ihm ein sachkundiges gegenüber zur erörterung gegenwärtiger zustände jener mobilitätsgeschichte, die in der ersten hälfte des 19. jahrhunderts bemerkenswerte kontroversen zeigte, die zwischen schiene und straße polarisierten; da gab es noch gar keine automobile im heutigen sinn.

norbert gall ist profunder kenner vor allem der entwicklungen in der zweiten hälfte des 20. jahrhunderts: [link] als manager der zum haus fiat gehörenden sportwagen-marke abarth habe ich in ihm freilich auch einen sachkundigen diskussionspartner, was gegenwärtige entwicklungen angeht.

verbreiterung

ich habe kürzlich erzählt, daß wir von hier aus nach süden eine kooperation entfalten. künstler gerhard flektsch (verein „bluethenlese“) und schloßbesitzerin annabella dietz (schloß hainfeld, nahe feldbach) gehen mit uns in einigen arbeitsansätzen d’accord. siehe dazu: „verdichtungen“!

nun habe ich ein ausführliches arbeitsgespräch mit kulturwissenschafter günther marchner („consalis“) hinter mir. marchner ist ein langjähriger und profunder kenner der initiativen-szene. er arbeitet teils auf der meta-ebene, aber auch an der basis. wir haben nun übereinkunft, eine themenstellung gemeinsam zu bearbeiten und die aktivitäten dazu in einem wechselspiel zwischen obersteiermark und oststeiermark zu realisieren.

es geht im kern um VERGESSENES WISSEN, also um jene kompetenzen, die in regionen noch vorhanden, aber teils verschütt gegangen sind. dabei sehen wir praktische möglichkeiten, unsere kulturellen fragestellungen einerseits im kunst-kontext zu bearbeiten, andererseits an unternehmen der regionen heranzuführen und sie drittens auch auf der meta-ebene zu bearbeiten.

kulturwissenschafter günther marchner ist u.a. seit jahrzehnten mit theorie und praxis der initiativen-szene befaßt

der „kunst ost“-modus „zwischen grundlagen, alltagspraxis und kunst“ bewährt sich ja zunehmend. mit diesem aspekt von wissensmanagement, den marchner nun schon eine weile bearbeitet, sehen wir eine gute möglichkeit, die verschiedenen genres und themenstellungen stärker miteinander zu verweben.

wir haben konsens, daß im kern eine betrachtung des wechselspiels zwischen agarischer welt und industrialisierter welt jene kräfte sichtbar macht, denen auch das kunstgeschehen ausgesetzt ist, respektive in dem ein kunstgeschehen jenseits des landeszentrums überhaupt erst raum und ressourcen findet.

ich habe in diesem zusammenhang nun viele jahre das denkmodell von den „drei sektoren“ forciert, in dem staat, markt und zivilgesellschaft zu kooperationen finden mögen. das ist vor allem im projekt-logbuch nachzulesen, etwa 2007: [link], 2008: [link] etc., aber auch an etlichen anderen stellen der dokumentation unserer laufenden arbeit.

wir sehen uns, was anregungen betrifft, auch immer wieder in anderen ländern um. so haben wir einen wichtigen aspekt des regionalen kunstgeschehens durch erfahrungen von kulturschaffenden in irland besser zu differenzieren gelernt. sprachregelung und inhaltliche dimensionen der „voluntary arts“ sind uns in belfast greifbar geworden: [link]

aktuell haben wir in kanada eine interessante korrespondenz mit unseren zugängen entdeckt. simon brault „is both a member of Canada’s cultural establishment and an iconoclast dedicated to its reimagining.“ eine sehr interessante position! zu braults funktionen zählt auch jene des „chairman of Culture Montreal, a grassroots organization that over the last decade brought together governments, business, and Montreal’s arts community to design and pay for a cultural renaissance in the city.“ [quelle]

der kanadische kulturschaffende simon brault (foto: maximecote)

da wurde ich natürlich sehr hellhörig: eine basis-organisation, die während des letzten jahrzehnts regierung, geschäftswelt und die kunst-community von montreal zusammengebracht hat, um eine kulturelle wiedergeburt der stadt zu entwerfen und zu bezahlen. das ist also offenbar ein großes praxismodell der kooperation jener drei sektoren, von denen ich hier seit jahren rede.

noch eine spezielle passage in jenem interview mit brault hat mein spezielles interesse geweckt: „A lot of the arguments that were made against the arts cuts were quite self-serving or defensive, without regard for consequences for Quebeckers and Canadians outside of the community.„ das kommt mir doch sehr vertraut vor.

simon brault konstatiert: „keine kultur, keine zukunft“

ich übernehme hier braults statement „no culture, no future“, das mit dem weißen kreuz auf schwarzem feld auch ein zeichen erhalten hat. ich denke, wir werden in unserem umfeld diesen überlegungen von simon brault noch ausführlicher nachgehen…

wovon handelt kulturpolitik? #6

ich hab im vorigen beitrag, der #5 [link], schon angedeutet: ich halte es a) für sehr problematisch und b) für eine fehlinterpretation des begriffes „politik“, wenn wir in der sache ein bipolares setup unterstützen und reproduzieren. eine aufstellung, die quasi ZWEI parteien kennt und einander für konfrontationen gegenüberstellt; nämlich: hier wir, die kulturschaffenden, dort sie, die funktionstragenden der politik. also hier die kultur, dort die kulturpolitik.

erstens ist dieses „wir“ höchst diffus, gutmeinend gedeutet: etwas heterogen. zweitens ist KULTURPOLITIK nicht das, was kulturpolitikerInnen tun, sondern das, was ALLE beiteiligten gruppierungen gemeinsam, durchaus auch im kontrast und im widerstreit, als kulturpolitische situation des landes generieren. wenn schon unterschieden werden soll, dann mögen einmal die kriterien besprochen und formuliert werden.

im april 2010 hatten wir gegen einige erhebliche widerstände durchgesetzt, daß eine landesweite kulturkonferenz mit der damaligen landeskulturreferentin bettina vollath in einer autowerkstatt realisiert wird. mit einigen leuten aus der politik läßt sich durchaus von herkömmlicher repräsentations-inszenierung abstand nehmen, um neuen bedeutungszuweisungen platz zu schaffen.

so kann ich in der praxis doch sehr deutlich zwischen sachpromotorInnen und machtpromotorInnen unterscheiden. außerdem gibt es erhebliche strukturelle unterschiede, die sich aus größe und bevölkerungsart eines ortes ergeben. das landeszentrum, eine kleinstadt, ein dorf, eine großgemeinde, eine kleinregion, das führt zu höchst unterschiedlichen situationen und kräftespielen.

der erste paragraph „Steiermärkischen Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005“ präsentiert uns eine rechtsperson, welche uns gegenüber konkrete verpflichtungen übernimmt und uns kulturelle zielsetzungen anbietet, über die wir, soweit wir uns als sachpromnotoren verstehen, mit machtpromotoren in stadt und land auseinanderzusetzen hätten. paragraph 1, absatz 1 besagt: „Das Land Steiermark als Träger von Privatrechten verpflichtet sich, in der Steiermark oder in besonderer Beziehung zur Steiermark ausgeübte kulturelle Tätigkeiten zu fördern.“

erst in dieser auseinandersetzung, an der ja auch andere deutungseliten teilzunehmen haben, entsteht meines erachtens KULTURPOLITIK; und genau NICHT dadurch, daß funktionstragende der politik tätig werden oder untätig bleiben.

heimo steps, hier neben malerin herta tinchon, ist einer der "architeken" des aktuellen kulturförderungsgesetzes und steht nach wie vor für debatten zu den inhaltlichen fragen zur verfügung

paragraph 1, absatz 2 besagt: „Kulturelle Tätigkeiten im Sinne dieses Gesetzes sind geistige und schöpferische, produzierende und reproduzierende Leistungen sowie die Auseinandersetzung mit ihnen. Kulturelle Tätigkeiten sind unverzichtbar für die Entwicklung der Gesellschaft, geben der Gesellschaft und der Wirtschaft wesentliche Impulse und tragen ein starkes Innovationspotential in sich.“

die schöperischen tätigkeiten, reproduzieren als eine erfahrungsmöglichkeit, der gang auf die metaebene, also reflexion, debatte, auseinandersetzung mit all dem, a) zur selbstvergewisserung, erfahrungs- und entwicklungsmöglichkeit von menschen, b) als quelle von impulsen für gesellschaft und wirtschaft… dankeschön! ich stelle fest, das verständnis dessen, was wir als inhalt und sinn von kulturarbeit gefunden haben, ist inzwischen auch bei den gesetzgebenden instanzen des landes angekommen.

paragraph 1, absatz 2 lautet: „Kultur im Sinne dieses Gesetzes ist ein offener, durch Vielfalt und Widerspruch gekennzeichneter gesellschaftlicher Prozess von kultureller und künstlerischer Produktivität und Kommunikation.“ dazu paßt auch der vierte punkt des absatz 4 ganz gut, welcher eines der ziele dieser kulturförderung nennt: „eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit;“

ich verzichte nun auf weitere zitate aus dem gesetz. es durchzulesen macht keine große mühe. sie finden es hier: kultur- und kunstförderungsgesetz 2005 [link]

ich hab nun mehrfach betont, daß nach meiner auffassung kulturpolitik das ergebnis dessen ist, was verschiedene involvierte gruppierungen und deutungseliten im agieren auf einem gemeinsamen feld als politischen status quo zustande bringen. dabei kommt es freilich vor, daß alteingesessene funktionärskreise eine entwicklung von der basis her anfechten und abzuzbrechen versuchen.

ich hab das zwischen 2008 und 2010 auf kuriose art erlebt, daß sich politik und verwaltung der stadt weiz gegen ein privates kulturprojekt u. a. mit folgenden argumenten stellten: „Ein künstlerischer Leiter (Herr Martin Krusche) würde alleine oder im engen Kreise bestimmen ‚was‘ Kunst in unserer Region ist und sein sollte. Dadurch wäre der Vernetzung, der Einbringung von Partikularinteressen aller Mitgliedsgemeinden der Region und auch der Vielfalt der Künstler ein Riegel vorgeschoben.“

ganz bemerkenswert ist folgende passage in einem arbeitspapier, das der damaligen landeskulturreferentin bettina vollath vorgelegt wurde: „Die bereits bestehenden Institutionen unserer Region erfüllen im Wesentlichen die Projektvorstellungen des Antragstellers Martin Krusche nach einem Kompetenzzentrum für Kunst und Kultur. Natürlich kann man im Rahmen der Kulturbeauftragten und der Bürgermeister unserer Region diese Kompetenzen noch aufwerten. Das von Martin Krusche angedachte Kompetenzzentrum findet allerdings keinen Zuspruch in unserer Region, weil es große Teile der Kunstschaffenden ausschließt oder nicht zu integrieren vermag.“

daß bedeutet unter anderem, die kommunlapolitik eines einzelnen ortes fühlte sich befugt, für eine ganze region zu sprechen, politik und verwaltung eines einzelnen ortes fühlten sich befugt, ein privat initiiertes, ergo „bottom up“ entstandenes kulturprojekt anzufechten. (details zu diesem „kampfpapier“ gegen ein regionales kulturprojekt finden sie hier: [link])

daraus hatte ich NICHT zu schließen, daß die kulturpolitik in der region auf den hund gekommen sei, sondern daß eine konkrete interessensgruppe innerhalb der regionalen kulturpolitik eine problematische position einnimmt. es hat in der sache noch eine ganze reihe von versuchen gegeben, unser projekt zu entsorgen. das inkludiert rufschädigende schritte im sinne des strafgesetzbuches (§ 111 Üble Nachrede), was freilich einen von immunität geschützen parlamentarier nicht scheren mußte.

pikantes detail am rande, dieses „kampfpapier“ trägt den titel „Protokoll zur Besprechung Kultur-Ost vom 28.10.2009“, ist also – mit seinem vorschlag eines regionale „gegenprojektes“ – sehr dezidiert an unser projekt „kunst ost“ herangeführt worden.

lassen wir beiseite, daß ein erfolg dieser politischen attacke auf unser privates kulturprojekt mich persönlich vorerst einmal ökonomisch ruiniert hätte und daß uns niemand aus der regionalen politik oder landespolitik in dieser kuriosen sache beigestanden hat. es muß ja daran erinnert werden, daß in den programmen „regionext“, „LEADER“ und „lokale agenda 21“, aus denen die kommunen fördergelder beziehen, ausnahmslos das „bottom up-prinzip“ der aktiven bürgebeteiligung als zentraler wert gilt. dieses prinzip wurde eklatant und ausdauernd von funktionstragenden aus politik und verwaltung verletzt.

diese explizite verletzung jener prinzipen, für deren betreuung die kommunen eu- und landesgelder beziehen, zeigt sich allein schon in folgender begründung, ein LEADER-kulturprojekt einstellen zu wollen: „Projekt- und Entscheidungsträger der Kunst- und Kulturregion Weiz-Gleisdorf sollten unbedingt die Städte und ihre Kulturbeauftragten sein.“ deutlichger kann man die ablehnung des „bottom up-prinzips“ und der aktiven bürgebeteiligung wohl kaum ausdrücken.

im fokus der geschichte steht eigentlich, daß wir uns in einer phase der umbrüche befinden, die uns auferlegt, unsere gründe sehr konkret zu nennen und dazu unsere begriffe zu klären. ich habe diesen fall kurz angerissen, weil er unmißverständlich illustriert, daß wesentliche grundsätze des landeskulturförderungsgesetzes, wie es 2005 in kraft getreten ist, bei kommunalen funktions-eliten teilweise überhaupt nicht angekommen sind.

daraus folgt nun keineswegs, daß leute wier ich unter einer schlechten kulturpolitik leiden würden, sondern MEINE auffassung von kulturpolitik steht in kontrast zu DEREN auffassung von kulturpolitik. ich meine, es ist ein konstituierender TEIL von kulturpolitik, sich über solche auffassungsunterschiede auseinanderzusetzen und um einen neuen status quo zu ringen, falls mir der alte anfechtbar erscheint.

damit betone ich ein grundlegend anderes rollenverständnis und schlage ein bipolares setup in der kulturpolitik kategorisch aus. nur wenn sach- und machtpromotoren in nachvollziehbaren prozessen neue modi der kooperation entwickeln, halte ich die anforderungen einer res publica für erfüllt. das wird sich nicht erreichen lassen, indem sich zwei parteien gegen einander in stellung bringen und gegenseitig anbrüllen.

[übersicht]

wovon handelt kulturpolitik? #5

in meinem milieu dominiert die erwartung, kulturpolitik möge mittel für die produktion von kunstwerken und für deren präsentation verfügbar machen, also für ausstellungen, veranstaltungen etc.

da wir für diese erwartung ein klares gegenüber wünschen, das sich uns verpflichtet fühlt, kann ich die vorherrschende bipolarität im verhältnis kunstschaffende/kulturpolitische funktionstragende nachvollziehen. aber ich muß sie aus prinzipiellen gründen ablehnen.

das heißt: kulturpolitik als aufgabe funktionstragender der politik ist ausdruck einer riskanten selbstbeschränkung. kulturpolitik ist das ergebnis der aktivitäten verschiedener deutungseliten. die politischen funktionstragenden sind bloß eine davon.

hier das personal der kulturpoliztik, da die kulturschaffenden? lieber nicht! (quelle: ig kultur steiermark) kulturPOLITIK ist unser aller sache, kulturPOLITIKERINNEN sind nur eine der damit befaßten formationen.

ich träume mir kulturbeauftragte von land und kommunen weder als meine förderer, noch als gunsterweisende instanzen, aber auch nicht als feindbilder. ich möchte davon ausgehen, daß wir kooperationsmodelle zu erproben haben, was voraussetzt, daß wir rollen und aufgaben stets neu klären.

das stützt sich auf meine vorstellungen gemäß einem denkmodell von drei sektoren (staat, markt und zivilgesellschaft), daß zwar in jedem der bereiche/sektoren eigene prioritäten vorherrschen, daß wir aber ein gemeinsames feld bearbeiten, was ja auch gemeinsame interessen nahelegt.

daraus folgt, daß ich genau diesen arbeitsansatz auch als leistungsfähige methode betrachte, gegen bestehende mißstände auf diesem feld vorzugehen. das bedeutet wiederum, daß alte, liebgewonnen feindbilder hinter uns bleiben müssen. „wir gegen den markt“ und „wir gegen das politische personal“ sind aussichtslose posen, die auf kräftemessen setzen.

mir fehlen beispiele, daß solche art kräftemessen jemals von kunstschaffenden für sich entschieden worden wäre. ich kenne in der geschichte kein einziges beispiel von einem „aufstand kunstschaffender“. und wenn es in europa je um rebellion gegangen wäre, dann nicht um die sache der kunst.

das aktuelle steirische rebellen-gehampel in der auseinandersetzung mit der landesregierung müßte sich in eben dieser attitüde, nämlich ein „aufstand“ sein zu wollen, wenigstens an jenem historischen ereignis messen lassen, bei dem im 20. jahrhundert kunstschaffende und intellektuelle in waffen gingen, um die tyrannis zurückzuschlagen. ich meine den spanischen bürgerkrieg.

"el generalissimo franco" sah im spanischen bürgerkrieg auch kunstschaffende und intellektuelle im gegnerischen lager

wollte ich wissen, was ein rebell sei, werde ich auch in jenem krieg, für den die nazi in spanien geübt haben kaum fündig. vor der puren gewalt, dem terror der nazi, war offener widerstand die ausnahme. auf dem weg dorthin finden sich allerdings schon beispiele, aber eher nicht unter kunstschaffenden. ich denke an den arbeiter koloman wallisch [link] und seine leute, deren unbeschreiblicher mut sie bewegte, dem faschismus das eigene leben entgegenzustellen.

wenn eine empörung schon ein "aufstand" ist, wie wollen wir das dann benennen?

wir aber, unter denen einige zur zeit so laut auftreten, um ein aufstehen zu zeigen, das ein aufstand sein möchte, das sich überdies durch das plündern arabischer codes und deutliche aussagen den aktuellen aufständen im arabischen raum anbiedert, wo unbewaffnete in die konfrontation mit elite-einheiten gehen, wir sind im wesentlichen mit kunst befaßt, mit ihrer praxis, vermittlung und rezeption.

weder das anbrüllen von politischem personal noch das werfen von schuhen ändert etwas an der tatsache, daß wir hier bestenfalls unsere interessen verhandeln. VERHANDELN! es ist mir – wie angedeutet – aus dem ganzen 20. jahrhundert kein aufstand kunstschaffender bekannt, es wird voraussichtlich auch dieser keiner sein. ich neige zur ansicht, die groß angelegte geste soll den blick darauf verschleiern, was wir aktuelll zu klären hätten.

wenn wir über steirischen KULTURPOLITIK reden wollen, dann hätte ich dazu gerne eine aussagekräftige momentaufnahme, die deutlich macht: welche instanzen sind teil des kulturpolitischen geschehens? welche agenda wären mit welchen prioritäten zu ordnen? welchen ansprüchen stehen welche verpflichtungen gegenüber?

wie schon früher erwähnt, in der praxis haben etwa kulturbeauftragte der kommunen jenseits von graz überwiegend die vorstellung, ihre aufgabe handle davon, verfügbare miniatur-budgets zu verteilen und daraus resultierende veranstaltungen zu eröffnen.

während das landeszentrum sogar unter widrigsten umständen noch von genug menschen bewohnt wird, deren kulturelle bedürfnisse und auffassungen eine kulturpolitische grundsituation ergeben, welche verschiedene gesellschaftliche instanzen berührt, gibt es zahllose kleine orte und städte, in denen davon nichts zu finden ist.

statt also ein wettrennen um partikularinteressen abzuhalten, wahlweise eine landesweite „wir-situation“ zu simulieren, die keiner genaueren überprüfung standhält, könnten wir langsam beginnen, eine zeitgemäße vorstellung von kulturpolitik zu formulieren, in der rollen und aufgaben etwas präziser dargestellt sind.

solche klarheit vermisse ich momentan. daraus schließe ich, in meinem milieu wissen wir zwar, was wir von der landespolitik wollen, nämlich mehr geld, aber wohin das mit welchen methoden und strategien führen soll, das wissen wir eigentlich nicht.

[übersicht]

verdichtung

egal, wie knapp das geld ist, ohne buchhaltung geht da gar nichts. oder aber: gerade bei knappen budgets ist der laufende überblick unverzichtbar. ich bin ein geborener tabellen-legastheniker, was bedeutet, die arbeit mit diesen bürokratischen belangen geht mir sehr schlecht von der hand. ich bin dabei langsam, erleide schweißausbrüche, kurz, ich stehe unter vollstress, wenn ich ein budget ordnen soll.

obfrau mirjana peitler-selakov ist eine exzellente mathematikerin und somit ein unerbittliches prüforgan meiner bescheidenen leistungen im rechnungswesen

zugleich habe ich natürlich große freude daran, a) zu erleben, daß wir ein projekt ökonomisch nicht in den sand gesetzt haben und b) zu erleben, daß die aufzeichnungen ausgeglichene konten ergeben. allein das abenteuer der tippfehler-suche in excel-dateien gehört zu den mutproben meines alltags, die ich nicht gar so oft haben mag.

auch andere arbeit trägt feine früche. so hat nina strassegger-tipl eben das layout von folder und plakat für unseren „frauenmonat“ geliefert. nun sind die drucksorten da. mit „FMTechnik!“ gehen wir in einen neuen abschnitt der inhaltlichen arbeit: [link] damit wollen wir in naher zukunft den bereich der technischen welt in der region ausloten.

nina strassegger-tipl hat die drucksorten für unseren „frauenmonat“ gestaltet

die arbeit an den aktuellen schritten bezüglich „agrarische welt“ ist nahe dem finish des ersten abschnittes. hier sind wir als trio tätig, mit mir wirken daran noch der tierarzt karl bauer und der künstler christian strassegger.

dazu hat sich nun die konkretiseierung einer weiterführenden idee ergeben. mit dem maler gerhard flekatsch habe ich schon eine weile kontakt. der initiator des vereins bluethenlese verbindet sein kulturelles engagement nicht nur mit gegenwartskunst, sondern auch mit historischen bezügen. eine leidenschaft, die wir teilen; speziell auch auf den autor und orientalisten joseph von hammer-purgstall bezogen, welcher in der oststeiermark einen wohnsitz hatte. genauer: im schloß hainfeld bei feldbach: [link]

mit der frage nach "ost-west-verhältnissen" befaßt: der maler gerhard flekatsch

dieses schloß hat eine besonderheit: seine besitzerin, annabella dietz, setzt nicht auf tourismusträchtige repräsentationskultur, sondern ringt nun seit einigen jahren um klarheit über einen weg, der dem ort UND seiner kulturgeschichtlichen relevanz gerecht wird.

das ist ein faszinierender prozeß, weil er von einem verständnis der dinge und einer kenntnis der hintergründe handelt, die weit übersteigt, wozu sich zum beispiel herkömmliche tourismus- und regionalmanagements üblicherweise aufraffen.

kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov (links) und juristin annabella dietz

wir sind uns nun einig, daß wir eine längerfristige kooperation entwickeln und umsetzen möchten, denn da ist konsens in einigen sehr wesentlichen betrachtungsweisen beim blick auf regionalgeschichte und regionalentwicklung. das ergibt in summe eine idee von kulturellen agenda, innerhalb derer auch die gegenwartskunst einen sehr angemessenen bezugsrahmen erhält.

denkt man das nun zusammen mit der tatsache, daß dietz sich für einen ausbau ihres betriebes als bäuerliche landwirtschaft entschlossen hat, ergeben sich mit ihr und dem künstler flekatsch sehr viele schnitt- und berührungspunkte.

wovon handelt kulturpolitik? #4

wir kennen in österreich seit josef II. die neigung, reformen von oben zu erwarten. der aufgeklärte absolutist als guter vater, welcher die gelegentlich rebellischen kinder zufriedenzustellen weiß. das ist ein österreichischer klassiker. außerdem war der erstgeborene sohn von maria theresia bekannt für seine rege reisetätigkeit, dabei vorzugsweise unerkannt, bestrebt, seine ländereien und untertanen besser kennenzulernen.

na? funkt’s? so mögen wir das. der junge war stilprägend. ich darf das so salopp formulieren, da ich heute älter bin als er geworden ist. und seine frau mama war niemals kaiserin, obwohl ich damit aufgewachsen bin, daß man sie „kaiserin maria theresia“ nannte.

ob das wichtig ist? in einem land, wo sogar viele kunstschaffende auf ihren visitenkarten alle akademischen titel, die verfügbar sind, anführen, sagt das eine menge. diese kulturelle prägung steht uns ab und zu etwas im wege. etwa dann, wenn wir wahrnehmen sollten, daß KULTURPOLITIK kein sache bloß der kulturpolitiker sein kann, also auch die veranwortung für das kulturelle klima und die rahmenbedingungen des kulturschaffens nicht bloß in funktionärshänden liegen können.

mein lieblingsmantra in der sache:
wir haben den begriff POLITIK von zwei verschiedenen kategorien bezogen, von der POLITIKÉ, der „staatskunst“, als dem bereich der funktionstragenden, sowie von der POLIS, dem (vormals städtischen) gemeinwesen, also der zivilgesellschaft. erst im zusammenwirken und wechselspiel dieser beiden sphären ereignet sich politik, so auch kulturpolitik.

es wäre quasi eine „josephinische pose“, die dinge quer durchs jahr einfach laufen zu lassen, weil vor allem wir kunstschaffenden uns ja mit kunst befassen müssen, mit nichts anderem, um uns im krisenfall auf ein simple polarisierung zurückzuziehen: hier wir, dort das kulturpolitische personal.

wir haben so eine polarisierung im augenblick zwischen a) kulturschaffenden, die sich im landeszentrum graz konzentrieren und b) der landesebene unserer formellen kulturpolitik. was an einwänden und vorhaltungen, auch an empörung und protest zu vernehmen ist, hat hauptsächlich die budgetpolitik des landeskulturreferates zum inhalt.

in der aktuellen kontroverse fehlen mir vollkommen:
a) was wir selbst alle quer durchs land an kulturpolitischer entwicklungsarbeit schuldig geblieben sind,
b) welche konsequenzen es gerade jetzt vor allem im ländlichen raum für kulturschaffende hat, daß unzählige gemeidnen nicht einmal kulturbeauftragte haben und
c) daß in eben diesem ländlichen raum kulturbudgets, soweit überhaupt vorhanden, nun weitgehend auf null gesetzt wurden oder nur mehr in hunderter-beträgen vorhanden sind.

der zusammenhang ergibt sich unter anderem aus folgendem umstand: die ländlichen gemeinden haben momentan die allergrößten probleme, ihre sozialkosten zu bewältigen, was unter den betroffenen, also hilfsbedürftigen menschen und deren angehörigen, defintiv einen schock ausgelöst hat.

vor diesem hintergrund geht die bereitschaft, gelder für bereiche der gegenwartskunst zu verteidigen, hier auf dem lande überwiegen gegen null. das bedeutet unter anderem, wir büßen gerade, daß wir
+) a: für keinerlei begriffsklärungen gesorgt haben, wie etwa gegenwartskunst und voluntary arts zwei grundverschiedene kategorien sind,
+) b: bisher eher nicht klar gemacht haben, warum kulturpolitik UND kulturförderung keinswegs bloß dem veranstaltungsbereich gewidmet sein können, sondern in summe beitragen müssen, ein kulturelles geschehen und ein kulturelles klima zu ermöglichen, in dem das raum und praxis findet, was ja auch vom gesetz her sache der kulturförderung ist; ich hab das in beitrag #3 ausführlich beschrieben: [link]
+) c: was nun berufsbilder, unser verhältnis zur marktsituation und unser selbstverständnis bezüglich soziokultureller agenda angeht, zu lange zu viel unschärfe zugelasssen haben.

das spiegelt sich in der situation, die uns übliche kulturbeauftragte der gemeinden zeigen. von einigen ausnahmen abgesehen sind kulturbeauftratge vorsitzende von jenen kommunalen gremien, die über geldvergaben enstcheiden. in der regel wird also in kulturreferaten und gemeindestuben die geldvergabe für den veranstaltungsbereich verhandelt, in größeren gemeinden auch so mancher ankauf. dann handelt reale kulturpolitik meist noch vom repräsentativen akt des eröffnens und damit hat sich die sache.

wir haben genau NICHT darum gerungen, daß landesweit in politik und verwaltung ein verständnis wächst, warum geldvergabe für kofinanzierungen und repräsentation bloß die einfachsten übungen am ganzen sind und warum wir mit einander gefordert wären, nun zu klären, was etwa ortsbezogene UND ortsübergreifende, also regionale kulturpolitik sein und leisten müßte, um jenes kulturelle klima zu fördern und jenes geschehen mitzufinanzieren, die den demokratiepolitischen zielen dienen, auf die wir uns einigen konnten und welche auch in verschiedenen gesetzen nachzulesen sind.

so etwa im steiermärkischen kultur- und kunstförderungsgesetz, das als „Ziele und Aufgaben der Kultur- und Kunstförderung“ unter anderem folgende punkte nennt:
+) „2.: die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in jeder Region des Landes;“ und:
+) „3.: eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit;“

deshalb muß ich eine kontroverse, die
+) a: nur zwischen landeskulturpolitik und
+) b: kulturschaffenden des landes als eine
+) c: vor allem kontroverse um budgets angelegt ist,
für sehr problematisch, womöglich sogar für verfehlt halten.

ich muß darauf bestehen, den größeren zusammenhang zu erörtern, zu erfahren, zu bearbeiten. und ich muß darauf bestehen, beide aspeke von politik, „polis“ und „politiké“, in wirkung zu finden, und zwar nicht bloß im landeszentrum graz versammelt und auf das landeskulturreferat hin fokussiert, sondern mit einer idee ausgestattet, wie das auf die gesamte steiermark angewandt werden könnte.

[übersicht]

im blickfeld

was ist bewerkenswert und was wir leicht übersehen? was drängt sich uns auf und was verbirgt sich genau hinter diesen „sensationen“?

wir sind seit jahren in enorme umbrüche verwoben. diverse krisen in der weltweiten finanz- und wirtschaftswelt haben das nicht erst in gang gebracht, sondern unlängst bloß stärker in unser bewußtsein gerückt. eine neue landflucht macht sich in ganz europa bemerkbar. („die menschen flüchten nicht einfach in die nächste größere stadt, sondern auf die nächste autobahn.“) also sind wir gut beraten, über dragen wie mobilität, ernährungssicherheit und aktuelle schübe im neu wachsenden stadt-land-gefälle nachzudenken.

wichtigkeit ist meist eine frage von definitionsmacht

aber warum sollte das in summe thema und arbeitsinhalt für eine kulturinitiative sein, die sich überdies im uentrum ihres tuns der gegenwartskunst widmet?

ich hab in was ist kunst“ #17 skizzierert, welch hohen rang die „freiheit der kunst“ ausdrücklich in unseren gesetzen eingeäumt bekommt und welchen inhalten dieser aspekt von freiheit gewidmet ist. während die kunst selbst die kunst ist und kein mittel oder wirkzeug, sondern sich selbst gewidmet, hat die befassung mit kunst auch ganz andere zusammenhänge. (befassung mit kunst meint gleichermaßen praxis, vermittlung und rezeption.)

sieht man sich zum beispiel näher an, wovon das leben in der agrarischen welt über wenigstens die letzten hundert generationen geprägt war, findet man manche aufschlüsse über rahmenbedingungen des status quo. wir durchleuchten die gegenwart dieses gesellschaftlichen bereiches vor den historischen hintergründen, um zu einer brauchbaren deutung der regionalen gegenwart zu kommen.

karl bauer ist ein profunder kenner der agrarischen wlet in dieser region

das heißt konkret, wir bearbeiten bei „kunst ost“ die „tage der agrarischen welt“ 2011-2013 in korrespondenz mit anderen veranstaltungsreihen, welche folgenden teilthemen gewidmet sind, die in der oststeiermark und in der „energie-region weiz-gleisdorf“ ebenso zur debatte stehen wie in überregionalen zusammenhängen:
+) moblitätsgeschichte
+) frauen in der technik
+) die „nikola tesla-doktrin“
+) triviale mythen und alltagskultur

das wird sich stellenweise auch in künstlerische vorhaben verzweigen. und es wird von einer debatten-reihe begleitet, der serie „talking communities“: [link]

im augenblick bereiten wir den „frauenmonat“ 2011 vor, zu dem kuratprin mirjana peitler-selakov das rhema „FMTechnik!“, also „frauen, macht und rechnik“, erarbeitet hat.

der programmfolder zu "FMTechnik!" ist verfügbar (gestaltung nina strassegger-tipl)

damit ist nun auch langsam der blick auf den kommenden herbst frei, wofür wir einen internationalen kunst-schwerpunkt vorbereiten. dazu demnächst genaueres!

— [FMTechnik! Das Programm] —