Schlagwort-Archiv: netzkultur

das kühle extrazimmer 17

Ein paar Tage keine Neuigkeiten, eine Panne, die Website kurz vom Netz weg, schon ist es auch das Publikum… weg. Klar? Klar! Naja, keine große Sache, nichts, was irreparabel wäre. Aber es fehlt dadurch eben ein praktisches Bindeglied zwischen einer räumlich verstreuten Community.

Die Publikumsfrequenz ist sofort dahin, wenn nichts läuft

Wo andere Kulturinitiativen fixe Häuser bevorzugen, an die sie ihr Publikum binden, ist „kunst ost“ eine hauslose Initiative. Das bedeutet, wir residieren in einem KOMMUNIKATIONSRAUM. Und dafür ist die Webpräsenz ein wichtiges Fundament.

Ich hab freilich über die Jahre keinen Beleg gefunden, daß die Website ein wichtiger Diskursraum wäre. Direkter Feedback ist die rare Ausnahme. Dazu ein amüsantes Beispiel. Zu einem Zeitpunkt, da hier schon rund 300 Beiträge publiziert waren, erreichte mich folgende Botschaft:

>>hallo krusche, ich bin vielleicht ein pedant, aber, wenn du konsequent die kleinschrift verwenden willst dann solltest du “letzten 20 Jahre” vermeiden. lg bernhard<<

Das bezog sich also auf einen einzelnen Tippfehler in „die erfahrung von weng“ [link] Angesichts einer Inhaltsfülle, die frei zugänglich ist und zur Debatte steht, bloß so eine Petitesse zurückzumelden, das illustriert auf verblüffende Art den Zustand unsere kulturellen Lebens. Da haben wir also noch viel Arbeit vor uns.

Gelegentlich blitzt im Lauf der Dinge ein interessantes Posting auf, viel tut sich auf die Art aber nicht. Am lebhaftesten waren hier bisher Leute, die ich schließlich blockieren mußte, weil sich schnell herausstellte, daß sie Revisionisten sind, die ganz ausdrücklich serbische Kriegsverbrechen in Bosnien-Hercegovina leugnen: [link]

An diesen Leuten war nicht nur erstaunlich, welche Ansichten sie vertraten, sondern auch ihr Versuch, Webspace und Publikum, also im Web etablierte Öffentlichkeit, zu okkupieren, sozusagen bei „kunst ost“ auf mögliche Trittbretter zu springen.

Ansonsten neigen Kunst- und Kulturschaffende überwiegend nicht zu konsequenter Netzpräsenz sowie zu öffentlichen Diskursen ihrer Anliegen und Angelegenheiten. Eines der betrüblichsten Beispiele ist jene Community, die seit etwa Sommer 2011 Zugriff auf das neu gestaltete Grazer „Künstlerhaus“ fordert, sich aber seit Monaten nur über einen weitgehend toten Briefkasten der Öffentlichkeit mitteilt: [link]

Andrerseits kann man bei uns leicht erleben, daß ein Andersdenken gegenüber den vorherrschenden Ansichten einer Community im Web postwendend als undemokratisch gedeutet und entsprechend geahndet wird. Da waren meine jüngsten Erfahrungen in einer Kontroverse mit dem Filmemacher Heinz Trenczak sehr aufschlußreich; der offene und öffentliche Meinungsaustausch gipfelte in der Unterstellung „polizistischen“ Verhaltens und dem Aviso an meinen Herausgeber, er werde mit rechtlichen Schritten zu rechnen haben; siehe „Lizenz zum Zetern“: [link]

Es ist also die Webpräsenz Kulturschaffender bei uns nicht primär das Erschließen eines zusätzlichen Aktionsraumes, in dem Telepräsenz und Telekommunikation unseren realen Handlungsspielraum erweitern würden. Websites werden doch meist nur als „Schaufenster“ und „Ablagesysteme“ genutzt, viele Informationen landen dort im Modus „fire and forget“.

In „Winden und wimmern“ habe ich skizziert, welche kulturpolitische Arbeit in der Steiermark schon geleistet, verschriftlicht und sogar der Behörde übergeben wurde, Arbeit, die ja auch in Dokumenten auf diversen Websites verfügbar ist, während wesentliche Diskurslinien der Gegenwart nicht einmal an die Höher dieser Inhalte herankommen: [link]

Das bedeutet praktisch, diese Arbeitspapiere sind zwar im Web abgelegt, wurden aber in meiner Branche eher nicht rezipiert — „fire and forget“ –, weshalb anscheinend auch viele kulturpolitischen Kontroversen inhaltlich stets bei annähernd Null beginnen dürfen.

Wir sind also in Fragen einer lebhaften Netzkultur, die Medienzugänge auf der Höhe der Zeit nutzen könnte, noch nicht ganz in dem Bereich angelangt, den der kulturpolitische und strukturelle Status quo des Landes nahelegen würde. Daher meine Frage: Machen wir was?

— [netzkultur: der überblick]

das kühle extrazimmer 16

Die medial bedingte Distanz läßt einen Konflikt via Web gelegentlich sehr viel schneller zur massiven Kontroverse hochgehen, als das in realer sozialer Begegnung geschehen würde. Email kann knapp gefaßt und sehr schnell losgeschickt werden. Da kommt manches dann härter rüber, als es jemand ausdrücken würde, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber stünde.

Die medial bedingte Distanz blendet andere Signale aus. Falls etwa jemand einen Kopf größer und merklich wenigstens zehn Kilo schwerer ist als ich, wird mein Verhalten im Dissens-Fall vermutlich anders sein als wenn ich der größere, schwerere Kerl bin. Telepräsenz unterschlägt solche Kriterien.

schimpfworte als virtuelle stecknadeln

Ohne ultimative Sanktionsmöglichkeit können sich Kontroversen via Internet außerdem über Jahre hinziehen. Ich erlebe das am Beispiel eines Amerikaners in Seattle und eines Österreichers in Wien. Keine Ahnung, wann deren Streit begann, es liegt viele Jahre zurück.

Die Post der beiden Streithähne bezieht per cc laufend eine mittelgroße Community ein. Der erste Jänner 2012 war damit dekoriert, daß die zwei Kontrahenten gerade wieder eine Richterin an einem Münchner Gericht bemühen: „Liebe Frau Richterin Cornelia Berger-Ulrich: Der Sippenhaftler Fxxx Kxxx, als Übernazi in Wien notorisch, ist mir mehr als 10 Jahren bekannt!…“

In den frühen Jahren der Webpräsenz waren „flamings“ keineswegs tabu und ich erinnere mich an auslandende „Email-Prügeleien“, die mit Genuß geführt wurden. Heute werden „flames“ in der Regel als die Zumutung empfunden, die sie eben sind. Eine Zeitvergeudung mit der in sich steckenden Gefahr, eine mühsam aufgebaute Online-Community in den Graben zu fahren.

Solche Gefahr kündigt sich in der Regel schon an, wenn
a) in einem Dialog merklich nicht mehr auf Argumente des Gegenübers eingegangen wird, sondern jede Antwort bloß noch als Anlaß dient, die eigenen Ansichten auszubreiten und wenn
b) plötzlich nicht mehr die Argumente einer Person angegriffen wird, sondern die Person selbst Ziel von Angriffen ist.

Sobald sich das breit macht, besteht für Moderatorinnen und Moderatoren Handlungsbedarf, sonst geht die Community den Bach runter. Ich hab in langjähriger Existenz als „Netizen“ schon allerhand Befunde zugeschickt bekommen, die nicht gerade freundlich ausgefallen sind. Darunter gelegentlich sehr irrationale Einschätzungen, die politisch wechselweise weit links UND weit rechts angesiedelt sind.

Derlei Artigkeiten fallen dann recht vollmundig aus und zeigen oft eine typische Abfolge. Zuerst wird der Verstand angefochten, dann die (mutmaßliche) Leiblichkeit herabgewürdigt, schließlich die Sexualität angegriffen; gerne auch mit politischen Zuschreibungen garniert. Einige Beispiele: „amerikageiles oststeirisches kukuruzzenschweinchen, cyberschwuchtel, Literatur-Stalinismus, medienfurzer, stalinistenfatze, stalinistischer neonaziustaschajargon, untersturmbannfuehrer, …“

Ich hab es vor Jahren einmal amüsant gefunden, die markantesten Beschimpfungen zu ordnen und zu publizieren: „PUNCH: eine kleine enzyklopädie der beschimpfungen“ [link]

Das hat zwar durchaus einen Funken Unterhaltungswert, ist aber nicht weiter fruchtbar. Unterm Strich bleibt, daß sich Menschen, die solches Verhalten pflegen, in das Leben anderer Leute hineinschrauben. Will man seine Zeit nicht vergeuden, hilft nur Distanz. Diese Zusammenhänge haben allerdings noch eine ganz andere Dimension. Propaganda, Desinformation, Diskreditierung des Gegenübers, das sind Waffen, die von Nationen angewendet werden, um in Konflikten mit anderen Nationen Vorteile zu gewinnen.

(Quelle: profil)

Das hat mich zuletzt im Jahr 2008 eingehender beschäftigt, als Georgiens Präsident auf Südossetien schießen ließ. In meinem Logbuch zitierte ich damals PR-Fachmann Dietmar Ecker „Nun liefern sich die Gegner mit Hilfe von PR-Agenturen wilde Gefechte um den moralischen Triumph“. [Quelle]

Es gibt also in solchen Fällen nicht nur Kämpfe vor Ort, sondern auch einen Kampf um das eigene Image in der medial generierten Weltöffentlichkeit: „Gleichzeitig versorgte die in Brüssel angesiedelte PR-Agentur aspect communications, die seit November 2007 für die georgische Regierung tätig ist, die Medien im Minutentakt mit praktischerweise gleich auf Englisch verfassten Aussendungen – während die Herren im Kreml vier Tage brauchten, bis sie sich zu einem Interview mit CNN herabließen.“ [Quelle: profil]

Die zwei Ebenen eines Kampfes, „Realraum“ und mediengestützte „Realität“, kommen in folgendem Zitat aus dem genannten Beitrag klar zum Ausdruck: „Am Boden mag Russland gewonnen haben. Im Duell um den moralischen Sieg hat bislang hingegen Georgien die Oberhand behalten. Nicht zuletzt dank der Arbeit von Beratern wie Worms, die zu einem Gutteil darin besteht, die Informationen der jeweils anderen Konfliktpartei als Propaganda zu entlarven.“

Das spielte natürlich auch in den jugoslawischen Kriegen der 1990er-Jahre eine erhebliche Rolle. In diesem Zusammenhang darf wohl das Erscheinen der kuriosen Trittbrettfahrer auf unserer Website gesehen werden. Dieser Zusammenhang erklärt zum Teil, warum da eine Debatte mit mir SIMULIERT wurde, um im Kielwasser dieser Scheinkommunikation Texte zu publizieren, die eines der heikelsten Themen der jüngeren Vergangenheit betreffen, den Bosnien-Krieg mit seinem grausamen Höhepunkt, den Massakern von Srebrenica, die unbestreitbar von einer serbischen Soldateska und Einheiten einer serbischen Sonderpolizei begangen wurden. (Fortsetzung folgt!)

[šok alijansa / notes #2: überblick]
[NETZKULTUR: der überblick]

das kühle extrazimmer 15

Eine Website aufzubauen und im Web ein Publikum zu gewinnen, das ist, wie ich im ersten Beitrag [link] zu dieser Angelegenheit schon erwähnt habe, viel Arbeit. Reden wir also gelegentlich über Trolle, Trittbrettfahrer und „Web-Marodeure“, die sich solcher Arbeit andrere Menschen gerne bemächtigen.

Unsere Online-Präsenzen ermöglichen Maskeraden und Rollenspiele. Das kann reizvoll sein, das kann Projekte belasten, das kann unter Umständen eine ganze Community gegen die Wand knallen lassen. Es lohnt also, solche Geschichten ab und zu näher anzusehen.

Auf unserer Website sind innerhalb weniger Tage drei Personen aufgetaucht, deren Kommunikationsstil in der Kommentarleiste eines Beitrages von mir [link] sehr schnell irritierend wurde. Da war zuerst ein Th. Scöni („Tom-Production“), dann ein Thomas Heil, schließlich eine Safeta Sulic.

"Balkan" bedeutet nicht nur ein komplexes Geflecht der Konflikte unter südslawischen Leuten und ihren Nachbarvölkern, sondern auch, daß halb Europa dort ausdauernd seine Interessen verfolgt und von außen Konflikte hineingetragen hat

Das sind, wie man hier nachlesen kann, Leute, die sich für Einwände taub machen, die ebenso leichtfertig wie sinnwidrig von ZENSUR faseln, wenn man ihr ungebremstes Monologisieren abstellt. Also hab ich die Suchmaschine angeworfen, um zu sehen, wer mir da am Hacken klebt. Aber im Internet findet sich über diese Personen praktisch nichts von Aussagekraft.

Die Frau scheint vereinzelt in Kommentarleisten einiger Zeitungsartikel zum Themenkomplex Srebrenica/Milosevic auf. Allerdings nur mit sehr kurzen, meist nichtssagenden Statements. Die Männer haben auf unsere Website eine Dokumentensammlung in Sachen Srebrenica promotet, welche kein Impressum hat, zu der keine Herausgeberschaft genannt wird. Allerdings handelt sie von einem konkreten Buch („Srebrenica“ von Alexander Dorin) und einem „Kai Homilius Verlag“, der, naja, sagen wir, nicht gerade unumstritten ist.

Der erste Scöni-Eintrag erfolgte am 26. Dezember 2011 um 19:25 Uhr. Am 29. Dezember 2011 belehrte mich Heil um 11:06 Uhr bezüglich der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“, Artikel 19: “Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und …“ [link]

Statt meinen ursprünglichen Beitrag zu kommentieren und mit mir ihre Ansichten auszutauschen, was ja der eigentliche Sinn dieser Kommentarleiste ist, hatten die beiden sich längst auf das „Trittbrett“ geschwungen und ihre Stoffe zu PUBLIZIEREN begonnen.

Wechselseitige Ressentiments unter den „jugoslawischen“ Volksgruppen haben auch innerhalb der einzelnen Ethnien ihre Entsprechungen, die gehabten Kriege sind in teils überraschenden Frontstellungen noch präsent.

Das heißt, sie führten mit mir eine SCHEINDEBATTE als Vorwand, um auf unserer Website und vor dem von uns erarbeiteten Publikum IHRE Texte zu veröffentlichen. Da so ein Vorgehen mit verdeckten Intentionen natürlich mehr als unredlich ist, maskierten die Herren sich mit der Frage der Meinungsfreiheit.

Es ist fast schon rührend, wie Thomas Heil am 30. Dezember 2011 um 12:11 Uhr postete: „Korrektur: ich hoffe natürlich nicht, dass die Zensurkeule hier zuschlägt.“

Halten wir fest:
ZENSUR ist etwas, das von Regierungen, Companies, von entsprechend ausgerüstete Institutionen durchgeführt werden kann, aber nicht von einer einzelnen Privatperson im Internet. So gesehen polemisiert Heil dummdreist und möchte darüber hinwegtäuschen, daß es mir als Repräsentant des Medieninhabers (Verein „kunst ost“) selbstverständlich frei steht, Nervensägen, Dummschwätzer, Trittbrettfahrer etc. des (virtuellen) Hauses zu verweisen.

Im Gegenzug steht es den Heils, Scönis und Sulici dieser Welt vollkommen frei, ihrerseits Websites aufzubauen, sich ein Publikum zu erarbeiten und so ihre Ansichten zu vertreten, in öffentliche Diskurse einzubringen. Fußnote: Zu Fragen der Pressefreiheit und Zensur hat Österreichs Bundesministerium für Unterricht und Kunst Kultur eine anregende Übersicht zusammengestellt: [link]

Ich hab dann am 29. Dezember 2011 um 17:36 Uhr einmal angeregt, vielleicht die Ebene zu wechseln: „ab hier stellt sich nun natürlich unerbittlich die frage, was konkret mit solchem wissen um faktenlagen geschehen soll. wir könnten ja nun diese korrespondenz auf eine reale textlänge von 10 oder 15 metern verlängern, was die qualität einer plauderei unter ein paar leuten kaum überbieten könnte. in welche konkreten schritte kann also derlei wissen nun führen?“

Scöni ging darüber anstandslos hinweg und setzte das Publizieren seiner Texte fort: „Fangen wir also an. Zuerst einmal sollten wir feststellen, wie es überhaupt dazu kam, dass sich die serbische Armee im Juli 1995 dem Stadtrand von Srebrenica näherete. Im Frühjahr…“

Meinen Einwand „ich wiederhole die frage: in welche konkreten schritte kann also derlei wissen nun führen?“ überging er einfach, wie auch sein Kompagnon, der nun schrieb: „Anscheinend haben sich hier einige Leute getroffen, die etwas mit Srebrenica zu tun haben. Und nun gibt es eben einen Austausch zwischen diesen Menschen,…“

Unbestreitbar gab es im Bosnienkrieg auch zivile Opfer einer bosnjakischen Soldateska. Doch das können wir in der Debatte nicht mit den Taten der Einheiten von Ratko Mladic und der "Skorpione" verknüpfen.

Es folgte erneut ein ellenlanger Text im Kommentarfeld. Damit war für mich endgültig klar, die Herren korrespondieren nicht mit mir, die benutzen einfach unsere Website und unser Publikum für sich. Ab dem 30. Dezember 2011 um 17:14 Uhr habe ich zwar noch einige Beiträge der Männer online gelassen, diese aber bis auf die Anfangspassagen gelöscht und mit folgendem Hinweis versehen:

+++++ rest gelöscht. du wirst aufgrund deines kommunikationsverhaltens hier ab nun als persona non grata betrachtet. mein vorschlag: ziehe deine eigene website auf, erarbeite dir ein publikum, ich werde mich auf dort publizierte stoffe gerne beziehen, wenn cih sie interessant finde. martin krusche

Das hat nachts Safeta Sulic dann noch mit dem schon genannten Befund quittiert: „… Diess Herrenmenschengetue ist wirklich völlig abstossend und passt zu keinem aufgeklärten und zivilisierten Menschen. …“ (Fortsetzung folgt!)

[šok alijansa / notes #2: überblick]
[NETZKULTUR: der überblick]

das kühle extrazimmer 14

Neulich hier auf der Website von „kunst ost“:
„Was nun das Verhalten von der krusche betrifft: es unterscheidet sich durch nichts vom Verhalten unserer Massenmedien während des Krieges. Es ist ein Mix aus Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Engstirrnigkeit und völliger Intoleranz.“

Websites und Logbücher sind Angelpunkte der Netzkultur. Nicht die einzigen, denn es gibt auch noch andere Internet-Dienste, mit denen Teleworking und Telepräsenz gut gelingen. Aber die „Bühnen“ im Web, die „Schaufenster zur Welt“, die Informationskanäle und „virtuellen Treffpunkte“, all das, was ich in Summe gerne „mein kühles Extrazimmer“ nenne, hat eine besondere Attraktivität. Siehe dazu auch: „mein kühles extrazimmer“ [link]

Als langjähriger „Netizen“, als „Bewohner der Netze“, begegne ich dabei immer wieder Trollen und Trittbrettfahrern. Das sind grundsätzlich Menschen, die im Web mit verdeckten Intentionen agieren. Daher ist ihr Kommunikationsstil oft etwas irritierend.

"do not feed the troll!" wer trollen antwortet, verlängert nur den verlauf eines fruchtlosen spiels

Die Motive von Trollen muß man vermutlich in Kategorien des Soziologischen und der Psychologie deuten. Das schert mich wenig, weil zu den offensichtlichen Strategien solcher Leute zählt, andere Menschen möglichst ausdauernd zu bewegen, sich mit ihnen zu beschäftigen. (Solche Kamikaze-Konzepte soll es ja auch in realen Alltagsbeziehungen geben.) Eine kleine Skizze zum Thema Trolle: [link] Etwas ausführlicher in Englisch: [link]

Bei Trittbrettfahrern ist es etwas einfacher zu verstehen. Das läuft ungefähr wie beim „Guerilla Marketing“: [link] Da möchte jemand eine Ware oder Botschaft mit möglichst geringem eigenen Aufwand möglichst breit unter die Leute bringen. Das legt nahe, die Systeme und Ressourcen anderer zu nutzen. Der Begriff „Guerilla Marketing“ umfaßt freilich nicht bloß unredliche Strategien, weshalb ich meine Reflexionen hier auf das Genre „Trittbrettfahrer“ einschränke.

Ich erfuhr also gerade über mich: „Diess Herrenmenschengetue ist wirklich völlig abstossend und passt zu keinem aufgeklärten und zivilisierten Menschen.“ Diesen Befund stellte mir Safeta Sulic zu. Eine Begründung ihrer ernsten Vorhaltungen fehlt. Belege dafür fehlen erst recht. Damit will ich sagen: Sulic behauptet das öffentlich, sie begründet und belegt es aber nicht. Details siehe unter: „Fahrten Südost #3“ [link]

eine bühne, ein publikum, ein monolog: die einseitige durchsetzung von reden ist eine machtdemonstration

Dazu vorweg ein paar grundlegende Gedanken. Eine Website ANZULEGEN, das ist heute keine große Sache. Webspace ist billig und das Aufbauen wie Füttern der Website verlangt längst keine HTML-Kenntnisse mehr. Stichwort CMS, also Content Management Systeme: [link] Mit dem Know how, um Emails zu versenden, denen ich gelegentlich Bild- und Textdateien anhänge, kommt heute jede Person aus. Den Rest leistet die Software plus eine Datenbank. („Wordpress“, das wir hier verwenden, ist ein anschauliches Beispiel für leicht handhabbare Systeme dieser Art.)

All das bedeutet auf jeden Fall, wer Ansichten vertritt und Informationen anbietet, die hier oder da im Web zurückgewiesen werden, hat natürlich die Freiheit, sich selbst eine Website einzurichten, Herr oder Herrin im eigenen (virtuellen) Haus zu sein. Klar? Klar! „Gatekeepers“ im alten Sinn haben bei uns wenig Möglichkeiten, weshalb auch ZENESUR in unseren Breiten nur schwer praktiziert werden kann. Würtde HIER eine Information unterdrückt, könnte sie sofort DORT auftauchen…

Aber was unterscheidet nun die neue Mediensituation vom alten Broadcasting? Der Begriff Broadcasting meint eine Kommunikationslage, in der EIN Sender VIELE Empfänger erreicht… keineswegs zufällig eine Domäne des Faschismus, historisch repräsentiert in der „Goebbels-Schnauze“, dem „Volksempfänger“: [link]

Webpräsenz meint dagegen: VIELE Sender und VIELE Empfänger in einer komplexen Kommunikationssituation. Dazu kommt in meinem Verständnis von Netzkultur ein permanentes Wechselspiel der Onlinesituation mit den Ereignissen im „analogen Raum“, denn für mich ist reale soziale Begegnung das „primäre Ereignis“, dem man durch Webstützung Erweiterungen verschafft.

Da tut sich nun ein klares Motiv auf, warum sich Trittbrettfahrer auf Websites wie unseren einfinden. Zeit ist nämlich ein enorm wichtiger Faktor im Aufbau eine Online-Community, eines Publikums im Web. Zeit und Inhalte verlangen Arbeitskraft und Dauer. Das sind Ressourcen, die nicht vom Himmel fallen.

Wenn sich also plötzlich ein Trittbrettfahrer auf meinem Terrain im Web breit macht, dann heißt das vor allem einmal: Er greift ungefragt auf meine Ressourcen zu und stürzt sich auf das Publikum, das ich erarbeitet habe; im konkreten Fall: das wir von „kunst ost“ nun über mehrere Jahre erarbeitet haben.

Er kommt, er nimmt, er hat kein Problem, durch sein Verhalten eventuell auch unsere Community zu beschädigen. Weil das aber ein höchst unredliches Verhalten ist, wird er seine Intentionen maskieren und wird eventuell meine Sanktionen als Herausgeber und als Webmaster dieser Site als anrüchig, sittenwidrig, undemokratisch BEHAUPTEN.

So kommt es dann auch, daß man mir auf unserer Website ausrichtet:
„Was nun das Verhalten von der krusche betrifft: es unterscheidet sich durch nichts vom Verhalten unserer Massenmedien während des Krieges. Es ist ein Mix aus Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Engstirrnigkeit und völliger Intoleranz.“ (Fortsetzung folgt!)

[šok alijansa / notes #2: überblick]
[NETZKULTUR: der überblick]

Fahrten Südost #3

Netzkultur. Das Thema handelt von weit ausladenden Möglichkeiten, der Chance zur Konfusion und von bemerkenswerten Kommunikationsmomenten. Seit das Web weit, gar weltweit ist, seit Webspace fast nichts kostet und der Aufbau von Websites simpel ist, weil sich Laien mit Datenbankgestützten Dateimanagementsystemen behelfen können, sind der MeinungsÄUSSERUNG bei uns sehr geringe Grenzen gesetzt. Die MeinungsBILDUNG bleibt allerdings ein so anspruchsvoller Vorgang wie eh.

Ich erlebe gerade den sehr anschaulichen Fall von einer Art „Guerilla-Marketing“ für spröde Ansichten. In der Sache ließe sich auch das Thema „Troll“ wieder etwas beleuchten. Beides ist für politische Interessierte und für Kulturschaffende interessant, weil sich gerade in unserem Netzkulturbereich, abseits des medialen Mainstream-Betriebes, allfällige Trittbrettfahrerei ganz gut schminken läßt. Das ist ein gleichermaßen amüsantes und bedrückendes Exempel, wie so was gemacht wird.

Ob die Leute, die gerade auf dieser Website gerade in Erscheinung traten, im Sinne der Netzkultur richtige „Trolle“ sind, kann ich aufgrund der Kürze des Ablaufes noch nicht sagen. Aber die zwei Burschen, von denen noch zu erzählen sein wird, würde ich auf jeden Fall als eine Art „Web-Marodeure“ einschätzen. Marodeure sind von „Kampfhandlungen“ beschädigte Leute, die sich in Folge ihrer Schwächung nun nicht mehr gegen den ursprünglich erwählten Feind in Stellung bringen, sondern am Wegesrand auf alles losgehen, was schwächer als sie ist. Oder was sie eben für schwächer halten.

Ich breite also diese Fallgeschichte hier aus, weil es lehrreich sein kann, und wo es nicht lehrreich ist, so wird es gewiß amüsant sein. Ich habe es dabei mit Leuten zu tun bekommen, da erstaunt allein schon, daß es derart verhaltensoriginelle Typen tatsächlich gibt. Nachdem mir in dieser Angelegenheit gerade „Herrenmenschengetue“ nachgesagt wurde, ein sehr ernster Vorwurf, beginne ich bei diesem interessanten Punkt der Geschichte.

Gestern bekam ich auf der Website von „kunst ost“ Nachricht von Safeta Sulic. (Ich bin 38 Jahre alt und wohne in der Schweiz.) Sie schrieb mir: „Demnach wird jeder weitere Besuch hier überflüssig, da sich ein moderner Mensch in zensurierter Umgebung nicht wohl fühlen kann.“

Sie setzte sich also mit mir in Verbindung, um mir mitzuteilen, daß es sich nicht lohne, sich mit mir in Verbindung zu setzen.

Kleiner Einschub: Die ganze Angelegenheit dreht sich um den Ort Srebrenica und um Geschehnisse in dieser Gegend während des letzten Bosnienkrieges, in dem sich serbische, kroatische und bosnjakische Verbände feindlich gegenüber standen. Serbische und kroatische Leute nicht durchgehend, denn die waren einige Zeit auch Alliierte, als Tudjman und Milosevic meinten, sie könnten sich Bosnien und Hercegovina aufteilen. Diese Rechnung hatten sie freilich ohne Bosnjaken gemacht. Also waren sie letztlich wieder Feinde.

Warum schreibt mir also Safeta Sulic. Und warum schreibt sie mir nicht in privater Post? Warum dieses in sich nicht ganz schlüssige Auftreten in der Teilöffentlichkeit unserer Website? Weil sie eine Botschaft hat. Diese Botschaft ist ein wenig für mich bestimmt, vor allem aber für die Welt.

Die Botschaft besagt: „Was nun das Verhalten von der krusche betrifft: es unterscheidet sich durch nichts vom Verhalten unserer Massenmedien während des Krieges. Es ist ein Mix aus Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Engstirrnigkeit und völliger Intoleranz. Das durch die Massenmedien verbreitete Bild wird eisern verteidigt, während allen Gegeninformationen sofort der Garaus gemacht wird. Diess Herrenmenschengetue ist wirklich völlig abstossend und passt zu keinem aufgeklärten und zivilisierten Menschen.“

Weshalb diese Heftigkeit? Dem ging eine (öffentliche) Korrespondenz mit zwei Männern voraus, deren Identität mir momentan noch unklar ist. Das Thema ist in Europa extrem unpopulär. Es geht um die erheblichen zivilen Opfer einer bosnjakischen Soldateska a) im Raum Srebrenica und b) im Bosnienkrieg überhaupt. Das Faktum ist unbestreitbar, seine öffentliche Debatte von Problemen umstellt.

Zurück zu Sulic. Mein „Herrenmenschengetue“ ist natürlich nicht gar so leicht belegbar. Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Engstirnigkeit und völlige Intoleranz. Man könnte glatt annehmen, ich neige zur Vergnügungssucht, denn gemäß diesem Befund hätte ich (fast) nichts ausgelassen, was einen Autor und Kulturschaffenden in einer zeitgemäßen Kultur-Community erledigen würde.

Die Diagnose der Safeta Sulic beruht gewiß auf einer ausführlichen Lektüre meiner Publikationen. Sie beruht außerdem auf der Tatsache, daß ich kürzlich jene zwei genannten Personen, die mir nicht näher bekannt sind, jeweils zur „Persona non grata“ erklärt habe, woraus u.a. folgt, daß sie auf der Website von „kunst ost“ keine Kommentare mehr posten können.

Diese Situation wurzelt in einem Korrespondenzverlauf der Kommentare zu meiner kleinen Reflexion „fahrten südost #2“ [link] Dem war die Notiz „fahrten südost“ [link] vorangegangen, was alles — die Fahrten und die Reflexionen — mit unserer „Šok alijansa“ [link] zusammenhängt.

Es ist also ein anschauliches Beispiel, wie ein ernstes Thema zu einer Kontroverse führt, in der Leute auf einmal nicht mehr meine Argumente angreifen, sondern mich selbst. Dieser kleine, aber bedeutende Unterschied ist der eigentliche Gegenstand meiner jetzigen Ausführungen, weil uns das in der Gesellschaft, in der Politik und im Kulturbetrieb immer wieder unterkommt. Als Auslöser für Konflikte. Argumentiert jemand
+) zur Sache oder
+) zur Person?

Greift jemand die Argumente eines Opponenten an oder den Opponenten selbst? Weiß jemand Vorhaltungen zu begründen? Können diese Gründe belegt werden, etwa mit Zitaten? Auf welche Arten wird das via Web kommuniziert?

Das sind sehr grundlegende Fragen, deren Erörterung im Netzkulturbereich nützlich sein kann…

[šok alijansa / notes #2: überblick]

das kühle extrazimmer 13

Netzkultur handelt unter anderem von den Möglichkeiten, die uns Kommunikationstechniken bieten, wie sie die Menschheit kürzlich noch nicht kannte. Aber gerade WEIL diese Technologien mächtige Werkzeuge sind, brauchen wir dazu kulturelle Kompetenzen, die keineswegs neu sind.

Wieso soll ich mich auf Informationsangebote von Kulturschaffenden einlassen, die den Kommunikationsstil von Klinkenputzern haben? Ich verzichte! Unter all dem Müll, der einem ungefragt zugeworfen wird, sind nicht einmal Nuggets. Gold auf Schutthalden? Nur im Märchen.

Habe ich in den letzten zwei Jahrzehnten je das besondere Stück aus einer Massensendung erhalten, in dem mir etwas Interessantes angedient wurde? Nein, mir ist kein Beispiel erinnerlich. Es mag ja Geschäftsbereiche geben, wo von einer Million rausgefeuerter Werbemails ein halbes Promille der Leute reagiert. Das ist dann schon was. Oder auch nicht.

Im Kulturbereich ist dieser Modus „fire and forget“ der Ausdruck von Wichtigtuerei und Geringschätzung auch der eigenen Arbeit gegenüber. Die meisten kulturellen Angebote setzen ja auf diese oder jene Art auf Kommunikation. Die Version „Ein Sender, viele Empfänger“, das alte „Broadcasting“, übrigens eine grundlegende Zutat des Faschismus, ist weder der gegenwärtigen Mediensituation gerecht, noch kulturellen Themen angemessen.

Ich empfinde es als provokant, als ärgerlich, wenn mir gedankenlose Schussel ihre Nachrichten aufdrängen; ohne jede Rücksicht, ob ich das wissen möchte oder nicht, ohne jedes Augemerk auf eine sinnvolle Kommunikationssituation.

Als Großmeister dieser bornierten Sturheit erweist sich etwa Manfred Kielnhofer mit dem banalen Dauerläufer „Wächter der Zeit“. Den Kerl wird man nicht los, da kann man freundlich oder unfreundlich kommen. So hat eben auch der Kulturbetrieb seine Lugners, Posaunisten der eigene Wichtigkeit, die sich nicht über die Qualität des Werkes erweist, sondern über die „Lautstärke“ der Medienanwendung.

Es gibt aber auch ganz andere Beispiele. Eines davon möchte ich hier zitieren. Ein rares Beispiel. Und obwohl ich festgestellt habe, daß mir dieses Informationsangebot eher nichts für mein laufendes Tun nützt, ist es dann dieser Kommunikationsstil, der mich bewegt hat, mir die Website genauer anzusehen und dem Absender zu schreiben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

da aufgrund der Gesetzeslage in Österreich das versenden von e-mails ohne vorangehende Einwilligung des Empfängers verboten ist, ersuchen wir Sie um eine Bestätigung, um Ihnen weiters Baunews über Bauvorhaben aus Österreich zusenden zu können.

Senden sie einfach dieses Mail über folgenden Link an uns zurück (Anmelden) und Sie werden in unser System aufgenommen. Sollten Sie keine weiteren Informationen wünschen, löschen Sie einfach diese Nachricht und Ihre e-Mailadresse wird nicht in unser System aufgenommen. Sie erhalten keine weiteren Zusendungen mehr.

Es würde uns freuen Sie weiterhin Informieren zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen
Roland Kreslin
(baunachrichten.at)

[NETZKULTUR: der überblick]

das kühle extrazimmer 12

ich wiederhole einen ganzen absatz aus einem vorherigen eintrag, um dann recht ausführlich darzulegen, warum und wie netzkultur eine wirkungsvolle position gegenüber dem boulevard und medien-bezogenen major companies ernöglicht.

„das wohnzimmer mit seiner elektronik-ausstattung als platons höhle? wenn ich netzkultur als ein sinnvolles praxisfeld verstehe, auf dem wir medienzugänge und medienkompetenzen erlangen und praktizieren können, dann heißt das vor allem auch: üben wir meinungsbildung, um eine meinung zu haben. üben wir mediengestützte kommunikation, um eine grundlegende vorstellung zu erlangen, wie diese angebliche ‚informationsgesellschaft’ funktioniert.“ [quelle]

falschmünzerei wurde zu einem grundlegenden handwerk der medienindustrie, die aneignung von bildern, aus denen irreführende selbstdarstllungen werden, sind standard. ich nehme einen kleinen umweg. drei große konzerne dominieren den nahrungsmittelmarkt in österreich. dabei werden produkte aus der industriellen landwirtschaft mit bildern aus der bäuerlichen landwirtschaft berworben, vermarktet. das heißt, der dominante apparat plündert die kultur des marginalisierten bereiches, um mit dessen erscheinungsbildern an jenen verkaufserfolge zu arbeiten, durch welche die bäuerliche landwirtschaft marginalisiert wird. das ist ein ziemlich zynischer prozeß, ein ungeschminkert raubzug.

übertrage ich diese erfahrung auf den medienbereich, passen die bilder natürlich nicht ganz genau. dennoch liegen ein paar anregungen in so einem vergleich. flaches entertainment gibt sich als kulturelles geschehen von relevanz aus und generiert jene breitenwirkung, über die anspruchsvolleres kulturgeschehen marginalisiert und abgewirtschaftet wird. was hat netzkultur dagegen auszurichten?

auch im alltag, etwa im restaurant um die ecke: arbeitsgeräte aus dem leben eines ärmlichen proletariats werden zum wohlfühl-dekor für die besser gestellten enkel und sind inhaltlich ein aufgelegter schwindel

wir haben uns von der werbebranche in wirtschaft, politik und einigen anderen genres daran gewöhnen lassen, daß die systematische täuschung von menschen akzeptabel sein soll, daß ein behaupten ohne belege preiszugeben und ohne einer verifizierung standzuhalten etwas anderes als lügen sein soll. diese mischung aus falschmünzerei und marktschreierei hat kuriose konsequenzen.

irgendwelche einwände? selbstverständlich! viele! aber!

gegenüber dem boulevard und den diversen major companies der medienwelt werde ich mich nicht als guerrilero gebärden, denn diese pose wäre mit einem federstrich erledigt. mit einem hammer in der hand eine festung flach machen zu wollen, das sind eitle träume, welche einen für einige zeit über den mangel an konkretem tun hinwegtrösten können.

andrerseits ist unsere kultur reich an erfahrungen, daß die tyrannis oft eine einzelne stimme fürchtet, daß ein system kursierende gerüchte bekämpft, daß klar vetretene positionen, auch wenn sie bloß ein flüstern auf dem glacis sind, zuweilen in der festung vernommen werden.

um bei der eingangs skizzierten analogie zu bleiben: es ist kategorial zwischen industrieller und bäuerlicher landwirtschaft zu unterscheiden, auch wenn die bilder täuschen. intentionen, methoden und wirkungsweisen sind höchst unterschiedlich. solche unterscheidungen kennen wir natürlich auch im medienbereich, in unserer informationellen umwelt. unsere kultur ist von solchen divergenzen geprägt.

doch um das eine vom anderen unterscheiden zu können, brauchen wir kriterien und neue medienkpompetenzen. vor allem, wo globale player via propaganda mimikry betreiben und in diesem geschäft der verstellung, der maskerade – wie erwähnt – oft jene kulturen plündern, die sie überrennen, an den rand drängen, marginalisieren. in diesen kräftespielen stehen einander also völlig ungleiche parteien gegenüber.

die erwähnten kriterien und medienkpompetenzen werden uns zum zweck einer angemessenen kritikfähigkeit selbstverständlich nicht von diesen major companies angetragen. wir müssen sie also von anderen instanzen einer gesellschaft beziehen. der kulturbereich ist nur eine dieser instanzen. kulturschaffende und die von ihnen geschaffenen initiativen sehen zum teil genau darin einige ihrer wesentlichen aufgaben und ein stück ihrer legitimation: medienkompetenzen und kulturell relevante inhalte zu vermitteln. das ist ein wichtiger inhaltlicher schwerpunkt, seit sich in österreich eine „netzkultur-szene“ herausgebildet hat.

netzkultur, das war für mich auch immer ein konsequenter diskurs über das, was wir da tun: robert adrian x (links) und peter karoshi in meinem "ncc-set" im "dom im berg" (2003)

dieser szenebegriff ist freilich ein sehr offener, der für ein vexierbild steht. aber im schnittpunkt mehrerer deutungen finden wir ein konglomerat von autonomen kulturinitiativen, print-leuten, radio-leuten und (kultur-) server-crews, begleitet von einzelnen kunstschaffenden oder kleinen gruppen davon. (siehe dazu auch: [ncc]!)

aus den frühen jahren der theorie und praxis dieser szene stand in österreich das prinzip, für „public access“ zu sorgen. das meinte in zeiten vergleichsweise hoher zugangskosten, für den kulturbereich möglichst fette, preiswerte übertraguntsraten einzufordern. es stand ein „austrian cultural backbone“ zur debatte. es gehörte dazu, für die nutzung dieser technologie kompetenzen der handhabung UND bezüglich inhaltlicher fragen zu bieten.

aus der zeitungs-szene waren diskurse um fragen der meinungsbildung längst eingeführt, war ein augenmerk auf inhaltliche kompetenzen und kommunikationsvermögen präsent. vom fall des rundfunkmonopols und der preis- wie performanceentwicklung im web-bereich versprachen wir uns neue möglichkeiten, die demokratischen anliegen bezüglich kritischer öffentlichkeit nun besser voranzubringen. ganz so ist es dann nicht gekommen. dennoch hat sich einiges ändern lassen. vor allem sind etliche unserer kulturpolitischen anliegen heute auch in gesetze eingegangen.

so korrespondiert beispielsweise, was ich unter dem stichwort „public access“ angedeutet habe, mit einem gesetzesauftrag, den man aus dem aktuellen steirischen kultuförderungsgesetz herauslesen kann. der paragraph 1 nennt im absatz (4) als „insbesondere folgende Ziele“ der kulturförderung unter anderem „eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit“.

das ist auffallend NICHT das geschäft der meisten medienkonzerne. ich nenne stellvertretend das genre tv. fernsehsender fluten unseren alltag mit bildern, die vorgeben, unsere realität abzubilden, was definitiv nicht der fall ist. dabei entsteht eine normative kraft, durch die unsere realität gezwungen wird, sich an diesen bildern messen zu lassen, sich ihnen sogar anzugleichen. das surrogat erhebt sich über das original. das ganze ist außerdem ein enormes business. wohin das zielt, hat berlusconi unmißverständlich klar gemacht.

in der debatte mit philosoph erwin fiala (rechts)

also was tun, wenn sich der boulevard in solchem vorgehen weder bremsen noch aushebeln läßt? ein erster schritt kann sein, sich klar zu machen, daß „die öffentlichkeit“ und „der öffentliche diskurs“ nur phantasmen sind. beides gibt es nicht. es gibt statt dessen ein stückwerk an mehr oder weniger qualifizierten teilöffentlichkeiten. was wir als öffentlichkeit oder öffentlichen diskurs wahrnehmen, ist tatsächlich nicht mehr als ein chor sehr unterschiedlicher stimmen.

allerdings bemühen sich major companies auffallend, diesen chor zu homogenisieren. bezüglich der nazi-ära waren derlei bemühungen mit dem begriff „gleichschaltung“ bedacht. ich meine, der begriff taugt heute noch, um zu benennen, was hier versucht wird. das phantasma von „der öffentlichkeit“ verdeckt den stückwerk-charakter von realer öffentlichkeit.

hat man das einmal verstanden, mag einem deutlich werden, daß sich auch kleine chöre und einzelne stimmen in diesen chor, in dieses stückwerk mischen können. war das noch vor jahrzehnten stark davon abhängig, wer dank welcher türhüter welche medienzugänge hat, so hat die aktuelle mediensituation den gatekeepers sehr viel an bedeutung genommen.

die „neuen medien“ haben – nur weil sie da sind – noch keine „neue demokratie“ eingeführt, aber sie haben die mediensituation prinzipiell enorm verändert. das „broadcasting“ war eine methode des faschismus: „ein sender/viele empfänger“. durch die edv-gestützte medienkonvergenz plus die faktische situation „viele sender/viele empfänger“ ist broadcasting keineswegs suspendiert, aber die karten wurden neu gemischt.

was wir also brauchen, sind medienpraxis, medienkompetenz, aber auch einige „alte qualitäten“, also basics der meinungsbildung und des diskurses.

mit diesen fertigkeiten und dem willen, eine zeitgemäße zivilgesellschaft zu formieren, die sich an bewährten bürgerrechten orientiert und deren praktische umsetzung laufend probt wie praktiziert, können sich einzelne in den vorhin erwähnten chor einbringen, können gruppierungen in diesem zusammenhang längerfristig erhebliche wirkung entfalten.

ich werde mich in solchen prozessen selbstverständlich nicht an einrichtungen messen, mit denen ich in keiner weise vergleichbar bin. das heißt, mein tun im medienbereich und im bereich der netzkultur braucht sich nicht an der enormen wirkung großer companies messen lassen. es genügt, wenn ich in meinem unmittelbaren lebensraum mediale wirkung entfalte und dem DAUER verleihe.

meine praktische erfahrung besagt, daß ich innerhalb eines bezirkes, einer einzelnen stadt sowieso, eine mediale situation zu generieren vermag, die etwa von ortshonoratioren und von der regionalpolitik nicht ignoriert werden kann. wenn ich das schaffe und wenn da noch, 20, 50, 100 andere wären, die das in ihrem umfeld auf ähnlich art pflegen, wäre die situation einer zivilgesellschaftlichen öffentlichkeit schon eine völlig andere als unser jetziger status quo.

ich denke, dafür muß die sache mit der meinungsbildung sehr ernst genommen werden. also sachkenntnis und kommunizierbare positionen, bei gleichzeitigem verzicht auf die phrasendrescherei, wie sie der boulevard pflegt, wie wir sie auch aus der politik kennen. es gibt keinen grund, sich des jargons zu bedienen, der von kommerziellen medien forciert wird, weil man den menschen angeblich mehr komplexität nicht zumuten könne.

die marktlage mag es den firmen ja aufzwingen, daß man im brutalen wettkampf mit anderen die aufmerksamkeit von massen an sich reißt und für einige minuten bei sich halten kann. marktschreierei und komplexitätsreduktion bis zur nach unten ausgebeulten flachheit müssen wir von solchen anbietern weder übernehmen, noch müssen wir mit diesem getöse konkurrieren.

wir können all die nischen besetzen, die von solchem lärm verschont oder abgeschottet sind. vielleicht muß man manchmal sehr leise werden, um gehört zu werden.

[NETZKULTUR: der überblick]

das kühle extrazimmer 10

im vorigen eintrag [link] notierte ich: „ich hab es lieber, wenn die website einigermaßen authentisch abbildet, was wir im ‚real-raum‘ sind und tun. nicht größer, nicht kleiner …“ meine gründe dafür sind politischer art. bei der frage, was denn das sei, „das politische“, hänge ich an der vorstellung, daß leibliche anwesenheit im öffentlich raum ein unverzichtbares fundament „des politischen“ sei. deshalb ist das für mich ein vorrangiges kriterium. (von medial aufgeblähten „realitäten“ halte ich gar nichts.)

es geht um reale soziale begegnung im physischen/analogen raum; da wiederum nicht bloß in privaten, sondern auch in öffentlichen räumen. ich sehe viele von uns kunstschaffenden in einer bewußt gesuchten tradition, die von bürgerlichen salons und von hitzigen debatten an öffentlichen plätzen handelt. wo das nicht so ausdrücklich sichtbar wird, bleibt davon wenigstens ein fragmentchen: der anspruch, öffentlich wahrgenommen zu werden, also ein interessiertes publikum vorzufinden.

mirjana peitlr-selakov, kunsthistorikerin und dipl. ing. der elektrotechnik

bei manchen leuten, mit denen ich in österreich zu tun hatte, ist eigentlich nur dieses fragmentchen, dieser eine anspruch geblieben. ich habe andrerseits seit etlichen jahren mit leuten aus südost-europa zu tun, vor allem aus ländern, die vormals miteinander jugoslawien gewesen sind. da sehen die gewichtungen teilweise ganz anders aus.

am vorabend einer weiteren reise nach serbien habe ich einen text von mirjana peitler-selakov durchgesehen, der einige punkte enthält, die mir hier zum thema passen. vorweg diese passage: „Von einem Künstler, einer Künstlerin, wird heute erwartet, sich in globalen Zusammenhängen erfolgreich durchzusetzen und gleichzeitig lokale und spezifisch ästhetische wie politische Anliegen verstehbar zu machen.“ ein brisanter zusammenhang …

in einem späteren abschnitt schreibt peitler-selakov: „Die klassische Konzeption von Kunstschaffenden im Westen als ‚öffentliche Intellektuelle‘, als Figuren der Aufklärung in einer bürgerlichen Öffentlichkeit, hat definitiv an Aktualität verloren und ist noch von rein historischer Relevanz. Parallel dazu verschwindet auch die Vorstellung von einer bürgerlichen Öffentlichkeit als einem Raum, der von rational-kritisch ausgestatteten Subjekten betreten werden soll. Es gibt ‚die Öffentlichkeit‘ nicht mehr, sondern entweder überhaupt keine Öffentlichkeit oder eine Reihe verschiedener fragmentierter, spezifischen Öffentlichkeiten.“

das rührt an die frage: WER spricht zu WEM mit welcher REICHWEITE? und zwar von welchem ORT aus in welches FELD hinein? darin liegt ferner die frage verborgen: wer erhebt seine stimme nicht? wer wird nicht gehört? dazu paßt die kritische anmerkung: „Parallel wurden klassische bürgerliche Repräsentationsräume durch Märkte ersetzt oder in Konsum- und Unterhaltungsräume umgewandelt.“

entertainment, infotainment und tittytainment als ersatz für den austausch von argumenten? das wohnzimmer mit seiner elektronik-ausstattung als platons höhle? wenn ich netzkultur als ein sinnvolles praxisfeld verstehe, auf dem wir medienzugänge und medienkompetenzen erlangen und praktizieren können, dann heißt das vor allem auch: üben wir meinungsbildung, um eine meinung zu haben. üben wir mediengestützte kommunikation, um eine grundlegende vorstellung zu erlangen, wie diese angebliche „informationsgesellschaft“ funktioniert.

meine eigene erfahrung besagt: das ist heute in vielen bereichen leichter möglich, niedrigschwelliger angeordnet, als noch vor jahrzehnten. ich stand seinerzeit an einer offset-presse, um büchlein zu drucken. digitalprint-anlagen machen das heute einfacher. radiomachen war einst von sehr teuren, nur von experten bedienbaren equipments abhängig. die filmwelt hatte auch sehr hohe zugangsschwellen. das internet gab es noch gar nicht.

die meisten dieser bereiche kann ich heute mit einem preiswerten laptop und etwas peripherie bewältigen. maschinen, die mir selbst zu teuer wären, kann ich zumindest gegen erträgliche gebühren mit meinem zeug ansteuern. wir haben es also einerseits schwerer, weil mainstream-betriebe die medienwelt völlig verändert haben und permanent auf dominanz aus sind. wir haben es aber auch leichter, weil türhüter uns viele zugänge nicht mehr verstellen können.

[NETZKULTUR: der überblick]

das kühle extrazimmer 9

diese website besteht und funktioniert nicht für sich allein. sie befindet sich (im zentrum unserer aktivitäten) mit einigen anderen websites im wechselspiel. es gibt gewissermaßen „innere kreise“ von ein- und ausgehenden links und “querverbindungen“. das zeigt dann auch einen bescheidenen effekt auf die platzierung der website in suchmaschinen.

ein beispiel dafür ist unsere präsenz auf „facebook“: [link] die hat den nutzen, daß ein netzwerk von menschen laufend „programmhinweise“ darüber erhält, was auf der „kunst ost“-website gerade neu zu finden ist.

über welche KANÄLE erreicht uns WAS? und werden wir gehört, wenn wir ANTWORTEN? (medienkünstler niki passath vor dem "andy warhol robot" von nam june paik)

das könnte man jetzt natürlich weiter treiben, auf twitter, myspace etc. ebenfalls „filialen“ aufmachen und so um ein größeres publikum rennen; für den versuch, dieses zur „stamm-website“ zu lotsen. wenn wir etwas zu bieten hätten, was sich vor allem im web entfaltet, wären solche expansions-schritte naheliegend. wir sind aber primär und ganz bewußt im „real-raum“ einer konkreten region (oststeiermark) anwesend, aktiv, engagiert.

„kunst ost“ ist vor allem ein regionales kulturprojekt, freilich mit all den querverbindungen in die welt, wie sie uns grade attraktiv erscheinen. also gibt es keinen grund, einen großen teil unserer arbeitskraft-ressourcen darauf zu verwenden, daß wir im web als „riesen“ erscheinen und einen breiten schatten etwa bis nach japan werfen.

die nötigen anstrengungen für eine adäquate netz-präsenz müssen nach dem bemessen werden, was wir im „real-raum“ tun. unseren aktivitäten im „web-raum“ haben diesen vorhaben zuzuarbeiten. (das ist freilich weit mehr, als hier im moment auffallen mag. aber dazu später.)

ich hab nun hoffentlich deutlich machen können: es gibt allerhand optimierungs-techniken und mögliche aktionen, um die publikumszahl nach oben zu hauen. aber in meinem metier ist publikums-maximierung kein INHALT, sondern ein … na, vielleicht: STRUKTURDETAIL.

ich habe vorerst immer noch die qualität von kommunikation im fokus, die quantität ist domäne einer benachbarten branche. dennoch behalte ich unsere besuchsstatistik im auge. es ist ein wenig so, wie wenn man nach dem wetter ausschau hält, wolkenformationen zu deuten versucht.

um bei dieser wetter-metapher zu bleiben, das wolkenbild ist ja nur EIN parameter, durch den ich eindrücke gewinne. haben wir wind und falls ja, woher kommt er? wie schmeckt die luft, wie warm oder kalt ist sie? haben wir es eher feucht oder trocken? knistert etwas? gehen die dinge richtung anspannung oder richtung ruhe?

die website von „kunst ost“ soll natürlich ein als unser „schaufenster“ fungieren. der aspekt „visitenkarte“ gehört dazu. die website möge auch ein rummelplatz oder tummelplatz sein. primär ist sie ein informationskanal, der grundsätzlich mehrweg-kommunikation zuläßt.

damit bin ich schon einmal sehr zufrieden. deshalb liegt mir auch nichts daran, hier zehntausende menschen ansprechen zu können. das wäre eine harte tendenz richtung „broadcasting“, also richtung der anordnung „ein sender/viele empfänger“; das alte prinzip der „goebbels-schnauze“, ein element des faschismus.

ich hab es lieber, wenn die website einigermaßen authentisch abbildet, was wir im „real-raum“ sind und tun. nicht größer, nicht kleiner …

[NETZKULTUR: der überblick]

22.01.2011: Roboterträume

„konferenz in permanenz“
Medienkünstler und Robotiker Niki Passath führt uns
am Samstag, dem 22.01.2011, ab 15:00 Uhr
durch die Ausstellung „Roboterträume“
im Kuntshaus Graz

Niki Passath geboren 1977, studierte an der Schule für Musik und Darstellende Kunst (Graz), danach Architektur in Graz und Montpellier und Digitalen Kunst an der Angewandten in Wien.

niki passath erforscht künstlerische möglichkeiten mit aktuellen technologien

Er ist Träger verschiedener Preise, unter anderem des Theodor Körner Preises für seine Arbeit „Architecture mules“, welche 3D Software bzw. generative Designmöglichkeiten der Verzerrung in den realen Raum übersetzt. Er ist ausgewiesener Robotikspezialist und beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit den skulpturalen Bedingungen robotischer und künstlich intelligenter Entwicklungen.

+) Passath im MKL-Blog
+) Passath im Web: niki.xarch.at
+) Die Ausstellung