Schlagwort-Archiv: tag der agrarischen welt

im blickfeld

was ist bewerkenswert und was wir leicht übersehen? was drängt sich uns auf und was verbirgt sich genau hinter diesen „sensationen“?

wir sind seit jahren in enorme umbrüche verwoben. diverse krisen in der weltweiten finanz- und wirtschaftswelt haben das nicht erst in gang gebracht, sondern unlängst bloß stärker in unser bewußtsein gerückt. eine neue landflucht macht sich in ganz europa bemerkbar. („die menschen flüchten nicht einfach in die nächste größere stadt, sondern auf die nächste autobahn.“) also sind wir gut beraten, über dragen wie mobilität, ernährungssicherheit und aktuelle schübe im neu wachsenden stadt-land-gefälle nachzudenken.

wichtigkeit ist meist eine frage von definitionsmacht

aber warum sollte das in summe thema und arbeitsinhalt für eine kulturinitiative sein, die sich überdies im uentrum ihres tuns der gegenwartskunst widmet?

ich hab in was ist kunst“ #17 skizzierert, welch hohen rang die „freiheit der kunst“ ausdrücklich in unseren gesetzen eingeäumt bekommt und welchen inhalten dieser aspekt von freiheit gewidmet ist. während die kunst selbst die kunst ist und kein mittel oder wirkzeug, sondern sich selbst gewidmet, hat die befassung mit kunst auch ganz andere zusammenhänge. (befassung mit kunst meint gleichermaßen praxis, vermittlung und rezeption.)

sieht man sich zum beispiel näher an, wovon das leben in der agrarischen welt über wenigstens die letzten hundert generationen geprägt war, findet man manche aufschlüsse über rahmenbedingungen des status quo. wir durchleuchten die gegenwart dieses gesellschaftlichen bereiches vor den historischen hintergründen, um zu einer brauchbaren deutung der regionalen gegenwart zu kommen.

karl bauer ist ein profunder kenner der agrarischen wlet in dieser region

das heißt konkret, wir bearbeiten bei „kunst ost“ die „tage der agrarischen welt“ 2011-2013 in korrespondenz mit anderen veranstaltungsreihen, welche folgenden teilthemen gewidmet sind, die in der oststeiermark und in der „energie-region weiz-gleisdorf“ ebenso zur debatte stehen wie in überregionalen zusammenhängen:
+) moblitätsgeschichte
+) frauen in der technik
+) die „nikola tesla-doktrin“
+) triviale mythen und alltagskultur

das wird sich stellenweise auch in künstlerische vorhaben verzweigen. und es wird von einer debatten-reihe begleitet, der serie „talking communities“: [link]

im augenblick bereiten wir den „frauenmonat“ 2011 vor, zu dem kuratprin mirjana peitler-selakov das rhema „FMTechnik!“, also „frauen, macht und rechnik“, erarbeitet hat.

der programmfolder zu "FMTechnik!" ist verfügbar (gestaltung nina strassegger-tipl)

damit ist nun auch langsam der blick auf den kommenden herbst frei, wofür wir einen internationalen kunst-schwerpunkt vorbereiten. dazu demnächst genaueres!

— [FMTechnik! Das Programm] —

ein kurzer überblick

Die soziokulturelle Drehscheibe „kunst ost“ verknüpft verschiedene soziale und kulturelle Agenda mit Optionen der Gegenwartskunst, wobei wir aus unserer langjährigen Erfahrung schöpfen, solche Vorhaben jenseits des Landeszentrums, in der sogenannten „Provinz“ zu realisieren. Dabei beziehen wir Kompetenzen aus der Praxis im Bereich eigenständiger Regionalentwicklung und haben auch auf dem Kunstfeld Zugänge entwickelt, die uns erlauben, für unseren Arbeitsbereich geltend zu machen: „Provinz war gestern!“

vorarbeiten für den schwerpunkt "frauen und technik": kulturmanagerin nina strassegger-tipl (links) und kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov in albersdorf

Wir bemühen uns, das gesamte Geflecht an soziokulturellen und sozialgeschichtlichen zusammenhängen angemessen zu bearbeiten. Das bezieht sich in den großen Schwerpunkten auf unsere
+) Tage der agrarischen Welt
und den momentanen Fokus auf
+) Frauen und Technik
sowie verschiedene thematische Querverbindungen, die das
+) Kuratorium für triviale Mythen
bearbeitet, welches sich in den Kunstbereich verzweigt, aber stellenweise auch stark sachbezogen arbeitet. In diesen Zusammenhängen greifen wir momentan auch verstärkt das Thema
+) Mobilitätsgeschichte
auf.

christian strassegger (mitte) setze den heurigen auftakt zu "close to nature", was bernhard kober ("kuratorium für triviale mythen") mit einer aktion abrundete

Wir entwickeln unsere Projekte vor dem Hintergrund eines Themen-Horizonts, an dem zwei große Teil-Themen ineinander gehen, welche diesen Lebensraum, die „Energie-Region“, ausmachen:
+) die agrarische Welt
+) und die High Tech-Zonen.

Im Zentrum unserer Aufgaben steht die Befassung mit Gegenwartskunst und ihren Bedingungen. Die Bedingungen der Kunst sind über quasi benachbarte Genres berührbar:
+) die Alltagskultur
+) das Kunsthandwerk und
+) die Voluntary Arts,
… also jener sehr populäre Bereich, in dem sich interessierte Menschen außerberuflich mit künstlerischen Verfahrensweisen befassen.

Einige dieser Bereiche verknüpfen wir quer durch das Jahr mit künstlerischen Aktivitäten im Rahmen der Reihe „close to nature“. So fügt sich „kunst ost“ als Ganzes zu einem Gesamtvorhaben, in dem diese verschiedenen Themen- und Aufgabenstellungen in Theorie und Praxis verbunden werden.

[kuratorium für triviale mythen]
[Frauenmonat: FMTechnik!]
[april-festival 2012]
[close to nature]
[was ist kunst?]

konkret in gang

nun hat ein tag zwei wesentliche zwischenergebnisse für unsere arbeit erbacht. es geht im die beiden teilthemen „agrarische welt“ und „high tech-zone“, von denen das leben in der „energie-region“ maßgeblich geprägt ist.

zum einen haben wir klar, wie es inhaltlich mit dem „frauenmonat“ weitergeht. kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov, in ihrem früheren berufsleben diplomingenieurin in der motorenentwicklung, hat das projekt FMTechnik! konzipiert. zum anderen haben wir klar, wie es nach dem „tag der agrarischen welt“ weitergeht. ich durfte mich mit tierarzt karl bauer und künstler christian strassegger über konsens für die nächsten praktischen schritte freuen.

frauen und technik: diplomingenieurin mirjana peitler-selakov (mitte) neben robotikerin kirsty boyle (links) und kunsthadwerkerin ida kreutzer bei unserem "tag der trivialen mythen" auf dem gut pölzer

das kürzel FMT meint „Frauen, Macht und Technik“. petler-selakov: „Seit Jahren wird versucht, mit Hilfe diverser Förderungsprogramme Frauen für technische Berufe zu interessieren. Leider beweisen die Untersuchungen, dass diese frauenfördernden Aktionen bisher wenig Effekt gebracht haben. An der TU Graz beträgt der Frauenanteil beispielsweise im Durchschnitt knapp 20%, im Wintersemmestar 2010/2011 waren es 21,4%. In den klassischen Ingenieursfächern sind noch immer fast keine Studentinnen zu finden. Warum ist das auch heute, im 21. Jahrhundert, so?“

peitler-selakov konstatiert: „Technische Kompetenzen werden der männlichen Geschlechtsidentität zugeschrieben. Sie sind fast Teil der männlichen Kultur, die in Kommunikation und Beziehungen zu anderen Männern zum Ausdruck kommt.“

so haben wir, in korrespondenz mit unserer arbeit an der „nikola tesla-doktrin“, einen gewichtigen aspekt der fragen rund um unseren „industrie-komplex“ formuliert bekommen. ich meine damit, im themenbogen „zwischen landwirtschaft und high tech“, den wir für diese region als relevant erachten, sehen wir hier einen sinnvollen ansatz, unser soziokulturelles engagement, das wir mit vorhaben im künstlerischen bereich verknüpfen, auf einige besondere themenstellungen zu fokussieren.

tierarzt karl bauer ist unsere schlüsselperson für fachfragen zur agrarischen welt

im ausloten des status quo der agrarischen welt haben wir nun sechs weiterführende stationen definiert, zu denen wir teilveranstaltungen und künstlerische vorhaben entwerfen, für die wir professionals aus verschiedenen bereichen der landwirtschaft einbeziehen wollen.

wir haben für die nächsten eineinhalb jahre sechs HAUPTTHEMEN ausfindig gemacht, an denen deutlich wird, was die region zur zeit im wesentlichen darstellt. alphabetisch gereiht: apfel, kürbis, mais und pferde.

der apfeld steht für jene sonderkulturen, über die das einstige „armenhaus österreichs“, die oststeiermark, wirtschaftliche voteile gewonnen hat. an kürbis und mais hängen nicht nur ernährungsfragen der menschen, daran knüpfen sich auch schweinemast und hühnerzucht. das pferd war einst nur den sehr gutgestellten bauern als zugtier zur verfügung, heute ist es im bereich sport und freizeit zu einem wichtigen wirtschaftsfaktor geworden.

das sind also 4 von sechs „stations-themen“. zwei stationen sollen dem wichtigen thema „kleinbäuerliche strukturen“ gewidmet sein. in summe wollen wir ein verständis davon fördern, daß heute zwischen bäuerlicher und industrieller landwirtschaft unterschieden werden muß.

künstler christian strassegger führt oft knifflige themenaspekte in viduelle codes über

was haben wir? was brauchen wir? im zusammenhang mit dieser fragestellung wollen wir das gesamte vorhaben auch um die behandlung sozialgeschichtlicher aspekte ergänzen. da war ein erster vortrag von historiker robert f. hausmann in wetzawinkel extrem anregend. es muß auch mehr an solchen informationsangeboten geben, um den stand der dinge zu begreifen und so an der gestaltung der zukunft mitzuwirken.

die künstlerische spange, mit der all diese bereiche verknüpft werden, haben wir einerseits im „april-festival“ angelegt, sie wird aber andrerseits mit dem kunstprojekt „close to nature“ verdichtet. so erwarten wir eine sachlich relevante und in der umsetzung gut realisierbare verzahnung der teilthemen, die wir in zusammenschau betrachten und bearbeiten möchten.

Das April-Festival 2012
„Leben: Die Praxis der Zuversicht“
[link]

agrarische welt: wie einiges zusammenhängt

ich wurde inzwischen mehrmals gefragt, wie ich denn auf das thema „agrarische welt“ gekommen sei. das ist eine geschichte in mehreren ereignis-sprüngen. der jüngste davon ereignete sich im sommer 2010, als ich mit tierarzt karl bauer das kosovo besucht hatte. das bescheidene level, mit dem die meisten bauern dort zurechtkommen müssen, entspricht, so bestätigte mir bauer, ungefähr dem, was der standard in der oststeiermark noch bis zum zweiten wetkrieg gewesen ist. (das hat mir eine menge fragen verursacht, auf die ich dort antworten bekam.)

mit tierarzt karl bauer zwischen kosovo und albanien

davor hatte ich das motiv schon in meinem „regionalen fahrtenbuch“ aufgegriffen: [link] dieser bereich unserer website trägt seit anfang 2010 das motto „zwischen landwirtschaft und high tech“. der grund ist naheliegend. das vormalige armenhaus österreichs, die oststeiermark, war erst nach dem zweiten weltkrieg durch verschiedene modernisierungsschübe zu jenem wohlstand gelangt, den wir heute kennen; und um den neuerdings wieder gefürchtet wird.

ich hatte im ersten eintrag des fahrtenbuchs das wappen von krottendorf werwähnt, in dem ähre und zahnrad diese bipolare situation symbolisieren: agrarisches und technisches. außerdem ist dort von einem zweibändigen werk die rede, das für mich schon für über 20 jahren jene orientierungshilfe ergab, durch welche mir diese region ein stück besser begreiflich wurde: „bäuerliches leben in der oststeiermark seit 1848“ von karl kaser und karl stocker.

ohne wenigstens kursorischer kenntnisse der soziokulturellenn zusammenhänge erschiene mir kulturelles engagement in der region sinnlos

zwischen diesen sehr verschiednen zugängen lag für mich die erfahrung, daß über den weg zur landesausstellung 2001 (“energie”) bis in die gegenwart eine legion von leuten in tourismus-büros, regionalmanagements etc. so allerhand flott dahinschrieben, was die region sei. dorch ein großteil dieser schilderungen, oft in aufwendigen print-produktionen publiziert, gibt eigentlich bloß sehr klischeehafte schilderungen in ausschnitten vom angeblich bäuerlichen und regionalen leben wieder.

wo wir uns heute um den kulturellen bereich einer eigenständigen regionalentwicklung annehmen und für diesen teil des gesellschaftlichen lebens relevante beiträge zu erarbeiten versuchen, muß einigermaßen klar sein, daß wir in der bloßen orientierung an stereotypen promt ins leere laufen und unnütz geld versenken würden.

wir können und wollen in der arbeit nicht ignorieren, was eben noch bestimmend, geradezu normativ im leben der menschen dieser region gewesen ist. was daran sozialgeschichtlich interessant erscheint, dazu erhielten wir gerade nennenswerte anregungen bei ersten „tag der agrarischen welt“.

all das bringt außerdem bezugspunkte zu gegenwärtigen problem- und aufgabenstellungen hervor. individuelle mobilität, verkehrskonzepte, ernährungssicherheit und die frage der nahrungsmittelqualität; vor dem hintergrund weltweiterfinanzkrisen und hochschnellender energie- wie nahrungsmittelpreise zur debatte gestellt.

das sind nicht notwendigerweise bevorzugte themen künstlerischer praxis. aber das sind fundamentale themen, auf denen sich kulturelles engagement aufbaut. und dabei ergibt sich dann durchaus, daß teilthemen und aspekte greifbar werden, die sich dann als künstlerische sujets nahelegen.

ich gehe inzwischen mit ganz anderen augen durch die zonen der agrarischen welt (dieses motiv hab ich allerdings aus dem norden von graz mitgebracht)

so werden wir also dem überaus komplexen thema „agrarische welt“ weiter nachgehen, werden auch interessante querverbindungen zur regional präsenten welt des high tech im auge behalten und in summe einiges beitragen können, was eine authentische vorstellung von dieser region ausmacht. genau DAS sind dann auch durchaus relevante rahmenbedingungen für ein künstlerisches geschehen und ein kulturelles klima, welches dieses künstlerische geschehen fördert.

— [das april-festival 2011] —

agrarische welt: reflexionen

historisch betrachtet: das bäuerliche leben war eine ständige schinderei, der mangel allgegenwärtig und die herrschaft konnte sich nehmen, was ihr zu nehmen beliebte. laufende dienste und abgaben. wenn unter den noblen geheiratet wurde, bedeutete das extra-steuern. wenn ihnen jemand wegstarb, war ein „besthaupt“ fällig, also das beste stück vieh aus den ställen der untertanen. (von krieg gar nicht erst zu reden.)

soziahistoriker robert f. hausmann machte uns mit einigen grundlegenden zusammenhängen vertraut

sie können quer durch österreich hotels finden, die „meierhof“ oder „alter meierhof“ heißen. lustig, daß sich die nachfahren von untertanen dort wohlfühlen sollen. meierhöfe waren einst stattliche wirtschaften der aristorkratie. da durften die bauern mit robot-leistungen zur sache gehen. frondienst, abgaben, sondersteuern …

sozialhistoriker robert f. hausmann gab uns beim „tag der agrarischen welt“ einen ersten überblick, was einige geschichtliche dimensionen des lebens in der region betrifft; und was zusammenhänge des wirtschaftens angeht. dem schloß sich kamillo hörner („volksbildungswerk steiermark“) mit deutungen der aktuellen situation an.

kamillo hörner ("volksbildungswerk steiermark") hatte eine annäherung an das thema landflucht vorbereitet

noch gegen ende des 19. jahrhunderts waren rund 90 prozent der bevölkerung im agarischen bereich tätig. heute sind es im grundlegenden sinn gerade einmal 2,5, insgesamt bis zu 5 prozent. dieser umbruch hatte seine größte schubkraft erst nach dem zweiten weltkrieg, als eine maschinisierung der landwirtschaft sowie neue saat- und düngemittel sich durchsetzten.

tierarzt karl bauer ging schließlich auf heutige produktionsweisen ein und auf aspekte der vermarktung. wenn man bedenkt, daß bei uns der großteil der lebensmittelversorgung von bloß drei handelsketten geleistet wird, kommt man schon etwas ins grübeln. was bedeutet das bezüglich preisgestaltung, qualität und versorgungssicherheit?

tierarzt karl bauer konzentrierte sich auf die themen nahrungsmittelproduktion und ernährungssicherheit

das sind einige der sachlichen bezugspunkte bei unserem ersten „tag der agrarischen welt“ gewesen, welcher auch von einer ausstellung kreativer aus der gemeinde gutenberg (im norden der „energie-region“) getragen wurde. dazu gehörte auch authentische volksmusik der formation „ob & zua“ (rund um christian nell).

es kam in wetzawinkel eine fülle von denkanstößen daher, die wir nach dem „april-festival“ reflektieren und in weitere arbeitsschritte einbringen möchten. gespräche vor ort haben schon gezeigt, daß wir daraus auch für künstlerische arbeiten anregungen beziehen.

eine klare gegenposition zum flachen und geistlosen geschrumpel im mainstream-radio: die gruppe "ob & zua"

obwohl ich mir diesen themen-fokus selbst gewünscht habe und ihn gemeinsam mit karl bauer erarbeiten konnte, war ich dann überrascht, wie groß die reichweite der teilthemen ist, um in unser aller leben hereinzureichen, und wie deutlich wir auf anhieb eben auch für künstlerische vorhaben bezugspunkte finden konnten.

wie im vorigen beitrag erwähnt, wir haben schon eine themenstellung für 2012: an: “leben: die praxis der zuversicht”

— [april-festival] —
— [die region: hofstätten/raab] —

agrarische welt

wir führen in der oststeiermark erst recht kurze zeit ein überwiegend urban geprägtes leben mit dem standard eines wohlhabenden landes. städtische lebensweise hat ihre spuren auch in ruhige winkel des landes getragen.

aktuelle wirtschaftliche und strukturelle umbrüche legen nahe, unsere vorstellungen zu überprüfen: was IST diese region? und wie ist es in so kurzer zeit dazu gekommen? hierbei nützt ein wenigstens flüchtiger blich in die geschichte.

was geschah, als die bauern plötzlich eigentümer des landes wurden, das sie bebauten? die gesetztliche grundlage dazu ist nicht gar so alt. es geschah 1848. (damals entstanden auch die jetzigen bezirkshauptmannschaften.)

sozialhistoriker robert hausmann ist ein profunder kenner jener entwicklungen, die unserer gegenwärtigen lebensart unmittelbar vorausgegangen sind

wie wirkte es sich auf die oststeiemark aus, als die eisenbahn fertig war und plötzlich billiges getreide aus ungarn verfügbar wurde? was ereignete sich, als im ersten und auch im zweiten weltkrieg die traditionellen selbstversorger-landwirtschaften den zwang erlebten, nun für den markt, also für andere produzieren zu müssen?

wer weiß noch, daß elektrizität und fließwasser in den meisten häusern erst NACH dem zweiten weltrieg eingeleitet wurden? wem ist bewußt, welche veränderungen in genau jener zeit plötzlich traktoren, düngemittel und neue futter-arten brachten?

das sind eine menge offene fragen hinter jenem annehmlichen lebensstil, den wir augenblicklich genießen und der hier, jenseits von graz, in vielen bereichen längst wieder bedroht ist. 1848, 1918, 1946, einige historische markierungen in den rund 160 jahren, die das leben unserer leute radikal verändert haben.

foto-künstler christian strassegger erforscht in einem mehrjährigen prozeß den statu quo der region auf visueller ebene

sie ahnen vielleicht, diese kleine skizze beruht auf einem gespräch, das ich gerade mit dem sozialhistoriker robert f. hausmann geführt habe. er war schon einmal so freundlich, für eines unserer projekte einen vortrag zu erarbeiten, der von den historischen hintergründen eben dieser zeitspanne handelte.

diesmal wird er für unseren kommenden „tag der agrarischen welt“ das thema „landwirtschaft. vom gestern zum heute“ faßbar machen. wir sind nämlich in unserer mentalität nicht so „modern“ wie in unserem lebensstil. es dürfte also nützlich sein, jene lebens- und arbeitsbedingungen zu betrachten, von denen unsere leute über hundert generationen geprägt wurden.

— [tag der agrarischen welt] —
— [april-festival] —

im licht zu kontrasten

manchmal ist ein hartes licht nötig, um in den aufkommenden kontrasten zu sehen, wo man steht. als kulturschaffende sind wir launige „beleuchter“ …

die flache kultur-steckdose stammt von fotograf christian strassegger, der auch das heurige cover-motiv für unser „april-festival“ geliefert hat. mit ihm habe ich eben ein längerfristiges teil-projekt von „kunst ost“ erörtert, das am nun ersten tag der agrarischen welt anknüpft.

die „kultur-steckdose“ von christian strassegger

es geht uns um die „sichtbarmachung“ der rationalen und emotionalen zusammenhänge, in denen sich die oststeiermark zu ihrem gegenwärtigen status herausgebildet hat; vor dem hintergrund ihrer komplexen sozialgeschichte. das hier schon skizzierte spannungsfeld zwischen agrarischer welt und high tech ergibt dabei eine spezielle herausforderung.

wir streben einen prozeß an, der sich deutlich vom werbeagentur-geschwätz unterscheidet, durch das uns nun schon so oft der blick auf unseren lebensraum verstellt wurde. das handelt dann zum beispiel auch von motiven, wie sie mir der vormalige bauernbub sepp gauster geschildert hat. eben noch ist gleisdorf ein „straßendorf“ gewesen, von landwirtschaften geprägt, die teils nur ein sehr karges leben erlaubten.

unternehmerin jaqueline pölzer und der vormalige bauer sepp gauster

gauster hat seinerzeit die kleine landwirtschaft, der er entstammt, hinter sich gelassen, ist der agrarischen welt aber stets verbunden geblieben. unternehmerin jaqueline pölzer ist einen umgekehrten weg gegangen. sie erschloß sich mit ihrem mann tino vor einigen jahren ein stück eben dieser agrarischen welt.

pölzers betrieb, in dem essig und senf erzeugt werden, ist zugleich seit jahren immer wieder ereignisort kultureller vorhaben: [link] ein weiterer bezugspunkt für uns, um formen einer kooperation im kulturbereich zu erproben, die nicht auf antiquierte art davon handeln, daß „wir“ von den „geldigen“ geld erbitten, um etwas realisieren zu können; in solchen klischeehaften polarisierungen würde hier nichts interessantes entstehen.

es geht statt dessen um das ausloten von kooperationsformen, in denen die beteiligten ganz unterschiedliche rollen finden. unsere station bei pölzer ist dem „kuratorium für triviale mythen“ gewidmet: [link]

unternehmer richard mayr beim finish für seinen ausstellungsbeitrag

völlig anderer art ist die kooperation mit apotheker richard mayr und zwei weiteren gleisdorfer unternehmern (franz lukas und andreas turk). sie sind selbst als kreative in das „april-festival“ eingestiegen und haben miteinander eine komplexe reflexion über den lebensraum gleisdorf erarbeitet.

diese verfahrensweisen bezwecken nicht bloß künstlerische ergebnisse, sondern haben auch den zentralen sinn, daß höchst unterschiedliche akteurinnen und akteure mit einander zu einer kulturellen praxis finden, die ja konkret erprobt werden muß.

dieser erfahrungsprozeß handelt von vollkommen verschiedenen positionen, interessenschwerpunkten und lebensstilen. eben dieser kontrastreichtum bildet ja etwas davon ab, was diese region real ausmacht.

— [april-festival] —

umbrüche

die kälte ist gebrochen, der winter scheint sich zurückzuziehen. die unruhe in der landespolitik korrespondiert mit einiger nervosität auf regionaler ebene. von bürgermeistern kann man erfahren, daß etwas wir kampfstimmung aufkommt. der anlaß dafür sind momentan gar nicht so sehr die finanzprobleme des landes, sondern die damit verknüpften ideen neuer gemeinde-zusammenlegungen.

herta tinchons personale im gleisdorfer "MIR" wird vom "april-festival" abgelöst

ein künstlerischer kontrast zu all dem trubel: heute ist noch ein letzter besuch der personale von herta tinchon im gleisdorfer „MIR“ möglich. (siehe dazu auch: querschnitte„!) bald wir dort für unser „april-festival“ aufgebaut. vor „mayr’s tee & design“ künden schon die ersten plakatständer davon.

im alltäglichen sprachgebrauch heißt es immer noch „obstbaufachschule“, formell aber „Fachschule für OBST-Wirtschaft und EDV-Technik“. die rede ist von unserer location in wetzawinkel, wo wir den „tag der agrarischen welt“ realisieren, einen auftakt, um dieses große thema längerfristig zu behandeln.

arbeitstreffen in wetzawinkel (von links): karl bauer, christian nell, kamillo hörner und dagobert eberdorfer (rechts die hände von bürgermeister werner höfler)

dieser themenkomplex berührt den gewaltigen umbruch von agrarischer welt zur industriemoderne. die meisten von uns führen heute ein urbanes leben, doch mentalitätsgeschichtlich ist die „alte welt“ noch sehr präsent. und die nennenswerte gegenwart der agrarischen welt in neuen formen wird dabei gerne übersehen.

so loten wir aus, was diese region geprägt hat, nachdem sich innerhalb weniger jahrzehnte die lebensbedingungen in dieser region radikal geändert haben.

— [april-festival] —

april-festival: aktueller stand

Wir durchleuchten heuer Zusammenhänge im regionalen Leben zwischen agrarischer Welt und High Tech, zwischen trivialen Mythen und realen Strategien der Krisenbewältigung. Es geht gewissermaßen um die Praxis der Zuversicht.

Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. Die soziokulturelle Drehscheibe „kunst ost“ schafft für diese kulturelle Möglichkeit einen Rahmen. Es geht um eine Versuchsanordnung, in der grundverschiedene Kreative Gelegenheit finden, gemeinsam für einige Wochen zu einem größeren Ganzen zu finden.

(coverfoto: christian strassegger)

Mit dem Thema des „April-Festivals“ 2011 – „elektrisiert“ – widmen wir uns dem Funken, der uns bewegt, um auf die Zukunft aktiv zugehen zu können.

Heuer haben wir erstmals das Formieren völlig autonomer „Location Crews“ angeregt, um so eine Organisationsform einzurichten, in der die teilnehmenden Personen selbst mehr Verantwortung für das Ganze tragen, in der zugleich die Prinzipien eigenständiger Regionalentwicklung in eine aktuelle Praxis überführt werden.

Wir haben außerdem innerhalb des „April-Festivals“ 2011 Schwerpunkte gesetzt. Neben den „Tagen der Kunst“ realisieren wir andere „Thementage“, wie etwa einen „Tag der agrarischen Welt“, einen „Tag der trivialen Mythen“ oder einen „Nikola Tesla-Tag“. (Tesla ist jener herausragende Ingenieur, dessen Erfindungen zu Grundlagen der Elektrifizierung der Welt wurden: [link])

In der praktischen Umsetzung des Festivals ergibt sich eine spezielle Referenz an die „Energie-Region“, indem heuer eine Gruppe Kunstschaffender aus Gutenberg, das zu den nördlichsten Gemeinden der Region zählt, in Wetzawinkel (Hofstätten), der südlichsten Gemeinde in der „Energie-Region“, gastiert. Zugleich haben wir in dieser Gesamtveranstaltung erstmals ein kulturelles Zusammenwirken der „Kleinregion Gleisdorf“ erreicht und so eine Praxis-Situation geschaffen, um mit solchen Anforderungen der Regionalentwicklung weitere Erfahrungen sammeln zu können.

+) Eine kurze Übersicht der Orte und Veranstaltungen: [link]
+) Das Programm mit den Akteurinnen und Akteuren: [link]
+) Laufende Notizen zur inhaltlichen Entwicklung dieses Festivals: [link]

Für „kunst ost“
Martin Krusche, Künstler
Mirjana Peitler-Selakov, Kunsthistorikerin
Nina Strassegger-Tipl, Kulturmanagerin

P.S.:
In unserer Arbeit bündeln wir vier Genres, die wir zu einander in Wechselwirkung bringen, damit Menschen mit sehr unterschiedlichen Intentionen und Talenten Anknüpfungspunkte finden: Alltagskultur, Voluntary Arts, Kunsthandwerk und Gegenwartskunst. Siehe dazu auch: [link]

unter strom stehen

wir hocken in der „energie-region“, sind ein bissl außer atem, weil es über mehrere monate ein ziemliches gerenne gewesen ist, damit uns in diesem kulturprojekt nicht der saft ausgeht, nun wüßte ich gerne, wo ich schnell meine batterien aufladen kann; ein liegestuhl und zimmerservice wären auch nett, aber dazu fehlen jetzt einfach zeit und mittel.

sie merken schon, ich bin nicht ganz ernst aufgelegt, obwohl der stand der dinge eine ernste angelegenheit ist und der lauf der dinge mir durchaus zu schaffen macht. dann habe ich aber auch meine freude am status quo, weil es bisher gar nicht so öd werden konnte, daß nicht auch einige menschen durch ihr engagement zeigen, wie für alle mehr rausschaut, wenn einige konsequent zusammengreifen.

"kunst ost"-aufkleber; eine idee von christian strassegger

ein beispiel: fotograf christian strassegger hat mir gerade diese witzige lösung eines motivs für einen „kunst ost“-aufkleber zukommen lassen. tja! woher kommt der strom? und woher kommen die ideen? und wie schaffen wir es, dem kulturbetrieb die nötigen strukturen zu erhalten, wo doch so viele leute leichtfertig dahinfragen: „za wos brauch ma des?“

ich kann es ja gerne erklären. belassen wir es augenblicklich bei der kurzform; mit folgender gegenfrage: „genügt ihnen der arbeitsalltag, also ein leben von dienstbeginn bis dienstschluß? oder darf es im leben auch sonst noch um etwas gehen?“ (autsch! ich bin heute einfach zu polemisch gestimmt.)

elisabeth wiedenhofer ist beim kommenden "april-festival" die "schlüsselperson" für die gutenberger gruppe aus gutenberg

themenwechsel! menschen mit engagement. da wäre zum beispiel elisabeth wiedenhofer, die sehr spontan und ohne viel umschweife die verantwortung für eine komplette „location crew“ übernommen hat. so ist im rahmen des kommenden „april-festivals“ der „tag der agrarischen welt“ auch mit einem satten künstlerischen beitrag ausgestattet.

wir haben dieses prinzip der „location crews“ im vorjahr eingeführt. der sinn liegt darin, daß wir zwar kooperations-situationen mit verschiedenen kleingruppen zustande bringen, die über einzelnen „schlüsselpersonen“ mit uns für das jeweilige vorhaben verbunden sind, daß aber INNERHALB der jeweiligen „location-crew“ autonomie herrscht, was meint: da reden wir den leuten nicht drein, wie sie ihren part gestalten.

das bedeutet auch: wer konkrete verantwortung übernimmt, hat auch entscheidungsgewalt; wie zum beispiel im fall von elisabeth wiedenhofer: sie ist sozusagen die verwalterin der „programmhoheit“ für die „location wetzawinkel“.

das sind wichtige details, denn es hat sich hier gezeigt, was auch irmgard hierzer als „schlüsselperson“ einer gleisdorfer „location crew“ erlebt hat: man gerät mitunter an kreative, die nur ihren eigenen vorteil im auge haben und darin durchaus geneigt sind, die entscheidungen einer „schlüsselperson“ auf umwegen aushebeln zu wollen …

so würde eine kollektive anstrengung für einzelne zum „selbstbedienungsladen“. ich sehe das in der geschichte von „kunst ost“ nicht zum ersten mal. und ich werde nicht zum ersten mal das „riff“ sein, an dem solche ego-touren steckenbleiben …

— [april-festival] —