Schlagwort-Archiv: selman trtovac

Umbruch: Kommen und gehen

Ich finde inzwischen fast schon Vergnügen an dieser Unruhe. Kaum etwas bleibt an seinem Platz. Nichts ist bloß, was es zu sein scheint. Das fordert uns freilich im Kommunikationsverhalten. Es fällt mir momentan eher schwer, meine Sachen beinander zu halten.

Hat neue Aufgaben übernommen: Sandra Kocuvan (Kulturabteilung des Landes)

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Präzisierung für 2013

Vor einem Weilchen habe ich von einer Session in Wien erzählt, da wir auf der Rückfahrt quasi von Insidern erfuhren, der Steiermark stehe in Budgetfragen ein „Tal der Tränen“ bevor: [link] Von der Finanzlandesrätin wurde das kürzlich bestätigt. Vollath: „Für 2014 brauchen wir ein Wunder“ [link]

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Kollektive Aktionen: Rückschau

Wir haben bei “kunst ost” ein Rahmenkonzept für den Jahreslauf erarbeitet, das sich bewährt. Das „April-Festival“ ist jeweils der Schwerpunkt des ersten Halbjahres. Da liegt der Fokus auf den Beiträgen regionaler Kräfte. Im zweiten Halbjahr setzen wir den Schwerpunkt stets auf Kunstprojekte im internationalen Kontext. Den „Angelpunkt“ des ganzen Jahres bildet der „FrauenMonat“, den wir rund um den Juni entfalten: [link]

Von links: Mirjana Peitler-Selakov, Selman Trtovac und Sabine Häsngen

Dieses Grundmuster schafft Fixpunkte, die durch kleine, sehr flexible Aktivitäten verbunden werden. Der herbstliche Kunstschwerpunkt war nun 2011 erstmals außerhalb der Landesgrenzen angelegt. „Virtuosi of Deception. An insight into the universe of the group Collective Actions.” als ein Ereignis in Serbien, zu Gast bei “The Third Belgrade 2011”; das hat seine Wurzeln in unserem 2010er-Herbstschwerpunkt.

Mit „the track: virtuosen der täuschung“ boten wir: „Einen Einblick in das Universum der Gruppe ‚Kollektive Aktionen'“: [link] Damit hatten wir eine der international bedeutendsten Konzeptkunst-Formationen der Gegenwart zu Gast. Und nicht nur das, es entspann sich daraus eine längerfristige Kooperation. Die führte uns im Herbst 2011 an die Ufer der Donau.

Von links: Sergej Letov, Mirjana Peitler-Selakov und Sabine Hänsgen

Das hatte dann eine Reflexionsebene mit einigen Stationen in der Oststeiermark, das spielte sich ferner on the road ab und das löste sich in einer großen, mehrteiligen Station in Beograd ein, bei der die Gruppe „Treci Beograd“ federführend war. Siehe „the track: archive (to recover some context)“: [link]

Fußnote: Der serbische Künstler Selman Trtovac, einer der maßgeblichen Akteure von “Treci Beograd”, wird heuer als Artist in Residence im Grazer “Rondo” ordinieren: [link] In der Zeit werden wir uns mit ihm auch in der Oststeiermark etwas vornehmen. Das wird seine künstlerische Praxis betreffen, aber auch sein kulturelles Engagement; eine weitere Erörterung des Themas „Kollaborative Arbeitsweisen zur Gegenwartskunst“; siehe: [link]

Aber zurück zu den „Kollektiven Aktionen“. Sergej Letov hat nun begonnen, jene Tage und Ereignisse in Serbien auf der KA-Website zu dokumentieren:
>>The installation „Virtuosi of deception“ in “3. Beograd” (October 2012) consisted of a photo- and text-documentation, 2 video projections (Russian World / 1985; The tenth notebook / 1994) and an arrangement of definition texts (the terms of the „Collective Actions“) from the “Dictionary of Moscow conceptualism” shown on the windows of the exhibition hall. Curated by Sabine Hänsgen (D) & Mirjana Peitler-Selakov (A/SRB)<<

Hier der Link zu dieser Dokumentation: [link]
Siehe dazu auch: „altes ufer, neue optionen“ [link]

altes ufer, neue optionen

diese jüngste reise nach beograd ist von einer irritierenden erfahrung geprägt. zwei leute eines künstlerkollektivs machen ihr privates erbe zum ausgangspunkt eines kraftvollen statements gegenüber der kommune und der gesellschaft. einiges geld, ein grundstück, die kompetenzen eines architekten und zahllose handgriffe schufen das haus von treci beograd, wie es nun am ufer der donau steht; nahe der pancevo-brücke.

das geschah in tagen, wo alle maßgeblichen museen in beograd geschlossen sind, andere kulturelle einrichtungen, wie etwa „remont“, ihre räume aufgegeben haben. eine gruppe kunstschaffender nimmt sich das mandat, die gegenwartskunst nicht nur persönlich zu vertreten, sondern dieser aufgabe auch eine feste struktur zu geben.

das haus von „treci beograd“ an der donau

man blickt von diesem ufer aus auf die ränder der alten stadt. lastkähne werden auf dem breiten fluß bewegt. einige gehminuten entfernt schafft eine schwimmende fördernalage kies aus der donau, der oben verarbeitet und per lkw abtransportiert wird.

ursprünglich standen hier bloß hütten als unterstände für fischer. aus den massiven krisen eine postkriegs-gesellschaft hat also die gegenwartskunst in beograd ein neues ufer erreicht. ich hänge da auch emotional tief drinnen. heute werden wir die vernissage einer weiteren station der „virtuosen der täuschung“ erleben. die kollektiven aktionen aus moskau setzen einen weiteren akzent in dieser unserer geschichte des ringens um neue positionen.

neue positionen als kunstschaffende in einer gesellschaft, die nun ein halbes jahrhundert absolviert hat, das eingen teilen europas einen davor nie gekannten wohlstand gebracht hat, der ganzen welt eine mediensituation, deren konsequenzen wir noch gar nicht ermessen können.

in der zeit unmittelbar nach dem zweiten weltkrieg hat der österreichische philosoph günther anders, angeregt durch seine erfahrungen in der amerikanischen gesellschaft, eine medienkritik formuliert, die im kern besagte, wir würden systeme schaffen, deren dimension und komlexität unsere auffassungsgabe übersteige.

die zweite hälfte des 20. jahrhunderts ist eine ära, in welcher die tv-entwicklung und der tv-konsum unsere gesellschaft verändert haben. im letzten jahrzehnt dieses jahrhunderts, anfang der 1990er-jahre, wurde österreich an das tcp/ip angebunden, das internet-protokoll, über welches zahlreiche edv-gestützte netze zu einem weltumfassenden internet zusammengefaßt wurden.

der serbische künstler selman trtovac

am mittwoch, dem 12. oktober 2011, saß ich mit selman trtovac beim kaffee im „dunavski pirat“. er hatte die deprimierende nachricht gebracht, daß sergej romashko in sehr schlechter gesundheitlicher verfassung sei, deshalb sein kommen absagen mußte. wir sprachen über einige positionen von joseph beuys (siehe dazu: was ist kunst? #20!), mit dessen arbeit sich selman aus seiner zeit in düsseldorf sehr vertraut fühlt. (trtovac war dort schüler von klaus rinke, was eine sehr persönliche verbindung zur arbeit von beuys bedeutet.)

wir debattierten einige aspekte unserer arbeit, notwendigkeiten, bedingungen, optionen. welche art boden ist zu gewinnen? was verlangt es von uns? was bringen wir dafür auf und was tragen wir bei? das 20. jahrhundert liegt nun schon ein gutes jahrzehnt hinter uns. auf selmans weg in diese gegenwart hat sich auch ein brutaler krieg ereignet, der noch einmal alles durchspielte, was europa in fragen der nationalismen und ethnischen konfliktpotenziale an falschen wegen aufzubieten hatte. ich betone hier ausdrücklich: europa, nicht der balkan. in diesem teil der geschichte hängen wir alle drinnen.

worin mir selman zustimmte: der einsame held, der sich in das rad der geschichte wirft, um den lauf der welt zu ändern, ist ein rollenmodell, das sich erledigt hat. dieser typ ist ein wasserträger der tyrannis. wir haben an anderen optionen zu arbeiten.

aber wozu sind kollektive in der lage und was kann kollektive krativität leisten? liegen darin auch emanzipatorische möglichkeiten? denn ist ja unübersehbar, daß demokratische gewaltentrennung im staat sehr durchlässig geworden ist. in österreich gibt es außerdem beklemmende beispiele, wie sich spitzenpolitik der wirtschaft und manchen medien angedient hat.

das leben und die kunst. die kunst und der markt.
wie soll sich all das zu einander verhalten?

[the track: archive]

the track: archive

Kommen, um Werke zu sehen? Selbstverständlich. Eine Vernissage als soziales Ereignis? Nett, aber nicht zwingend notwendig. Ich bevorzuge die Salon-Situation. Das enthält natürlich einen ironischen Querverweis auf den bürgerlichen Salon vergangener Zeiten. (Dafür waren Menschen meiner Herkunft freilich nicht vorgesehen.) Wir werden aber jenseits des Landeszentrums keine urbanen Konzepte aus vergangenen Jahrhunderten reproduzieren.

Salon, das heißt für mich: Diskurs. Debatte. Nicht als Teil eines Stolzierens, sondern als Ausdruck von Wißbegier in der Begegnung mit anregenden Menschen. Das ist eigentlich mein Hauptgrund, mich für Kunstveranstaltungen zu engagieren. Ich brauche ein lebendiges geistiges Klima, um zu existieren. Das läßt sich sehr gut zwischen solchen Ereignissen entfalten. Ohne derlei Veranstaltungen diffusiert es zu sehr, wenn das Jahr lang ist.

von links: sergei letov, sergei romashko, sabine hänsgen und mirjana peitler-selakov

Sie verstehen meine Intention? Repräsentationsakte haben Funktionen, die ich verstehe, denen ich aber nicht die höchste Priorität einräume. Es ist die Befassung mit Kunst, durch die mein Leben wesentlich an Tragfähigkeit gewinnt. Also nicht die Kunst selbst, sondern, wie erwähnt, die Befassung mit Kunst. (Ist der Unterschied klar?)

In dieser Befassung mit Kunst habe ich stille Zeiten ohne die Anwesenheit anderer Menschen. Aber ebenso die lebhaften Momente der Erörterung, Auseinandersetzung, vor allem auch des Zuhörens. Als vor fast genau einem Jahr die Crew der Kollektiven Aktionen auf meiner Strecke erschien, habe ich besondere Augenblicke der Konzentration solcher Möglichkeiten erlebt. Es waren vor allem Sabine Hänsgen und Sergei Romashko, deren Denkweisen und Überlegungen mich auf Monate beschäftigt haben.

Was in jenen Tagen zur Sprache kam, hat gewissermaßen Ausläufer bis in die Gegenwart. Dieses Prozeßhafte, das sich auf die Vorleistungen anderer stützt, um einen selbst im besten Fall zu neuen Positionen zu führen, ist für mich ein zentrales Ereignis künstlerischer Praxis.

Das bedeutet auch, nichts interessiert mich weniger, als der einsame Held, der sich in das Rad der Geschichte werfen möchte, um den Lauf der Welt zu beeinflussen. Dagegen elektrisiert mich das hohe Spannungspotenzial kollektiver Kreativität.

selman trtovac ("treci beograd")

Nun verzweigt sich das gerade weiter. Wie viele Begegnungen hatte ich mit Selman Trtovac von der Formation „Treci Beograd“? Ich denke, es waren gerade einmal zwei. Und ich ahne, wir werden auf Jahre zu tun haben. Das sind Optionen, denen ich anhängen mag.

[the track: archive]