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Kulturpakt: Ein Datum als Markierung

Der 2. Dezember 2013 ist jenes Datum, an dem der Status quo des „Kulturpakt Gleisdorf“ definitiv neu geordnet erschien. Kulturbüro-Leiter Gerwald Hierzi war von der Kulturpakt-Beauftragten der Stadt, Katharina Scheidl, und von Katharina Lagler begleitet, die das TIP City-Management vertrat.

Ein symbolträchtiges Foto. Im harten Licht der Wintersonne von links: Katharina Lagler, Gerwald Hierzi und Katharina Scheidl, die Verwaltung und Wirtschaft der Stadt vertreten, sowie die beiden vormaligen Gleisdorfer Kulturreferenten Gernot Schrampf und Kamillo Hörner.

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agrarische welt: reflexionen

historisch betrachtet: das bäuerliche leben war eine ständige schinderei, der mangel allgegenwärtig und die herrschaft konnte sich nehmen, was ihr zu nehmen beliebte. laufende dienste und abgaben. wenn unter den noblen geheiratet wurde, bedeutete das extra-steuern. wenn ihnen jemand wegstarb, war ein „besthaupt“ fällig, also das beste stück vieh aus den ställen der untertanen. (von krieg gar nicht erst zu reden.)

soziahistoriker robert f. hausmann machte uns mit einigen grundlegenden zusammenhängen vertraut

sie können quer durch österreich hotels finden, die „meierhof“ oder „alter meierhof“ heißen. lustig, daß sich die nachfahren von untertanen dort wohlfühlen sollen. meierhöfe waren einst stattliche wirtschaften der aristorkratie. da durften die bauern mit robot-leistungen zur sache gehen. frondienst, abgaben, sondersteuern …

sozialhistoriker robert f. hausmann gab uns beim „tag der agrarischen welt“ einen ersten überblick, was einige geschichtliche dimensionen des lebens in der region betrifft; und was zusammenhänge des wirtschaftens angeht. dem schloß sich kamillo hörner („volksbildungswerk steiermark“) mit deutungen der aktuellen situation an.

kamillo hörner ("volksbildungswerk steiermark") hatte eine annäherung an das thema landflucht vorbereitet

noch gegen ende des 19. jahrhunderts waren rund 90 prozent der bevölkerung im agarischen bereich tätig. heute sind es im grundlegenden sinn gerade einmal 2,5, insgesamt bis zu 5 prozent. dieser umbruch hatte seine größte schubkraft erst nach dem zweiten weltkrieg, als eine maschinisierung der landwirtschaft sowie neue saat- und düngemittel sich durchsetzten.

tierarzt karl bauer ging schließlich auf heutige produktionsweisen ein und auf aspekte der vermarktung. wenn man bedenkt, daß bei uns der großteil der lebensmittelversorgung von bloß drei handelsketten geleistet wird, kommt man schon etwas ins grübeln. was bedeutet das bezüglich preisgestaltung, qualität und versorgungssicherheit?

tierarzt karl bauer konzentrierte sich auf die themen nahrungsmittelproduktion und ernährungssicherheit

das sind einige der sachlichen bezugspunkte bei unserem ersten „tag der agrarischen welt“ gewesen, welcher auch von einer ausstellung kreativer aus der gemeinde gutenberg (im norden der „energie-region“) getragen wurde. dazu gehörte auch authentische volksmusik der formation „ob & zua“ (rund um christian nell).

es kam in wetzawinkel eine fülle von denkanstößen daher, die wir nach dem „april-festival“ reflektieren und in weitere arbeitsschritte einbringen möchten. gespräche vor ort haben schon gezeigt, daß wir daraus auch für künstlerische arbeiten anregungen beziehen.

eine klare gegenposition zum flachen und geistlosen geschrumpel im mainstream-radio: die gruppe "ob & zua"

obwohl ich mir diesen themen-fokus selbst gewünscht habe und ihn gemeinsam mit karl bauer erarbeiten konnte, war ich dann überrascht, wie groß die reichweite der teilthemen ist, um in unser aller leben hereinzureichen, und wie deutlich wir auf anhieb eben auch für künstlerische vorhaben bezugspunkte finden konnten.

wie im vorigen beitrag erwähnt, wir haben schon eine themenstellung für 2012: an: “leben: die praxis der zuversicht”

— [april-festival] —
— [die region: hofstätten/raab] —

kunst ost in der praxis

durch welche verfahrensweisen läßt sich für den kulturbereich in der heutigen situation terrain halten? wir haben gerade erlebt, wie radikal sich der rückzug der öffentlichen hand vollzieht, wenn budgets einbrechen und strukturen wanken.

das aktuelle krisenmanagement war für uns überhaupt nur mit privatem einsatz von arbeitskraft und geld zu bewältigen. ansonsten wäre „kunst ost“ nun den bach hinuntergegangen. für mich schien vorrangig, das heurige „april-festival“ zustande zu bringen. das ist nach innen eine prüfung, was unser konzeptioneller arbeitsansatz taugt.

medienkünstler niki passath ist beim kommenden "april-festival" unser erster gast in der neuen diskussions-reihe "was sagen kunstwerke?"

nach außen soll es ein signal sein, das den verantwortlichen aus politik und verwaltung demonstriert, was das kollektiv zu leisten imstande ist; inhaltlich und in der umsetzung. da bewährt sich nun jener prozeß aus mehreren jahren, in dem wir klären konnten, was alles NICHT geeignet ist, einen modus kollektiver kreativität voranzubringen.

dank dieser praktischen erfahrungen können wir uns heute in hohem maße auf jene schritte konzentrieren, die sehr vielversprechend erscheinen.

wir haben 2006 begonnen, ein setup herauszuarbeiten, welches aktuell stabilität bringt, wo sich in den letzten monaten – mangels verfügbarer budgets – einige mögliche kooperationspartner schlagartig verflüchtigt haben.

es war wichtig, für „kunst ost“ eine neue „basis-crew“ zu formieren, die sich so einer aufgabe gewachsen sieht, und – wie erwähnt – das „april-festival“ 2011 sicherzustellen. eine idee, ein handlungsplan, etwas geld und einige engagierte leute, die auch bereit sind, unbezahlte arbeit einzubringen.

das hat sich als leistungsfähige „grundausstattung“ erwiesen, um den aktuellen umbruch zu bewältigen. von hier aus sollte sich ein status erarbeiten lassen, der einen passablen mix von ehrenamtlicher und hauptamtlicher kulturarbeit ermöglicht.

das packen wir vor dem hintergrund einer mittefristigen entwicklung des inhaltlichen horizonts, dem sich „kunst ost“ widmet, an. das bedeutet, aus dem erst skizzenhaft entworfenen themenbogen „zwischen landwirtschaft und high tech“ haben wir nun konkrete inhaltliche arbeitsansätze, die von sehr verschiedenen personen mitgetragen werden.

sach-promotoren im umfeld von "kunst ost" (von links): tierarzt karl bauer, volksmusikant christian nell und kamillo hörner vom "volksbildungswerk steiermark"

ich habe die ganze situation am denkmodell der „drei sektoren“ orientiert. dabei ist keine hierarchische anordnung vorgesehen. ziel dieser orientierung ist eine kooperation von sachkundigen leuten aus den drei sektoren staat, markt und zivilgesellschaft. also
1) politik und verwaltung,
2) wirtschaft und
3) kulturschaffende als einzelpersonen wie als teil von vereinen.

das aktuelle „april-festival“ bildet diese vorstellung schon sehr konkret ab. die inhaltliche entwicklung haben wir in rund einem dreiviertel jahr kontinuierlicher themenarbeit realisiert: [link]

zur „basis-crew“ (krusche, peitler-selakov & strassegger-tipl) kamen heuer autonome „location-crews“ und (aktuell in erprobung) einige „labor-gruppen“. in dieser situation kommt den verantworlichen „schlüsselpersonen“ eine wesentliche rolle zu: [link]

sie sind nicht nur bindeglieder zwischen der „basis-crew“ und den verschiedenen autonomen formationen eines größeren vorhabens, sie sind auch garanten für eine vielfalt in den zugängen und verfahrensweisen.

das bedeutet, wir nehmen die „praxis des kontrastes“ sehr ernst. und wir sind gestimmt, die vereinbarkeit dieser komtraste zu demonstrieren. das bezieht sich übrigens auch auf die vier genres, die wir integrieren: alltagskultur, kunsthandwerk, voluntary arts und gegenwartskunst [link]

überdies haben wir, was die annäherung zwischen kulturschaffenden und wirtschaftstreibenden angeht, auch einen modus entwickelt, der sich inzwischen als sehr tragfähig erweist … siehe dazu den beitrag im licht zu kontrasten„!

— [april-festival] —
— [übersicht] —

strategiedebatten

wir haben nun eine art besprechungs-marathon hinter uns. es ging nicht nur darum, das projekt „kunst ost“ durch die verdichteten krisen-auswirkungen der jahreswende zu steuern und dabei wieder zu stabilisieren. es ging auch darum, den regionalpolitischen status quo zu erheben, um eine vorstellung entwickeln zu können, unter welchen konkreten bedingungen wir heuer unsere arbeit entfalten.

es mißfällt mir zu räsonieren, aber ich bin momentan ziemlich aufgebracht, welches durcheinander offenkundig in den fragen der regionalentwicklung herrscht. die kommunikation zwischen den verschiedenen ebenen (land, region, gemeinde, zivilgesellschaft) liegt sehr im argen. dabei klingt es fast schon lustig, daß wir im arbeitsjahr 2010 drei verschiedene landeskulturfererenten erlebt haben.

gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer ist gerüstet, kulturpolitische überlegungen und arbeitsschritte anzugehen, die über eine einzelne orts- und gemeindegrenze hinausreichen

unser jüngstes arbeitsgespräch mit den kulturleuten des „offiziellen gleisdorf“ (siehe zwischenstände“!) hat mehr als klar gemacht, daß a) die kommunalen teams von den rabiaten budget-kürzungen merklich durchgerüttelt sind und b) die diversen regional-konzepte als eher verwirrend statt hilfreich empfunden werden.

da ist also mindestens einiger stress im verhältnis der „kleinregion gleisdorf“ („lokale agenda 21“) und der „energie-region weiz-gleisdorf“ (LEADER plus) zueinander, da gibt es dann auch noch die „oststeiermark neu“ und das „regionalmanagement ost“. was denn nun eine „großgemeinde“ und eine „großregion“ praktisch sei, erscheint mir momentan eher unklar.

die bürgermeister fühlen sich verpflichtet, andauernd meetings zu besuchen, deren sinn und nutzen vielen nicht mehr klar ist. aber überall muß von den kommunen in irgend einen topf eingezahlt werden und arbeitszeit geht drauf. ergebnisse? wissen wir nicht so genau!

gerald gigler (hier mit „kunst ost“-exponentin mirjana peitler-selakov) ist einer unserer diskussionpartner für die frage, wie sich das kulturelle klima stabilisieren und für die gegenwartskunst boden gewinnen läßt

dazu kommt, daß hinter dem nächsten horizont neue gemeinde-zusammenlegungen anstehen. das bringt etliche orts-chefs schon jetzt in kampfstimmung und in verschiedenen notizen klingt die bereitschaft zu widerstand an. aber auch deren personal ist teilweise sauer oder am rande seiner möglichkeiten.

siehe dazu etwa bürgermeister christoph starks tagebucheinträge wie diesen: „Wenn dann verlautet wird, dass man nun eine neue Organisationseinheit schaffe, in die (angeblich) vieles integriert werde, dann ist es nicht verwunderlich, dass es zu mittelschweren allergischen Reaktionen kommt. Auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ [quelle]

ich höre in informellen gespräche, daß etliche gemeinden noch heute die konsequenzen älterer gemeinde-zusammenlegungen nicht verdaut haben. die liegen zwar schon jahrzehnte zurück, bringen aber immer noch differenzen hervor, die sich zwischen zugehörigen „alter“ katastralgemeinden auftun.

zu all dem hatten wir erfahren, es bestünde seit dem ende des vorjahres ein regierungsbeschluß, die LEADER-regionen der steiermark zu reduzieren. erst war von neun, zuletzt sogar von bloß sieben verbleibenden regionen die rede. man kann sich die unruhe in den bestehenden LEADER-managements vorstellen.

ich habe noch nie zuvor in meinem leben eine derart vielschichtig konfuse situation erlebt, in der uns regionale kulturarbeit gelingen soll, während sich unsere potenziellen gegenüber in den kommunen mehr denn je mit „ganz anderen sorgen“ herumschlagen.

ich bin zur zeit WÜTEND, wie konfus sich manche „offzielle“ des regionalen geschehens geben, wie viel an blicken gerade wieder hinter die tellerränder zurückrutschen, in welchem ausmaß die kommunikation vor allem auch unter kulturschaffenden selbst eingebrochen ist etc.

von krisenmanagement keine rede und ich weiß auch nicht so genau, was da draußen zur zeit an problemlösungs-kompetenzen aktivierbar ist, um manches von dem zu kompensieren, was uns eben an strukturen und ressourcen weggebrochen ist.

das lokale generell in größeren zusammenhängen betrachten: karl bauer (links) vom gleisdorfer kulturausschuß und kamillo hörner vom "steirischen volksbildungswerk"

in den letzten wochen wachsender konfusion war nun gleisdorfs kulturfererent alois reisenhofer der erste, von dem ich in unserem jüngsten arbeitsgespräch konkret gehört habe, daß wir uns nach dem april-festivaldarauf konzentrieren würden, ein treffen mit engagierten leuten der „kleinregion gleisdorf“ zu absolvieren, um optionen und strategien zu besprechen.

das ist für mich heute der erste konkrete ansatz einer regionalen kulturpolitik, die über einzelne ortsgrenzen hinaus in die nahe zukunft gedacht sein will. mit diesem wissensstand trafen wir nun auch gerald gigler zu einer strategiebesprechung. gigler ist beim land steiermark für den LEADER-bereich zuständig (abteilung 16).

wir haben uns bemüht, eine brauchbare ansicht vom status quo zu formulieren und daraus überlegungen abzuleiten, welche schritte und aktivitäten in nächster zeit vielbversprechend erscheinen, um das kulturelle klima zu stabilisieren und der gegenwartskunst boden zu gewinnen.