Es dürfte schon deutlich geworden sein, daß sich hier etwas zusammenbraut, was genau dem entspricht, das ich seit Jahrzehnten bevorzuge: kollektive Wissens- und Kulturarbeit als ein prozeßhaftes Vorgehen.

Es dürfte schon deutlich geworden sein, daß sich hier etwas zusammenbraut, was genau dem entspricht, das ich seit Jahrzehnten bevorzuge: kollektive Wissens- und Kulturarbeit als ein prozeßhaftes Vorgehen.
Wir, die ich das Kunstvölkchen nenne, leben und arbeiten in einem Möglichkeitsraum, der deshalb besteht, weil ich eine Community sich anhaltend um ein geistigen Leben von Relevanz bemüht und darüber austauscht.
Mitte der 1960er Jahre hat Richard Buckminster Fuller in einer Publikation beschrieben, was er unter Synergie versteht. Diese Dokumente beruhen auf dem siebten Kongress der International Union of Architects in London, im Juli 1961. Die Publikationen zur „World Design Science Decade“ sind hier als PDF-Dateien frei verfügbar: [link]
Ich darf den „Kulturpakt Gleisdorf“ als etabliert ansehen. Von der Konzeption in die Praxis, das war ein Teil der Arbeit im Jahr 2013. Politik und Verwaltung haben diese Verfahrensweise aufgegriffen und entwickeln das gerade im eigenen Modus weiter, um 2014 die Praxisphase ausweiten zu können.
Damit bin ich aus der Geschichte nicht draußen, sondern weiter Teil des Entwicklungs-Teams, aber meine Rolle wird eine andere, konkret auch eine geringere gegenüber vorher.
Am Beginn des 20. Jahrhunderts war es bei etlichen Leuten der Russischen Avantgarde selbstverständlich, daß sie sich nicht nur als Kunstschaffende, sondern auch als Forschende verstehen. Kasimir Malewitsch ist eines der exponiertesten Beispiel für diese Haltung. Der Einfluß der der Russischen Avantgarde auf die westliche Kunst des vorigen Jahrhunderts kann gar nicht überschätzt werden.
Das frühe zwanzigste Jahrhundert war von einer enormen Welle wissenschaftlicher Erkenntnisse und technologischer Innovationen geprägt. Diese Phänomene fanden ein markantes Echo unter den Kunstschaffenden. Das hat sich über die folgenden Jahrzehnte vertieft und ausdifferenziert.
Ich bin vor einigen Jahren von Medienkünstlerin Victoria Vesna auf eine exponierten Bezugspunkt in dieser Sache gebracht worden. Sie selbst ist ein starkes Beispiel dafür, wie in der Kunst Fragen und Verfahrensweisen der Wissenschaft aufgegriffen werden, wie aber auch umgekehrt Strategien der Kunst im Wissenschaftlichen Resonanz finden.
Sie erzählte mir von Richard Buckminster Fuller, der schon in den 1930er-Jahren überzeugt gewesen sei: „Je fortgeschrittener Wissenschaft ist, desto näher kommt sie der Kunst. Je fortgeschrittener Kunst ist, desto näher kommt sie der Wissenschaft.“ [Quelle] Zu Buckminster Fuller siehe: [link]
Kontakt und Wechselwirkung von Wissenschaft und Kunst haben also eine erhebliche Vorgeschichte. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich auch eine auffällige Entwicklung, in der nicht mehr „das schöne Bild“ oder „das wohlgefällige Werk“ im Blickfeld steht, sondern das Bearbeiten von Frage- und Aufgabenstellungen. Prozesse statt Werke als Artefakte, das nahm in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enorm zu.
In diesem Zusammenhang ist es auch zu verstehen, daß etwa kunst ost über die ausdrückliche Einrichtung eines „Labors“ solche Optionen berührt hat: [link] Heute ist dieser Prozeß bei uns schon in einer nächsten Phase. Das führte uns etwa zur Themenstellung „Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft“: [link]
Das führt uns auch zu jenem von Mirjana Peitler-Selakov entworfenen „Tech_Lab“, an das wir mit dem kommenden FrauenMonat [link] von kunst ost ein Stück näher rücken werden. In Summe bedeutet das etwa, wir bemühen uns, auf der Höhe der Zeit zu klären, wie diese drei Genres — Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft – fruchtbar interagieren und in der Folge kooperieren können.
Das soll uns zweierlei bieten. Erstens ein lebhaftes und anregendes Betätigungsfeld, auf dem Menschen mit höchst unterschiedlichen Kompetenzen einen interessanten Möglichkeitsraum vorfinden. Zweitens eine Arbeitsansatz, in dem sich neue Optionen abzeichnen, wie die drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft kooperieren können.
Meine vorigen Notizen zur dritten Session von KWW endeten mit dem Zugehen auf eine Frage. Ich schrieb, es gehe auch darum, verbindlich herauszufinden: „Wonach hungert unsere Region?“ Diese Frage, von Hans Meister formuliert, stand am Ende des Abends im hause der estyria. An seinem Beginn hatte Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov zu einer anderen Frage hingeführt: „Wie finden wir, aus all den verschiedenen Lebensbereichen kommend, zu einer neuen Konzeption der Ethik?“
Ausgangspunkt dazu war ihre Schilderung, wie wir im Arbeitsansatz Close to Nature künstlerische Zugänge entwerfen, die sich neben den ästhetischen Aufgaben auch solchen Aufgaben widmen. Peitler-Selakov: „Wir leben mit einem Verlust der natürlichen Umwelt als Erfahrungsraum.“ Dieser Erfahrungsraum sei den meisten von uns verloren gegangen.
Unsere Projektarbeit bündelt dabei nun fünf Optionen: Körperlichkeit, Fühlen, Denken, Wahrnehmen und Handeln. Wir thematisieren hier auch die angemessene Balance zwischen Eigennutz und Gemeinwohl. Peitler-Selakov fragte nach der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Worin sich Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in dieser Angelegenheit treffen können?
Sind gemeinsame Fragestellungen dingfest gemacht, werden gemeinsame Aufgabenstellungen greifbar. Das ist eine unserer Grundideen. Wo wir die fünf Optionen bündeln möchten, die Körperlichkeit, das Fühlen, das Denken, die Wahrnehmen und das Handeln, haben wir jede Möglichkeit, das in unterschiedlicher Intensität einzusetzen.
Peitler-Selakov: „Alle diese Elemente ansprechen, getrennt, zusammen, in Etappen. So daß der Mensch durch diese Erfahrungen, durch denken und wahrnehmen, letztlich auch zum Handeln kommt. Das ist unsere zentrale Idee.“
Hier wird betont, was wir schon in der zweiten KWW-Session hervorgehoben haben, daß wir auch im Zugang zur Kunst mehr Anregungen zur Partizipation schaffen möchten, damit der Fokus nicht so stark auf dem Bereich der Konsumation bleibt. Konsumation oder Partizipation, das ist eine der brisanten Fragen im laufenden Geschehen.
Praktisch geht es um kein ODER, es geht um das UND mit dem daraus folgenden Verhältnis beider Möglichkeiten zueinander: Konsumation und Partizipation.
Es gibt zu diesem Themenschwerpunkt eine kleine Vorgeschichte. Mirjana Peitler-Selakov war einige Zeit leitende Kuratorin eines Medienkunstlabors im Grazer Kunsthaus. Im Jahr 2008 ist es ihr gelungen, die amerikanische Medienkünstlerin Victoria Vesna ins Haus zu holen. In den Debatten, die wir führten, verwies Vesna auf Richard Buckminster Fuller, von dem die Ansicht stammt, Integrität werde die Ästhetik des 21. Jahrhunderts sein.
Ich habe bei Vesna damals noch nachgefragt, ob das so gemeint sei, wie es bei mir angekommen ist. Vesna bestätigte: „The great aesthetic which will inaugurate the twenty-first century will be the utterly invisible quality of intellectual integrity;…” Das vollständige Zitat in meinem Logbuch: [link]
Darin liegt übrigens auch ein Hinweis darauf, daß es quer durch das 20. Jahrhundert Ereignislinien gibt, auf denen Kunstschaffende — ganz ähnlich wie in der Grundlagenforschung — konsequent an relevanten Themen arbeiten.
Daß sich Künstler als Forschen verstehen, hat übrigens seine Wurzeln mindestens in der russischen Avantgarde zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Es geht dabei also nicht um die Selbstinszenierung als Boheme, um ein „antibürgerliches Gehampel“, das sich im Tragen auffälliger Hütchen und lautem Gehabe erschöpft.
Hier zeigt ein Metier seine Möglichkeiten, wobei die Kunst einen der Angelpunkte ergibt, in dem sich menschliche Gemeinschaft bewegt.
Unsere Realität fällt nicht vom Himmel, sie ist auch nicht von selbst auf der Erde gewachsen. Realität ist das stets neue Ergebnis komplexer kultureller Prozesse, also Menschenwerk.
Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft sind generell in sehr unterschiedlichen Milieus zuhause. Aber das ganze 20. Jahrhundert wurde enorm davon geprägt, daß sich inspirierte Leute aus diesen Metiers mit einander verständigt haben.
In einer Begegnung mit der amerikanischen Medienkünstlerin Victoria Vesna [link] kamen wir auf eine interessante Ansicht des Architekten Richard Buckminster Fuller (1895 bis 1983, link): „Je entwickelter die Kunst ist, desto mehr ist sie Wissenschaft. Je entwickelter die Wissenschaft ist, desto mehr ist sie Kunst“. [Quelle]
Vesna befaßte sich auch mit der fesselnden Überlegung, daß Integrität die Ästhetik des kommenden Jahrhunderts sei. Ein kleiner Hinweis darauf, daß es für viele Kunstschaffende der Gegenwart ganz selbstverständlich ist, sich mit dem Zustand dieser Gesellschaft zu befassen.
Wo wir uns mit Leuten aus der Wirtschaft sowie mit Funktionstragenden aus Politik und Verwaltung verständigen, geht es ferner um Fragen, für welche Art (regionaler) Lebenspraxis sich ein Bündeln unser aller Kompetenzen eignen würde.
Das sind aktuell einige unserer Fragestellungen, mit denen wir zum Thema „Vision 2050“ in der Region eine praktikable Situation entwerfen wollen, in der sich versierte Leute aus verschiedenen Metiers zum wechselseitigen Nutzen treffen können.
Das läßt sich erfahrungsgemäß weder einfach so dahinbehaupten, noch verordnen. Es ist seinerseits auf Prozesse und auf gelingende Kommunikation angewiesen, also auf Zeit. Deshalb haben wir auch die Arbeitslinie „KWW“ als Work in Progress angelegt. Wir zentralisieren diese Möglichkeit nicht, wir wandern mit den einzelnen Stationen von Ort zu Ort.
Zeit und Prozeßhaftigkeit. Das ist aus einem weiteren Grund wichtig. Jedes Milieu entwickelt seine eigenen Codes, seinen Jargon. Diese Arten von Zeichensystemen können natürlich benutzt werden, um Menschen auszuschließen. Wer die betreffenden Codes nicht kennt, gehört nicht dazu und versteht bestenfalls die Hälfte dessen, was „drinnen“ geredet wird.
Umgekehrt brauchen wir Zeit für Verständigung und für allenfalls nötige Übersetzungsarbeit, wenn wir verschiedene Felder einander öffnen wollen, wenn wir Ansätze zur Kooperation suchen. „KWW“ verstehen wir als Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft im Wechselspiel der Möglichkeiten.