wahrnehmung. irritation. reflektieren. woher beziehen wir impulse, um über das banal notwenige der alltagsorganisation auch hinauszugelangen? menschliche kultur bietet dazu viele quellen und gelegenheiten. kommt man am garten von kunstsammler erich wolf vorbei, dann überrascht da neuerdings eine arbeit von hans kupelwieser. das ergibt vor allem in der morgensonne markante augenblicke.
eine arbeit von prof. kupelwieser in der sammlung wolf
ich habe schon erzählt, daß wir nun begonnen haben, einen längerfristigen prozeß in gang zu setzen, um ein kompetenzzentrum für gegenwartskunst herbeizuführen. dazu soll es jeweils im herbst der kommenden jahre ein symposion geben, welches diesem ziel gewidmet ist. für 2012 lautet die von künstler richard kriesche fstgelegte themenstellung: „regionalität und realität // globalität und virtualität“ [link]
kunstsammler erich wolf
wir haben gerade das datum präzisiert: am 07. und 08. september 2012 soll das hauptereignis über die bühne gehen. wir werden diesen kernbereich allerdings noch mit anderen vorhaben verknüpfen. somit ist also die erste große station dieses „work in progress“ dingfest gemacht. weitere details in kürze…
um für die gegenwartskunst boden zu gewinnen, ist auch das unverzichtbar, was anderen gelingt. ich möchte es für eine simple einsicht halten, die leicht nachvollziehbar ist. hat sich aber offenbar im metier noch nicht gar so sehr herumgesprochen. naja, auch gut! erfahrungsgemäß braucht niemand einen guten rat und erfahrungen stellen sich eben nur ein, wenn man sie selbst macht.
halt! nein, das stimmt nicht ganz. KULTUR handelt ja prinzipiell davon, daß man NICHT alle erfahrungen selbst machen muß, sondern daß wir einander die welt erzählen können, was eben AUCH zu erfahrungen führt. (sollte man das „erfahrungen zweiter ordnung“ nennen? kleiner scherz!).
"diagonale": brigitte bidovec (links) und barbara pichler
dieses einander-die-welt-erzählen geht nicht bloß in worten, sondern auch mit visuellen codes. malerei? freilich! aber da wäre vor allem noch die FILMKUNST. ein junges genre. somit ein überschaubares feld der kunst. doch wo sind seine bedeutende werke geblieben? wer zeigt sie mir?
es gibt die cinematographie zwar seit dem 19. jahrhundert, doch ein großteil der maßgeblichen werke stammt aus dem vorigen, dem 20. während unser alltag von bilderwelten durchdrungen ist, fehlt es auffallend an gelegenheiten, cineastisches kennenzulernen. das muß nicht so bleiben.
im heurigen frühjahr [link] trafen wir uns erstmals mit „diagonale“-chefin barbara pichler und ihrer mitarbeiterin brigitte bidovec, um ansätze einer kooperation zu besprechen. im sommer besuchte ich mit bidovec christina seyfried vom hiesigen „diesel kino“, um optionen eines gemeinsamen wirkungsfeldes zu erörtern: [link]
nun ein weiteres arbeitsgespräch, das der konkretisierung dient. das filmfestival „diagonale“ [link] ist ein gewichtiger akzent für ganz österreich. dieser akzent verdichtet sich jeweils im herbst eines jahres. nun entwickeln wir einige ereigns-linien, die quer durchs jahr führen sollen, um die hintergründe zeitgemäßen filmgeschehens auszuleuchten.
Kommen, um Werke zu sehen? Selbstverständlich. Eine Vernissage als soziales Ereignis? Nett, aber nicht zwingend notwendig. Ich bevorzuge die Salon-Situation. Das enthält natürlich einen ironischen Querverweis auf den bürgerlichen Salon vergangener Zeiten. (Dafür waren Menschen meiner Herkunft freilich nicht vorgesehen.) Wir werden aber jenseits des Landeszentrums keine urbanen Konzepte aus vergangenen Jahrhunderten reproduzieren.
Salon, das heißt für mich: Diskurs. Debatte. Nicht als Teil eines Stolzierens, sondern als Ausdruck von Wißbegier in der Begegnung mit anregenden Menschen. Das ist eigentlich mein Hauptgrund, mich für Kunstveranstaltungen zu engagieren. Ich brauche ein lebendiges geistiges Klima, um zu existieren. Das läßt sich sehr gut zwischen solchen Ereignissen entfalten. Ohne derlei Veranstaltungen diffusiert es zu sehr, wenn das Jahr lang ist.
von links: sergei letov, sergei romashko, sabine hänsgen und mirjana peitler-selakov
Sie verstehen meine Intention? Repräsentationsakte haben Funktionen, die ich verstehe, denen ich aber nicht die höchste Priorität einräume. Es ist die Befassung mit Kunst, durch die mein Leben wesentlich an Tragfähigkeit gewinnt. Also nicht die Kunst selbst, sondern, wie erwähnt, die Befassung mit Kunst. (Ist der Unterschied klar?)
In dieser Befassung mit Kunst habe ich stille Zeiten ohne die Anwesenheit anderer Menschen. Aber ebenso die lebhaften Momente der Erörterung, Auseinandersetzung, vor allem auch des Zuhörens. Als vor fast genau einem Jahr die Crew der „Kollektiven Aktionen“ auf meiner Strecke erschien, habe ich besondere Augenblicke der Konzentration solcher Möglichkeiten erlebt. Es waren vor allem Sabine Hänsgen und Sergei Romashko, deren Denkweisen und Überlegungen mich auf Monate beschäftigt haben.
Was in jenen Tagen zur Sprache kam, hat gewissermaßen Ausläufer bis in die Gegenwart. Dieses Prozeßhafte, das sich auf die Vorleistungen anderer stützt, um einen selbst im besten Fall zu neuen Positionen zu führen, ist für mich ein zentrales Ereignis künstlerischer Praxis.
Das bedeutet auch, nichts interessiert mich weniger, als der einsame Held, der sich in das Rad der Geschichte werfen möchte, um den Lauf der Welt zu beeinflussen. Dagegen elektrisiert mich das hohe Spannungspotenzial kollektiver Kreativität.
selman trtovac ("treci beograd")
Nun verzweigt sich das gerade weiter. Wie viele Begegnungen hatte ich mit Selman Trtovac von der Formation „Treci Beograd“? Ich denke, es waren gerade einmal zwei. Und ich ahne, wir werden auf Jahre zu tun haben. Das sind Optionen, denen ich anhängen mag.
Malerin Michaela Knittelfelder-Lang zeigt in Graz Ende des Monats neue Arbeiten. Die Ausstellung wird am Freitag, dem 30. September 2011, um 19 Uhr eröffnet: Miteinander leben GmbH, 8020 Graz, Lagergasse 12
Sie haben die Möglichkeit, ein Objekt der Künstlerin im Rahmen einer amerikanischen Auktion zu Gunsten der Miteinander leben GmbH zu ersteigern.
Ausstellungsdauer bis Ende Dezember Montag – Freitag 9:00 – 12:00 bzw. 15:00 – 17:00
Miteinander leben
Organisation für betreutes Wohnen
[link]
wir haben als kunstschaffende die freiheit, a) auf dem freien markt zu reüssieren und/oder b) in weitgehende abhängigkeit der öffentlichen hand zu gelangen. das hat so seine schlüssigkeit, weil es im kunstbetrieb seit jahrhunderten nie anders war.
spätestens seit malewitsch wissen wir, daß es für eine künstlerexistenz vorteilhaft wäre, wohlhabend zu sein. eigentlich war schon mit flaubert klar, daß eine gut situierte familie einigermaßen hilfreich sein kann, falls sie geneigt ist, unsereinen durchzufüttern beziehungsweise mit einem stattlichen erbe zu versehen.
kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov und techniker horst fickel
zwischenzeitlich gab es feuchte träume von einem dasein als bohemien, dessen existenz von der bourgeoisie als derart hinreißend empfunden wird, daß sie von besitzenden mit gutem geld ausgestattet wird. aber solche bilder sind mumpitz.
und überhaupt: es ist doch lächerlich, sich in völlig veralteten bildern zu inszenieren. das 21. jahrhundert ist ja nicht mehr ganz jung, es sollten uns also andere rollenbilder gelingen, sollten zeitgemäße vorstellungen des berufs als künstlerin, als künstler kursieren.
auf der höhe der zeit verfolgen wir also auch noch andere optionen, statt bloß davon zu träumen, eine internationale „marktgröße“ zu sein, beziehungsweise staatliche vollversorgung anzustreben.
künstler gerhard flekatsch
das bedeutet in meinem fall, ich meide den kunstmarkt, also verdiene ich mir mein brot in kunstNAHEN bereichen. eine vergleichbare, wenn auch etwas andere position nimmt künstler gerhard flekatsch ein, der dem engeren kreis unserer „kulturspange“ angehört.
mirjana peitler-selakov, kuratorin von „kunst ost“, repräsentiert eine weitere rolle in solchen zusammenhängen. dabei ist es kein zufall, daß wir nun eine nächste session mit dem techniker horst fickel absolviert haben.
ein angelpunkt dieser entwicklung: wo ich die ergebnisse meiner künstlerischen praxis nicht auf den markt tragen möchte, mir aber mein brot verdienen muß, habe ich KOMPETENZEN, die ich u.a. aus künstlerischer praxis erwerbe. und DIE kann/will ich sehr wohl auf den markt tragen.
darin liegt also die unterscheidung: als künstler bleibe ich autonom und fühle mich nicht marktabhängig. als kompetenter mitbürger kann ich im gemeinwesen mein geld verdienen. das ermöglicht mir auch gegenüber politik und verwaltung eine andere position als alte konzepte es zuließen.
in solchem zusammenhang entstehen projekte, bei denen wir die kooperation mit kommunen und diversen unternehmen suchen. hier ist es wiederum nicht ein simples „verkaufsschema“, auf das wir abzielen. ausgangspunkt bleibt folgende überlegung: welche fragen und welche aufgabenstellungen zum status quo teilen wir mit den aktuerinnen und akteuren der anderen metiers?
erst die positive beantwortung dieser frage(n) führt zu einem gemeinsamen projekt. das ist in unserem fall an einer konkreten region orientiert, der oststeiermark. dafür haben wir schon vor einer weile folgenden themenbogen festgelegt:
„zwischen landwirtschaft und high tech“
im entwickeln von projekten ist nun der KUNST sozusagen grundsätzliche „parteienstellung“ eingeräumt. das bedeutet, wir setzen zwar überwiegend nicht bei kunstprojekten an, sondern bei vorhaben, die aktuelle fragestellungen zum leben in der region betreffen. dabei werden aber kunstschaffende als eine von mehreren „deutungseliten“ in die bearbeitung einbezogen.
das heißt, künstlerische strategien und verfahrensweisen werden teil der arbeitsprozesse, kunstwerke KÖNNEN, aber müssen nicht zwingend zu beiträgen der projekte geraten. kunstschaffende haben demnach die freiheit, dabei entweder bloß ihre kompetenzen, oder aber auch ihre künstlerischen werke in die waagschalen der vorhaben zu werfen.
das zielt in summe auf KOOPERATION, wo die unterschiedlichen strategien der beteiligten nicht hierarchisch angeordnet werden. dieser zugang, auf aktuelle fragestellungen der gesellschaft gemünzt, erweist sich offenbar als sehr tragfähig. daraus wntwickeln wir nun unsere aktuellen themen- und projektschwerpunkte.
eine crew der "kollektiven aktionen" auf unserer strecke südlich von gleisdorf
post scriptum:
in all dem ist die gegenwartskunst keineswegs bloß randposition. mehrmals im jahr setzen wir besondere akzente. das tun wir momenten in kooperation mit der gruppe „treci beograd“ bei der umsetzung einer station mit den „kollektiven aktionen“ aus moskau. der ereignisbogen seit vorigem herbst zieht sich nun von gleisdorf über venedig nach belgrad, mit veruweigung nach gleisdorf; siehe: „the track: archive“!
post post scriptum:
der bereich der agrarischen welt haben wir gemeinsam mit tierarzt karl bauer in arbeit: [link]
gegenwartskunst ist ein themenbereich, der uns die möglichkeit bietet, grundlegende menschliche kompetenzen zu verfeinern und zu vertiefen. wer das bloß als dekorationsgeschäft deutet oder den tourismusagenda zuordnet, wird seine bzw. ihre kenntnis der welt noch etwas auf stand bringen müssen.
wir haben kürzlich unsere kooperation mit der „sammlung wolf“ fixiert [link] und dazu ein ideenpapier vorgelegt, das einem „kompetenzzentrum für gegenwartskunst“ gewidmet ist: [link]
kunstsammler erich wolf hat den auftakt für das kommende symposium nun markiert
kunstsammler erich wolf hat das nun mit künstler richard kriesche auf eine nächste ebene inhaltlicher konkretisierung gebracht: „regionalität und realität // globalität und virtualität“, so der titel eines symposions, das wir im herbst 2012 in gleisdorf realisieren werden.
dieses symposion wird einerseits gelegenheit sein, internationale gäste zu treffen, um mit ihnen fragen der kunstvermittlung und der präsentation von gegenwartskunst zu erörtern. andrerseits wird es unser erster von zwei größeren schritten „zur begründung der gründung des ersten regionalmuseums für zeitgenössische kunst in österreich“, so die formulierung von kriesche.
das heißt, wir haben nun einen mehrjährigen prozeß initiiert, der uns über solche und andere stationen zu einer klärung offener fragen auf der höhe der zeit bringen soll. es gibt ja eine ganze reihe von zusammenhängen, die sich darauf beziehen, wie zentrum und „provinz“ sich zu einander verhalten mögen. naheliegend, dem kulturbereich dabei eine spezielle rolle einzuräumen, wo es um INHALTLICHE klärungen geht.
innerhalb des KULTURbereiches ist dann aber die GEGENWARTSKUNST ein eigenes feld, überdies ein ANDERES genre als die in der region vorherrschenden VOLUNTARY ARTS.
da also äpfel nun mal keine birnen sind und das aktive gestalten laufender prozesse in der region auch eine klarheit der begriffe verlangt, wollen wir mit diesem prozeß den gesamten themenkomplex deutlicher sichtbar machen.
ich hab vor einigen jahren die lektüre eines buches von matthias horx sehr anregend gefunden. „das zukunfts-manifest“ trägt einen bemerkenswerten untertitel: „aufbruch aus der jammerkultur“. diese jammerkultur ist also kein bloß österreichisches phänomen. aber sie hat bei uns in den letzten 10 bis 15 monaten ein großes revival erlebt.
ich finde ja sehr interessant, welche positionen möglich sind, wenn wir uns mit politik und verwaltung in einer klaren haltung der eigenverantwortung und eigeninitiative auseinandersetzen. das ist auf den feldern von kunst und kultur nicht die regel, doch ein lohnendes feld neuer erfahrungen.
dieser tage habe ich einen mann sagen hören: „meine anschauung war immer, mit braucht niemand was schenken, mir braucht nur jemand die möglichkeit zu geben.“ das hat mich natürlich neugierig gemacht. wie tickt jemand, der eine company dirigiert, zu der weltweit 26.000 leute gehören?
frank j. polzler, chairman von „remax europe“, hatte sich für ein plauderstündchen mit mir zeit genommen. die gelegenheit dazu ergab sich, als er seine heimat besuchte. der mann stammt aus der oststeiermark, ist in den frühen 1950ern nach kanada ausgewandert.
polzler hatte dabei zwar züge eines abenteuers an sich, ist aber eher der typ eines entrepreneurs. mit welchem „mindset“ schupft der mann so einen riesigen laden? den wesentlichen kontrast hatten wir schnell im blickfeld.
polzler: „die große herausforderung in europa ist, die leute zu überzeugen, daß sie ein kleines bißchen risiko übernehmen. die risiko-aversion ist hier enorm. ich weiß nicht, vielleicht durch das sozialsystem. wenn von diesen acht millionen menschen nur zehn prozent eine gute idee haben, da soll ich mich doch nicht nur auf die regierung verlassen, daß ich jetzt einen job hab. ich tu ja selber was für mich.“
was polzler positiv formuliert, ist bei uns mit reichlich negativer konnotation längst soziale realität; daß wir etwa im kulturbereich zunehmend gezwungen sind, uns ökonomisch auf eigene beine zu stellen und unternehmerisch zu denken. wer meinem milieu angehört, weiß sehr gut, wie abschätzig „unternehmerisches denken“ betrachtet und bewertet wird.
daß man sich damit zugleich in eine abhängigkeit begibt, die ihrerseits recht bald der anlaß für abwehrreaktionen ist, schafft grundlagen für eine reichlich neurotische situation. selbstermächtigung hat ganz sicher auch unternehmerische dimensionen. aber das hat uns niemand beigebracht. davon trennen uns mitunter schmerzhafte lernprozesse.
polzler: „eines der probleme in europa ist, daß man nur sicherheit, sicherheit, sicherheit will.“ er rundet ab: „die einzige sicherheit, die eine person hat, ist die gesundheit und was sie im kopf hat.“ ich bin bei leuten seines schlages natürlich immer sehr neugierig zu erfahren, wie sie dimension und komplexität ihres geschäftes bewältigen. der unternehmer bricht das auf eine zentrale kompetenz herunter: „ich fälle entscheidungen.“
was ist aber, wenn falsche entscheidungen getroffen werden? polzler: „dann mache ich eine andere entscheidung, um diese zu korrigieren. und dann fälle ich wieder eine entscheidung, um dieses und jenes zu machen. das ist es, was ich tue. und das alles in einer positiven art des denkens.“
klingt simpel. ist es das auch? ich habe keine anderen erfahrungen gemacht, würde diese ansicht demnach unterstreichen. eine von der dimension der vorhaben offenbar unabhängige option. polzler betont: „man darf keine angst haben, ein problem zu lösen.“
das kann ich sehr gut auf unser metier umlegen. haben wir präzise befunde der probleme kulturschaffender in österreich? gut. wie sehen dann die strategien aus und wie die handlungspläne? und wann geht’s los?
zum stichwort innovation sagt polzler: „wenn es auf diesem weg nicht klappt, dann probier einen anderen. 99 prozent der leute hören auf, wenn es auf eine bestimmte art nicht hinhaut. wenn man über den berg nicht drüber kann, bohrt man entweder unten durch oder geht außen herum.“
das kann man freilich nur in betracht ziehen, wenn man nicht darauf wartet, daß einem von anderen die steine aus dem weg geräumt werden…
ich habe hier schon erwähnt, daß sich diese in summe wohlhabende gesellschaft ein irritierendes ausmaß an stagnation und kompetenzverlusten leistet. das beschreibt unsere gesellschaft nicht erschöpfend, denn selbstverständlich sind auch andere kräfte im spiel, die durchaus grund zur zuversicht geben. aber die beharrenden momente sind momentan sehr auffällig.
vielleicht liegt eine zwickmühle darin, daß wir alte prägungen noch nicht ausreichend überwunden haben. wer bei den dingen nicht mitreden darf, wird auch keine verantwortung übernehmen wollen. wirft das ein „henne-ei-problem“ auf? ich kenne es nämlich auch umgekehrt und halte es in projekten ganz gerne so: wer keine verantwortung übernimmt, soll auch nicht mitreden.
ich vermute, es sind die erfahrungen von alten, hierarchischen gemeinschaftskonzepten, welche es menschen heute manchmal so schwer machen, die eigenen begehrlichkeiten auch mit ausreichender selbstverantwortung und initiative zu unterlegen. ich hatte zu solchen fragen eben eine interessante debatte in einer anregenden runde. wir waren uns im wesentlichen einig: wenn es so IST, dann nützt es nichts, darüber zu räsonieren. wir sind gefordert, auswege zu finden und auch zu gehen.
rupert rauch (links), mirjana peitler-selakov und horst fickel
ich halte das für den teil einer grundlegenden KULTURPOLITISCHEN debatte. das handelt im kern von fragen der demokratie. denn hier geht es um ideen, wie menschliche gemeinschaft gestaltet werden kann, das stützt sich sehr wesentlich auch auf symbolisches denken, auf unsere ideenwelten. wenn also nicht simples faustrecht vorherrschen soll, bedarf es sehr „kultivierter“ denkweisen, um konzepte zu entwickeln und auch praktisch zu erproben, in denen sich KULTUR zeigt.
die KUNST spielt dabei als — ein radikaler erfahrungsbereich — eine wichtige rolle. sie ist aber nur ein teil dieses größeren ganzen einer sich äußernden kultur, also auch der kulturpolitik. ich habe es schon betont, kulturpolitik muß anders verstanden werden als ein bloßes verteilen von budgets und eröffnen von veranstaltungen. diesde auffassung kann hier in der „provinz“ aber nicht vorausgesetzt werden.
gerhard flekatsch
das heißt folglich, kulturpolitik kann nicht nur die sache von funktionstragenden der politik sein. was das nun konkret bedeuten soll, bearbeiten wir einerseits innerhalb der crew unserer „kulturspange“: [link] das ist andrerseits anlaß für arbeitsgespräche in weiteren formationen.
künstler gerhard flekatsch und kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov sind teil der kulturspangen-crew. rupert rauch ist ein bauer aus straden. dieser ort markiert übrigens nach tradiertem verständnis auf dem stradner kogel das südliche ende der oststeiermark. horst fickel ist unternehmer im technikbereich. ein kompetenzen-mix nach meinem geschmack.
was sind also nun zeitgemäße kulturpolitische arbeitsansätze, die vor allem jenseits des landeszentrums beitragen, ein kulturelles klima zu schaffen, das über die alten hierarchischen prägungen hinausweist? was ist ein kulkturelles engagement auf der höhe der zeit, das der kunst ihren rang bestätigt und die eigenverantwortung der menschen betont?
gerhard flekatsch (links) sabine zettl und rupert rauch
das zu klären beschäftigt uns gerade; mit einem fokus auf die oststeiermark, aber auch mit bezug zu anderen landesteilen. im zentrum stehen dabei gegenpositionen zu stagnation und kompetenzverlust. die praxis der eigenverantwortung und eigeninitiative; auch als herausforderung für politik und verwaltung.
p.s.:
horst fickel und sabine zettl sind übrigens in fragen der kochkultur sehr bewandert. diesmal wurde die session durch sabines beitrag zu einem klassischen symposion, einem erlesenen GASTMAHL.
es steht außer zweifel, DAS ist der klassiker: „ah, sie sind künstler. und was arbeiten sie?“ erstaunlich wenig menschen kommen auf die idee, daß sie es hier mit einer PROFESSION zu tun haben könnten. die rache der romantischen professionals gipfelt dann in: „ach, es ist mit der kunst so schwierig!“
da treffen sich zwei seiten im OBSKURANTISMUS. der chor schwillt an, wenn die verunsicherten mitplaudern, die sehnsüchtigen und die grimmigen. „naja, das kann man eigentlich nicht so genau sagen, was kunst ist.“ so? warum denn nicht? „wenn man das sagen könnte, müßte man es ja nicht MACHEN.“
nun haben wir menschen über jahrtausende die fähigkit zum symbolischen denken entwickelt, haben uns verschiedene kommunikationswege erschlossen, auf denen wir sehr unterschiedliche codes einzusetzen verstehen. aber plötzlich soll über das tun nicht geredet werden, sollen inhalte und bedeutungen der debatte entzogen sein? schade um die viele arbeit!
vor ein paar hundert jahren war das einfacher geregelt. kunstwerke zu ordern ist den alten eliten vorbehalten gewesen. aristokraten und kleriker traten im namen gottes als auftraggeber auf, kunstwerke waren auf erden der repräsentation dieser herrschaften gewidmet und nebenbei höheren idealen gutgeschrieben.
der große rest der menschen, der pöbel, hatte damit nichts zus schaffen. (irgendwer mußte sich ja krummlegen, um jenen mehrwert zu erwirtschaften, den der kunstbetrieb verbrauchte.)
die kunstschaffenden hatten in früheren zeiten mit sehr eingeschränkter bedeutung zurecht zu kommen und mußten der herrschaft dienstba. das hat sich mittlerweile sehr geändert. deshalb sind wir freilich weder fragen des MARKTES losgeworden, noch von der dominanz diverser eliten befreit. einerseits DEUTUNGSELITEN, die laufende diskurse führen, was kunst sei und was nicht, andrerseits KAUFMÄNNISCHE kräfte, die marktwerte bewegen.
zwischen solchen „brückenpfeilern“ wäre noch so allerhand zu verhandeln und zu einzurichten. solange wir die debatten meiden, um stets neu zu klären, was kunst sei und was nicht, überlassen wir diese definitionen allein der ökonomie und der politik. keine gute idee!
solange wir unsere blicke mit romantischem geschwätz trüben und einander klischees aus dem vorigen jahrhundert hersagen, wird es aussichtslos bleiben, dem lauf der dinge neue bedingungen abzutrotzen. natürlich ist es schwierig, in österreich durch künstlerische arbeit ein erträgliches jahreseinkommen zu erwirtschaften. (das ist in vielen anderen branchen auch so.) nebenbei sind fragen der steuern und der sozialversicherung geradezu obszön schlecht geregelt und werden der realen berufssituation kunstschaffender in österreich nicht im mindesten gerecht.
dazu kommt, daß wir in politik und verwaltung quer durchs land nur sehr selten das glück haben, auf sachkundige persdonen zu stoßen. denn meist wird in kommunen die kulturpolitik so verstanden, daß man spärliche budgets zu verteilen und veranstaltungen zu eröffnen habe; das war’s.
solange die einzige antwort auf all das der landesübliche jammer-ton ist, wird sich daran nichts verändern lassen. mich intertessiert eher, die befunde zu präzisieren, schlüsse daraus zu ziehen und handlungspläne daraus abzuleiten. dann wäre noch TUN nötig.
p.s.: ich schätze sehr die evidenz von diskursbeiträgen bei der „ig kultur österreich“: [link] es wäre ja vorzüglich, wenn sich auch andernorts kunstschaffende in öffentliche diskurse über kunst und deren bedingungen einbringen würden.
die kolleginnen vom soziokulturellen Netzwerk ACRYL realisieren nun ihre zweite station des projektes „museum frauen circus“. am samstag, dem 17. september 2011, wird um 18.13 uhr die große ausstellung im schloß hainfeld (bei feldbach) eröffnet.
historikerin margit franz leitet ein. reni hofmüller bietet eine soundperformance , angelika thon eine interaktive installation.
am samstag darauf gibt es in den ausstellungsräumen eine podiumsdiskussion zum thema „wie funktionieren netzwerke“.