unser abend am 20. oktober 2011 in der gleisdorfer galerie „einraum“ wird sehr verschiedenen aspekten gewidmet sein: [link] dazu eine kleine vorgeschichte.
als in „treci beograd“ die session mit den „kollektiven aktionen“ aus moskau eröffnet wurde (eine weitere station der „virtuosen der täuschung“), sage ein künstler zu mir: „konzeptkunst interessiert mich überhaupt nicht. ich bin maler.“
er ist ein maler, der zum beispiel monate an einem ölbild arbeitet, schicht um schicht, der also ausdauernd in zeit und in material verwoben ist, bis so ein werk entstanden ist.
das ist selbstverständlich eine radikal andere verfahrensweise, als eine kunstform, die primär über denken und über text entsteht, um sich dann in aktionen einzulösen und über dokumentar-material evidenz zu erlangen. (siehe dazu auch: „beuys verstand das denken als „quellpunkt aller kreativität“. [link]) es wäre freilich töricht, eines dieser genres gegen das andere auszuspielen.
wenn wir nun im rahmen der „talking communities“ einen schritt der reflexion über solche abläufe setzen, führt das unausweichlich auf mehrere ebenen. für die einen ist künstlerische praxis im herkömmlichen sinn vorrangig, sie fühlen sich dabei nicht auf diskurse angewiesen. für andere ist die debatte über kunst und deren bedingungen ein zentrales feld ihres künstlerischen tuns.
sergej letov ("kollektive aktionen") bei der vernissage: "ich bin kein künstler, ich bin musiker."
zusätzlich fallen noch kulturpolitische fragestellungen an, wo wir allenfalls der auffassung sind, daß kunstgeschehen nicht nur am markt orientiert sein dürfe, daß es deshalb wünschswert erschiene, die öffentliche hand möchte den kunstbetrieb unterstützten, mitfinanzieren.
so oder so, im kern geht es freilich um unsere wahrnehmung und unsere möglichkeiten, aus eingespielten konventionen des sehens und denkens immer wieder auszusteigen, sich quasi selbt zu „entfremden“, um so für neue erfahrungen empfänglich zu werden.
dem sind die abende der „talking communities“ gewidmet; stark gesprächsbezogen, auf die debatte offener fragen gerichtet.
+) eine anregung zu diesem abend von sabine hänsgen: [link]
+) einige offene fragen: [link]
+) the track: archive [link]
diese jüngste reise nach beograd ist von einer irritierenden erfahrung geprägt. zwei leute eines künstlerkollektivs machen ihr privates erbe zum ausgangspunkt eines kraftvollen statements gegenüber der kommune und der gesellschaft. einiges geld, ein grundstück, die kompetenzen eines architekten und zahllose handgriffe schufen das haus von „treci beograd“, wie es nun am ufer der donau steht; nahe der pancevo-brücke.
das geschah in tagen, wo alle maßgeblichen museen in beograd geschlossen sind, andere kulturelle einrichtungen, wie etwa „remont“, ihre räume aufgegeben haben. eine gruppe kunstschaffender nimmt sich das mandat, die gegenwartskunst nicht nur persönlich zu vertreten, sondern dieser aufgabe auch eine feste struktur zu geben.
das haus von „treci beograd“ an der donau
man blickt von diesem ufer aus auf die ränder der alten stadt. lastkähne werden auf dem breiten fluß bewegt. einige gehminuten entfernt schafft eine schwimmende fördernalage kies aus der donau, der oben verarbeitet und per lkw abtransportiert wird.
ursprünglich standen hier bloß hütten als unterstände für fischer. aus den massiven krisen eine postkriegs-gesellschaft hat also die gegenwartskunst in beograd ein neues ufer erreicht. ich hänge da auch emotional tief drinnen. heute werden wir die vernissage einer weiteren station der „virtuosen der täuschung“ erleben. die „kollektiven aktionen“ aus moskau setzen einen weiteren akzent in dieser unserer geschichte des ringens um neue positionen.
neue positionen als kunstschaffende in einer gesellschaft, die nun ein halbes jahrhundert absolviert hat, das eingen teilen europas einen davor nie gekannten wohlstand gebracht hat, der ganzen welt eine mediensituation, deren konsequenzen wir noch gar nicht ermessen können.
in der zeit unmittelbar nach dem zweiten weltkrieg hat der österreichische philosoph günther anders, angeregt durch seine erfahrungen in der amerikanischen gesellschaft, eine medienkritik formuliert, die im kern besagte, wir würden systeme schaffen, deren dimension und komlexität unsere auffassungsgabe übersteige.
die zweite hälfte des 20. jahrhunderts ist eine ära, in welcher die tv-entwicklung und der tv-konsum unsere gesellschaft verändert haben. im letzten jahrzehnt dieses jahrhunderts, anfang der 1990er-jahre, wurde österreich an das tcp/ip angebunden, das internet-protokoll, über welches zahlreiche edv-gestützte netze zu einem weltumfassenden internet zusammengefaßt wurden.
der serbische künstler selman trtovac
am mittwoch, dem 12. oktober 2011, saß ich mit selman trtovac beim kaffee im „dunavski pirat“. er hatte die deprimierende nachricht gebracht, daß sergej romashko in sehr schlechter gesundheitlicher verfassung sei, deshalb sein kommen absagen mußte. wir sprachen über einige positionen von joseph beuys (siehe dazu:was ist kunst? #20!), mit dessen arbeit sich selman aus seiner zeit in düsseldorf sehr vertraut fühlt. (trtovac war dort schüler von klaus rinke, was eine sehr persönliche verbindung zur arbeit von beuys bedeutet.)
wir debattierten einige aspekte unserer arbeit, notwendigkeiten, bedingungen, optionen. welche art boden ist zu gewinnen? was verlangt es von uns? was bringen wir dafür auf und was tragen wir bei? das 20. jahrhundert liegt nun schon ein gutes jahrzehnt hinter uns. auf selmans weg in diese gegenwart hat sich auch ein brutaler krieg ereignet, der noch einmal alles durchspielte, was europa in fragen der nationalismen und ethnischen konfliktpotenziale an falschen wegen aufzubieten hatte. ich betone hier ausdrücklich: europa, nicht der balkan. in diesem teil der geschichte hängen wir alle drinnen.
worin mir selman zustimmte: der einsame held, der sich in das rad der geschichte wirft, um den lauf der welt zu ändern, ist ein rollenmodell, das sich erledigt hat. dieser typ ist ein wasserträger der tyrannis. wir haben an anderen optionen zu arbeiten.
aber wozu sind kollektive in der lage und was kann kollektive krativität leisten? liegen darin auch emanzipatorische möglichkeiten? denn ist ja unübersehbar, daß demokratische gewaltentrennung im staat sehr durchlässig geworden ist. in österreich gibt es außerdem beklemmende beispiele, wie sich spitzenpolitik der wirtschaft und manchen medien angedient hat.
das leben und die kunst. die kunst und der markt.
wie soll sich all das zu einander verhalten?
ich habe im vorigen beitrag behauptet, es würde in meiner näheren umgebung gerade auffallend „beuyseln“. darum noch einige sätze zu diesem thema. das westliche kunstgeschehen hat von marcel duchamp, andy warhol, john cage und joseph beuys im 20. jahrhundert außergewöhnlich starke impulse bezogen.
duchamp hat praktische alle damals bekannten regeln des kunstbetriebes aufgemischt, verworfen. spätestens ab da ist eine irritierende parallelität verschiedener stile und konzepte etwas ganz selbstverständliches. bei beuys angekommen scheint dann auch klar zu sein, daß es im leben kunstschaffender nicht nur um die eigene person und das eigene werk gehen kann.
beuys nutzt, wie andere kunstschaffende auch, seine kompetenzen für eine betrachtung, analyse und kritik bestehender gesellschaftssyseme, poltischer verhältnisse und wirtschaftsformen. er geht dann aber sehr viel weiter und setzt eben diese kompetenzen ein, um — gemeinsam mit anderen — neue ökonomische und gesellschaftliche modi zu entwickeln, die auf dem anspruch begründet sind, sich in der praxis zu bewähren. in diesem zusammenhang besteht die vorstellung eines „erweiterten kunstbegriffs“, der also offensichtlich kein ästhetisches konzept ist, sondern ein politisches.
Joseph-Beuys-Poster für die von dem New Yorker Galeristen Ronald Feldman organisierte US-Vortragstournee Energy Plan for the Western Man von 1974. (GNU license)
wenn joseph beuys proklamiert hat, jeder mensch sei ein künstler, hat er von PORTENZIALEN gesprochen. schöpferische gaben und die möglichkeit des gestaltens von lebenssituationen, von gesellschaftlichen verhältnissen. er sagte dabei ausdrücklich, es gehe nicht darum, daß jeder mensch ein bildhauer, maler oder sänger werde, sondern IN SEINEM FELD schöpferisch und gestaltend tätig werde.
beuys hat seinen erweiterten kunstbegriff auf eine gesamtgesellschaftliche situation und ihre institutionen gemünzt. die soziale skulptur oder plastik, er verwendete beide begriffe, sei eine „neue kunstdisziplin“. was er da entwickelt hat, war AUCH eine kritik am „reduzierten modernen kunstbetrieb“, den er seiner erfahrung nach ähnlich einschränkend empfand wie den wissenschaftsbetrieb.
ich halte es aus solchen gründen für problematisch, wenn schlampig gelesener beuys als konzeptuelle basis für schlampige künstlerische praxis herhalten muß, wenn also künstlerische klitterung, die keiner ausführlicheren debatte standhalten würde, mit beuys’schen kategorien gerechtfertigt würde.
gerade wo beuys seinen „erweiterten kunstbegriff“ erläutert hat, betonte er oftmals, daß es schwierig sei, weil das von einem grundlegenden umdenken und von einem umdeuten vieler begriffe handle. er sagte ausdrücklich, es sei überhaupt nicht möglich, diese dinge bei erstem hören oder erstem lesen zu verstehen. dazu forderte er, man müsse die von ihm und seinen leuten eingeführten begriffe ernst nehmen und ihren gebrauch „üben“, was einlassung und längerfristige befassung verlangt.
beuys deutete seinen erweiterten kunstbegriff anthropologisch, also jeden menschen betreffend. das bezog er, wie erwähnt, auf potenziale, auf menschliche möglichkeiten. daraus leitete er nicht ab, daß die nutzung dieser potenziale zu einer künstlerexistenz, zu einer künstlerischen profession führen müsse. wenn er beispielsweise hervorhob, sein erweiterter kunstbegriff sei identisch mit einem erweiterten ökonomiebegriff, wird deutlich, daß er hier keineswegs ein bestimmtes künstlerisches genre meinte, sondern eine gesamtgesellschaftliche situation.
die kritik, um die es ihm offenbar ging, kennen wir ähnlich, seit kant seinen aufsatz zur frage was „aufklärung“ sei publiziert hat. dort hieß es, aufklärung ist der ausgang aus selbstverschuldeter unmündigkeit. diese unmündigkeit definierte kant so, daß jemand nicht bereit sei, sich seines verstandes ohne anleitung anderer zu bedienen.
beuys verstand das denken als „quellpunkt aller kreativität“. nach seiner überzeugung haben herrschende systeme, wie sie gerade existieren, das selbstständige denken der menschen systematisch verschüttet. medienpraxis, unterhaltungsgeschäft, informationspolitik, all das würde belegen, daß es herrschaftssysteme am liebsten mit schafen zu tun hätten.
dieser text, die folge #20, entstand in beograd, während wir mit einem team der „kollektiven aktionen“ aus moskau bei „treci beograd“ eine weitere station der „virtuosen der täuschung“ erlebten. dabei ging es auch sehr wesentlich um eine künstlerische praxis, die sich nicht primär dem markt verpflichtet, sondern grundlegendere ziele verfolgt. (von links: sergej letov, anica vucetic, mirjana peitler-selakov, selman trtovac und sabine hänsgen)
wenn ich mich also mit jemandem über das thema „erweiterter kunstbegriff“ und „soziale plastik“ unterhalte, führe ich volkommen andere gespräche, als wenn ich mich mit einer kollegin, einem kollegen über meine oder ihre künstlerische praxis unterhalte.
aber! ich habe kein näheres einvernehmen mit kolleginnen und kollegen, die sich NUR für ihre künstlerische praxis interessieren und dabei die befassung mit dem größeren ganzen, mit den gesamtgesellschaftlichen zusammenhängen, ausschlagen. solche leute interesseiren mich nicht. sie müßten schon zu einem bemerkenswerten werk fähig sein, damit mich ihre arbeit fesseln könnte. doch sie selbst langweilen mich, wie mich bohemiens langweilen und noch mehr bohemiens, die sich für rebellen halten.
solche spaßvögel geistern ja in unserem metier immer noch häufig herum. stößt man auf ein geistreiches exemplar, ist etwas kurzweil gesichert. doch diese großspurigen bajazzos im kleinformat, denen man schon allein aufgrund ihres outfits anmerken möchte: „hier kömmt ein künstler!“, schaffen meist nicht einmal drei gerade sätze zum thema kunst.
wir haben aber über kunst zu reden, über ihre aufgabenstellungen, strategien, auch darüber, was heute das geistige bestehen von kunstschaffenden in dieser gesellschaft bedingt und welche rahmenbedingungen das kunstschaffen verlangt, darüber hinaus: welche positionen wir gegenüber den eingeführten institutionen einzunehmen gedenken und welche felder wir besetzen möchten, sie als das terrain unserer praxis und existenz beanspruchen müssen.
sich mit kunst zu befassen bedeutet immer auch, sich selbst zu erkunden und zugleich das eigene verhältnis zur welt zu überprüfen. ich will zwar nicht ausschließen, daß es möglich wäre, ganz in sich UND in die kunst versunken zu sein, ohne sich auf ein weiteres bezugssystem einzulassen, aber ich kann mir so einen zustand nicht vorstellen.
meine jahrzehnte der befassung mit kunst UND ungezählte begegnungne mit kunstschaffenden haben mir ein codesystem vertraut gemacht, wie man eine fremde sprache lernt. meine wahrnehmung und mein verständnis der dinge sind davon verändert worden. deshalb frage ich nie „was ist kunst?“, sondern in manchen augenblicken bestenfalls „wann ist kunst?“ das sind immer momente der meta-ebene, denn mitten im erfahren von kunst-momenten stellt sich so eine frage nicht.
mirjana peitler-selakov (links) und sabine hänsgen
da ich gerade das thema beuys angeschnitten hab, manchmal geschieht etwas scheinbar banales, ganz nebenher, um sich in irgend einem winkel der wahrnehmung festzusetzen und sehr viel später mehr platz zu beanspruchen. das kann etwa so kommen:
„ja, ja, ja, ja, ja. nee, nee, nee, nee, nee“… das hatte ich zum ersten mal überhaupt gehört, als ich im herbst 2010 mit kuratorin mirjana peitler-selakov und sabine hänsgen von den „kollektiven aktionen“ durch gleisdorf spazierte. sabine hatte mich gefragt, ob ich das kenne und es noch einige male halblaut vor sich hingesagt.
es entstammt einer arbeit von joseph beuys, die hier kurz beschrieben ist: [link] nun habe ich im web dazu ein tondokument gefunden: [mp3-datei] diese arbeit hat etwas von einem koan. eine rationale klärung, wozu das gut sei, kann ruhig entfallen. was sich ereignen soll, ereignet sich, indem man sich darauf einläßt.
das "ubu web"
diese miniatur ist teil einer erstaunlichen sammlung von sound-files als teil des „Ubu-Web“, nämlich „UbuWeb: Sound“: [link] hier finden sich die stimmen so vieler, die im kunstgeschehen des 20. jahrhunderts bedeutung haben. es ist einerseits sehr interessant, deren stimmen zu hören, andrerseits ist diese sammlung inhaltlich eine massive anregung.
im „Ubu-Web“ sind auch filme, videos und texte verfügbar, hier sammelt eine ehrenamtlich tätige community relevantes material, in dessen fülle man sich länger verlieren kann.
es ist ein kurioser zufall. gestern kam mit der post die dokumentation „erfolgreich markieren“ von IEFS kiesling & stolberg: [link] das bezieht sich auf ein projekt aus dem jahr 2010, welches hier in der region stattgefunden hat. ursula kiesling und maki stolberg hatten mit „subtile transfers“ eine arbeit im öffentlichen raum realisiert: [link]
die dokumentation zum projekt von 2010
die abschließende präsentation fand als „ein intermezzo im kultursalon von kunst ost“ statt. und zwar in der galerie „einraum“ in gleisdorf: [link] das waren gerade die tage, als die „kollektiven aktionen“ [link] aus moskau bei uns zu gast gewesen sind. der „einraum“ fungierte in diesem zusammenhang als lokale ralais-station.
und so ist es gerade wieder, denn seit heute gehört uns der „einraum“ abermals für ein weilchen als eben solche relais-station; und zwar erneut genau im zusammenhang mit den kollektiven aktionen. diesmal geht es um „the track: archive“ (to recover some context): [link]
ursula kiesling (links) und maki stolberg
diese station ist wieder den „kollektiven aktionen“ gewidmet, die in rund zwei wochen eine serbische station realisieren werden; zu gast bei „treci beograd“: [link] anläßlich dieses ereignisses gibt es unseren gleisdorfer bezugspunkt der geschichte, welcher der reflexion gewidmet ist.
am donnerstag, dem 20. oktober, werden wir im „einraum“ ab 19:00 uhr den „salon“ abhalten: [link]
Kommen, um Werke zu sehen? Selbstverständlich. Eine Vernissage als soziales Ereignis? Nett, aber nicht zwingend notwendig. Ich bevorzuge die Salon-Situation. Das enthält natürlich einen ironischen Querverweis auf den bürgerlichen Salon vergangener Zeiten. (Dafür waren Menschen meiner Herkunft freilich nicht vorgesehen.) Wir werden aber jenseits des Landeszentrums keine urbanen Konzepte aus vergangenen Jahrhunderten reproduzieren.
Salon, das heißt für mich: Diskurs. Debatte. Nicht als Teil eines Stolzierens, sondern als Ausdruck von Wißbegier in der Begegnung mit anregenden Menschen. Das ist eigentlich mein Hauptgrund, mich für Kunstveranstaltungen zu engagieren. Ich brauche ein lebendiges geistiges Klima, um zu existieren. Das läßt sich sehr gut zwischen solchen Ereignissen entfalten. Ohne derlei Veranstaltungen diffusiert es zu sehr, wenn das Jahr lang ist.
von links: sergei letov, sergei romashko, sabine hänsgen und mirjana peitler-selakov
Sie verstehen meine Intention? Repräsentationsakte haben Funktionen, die ich verstehe, denen ich aber nicht die höchste Priorität einräume. Es ist die Befassung mit Kunst, durch die mein Leben wesentlich an Tragfähigkeit gewinnt. Also nicht die Kunst selbst, sondern, wie erwähnt, die Befassung mit Kunst. (Ist der Unterschied klar?)
In dieser Befassung mit Kunst habe ich stille Zeiten ohne die Anwesenheit anderer Menschen. Aber ebenso die lebhaften Momente der Erörterung, Auseinandersetzung, vor allem auch des Zuhörens. Als vor fast genau einem Jahr die Crew der „Kollektiven Aktionen“ auf meiner Strecke erschien, habe ich besondere Augenblicke der Konzentration solcher Möglichkeiten erlebt. Es waren vor allem Sabine Hänsgen und Sergei Romashko, deren Denkweisen und Überlegungen mich auf Monate beschäftigt haben.
Was in jenen Tagen zur Sprache kam, hat gewissermaßen Ausläufer bis in die Gegenwart. Dieses Prozeßhafte, das sich auf die Vorleistungen anderer stützt, um einen selbst im besten Fall zu neuen Positionen zu führen, ist für mich ein zentrales Ereignis künstlerischer Praxis.
Das bedeutet auch, nichts interessiert mich weniger, als der einsame Held, der sich in das Rad der Geschichte werfen möchte, um den Lauf der Welt zu beeinflussen. Dagegen elektrisiert mich das hohe Spannungspotenzial kollektiver Kreativität.
selman trtovac ("treci beograd")
Nun verzweigt sich das gerade weiter. Wie viele Begegnungen hatte ich mit Selman Trtovac von der Formation „Treci Beograd“? Ich denke, es waren gerade einmal zwei. Und ich ahne, wir werden auf Jahre zu tun haben. Das sind Optionen, denen ich anhängen mag.
wir haben als kunstschaffende die freiheit, a) auf dem freien markt zu reüssieren und/oder b) in weitgehende abhängigkeit der öffentlichen hand zu gelangen. das hat so seine schlüssigkeit, weil es im kunstbetrieb seit jahrhunderten nie anders war.
spätestens seit malewitsch wissen wir, daß es für eine künstlerexistenz vorteilhaft wäre, wohlhabend zu sein. eigentlich war schon mit flaubert klar, daß eine gut situierte familie einigermaßen hilfreich sein kann, falls sie geneigt ist, unsereinen durchzufüttern beziehungsweise mit einem stattlichen erbe zu versehen.
kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov und techniker horst fickel
zwischenzeitlich gab es feuchte träume von einem dasein als bohemien, dessen existenz von der bourgeoisie als derart hinreißend empfunden wird, daß sie von besitzenden mit gutem geld ausgestattet wird. aber solche bilder sind mumpitz.
und überhaupt: es ist doch lächerlich, sich in völlig veralteten bildern zu inszenieren. das 21. jahrhundert ist ja nicht mehr ganz jung, es sollten uns also andere rollenbilder gelingen, sollten zeitgemäße vorstellungen des berufs als künstlerin, als künstler kursieren.
auf der höhe der zeit verfolgen wir also auch noch andere optionen, statt bloß davon zu träumen, eine internationale „marktgröße“ zu sein, beziehungsweise staatliche vollversorgung anzustreben.
künstler gerhard flekatsch
das bedeutet in meinem fall, ich meide den kunstmarkt, also verdiene ich mir mein brot in kunstNAHEN bereichen. eine vergleichbare, wenn auch etwas andere position nimmt künstler gerhard flekatsch ein, der dem engeren kreis unserer „kulturspange“ angehört.
mirjana peitler-selakov, kuratorin von „kunst ost“, repräsentiert eine weitere rolle in solchen zusammenhängen. dabei ist es kein zufall, daß wir nun eine nächste session mit dem techniker horst fickel absolviert haben.
ein angelpunkt dieser entwicklung: wo ich die ergebnisse meiner künstlerischen praxis nicht auf den markt tragen möchte, mir aber mein brot verdienen muß, habe ich KOMPETENZEN, die ich u.a. aus künstlerischer praxis erwerbe. und DIE kann/will ich sehr wohl auf den markt tragen.
darin liegt also die unterscheidung: als künstler bleibe ich autonom und fühle mich nicht marktabhängig. als kompetenter mitbürger kann ich im gemeinwesen mein geld verdienen. das ermöglicht mir auch gegenüber politik und verwaltung eine andere position als alte konzepte es zuließen.
in solchem zusammenhang entstehen projekte, bei denen wir die kooperation mit kommunen und diversen unternehmen suchen. hier ist es wiederum nicht ein simples „verkaufsschema“, auf das wir abzielen. ausgangspunkt bleibt folgende überlegung: welche fragen und welche aufgabenstellungen zum status quo teilen wir mit den aktuerinnen und akteuren der anderen metiers?
erst die positive beantwortung dieser frage(n) führt zu einem gemeinsamen projekt. das ist in unserem fall an einer konkreten region orientiert, der oststeiermark. dafür haben wir schon vor einer weile folgenden themenbogen festgelegt:
„zwischen landwirtschaft und high tech“
im entwickeln von projekten ist nun der KUNST sozusagen grundsätzliche „parteienstellung“ eingeräumt. das bedeutet, wir setzen zwar überwiegend nicht bei kunstprojekten an, sondern bei vorhaben, die aktuelle fragestellungen zum leben in der region betreffen. dabei werden aber kunstschaffende als eine von mehreren „deutungseliten“ in die bearbeitung einbezogen.
das heißt, künstlerische strategien und verfahrensweisen werden teil der arbeitsprozesse, kunstwerke KÖNNEN, aber müssen nicht zwingend zu beiträgen der projekte geraten. kunstschaffende haben demnach die freiheit, dabei entweder bloß ihre kompetenzen, oder aber auch ihre künstlerischen werke in die waagschalen der vorhaben zu werfen.
das zielt in summe auf KOOPERATION, wo die unterschiedlichen strategien der beteiligten nicht hierarchisch angeordnet werden. dieser zugang, auf aktuelle fragestellungen der gesellschaft gemünzt, erweist sich offenbar als sehr tragfähig. daraus wntwickeln wir nun unsere aktuellen themen- und projektschwerpunkte.
eine crew der "kollektiven aktionen" auf unserer strecke südlich von gleisdorf
post scriptum:
in all dem ist die gegenwartskunst keineswegs bloß randposition. mehrmals im jahr setzen wir besondere akzente. das tun wir momenten in kooperation mit der gruppe „treci beograd“ bei der umsetzung einer station mit den „kollektiven aktionen“ aus moskau. der ereignisbogen seit vorigem herbst zieht sich nun von gleisdorf über venedig nach belgrad, mit veruweigung nach gleisdorf; siehe: „the track: archive“!
post post scriptum:
der bereich der agrarischen welt haben wir gemeinsam mit tierarzt karl bauer in arbeit: [link]
ich denke, hier ist inzwischen schon deutlich geworden, daß die fragen nach der kunst keinen sinn ergeben, wenn jemand das thema mit einigen wenigen sätzen erledigt haben möchte. wer zu kurzen antworten auf komplexe fragen neigt, wird sich andere themen suchen müssen.
vielleicht waren wir alle über zu viele generationen hauptsächlich untertanen, um uns einem der zentralen themen des kunstgeschehens vergnügt zuzuwenden: definitionshoheit. wer darf sagen was es ist? wie lange darf die debatte dauern? wer redet dabei mit? was ist mit jenen, die nicht gehört werden?
eine kleine galerie in tirana (albanien) als bescheidenes beispiel für den teil eines organisierten und strukturierten „kulturellen gedächtnisses“
eine der kuriosesten fragen ergibt sich für mich von der regionalen gesellschaftlichen praxis her: warum drängen sich so auffallend viele leute um die flagge der kunst, wo das leben der kunstschaffenden in diesem land so unübersehbar von sozialer marginalisierung geprägt ist? hier mangelndes sozialprestige der kunstschaffenden, da zugang zu defintionsmacht, was für eine merkwürdige mischung!
ich habe im vorigen beitrag [link] boris groys und deine theorie einer kulturökonomie erwähnt. groys beschreibt ein geschehen, das sein wechselspiel zwischen „profanem raum“ und „kulturellen archiven“ entfaltet. gemäß dieser theorie lassen sich kunstGEGENSTÄNDE (nicht die kunst!) als etwas verstehen, was im profanen raum entsteht, durch aufkommendes interesse und bedeutungszuweisung „valorisiert“ wird, also eine WERTsteigerung erfährt, wodurch es geeignet ist, vom profanen raum in die archive der kultur zu wechseln, weil es als erhaltenswert betrachtet wird.
seit vielen jahrzehnten werden in der gegenwartskunst nicht nur artefakte, gegenstände, als kunstwerke verstanden, sondern auch prozesse sowie verschiedene mischformen. deren „ortswechsel“ aus trivialen positionen richtung kultureller archive ereignet sich also auch nicht von selbst oder selbstverständlich, so ungefähr nach der etwas naiven vorstellung: „das gute setzt sich von selbst durch“. das sind stets prozesse, in denen verhandelt wird. darum gibt es diesen westlichen kunstbetrieb auch nicht ohne theoretische diskurse, ohne kunsttheorie.
die "kulurellen archive" verlangen einen erheblichen einsatz an mitteln. im krieg ist ihre zerstörung durch gegnerische armeen obligat. hier der wiederaufbau eines kulturhauses im albanischen teil von mitrovica (kosovo), mit blick auf den serbischen teil
da stoßen wir also hart auf das oben erwähnte thema definitionshoheit. die theoretischen diskurse über kunst, kunstwerke und über deren wert werden nicht nur, aber hauptsächlich vom personal verschiedener „deutungseliten“ vorgenommen. kunstgeschichte, feuilleton und andere sparten der kunstkritik, politik… und vor allem die kunstschaffenden selbst als jene, die sagen was es ist; oder demonstrativ darüber schweigen.
die antworten auf diese frage „was ist kunst?“ hängen demnach von sehr vielen faktoren ab, vom lauf der zeit und vom stand der dinge, von den jeweiligen positionen der sprechenden, vom verhältnis zwischen marktwert und kulturwert einzelner kunstwerke etc.
die groys’sche theorie handelt unter anderem von der simplen tatsache, daß kunstwerke ihren anerkannten kulturwert auch wieder verlieren können, um in der folge aus den archiven der kultur richtung profanem raum abgeschoben zu werden. das wird nicht gerade der nike von samothrake widerfahren, auchdem feldhasen von dürer droht das kaum. (der verschwindet dafür von selbst, weil unter luft und tageslicht jene partikel aus dem papier verschwinden, welche dürer mit geübter hand aufgebracht hat, um, diesen feldhasen erstehen zu lassen.)
wir kennen aus dem alltag auch die „zwischensituation“. denken sie an die „sixtinische madonna“ von raffael. dieses bedeutende renaissance-gemälde zeigt am unteren bildrand zwei putti, deren popularität jener von pop-stars gleichkommt. deshalb wurde das duo millionenfach auf kitsch-produkte, nippes, heimtextilien, auf jeden nur denkbaren kram übertragen. selbst als wandschmuck kommen diese engelchen daher, als gerahmte flachware. das heißt, nicht etwa als reproduktion des vollständigen bilds raffaels, sondern bloß als kleiner ausschnitt, den geschäftsleute quasi aus dem gemälde rausgeschnitten haben.
das abwerten von "valorisierten kulturgütern": ich schneide mir ein stück aus einem meisterwerk heraus und schmeiß den rest weg
wenn sie kurz im beitrag #12 nachschauen, könnte ihnen auffallen, daß auf einem foto sergei romashko von den „kollektiven aktionen“ mit dem daumen der linken hand auf ein bild hinter seinem rücken zeigt. da hängt kurioserweise eine reproduktion der „madonna sistina“ OHNE die zwei populären putti.
die eine wie die andere version degradiert das werk raffaels zum dekorationsgegenstand. ein unbedeutenderes werk als dieses wäre dadurch wohl zur gänze „re-profanisiert“ und aus den archiven der kultur ausgeschieden worden. nun ahnen sie gewiß, welche knifflige balance kunstschaffende gelegentlich anstreben. sie müssen erreichen, daß ein werk „valorisiert“, also im wert über profane alltagsgegenstände erhoben wird.
es muß allerhand zustimmung erreicht werden, damit so ein werk schließlich in den archiven der kultur aufnahme findet. dabei sollte es aber nicht gar so leicht die zustimmung eines massenpublikums erleben, weil das zwar den marktwert einer arbeit steigern kann, aber ihren kulturwert gefährdet, durch… genau! profanisierung.
solche profanisierung fördert das risiko, letztlich aus den archiven der kultur abgeschrieben, abgeschoben, ausgeladen zu werden. und wer bestimmt nun über all das? viele! es sind laufende diskurse, es sind debatten an allen ecken und enden des kulturbetriebs, die das bewirken.
groys nennt das „hierarchiestiftende wertunterscheidung“. selbstverständlich steht jede hierarchie zur debatte und ist der kritik auszusetzen. aber am organisierten und strukturierten „kulturellen gedächtnis“ (stichwort „kanon“!) läßt sich nicht ohne weiteres rütteln.
das materialisierte kulturelle gedächtnis, wie wir es etwa in bibliotheken, museen und galerien sehen, ist allerdings leichter zu gefährden. geht einer nation das geld aus, werden grade solche einrichtungen vorzugsweise heruntergefahren, geschlossen. marschieren feindliche armeen ein, werden sie meist geplündert und angezündet.
gelegentlich steht mir jemand mit folgender haltung gegenüber: „ja, können sie mir jetzt sagen, was kunst ist oder nicht?“ es scheint manchmal menschen ein beruhigendes gefühl zu verschaffen, wenn sie keine kurze wie bündige antwort erhalten. („aha, er weiß es nicht!“)
bei unseren „talking communties„ erlebte ich sogar die kuriosität, daß eine ausgewiesene kunsthistorikerin behauptete, man könne eigentlich nicht so genau sagen, was kunst sei. kurz und bündig läßt es sich freilich nicht klären. auf die art könnten sie nicht einmal klären, was zum beispiel eine zange sei. oder erklären sie mir einmal, was „sozialpartnerschaft“ ist; immerhin sind wir in der „zweiten republik“ entlang dieses politischen konzeptes aufgewachsen.
selbstverständlich können wir in der frage nach kunst sehr viel klären. das verlangt aber interesse und zeit. wer die welt in drei sätzen erläutert haben möchte, findet auf dem boulverad reichlich zuspruch. hier geht es aber etwas zeitraubender zu.
ich hab nun einige monate keine konzentration für dieses thema gefunden, der eintrag #11 stammt aus dem vergangenen februar. in jenem eintrag sieht man bilder von der eröffnung einer ausstellung des serbischen künstlers nikola dzafo.
dzafo arrangiert dzafo in der "schock-galerie", links flaniert schon mrdjan bajic (foto: art klinika)
in meinem privaten logbuch tauchte dzafo kürzlich auf: [link] er ist gerade dabei, mein set „nobody wants to be nobody“ in der „schock-galerie“ (novi sad) neu zu ordnen: [link] das hat übrigens seinen bezug auf eine unserer früheren stationen in gleisdorf, als wir nämlich 2007 das erste mal mit dem festival „steirischer herbst“ kooperiert haben: [link]
merken sie etwas? dieser text bündelt eine reihe von vorkommnissen, die in der zeit angeordnet sind und zu einander in beziehung stehen. es geht — aus gutem grund — damit noch ein stück weiter, das DOKUMENTIEREN spielt dabei eine wichtige rolle.
der erwähnte eintrag in meinem logbuch handelt unter anderem vom theoretiker boris groys. der ist heuer kurator des russichen beitrags zur biennale in venedig und entschied sich für die „kollektiven aktionen“: „Empty Zones: Andrei Monastyrski and the ‘Collective Actions’ Group (Nikita Alexeev, Elena Elagina, Georgy Kizevalter, Igor Makarevich, Andrei Monastyrski, Nikolai Panitkov, Sergei Romashko, Sabine Hänsgen)“ [link]
romashko und hänsgen waren (gemeinsam mit sergei letov) letzten herbst auf unserer strecke. mit „the track: virtuosen der täuschung“ [link] hatten wir eine der bedeutendsten konzeptkunst-formationen des 20. jahrhunderts in der oststeiermark.
von links: mirjana peitler-selakov, sergei romashko und sabine hänsgen im "gemälde-zimmer" des gleisdorfer "red baron"
für uns war es ein vergnügliches wie anregendes erlebnis, mit so erfahrenen leuten einige zeit zu verbingen. in der gegenwartskunst rußlands spielen ARCHIVE eine bedeutende rolle. außerdem waren die tage mit dieser crew höchst lehrreich; nie zuvor habe ich kunstschaffende erlebt, die es in ihrer arbeit mit jedem detail, bis hin zum einzelnen wort, so genau nehmen.
im gesamten werk der „kollektiven aktionen“ sind die aspekte des archivs und der dokumentation sehr wesentliche bestandteile dessen, wie sich diese konzeptkunst-formation über viele jahrzehnte manifestiert hat.
ich habe nun schon boris groys erwähnt, dessen theorie einer „kulturökonomie“ von den komplementär angeordneten zuständen des „profanen raumes“ und der „kulturellen archive“ handelt.
groys geht davon aus, daß kulturen grundsätzlich hierarchisch aufgebaut sind, genauer: „werthierarchisch“. wir bestimmen permanent, was es wert sei erhalten zu werden und was uns insoferne als banal umgibt, daß wir es zwar haben, benutzen etc., dem aber keine besondere bedeutung beimessen, die uns diese dinge als erhaltenswert erscheinen ließe.
kunst ereignet sich unter anderem genau dort, wo wir dingen eine bedeutung zuschreiben, die sie aus dem „profanen raum“ in die „archive der kultur“ verschiebt. groys‘ theorie finde ich deshalb so anziehend, weil sie überdies das dynamische solcher prozesse betont.
schafft es ein werk zu einem publikum und in die archive? bleibt es es fremden blicken verborgen? ist kunst an veröffentlichung gebunden? (franz sattler und emil gruber bei unserer station in albersdorf.)
was einmal mit der ausstattung zum erinnern geweiht wurde, also in bibliotheken, museen oder anderen archiv-varianten verwahrt wird, kann nämlich auch wieder profanisiert werden, also aus den archiven der kultur in den profanen raum zurückfallen.
umgekehrt kann zum beispiel triviale massenware im lauf der zeit qualitäten zugeschrieben bekommen, die sie in die archive wuchtet, also mit ganz neuer bedeutung auflädt.
ich habe eingangs vor allem einmal begonnen, ein wenig geschichtchen zu erzählen. die „kollektiven aktionen“ aus moskau, nikola dzafo aus petrovaradin, der „steirische herbst“ in der oststeiermark, die prozesse und momente, wie sie hier auch in unseren online-dokumentationen auftauchen. ideen, themen, prozesse, artefakte und dokumentationen. unsere künstlerische praxis ist auf eine sehr kompexe ereignis-kette angewiesen. ist es nur kunst, wenn all das auch „kanonisiert“ und in die geschichtsschreibung eingetragen wird?
nein, es ist nicht eigentlich eine veranstaltung von „kunst ost“. aber ja, es hat einiges mit „kunst ost“ zu tun. das intermezzo „subtile transfers“ von IEFS [Kiesling & Stolberg] ist der schritt einer dokumentation jenes prozesses, den ursula kiesling und maki stolberg im öffentlichen raum der oststeiermark realisiert haben.
ursula kiesling (links) & maki stolberg
wir haben uns bei der eröffnung von „the track: virtuosen der täuschung“ („steirischer herbst“) in gleisdorf darüber besprochen, daß diese präsentation im „einraum“ stattfinden werde. die kleine galerie in der innenstadt gleisdorfs (barbara lukas) ist momentan „kultursalon“ von „kunst ost“.
der „kultursalon“ ist weniger ein fixer raum, mehr eine kommunikationssituation, so auch gewissermaßen ein möglichkeitsraum. dort, im „einraum“, im aktuellen „kultursalon“, führt momentan die themenlinie von den „kollektiven aktionen“ aus moskau (andrej monastyrskij & co.) über „protok“ (banja luka, bosnien & hercegovina) zu einem moment in racak (kosovo).
in diesem zusammenhang haben nun also [Kiesling & Stolberg] ein intermezzo realisiert, einen einschub. dabei ergab sich übrigens ein bemerkenswertes gespräch mit dem kunsthistoriker werner fenz und dem landvermesser gerhard skrapits, den ich bisher nur als fotograf gekannt habe.
gerhard skrapits (links) und werner fenz
das führte zu einigen fragen im zusammenhang der themen öffentlicher und privater raum sowie zeitgemäße positionen kunstschaffender. damit waren wir inhaltlich beim gesamtzusammenhang des aktuellen „kultursalon“, der wiederum von den „kollektiven aktionen“ in einem internationalen rang repräsentiert wird. (tondokumentation in vorbereitung!)
und genau DAS mag ich so am stand der entwicklungen in unserem tun. diese weiten horizonte und komplexen themenstellungen, denen wir uns nun zunehmend in der praxis widmen können; abseits des landeszentrums aber durchaus in augenhöhe mit den interessanten leuten aus der hauptstadt.