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Die Künstlerhaus-Debatte #5

Der Staub legt sich, Klarheit nimmt zu

Das Grazer Feuilleton ist gerade nicht um große Klarheit in der Sache bemüht. Aber angesichts des Joanneum-Jubiläums mit seinen Themen darf man das vielleicht auch augenblicklich kaum erwarten. Immerhin gingen sich ein paar schneidige Headlines aus.

Wer wird über das Künstlerhaus verfügen können?

Und immer wieder mein Gedanke: Was kann zur Zeit gewußt werden? Künstlerin Eva Ursprung müht sich mit großer Zähigkeit, beim Ordnen und Klären des Status quo Transparenz herbeizuführen. Ich muß ein paar Punkte aus dem vorigen Eintrag [link] revidieren. Wo steht also die Sache inhaltlich und wer ist in der Sache aufgestellt?

Mir scheint, wir haben momentan
a) eine „Diskurs-Partie“ und
b) eine „Konzept-Partie“
… natürlich mit einigen Überlappungen.

Aus der „Diskurs-Partie“ kam kürzlich ein sehr interessantes kulturpolitisches Papier, das ich deshalb „Einser-Papier“ nenne, weil es das erste kohärente Dokument ist, das in dieser laufenden Debatte als profunde Arbeitsgrundlage für den Weg zu Handlungsplänen dienen könnte. Es trägt den Titel „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ [link]

Dieser Text ist von 15 Personen unterzeichnet, unter ihnen so versierte Kräfte wie Reinhard Braun oder Astrid Kury. Inzwischen erfahre ich, daß auch der schon erwähnte, aber noch nicht publizierte „30-Seiter“ von diesen Personen stammt. Hier scheinen sich also inhaltliche Kompetenz und praktische Erfahrung zu bündeln, um einen kulturpolitischen Diskurs zu speisen. Das klingt für mich sehr vielversprechend.

Unter dem gleichen Titel, nämlich „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“, hat übrigens auch Joanneum-Boss Peter Pakesch eine Stellungnahme veröffentlicht: [link]

Dann wäre da noch das „Manifest“ der IG Kultur Steiermark, in meiner Diktion: „Der Wunschzettel“. Dieser Wunschzettel ist, so erfuhr ich, das Ergebnis einer Session von „15 am papier beteiligten künstler*innen und kulturschaffenden“, die auch Teil jener themenbezogenen Mailinglist sind, zu der die IG Kultur eingeladen hat. Eva Urpsung betont allerdings, daß die IG Kultur hier zwar Promotorin sei, doch nicht die „big mama“ dieser Runde.

Dort haben sich im Augenblick rund 40 Personen aus der Branche eingefunden. Die Page: [link] Das PDF-Dokument: [link] Wollen wir doch voller Zuversicht annehmen, daß 15 Leute aus unserem Metier die Kraft haben, aus einem simplen Wunschzettel noch ein richtiges „Manifest“ zu machen. Die Kommunikation nach außen soll sich bei dieser wachsenden Gruppe über jene schon erwähnte Website ereignen, die seit gestern online ist: [link]

Künstlerin Eva Ursprung

Eva Ursprung ringt energisch darum, daß sich eine möglichst heterogene Community in jene Prozesse einlassen möge, welche zu einem Konzept führen sollen, die auf ein selbstverwaltetes Haus weisen. Dabei geht es ihr um „die erprobung basisdemokratischer, kollaborativer prozesse“; eine sehr anspruchsvolle Intention.

Ein selbstverwaltetes Haus ist höchstwahrscheinlich nicht ganz nach dem Geschmack der „alten Verbände“, die momentan von Künstlerin Beate Landen vertreten werden. Die Ansprüche dieser Verbände haben a) historische Dimension und werden b) in der Repräsentanz von rund 400 steirischen Kunstschaffenden begründet. Ein Konzept der Verbände soll bei Landeskulturreferent eingelangt sein; neben einigen anderen Konzepten, deren Absender Buchmann genannt hat, deren Inhalte wir noch nicht kennen: [link]

Peter Pakesch hat zum Thema Künstlerhaus schon wissen lassen, er könnte zwar, müßte aber nicht unbedingt: [link] Im Grazer Stadtmuseum herrscht eher Zurückhaltung bezüglich Mitteilungen. Die Kleine Zeitung berichtete im Oktober: „Museumschef Otto Hochreiter ist für diesen Vorstoß offen, er hat auch bisher im Stadtmuseum regelmäßig Ausstellungen Grazer Künstler gezeigt.“ Es gehe um einen Dialog mit den Vereinen: [link]

Nun bin ich neugierig, was der 30-Seiter zeigen und zur Debatte stellen wird, ob aus dem IG Kultur-Wunschzettel noch ein richtiges Manifest wird und was der Landeskulturbeirat über die eingereichten Konzepte verlautbaren wird. Es ist also eine Zeit, in der nun gestellte Ansprüche mit Taten unterlegt werden müssen.

[Die Debatte: Übersicht]

Die Künstlerhaus-Debatte #3

Die Selbstachtung zurückholen!

Der Titel kommt muskulös daher: „Peter Weibels Paukenschlag im Joanneum“. Im Text kracht es dann nicht so recht. Aber der Bericht „Zur Eröffnung des verplanten Joanneumsviertels eine großartige und plausible Ausstellung über den ‚Selbstmord der Kunst‘ – von Günter Brus bis Damien Hirst.“ in der Presse [Quelle] läßt doch erahnen: Sollte gesehen werden!

Eben wurde die Ausstellung "Selbstmord der Kunst" eröffnet (Foto: UMJ / N. Lackner)

Die zwei Kunstheoren im Vorspann – Brus und Hirst – sind von der Autorin bemerkenswert ausgewählt; sicher nicht die interessantesten Burschen in dieser Geschichte, aber immerhin welche, auf die auch ein an Kunst völlig desinteressiertes Publikum zu reagieren vermag. (Skandal-Potenzial!)

Eine besonders wichtige Passage im Text von Sabine B. Vogel scheint mir folgende zu sein: „Das Entscheidende sei die Ablösung der Repräsentation durch die Realität. Erst wurde der Gegenstand mit der Abstraktion aus der Malerei vertrieben, dann kam er als reales Ding wieder zurück.“

Das ist ein Zusammenhang, den wir bis heute nicht angemessen unter die Leute gebracht haben. Da läßt auch das steirische Feuilleton keine besonderen Ambition erkennen, eine größere Anstrengung zu erbringen. Damit meine ich, Kunstschaffende (quasi als „primäre Akteurinnen und Akteure“), Kunstgeschichte und Feuilleton haben es bis heute weder miteinander noch gegeneinander geschafft, eine allgemeine und grundlegende Kenntnis dessen zu verbreiten oder wenigstens allgemein ruchbar zu machen. Da liegt also noch viel Arbeit vor uns.

Marcel Duchamp, Boîte (Die große Schachtel, Foto: CROCE & WIR, Graz)

Zur Zeit geht es in den Debatten rund um das Grazer Künstlerhaus unter anderem auch um Ansprüche der steirischen Berufsvereinigung Bildender Künstler und Künstlerinnen. Daher sei aus einem Bericht zu deren aktueller Ausstellung „Mit Hirn“ zitiert: „Wohl uneinlösbar: der Anspruch der ambitionierten Schau, gewissermaßen die letzten Fragen des Kunstbetriebs beantworten zu wollen.“ [Quelle]

Das Motiv der „letzten Fragen“ ist der Metaphysik entlehnt. Diese radikalen Fragen mögen zwar die Kunst selbst betreffen, aber es würde mich sehr wundern, wenn der Kunstbetrieb damit, nämlich mit „letzten Fragen“, aufwarten könnte. Wenn also ein ganzes Kollektiv Kunstschaffender Fragen nicht beantworten kann, die ohnehin nicht gestellt werden, wovon erzählt der Autor dann NICHT, indem er diese Passage schrieb?

Falls das nun etwas verwirrend klingt, darf ich bekräftigen: Es IST verwirrend. Wovon reden wir denn da die ganze Zeit, wenn wir über die Kunst und den Kunstbetrieb sprechen? Ich hab hier kürzlich ein kulturpolitisches Papier deponiert, das von einem bemerkenswert besetzten Konsortium verfaßt wurde und eine sehr gute Grundlage für eine kulturpolitische Debatte abgibt: [link]

Inzwischen las ich allerdings: „Der Appell der heterogenen Gruppe ist kein Schnellschuss: Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“ [Quelle] Satte 30 Seiten? Wie bedauerlich, daß ich die nicht finden kann. Dabei ist etwa die IG Kultur schon eine Weile damit befaßt, diese Diskurse voranzutragen, hat dieses Papier ja auch mitverfaßt.

In der steirischen Netzkultur-Szene geht es im Netz etwas schleppend voran.

Werde ich bei der IG fündig? [link] Leider nein! Diese IG hat uns eine eigene Themen-Website avisiert: [link] Dazu hieß es kürzlich: „Morgen geht die Homepage dann ONLINE…“ Leider nein!

Ich muß keine böse Absicht unterstellen, es genügt, daß wir, die „Initiativenszene“, allein schon durch unser Kommunikationsverhalten und die von uns entworfene Mediensituation genau zu der „Seilschaften-Lage“ beitragen, die wir gerne kritisieren.

Denn es ist zeitraubend, sich relevante Informationen über den Status quo zusammenzutragen. Also haben nur Kleingruppen entsprechendes Wissen zur Verfügung, die geben es aber nicht adäquat weiter. (Das läuft letztlich auf eine Art Anhäufung von „Herrschaftswissen“ hinaus, das hinter diversen Kulissen gelagert wird.)

Seit Wochen oder Monaten könnte mindestens ein WIKI laufen, das von der steirischen Community gefüttert würde, damit wir eine leicht findbare Evidenzstelle für verfügbare Informationen hätten. Haben wir aber nicht. Wir? Eben! Das wird so gerne und so leicht dahingesagt. Doch wodurch wird es konstituiert?

Mehr noch, man könnte in Panik ausbrechen, wenn man liest, wie viel Tendenz zur Selbstaufgabe in diesem steirischen Kulturbetrieb mittlerweile herrscht. Da lese ich etwa in einem Brief von Politikerin Christa Hahn: „Ausführliche Runden und Reflexionen über die Grazer Kulturpolitik, über Gelungenes und aber auch über Misserfolge und nötige Veränderungen und Reformbedarf, eine Debatte über sinnvolle und weniger sinnvolle Schwerpunktsetzungen, den Umgang mit der freien Szene, dem Auftreten der Stadt gegenüber den großen Kunsteinrichtungen oder aber auch ein lebhafter Diskurs mit der steirischen Landes-Kulturpolitik sind unter diesen Rahmenbedingungen zu meinem Bedauern nicht möglich.“ [Quelle als PDF-Dokument]

Wie beunruhigend, wenn dann auf der bisher noch toten IG-Diskurs-Website als Motto zu lesen ist: „WIR HOLEN UNS DIE SELBSTVERANTWORTUNG FÜR UNSERE ARBEIT ZURÜCK“.

Mein Vorschlag: Die Selbstverantwortung aufpolieren, denn die muß doch da noch irgendwo sein. Ich will stark hoffen, daß sie niemandem von uns genommen wurde oder womöglich von jemandem in Eigeninitiative beim Salzamt abgegeben wurde. Aber da wäre noch eine Mission zu erfüllen. Vielleicht sollten wir uns langsam unsere SELBSTACHTUNG zurückholen…

[Die Debatte: Übersicht]

Die Künstlerhaus-Debatte #2

Sachpromotoren und Machtpromotoren

Die griechische Tragödie lehrt uns: Alle sollen gehört werden! Der Buddhismus lehrt uns: Nichts ist egal! Der erste Lehrsatz des „Steirischen Buddhismus“ lautet nach Goofy Schmidt: „Mir wurscht!“

Wie lief denn das bisher im Grazer Künstlerhaus? Im Mai 2007 berichtete die „Kleine Zeitung“: „Illusionen macht sich Werner Fenz, neuer Koordinator für das Programm im Künstlerhaus Graz, nicht: ‚Mit 10.000 Euro Budget pro Ausstellung ist klar, dass wir ohne die Mithilfe der Künstler wenig machen können.’ Optimistisch, ‚den schönsten Ausstellungsraum der Stadt’ künftig markant bespielen zu können, ist er dennoch: ‚Nicht gegen Kunsthaus und Neue Galerie, sondern als sinnvolle Ergänzung.’“


Walter Titz wußte außerdem zu berichten: „Die ersten fünf Monate des Jahres gehören den fünf alteingesessenen Grazer Kunstvereinen Berufsvereinigung bildender Künstler, Künstlerbund, Sezession, Vereinigung bildender Künstler und Werkbund.“ Also eine Art House-Sharing.

Fenz hat diese leitende Funktion im Künstlerhaus voriges Jahr abgegeben. Ich fragte bei Elisabeth Fiedler nach, sie trägt ja die „Leitung Abteilung Kunst im Außenraum, Institut für Kunst im öffentlichen Raum, Österreichischer Skulpturenpark“. Ihre Präzisierung:

„Lieber Martin, es ist richtig, ich wurde im Jahr 2010 kurzfristig gebeten, die Leitung des Künstlerhauses, da es sich innerhalb meines Departments befand, zu übernehmen. Das Programm war allerdings bis auf zwei Ausstellungen im Sommer/Herbst bereits fixiert. Neben den Vereinsausstellungen hatte die Neue Galerie einen zugesagten Termin für Alois Moosbacher sowie einen für den steirischen Kunstpreis, der durchgeführt werden musste. (Die Neue Galerie aber über keine Räume mehr verfügte.)

Ich kuratierte und realisierte die beiden Ausstellungen mit Markus Jeschaunig und Albert Mayr.

Im Zuge der Umorganisierung des Joanneums im Frühjahr 2011, nach der es keine Departments mehr gibt, wurde mir die neue Abteilung ‚Kunst im Außenraum’ mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum und dem Österreichischen Skulpturenpark überantwortet. Das Künstlerhaus scheint, wohl aufgrund der noch unklaren Situation, seither in keinem Organigramm auf…“


Was die „fünf alteingesessenen Grazer Kunstvereine“ angeht, die zur Zeit Beate Landen im Prozeß neuer Konzeptionen repräsentiert, schrieb Landen zu einem „Pressegespräch am 13. Juli 2011 im Raiffeisenhof“ bezüglich ihrer Erwartungen: „Die Berufsvereinigung der Bildenden KünstlerInnen Österreichs LV Steiermark bedankt sich sehr herzlich bei Herrn Landesrat Dr. Christian Buchmann, dass er es uns, trotz der anstehenden notwendigen Sparmaßnahmen, auf kulturellem Gebiet ermöglicht, während der Sanierung des Grazer Künstlerhauses unsere Jahresausstellung ‚Ausstellung – mit Hirn’ im Kunstbad des Raiffeisenhofs zu präsentieren! Allerdings betrachten wir dieses als Übergangs- und nicht als endgültige Lösung. Die endgültige, langfristige Lösung kann nur, nach beendeter Sanierung, das Künstlerhaus sein!“

Informell erwähnt Landen auch ein juristisches Gutachten, das sie zu ihren „guten Argumenten“ zählt. Man muß kein Geistesriese sein, um aus den diversen Verbandsmitteilungen der letzten Monate herauszulesen, daß die „klassischen Fünf“ erwarten, das Künstlerhaus werde ihnen auch zukünftig wie gewohnt zur Verfügung stehen.

Man muß andrerseits kein Prophet sein, um zu ahnen: Das kollidiert sehr wahrscheinlich mit einigen der Konzepte, die wir augenblicklich noch nicht genauer kennen. Um Landesrat Buchmann erneut zu zitieren: „Es sind dies Konzepte von den Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen), von Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel, von der IG Kultur, vom Grazer Stadtmuseum, vom Künstler-Paar Nestler-Rebeau, und vom Universalmuseum.“ (Siehe dazu den Eintrag „Über das Wollen, das Können und das Werden“! [link])

Universalmuseum-Boss Peter Pakesch, zuweilen im Fokus mancher Ereignisse, als seien in der Szene noch jede Menge unbewältigter Autoritätskonflikte vorhanden, weiß natürlich, wie so ein Laden zu schmeißen wäre, hat aber schon klar gemacht, daß er nicht müssen muß. Seine wichtigste Botschaft besagt: „Wir sind auch nicht böse, wenn wir das Künstlerhaus wieder los sind. Wir haben ohnehin genug zu tun.“ Sein Befund „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ kann hier nachgelesen werden: [Quelle]

Peter Pakesch (links) und Werner Fenz im Künstlerhaus

Das ist gewissermaßen eine Antwort oder Ergänzung zum ersten Papier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“, verfaßt von einer Runde höchst unterschiedlicher Kulturschaffender, von denen die meisten auch das Know how hätten, diesen Laden zu schupfen: Reinhard Braun (Camera Austria), Sandro Droschl (Kunstverein Medienturm), Søren Grammel (Grazer Kunstverein), Reni Hofmüller (ESC), Astrid Kury (Akademie Graz), Karin Lernbeiß (Streetgallery), Margarethe Makovec & Anton Lederer < rotor >, Eva Meran (the smallest gallery), Wenzel Mracek (Kunsthistoriker, Publizist), Eva Pichler & Gerhard Pichler (zweintopf), Heidrun Primas & Andreas Heller (Forum Stadtpark), Nicole Pruckermayr (Institut für zeitgenössische Kunst, TU Graz), Johannes Rauchenberger (Kulturzentrum bei den Minoriten), Ulrich Tragatschnig (Kunsthistoriker, Journalist) und Eva Ursprung (Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz; IG Kultur); siehe dazu: [link]

Wie kann es also weiterlaufen? Wer das Landeskulturförderungsgesetz kennt, weiß auch, daß es keinen Rechtsanspruch auf Kunstförderung gibt. Das wäre, überdies, so erklärte uns Heimo Steps bei unseren „talking communities“ [link] einmal, verfassungswidrig. Also geht es darum, daß nun Sachpromotoren und Machtpromotoren Konsens finden…

[Die Debatte: Übersicht]

Scharf stellen in unscharfen Verhältnissen

Wohin ich mich auch wende, Kulturschaffende führen Klagen über den Status quo. Mir ist das kein Rätsel und wir wissen ja auch, wie es gekommen ist. Aber um das deutlich zu sagen: Ich hab keine Lust, mich selbst als „Opfer“ oder „Problemfall“ zu definieren. Und ich hab auch keine Laune, dauernd nur mit dem befaßt zu sein, was uns schwer fällt. Da müssen auch noch andere Aspekte eine Rolle spielen können.

Die laufenden Debatten sind mir überdies etwas zu dünn. Ich wünsche mir:
+) Wenn schon Polemik, dann mit Esprit!
+) Wenn schon „Flaming“, dann aber radikal und mit grober Kelle!
+) Ansonsten hätte ich es gerne lieber sehr viel sachlicher und unaufgeregter!

Am wenigsten interessiert mich das populäre Verfahren, die Selbstdefinition durch Feindmarkierung vorzunehmen. Das ist erbärmlich. Ich brauche keine Wand, gegen die ich spielen kann, um anderen klar zu machen, wer ich bin und warum ich das bin.

Als Kunst- und Kulturschaffender muß ich in der gegebenen Situation neu klären, was ich selbst zu leisten vermag, wer mich als Verbündeten akzeptieren würde und was daraus folgt, wenn ich meine Position gegenüber Politik und Verwaltung zu verdeutlichen hab.

Wenn ich am Stand der Dinge Kompetenzmängel und Stagnation feststellen muß, dann betrifft das wahrlich nicht bloß die anderen Metiers, sondern auch unseres. Also liegt mir an brauchbaren Befunden, die einer Prüfung und Debatte standhalten. Daraus sind Schlüsse zu ziehen und Handlungspläne zu entwerfen, dann geht’s los. (Ja, ich wiederhole mich.)

"kunst ost" in der aktuellen Ausgabe von "top of styria"

Mich interessiert zur Zeit natürlich sehr, was wir als Kulturschaffende überhaupt direkt mit Wirtschaftstreibenden zu tun haben können. Das ist ja keineswegs so klar und herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring führen in unserem Bereich erfahrungsgemäß eher ins Leere.

In der heurigen Jahresausgabe von „top of styria“ ist auf Seite 18 meine Zusammenfassung solcher Überlegungen zu finden: [link]

Außerdem haben wir im Rahmen unserer „Kulturspange“, einer Kooperationsebene im Kulturbereich, nun eine Reihe von Arbeitstreffen eröffnet, wo solche Annahmen, Optionen, Überlegungen debattiert werden, um in praktikable Versuche zu münden: [link]

Ich sehe die wachsende Diskussion um das Grazer Künstlerhaus als einen interessanten Anlaß, um zu klären, wo denn Kunst- und Kulturschaffende in der Steiermark momentan überhaupt stehen; vor allem auch in ihrer Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung. Deshalb fasse ich einen Teil einschlägiger Beiträge hier zusammen: [link]

Techniker Michael Toson (links) und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz im Grazer Johann Puch-Museum

Die Alltagskultur bleibt derweil nicht unberücksichtigt. Aus unserem „Kuratorium für triviale Mythen“ ist inzwischen so einiges hervorgegangen. Das bildet längst einen speziellen Fokus auf Mobilitätsgeschichte. Der hat nun eine im Plauderton gehaltene Ebene auf Facebook, an der Person Johann Puch festgemacht: [link]

Die Künstlerhaus-Debatte

Über das Wollen, das Können und das Werden

Da war nun dieses kulturpolitische Arbeitspapier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ erschienen, in dem einige exponierte Kulturschaffende den Status quo skizziert haben: [link] Gegen Ende voriger Woche hat, so höre ich, Joanneum-Boss Peter Pakesch auf das Papier geantwortet. Diese Antwort ist leider bisher im öffentlichen Diskurs nicht aufgetaucht.

Peter Pakesch läßt wissen, daß er sich sein Leben auch gut ohne das Künstlerhaus vorstellen kann

Ich denke, es bleibt unverzichtbar, alle vertretenen Positionen auch sichtbar zu machen. Die IG Kultur Steiermark hat einiges an Statements und Presse-Reaktionen zusammengetragen, im Web deponiert: [link] Andere Akteurinnen und Akteure dieses Diskussions- und Klärungsprozesses zeigen sich in ihren Äußerungen noch sehr zurückhaltend.

Von APA/OTS kam kürzlich eine Meldung, die in manchen Punkten nachdenklich stimmt. Zum Beispiel: „So forderte die IG Kultur, das seit 2003 dem Joanneum zugeordnete Ausstellungshaus am Stadtpark lokalen Kulturschaffenden zur Verfügung zu stellen. Anita Hofer von der IG Kultur meint,…“ [Quelle]

Das halte ich für problematisch, denn „lokale Kulturschaffende“ wären jene von Graz, womit auch die IG Kultur Steiermark schon wieder einmal die Steiermark ausgeblendet hätte. Immerhin hieß es an anderer Stelle: „die Öffnung für die gesamte künstlerische Szene der Steiermark“, was offenbar den Leuten in der Grazer Szene nicht ganz selbstverständlich über die Lippen kommt.

In der OTS-Meldung heißt es weiters: „Am Kunsthaus Graz ‚sehen wir ja, wie so etwas läuft’, so Hofer: ‚Steirische Künstler haben kaum Chancen, dort auszustellen.’“ Da wäre freilich, mit Verlaub, einmal zu debattieren, warum Grazer Kunstschaffende vor allem in Graz mehr Ausstellungsmöglichkeiten haben sollen, anstatt sich zu rüsten, an anderen Orten und auch möglichst weit weg auszustellen.

Veronica Kaup-Hasler fühlt sich eher nicht prinzipiell für eine steirische Heimwerker-Bewegung zuständig

Eine Frage, in der schon Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals „steirischer herbst“, seinerzeit übel genommen wurde, daß sie auf ein ähnliches Anliegen hin wissen ließ, dieses Festival sei nicht primär als Schaufenster für heimische Kräfte konzipiert.

In gewissem Sinne wäre es sogar interessant auszuloten, was geschähe, wenn heimischen Leuten zuhause nur kleine Locations zum Üben verfügbar gemacht würden, es ihnen aber ansonsten möglichst schwer fallen solle, vor der eigenen Haustür auszustellen, um ihnen Geschmack an der Ferne nahezulegen. (Drohrufe, Verwünschungen und Briefbomben für mich bitte an das Salzamt adressieren!)

Zur Sache! Wir erfahren von Pakesch überraschend: „Wir sind auch nicht böse, wenn wir das Künstlerhaus wieder los sind. Wir haben ohnehin genug zu tun.“

Das hat doch Charme! Die Zeit wäre eventuell reif, Pakesch darin beim Wort zu nehmen, sich selbst die Verantwortung für so ein bemerkenswertes Haus aufzubürden. Ja, eine Bürde ganz bestimmt, denn solcher Strukturen Vorteile zu konsumieren ist eine viel gemütlichere Hackn, als sie Jahr um Jahr in Gang und in Schuß zu halten.

Ich habe inzwischen schon den Ruf nach Selbstverwaltung hören können. Prima!

Offen gesagt, als vor einer Weile zu lesen war, daß steirische Kunstschaffende nun einig seien: „Wir holen uns die Selbstverantwortung für unsere Arbeit zurück!“, habe ich erstmals heiße Tränen der Rührung in mein Taschentuch geweint. Warum hatten wir sie so lange nicht, die Selbstverantwortung? Wer hatte sie uns geraubt? Jetzt aber!

Christian Buchmann tut jetzt genau das, was wir von einem Landeskulturreferenten erwarten würden: Er bittet den Landeskulturbeirat, die eingegangenen Konzepte zu prüfen.

Scherzchen beiseite, das sind ja ernste Angelegenheiten. Landeskulturreferent Christian Buchmann ergänzte eben meine Notizen auf INFOGRAZ um eine Stellungnahme: „…aktuell liegen mir sechs Konzepte für eine zukünftige Positionierung des Künstlerhauses vor. Es sind dies Konzepte von
den Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen)
von Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel
von der IG Kultur
vom Grazer Stadtmuseum
vom Künstler-Paar Nestler-Rebeau
und vom Universalmuseum.

Diese Konzepte wurden von mir am 2. November an den Landeskulturbeirat weitergeleitet, den ich um eine Expertise zu den Konzepten bis Ende des Jahres ersucht habe.“ [Quelle]

Der Beirat wurde heuer im Frühjahr neu besetzt: [link] Unter diesem Link findet man auch ein downloadbares PDF-Dokument mit einem aktuellen Mission Statement des Landeskulturbeirates. Angesichts des personellen Status dieser Instanz wird es mit gängigen Verschwörungstheorien etwas langweilig.

Freilich gibt es die absolute Killerapplikation der Auguren, Blitzgneißer und Propheten, nämlich ein Ansichtenbündel, wonach das alles nur Getöse sei, eine Inszenierung, die bemänteln solle, daß Entscheidungen hinter den Kulissen längst gefallen seien, daß diese nun bloß noch von quasidemokratischen Prozessen bemäntelt und legitimiert werden sollen.

Vorzüglich nutzbarer Raum in günstiger Lage: Das Künstlerhaus Graz

Das Bequeme an solchen Verschwörungstheorien ist, daß sie niemals entkräftet werden und so auch nicht aus der Welt geschafft werden können, ganz egal, wie sehr sich diese oder jene Menschen in der Sache anstrengen. Deshalb sind mir Verschwörungstheoretiker so suspekt. Sie betreiben ein dubioses Geschäft, welches kaum angemessen überprüft werden kann.

Da bewegen wir uns also jetzt im Bereich von Glaubensgegenständen, zu denen jemand vor allem einmal sein eigenes Credo einreihen kann. Ich mach das hier gleich: Diese lahme Verschwörungstheoretisiererei ist eine letzte Zuflucht jener, die sich nicht aufraffen möchten, um Klärungen zu ringen. Selbst ein inspirierender Dissens ist harte Arbeit. Diese Arbeit muß nun gemacht werden. Schauen wir, dann sehn wir schon!

[Die Debatte: Übersicht]

Zur Lage der bildenden Kunst in Graz

Ich hab gerade mit einem kleinen Beitrag auf der INFOGRAZ-Website zusammenzufassen versucht, wo die Debatte rund um die zukünftige Nutzung des Grazer Künstlerhauses steht: [link]

Inzwischen scheint auch der ÖFFENTLICHE Diskurs inhaltlicher Fragen in die Gänge zu kommen. Das hat übrigens die GANZE Steiermark sehr nötig. Immerhin neigt sich mehr als eine Ära interessanter kultureller und kulturpolitischer Entwicklungen merklich ihren Enden zu. Das erzeugt Klärungsbedarf.

Ich denke, einer der wichtigsten Klärungsbereich ist dabei die Frage nach etwas mehr kategorialer Trennschärfe zwischen Gegenwartskunst und Voluntary Arts. Ein aktuelles Grazer Thesenpapier betont überdies das Anliegen, die angewandten Bereiche, das Kunsthandwerk und Bereiche der Creative Industries von der Kunst zu unterscheiden.

Ich hab eben von Künstlerin Eva Ursprung dieses sehr anregende Statement erhalten. Ich gebe das Dokument hier in vollem Umfang wieder:

ZUR LAGE DER BILDENDEN KUNST IN GRAZ

Gemeinsame Thesen und Forderungen der unterzeichnenden Kulturproduzierenden.
Adressiert an Kulturpolitik, Kulturjournalismus und Kunstpublikum

Der politische Rahmen der Bildenden Kunst in Graz ist verbesserungswürdig. Der rasche Wechsel der zuständigen PolitikerInnen, falsche Weichenstellungen und das Ausbleiben sinnvoller Kurskorrekturen haben über Jahre ein Szenario entstehen lassen, in dem das Verständnis für ein funktionierendes Gesamtbild des Grazer Kunstbetriebs verloren gegangen ist. Übereilte oder nicht nachhaltig konzeptionierte Projekte, die politisch gewollt und an den Kulturproduzierenden vorbei initiiert wurden, haben ihr übriges zu dieser Situation beigetragen.

Heute muss festgestellt werden, dass der besondere Status und die Bedeutung der bildenden Kunst in Graz von dem die Stadt über Jahrzehnte profitiert hat, der Kunstschaffende und Kunstinteressierte aus unterschiedlichen Ländern anzog und mit dazu führte, dass man sich 2003 Kulturhauptstadt Europas nennen durfte – in dieser Form nicht mehr erkennbar ist. Diese Bewertung wird auch außerhalb von Graz geteilt, wie sich an der abnehmenden überregionalen Wahrnehmung von Institutionen und Projekten zeigt.

Gerade mittlere und kleine Kunstinstitutionen, die zahlreichen Initiativen der freien Szene wie auch die KünstlerInnen müssen erkennen, dass sich ihre Arbeitsbedingungen kontinuierlich verschlechtern. Es herrscht eine zu große Kluft zwischen den wenigen großen, öffentlichkeits-wirksamen Prestigeprojekten, die sich PolitikerInnen und kleine Interessensgruppen leisten, und den vielen unabhängig agierenden, jedoch durchwegs unterfinanzierten Institutionen und Initiativen. Diese sind es aber vor allem, die sich dem avancierten, experimentellen, für neue Tendenzen und Ideen offenen Bereich künstlerischer Produktion und Vermittlung widmen.

Insgesamt verliert Graz zunehmend den Charakter eines vielfältigen, produktiven Labors aktueller Fragestellungen und künstlerischer Strategien, durch die sich die Stadt auf der internationalen Landkarte der zeitgenössischen Kunst positioniert hat. Ein solches produktives Labor entspricht jedoch der Größe der Stadt, ihrem Profil und ihrem Potenzial viel mehr, als das Nachahmen einer repräsentativen Kultur- und Tourismuspolitik der Metropolen. Dem experimentellen Klima der Grazer Kulturlandschaft, das einst das besondere Profil von Graz und dessen überregionalen Ruf mitbegründet hat, fehlen mittlerweile die geeigneten Rahmenbedingungen, um sich in einem ständig verändernden internationalen Kunstkontext spezifisch zu positionieren.

Darüber hinaus hat sich ein Kontroll- und Effizienzdenken gerade gegenüber den unabhängigen Institutionen und Initiativen durchgesetzt, das mit Hilfe von inadäquaten Bewertungskriterien eines tradierten Institutionsdenkens (BesucherInnenzahlen, Werbemaßnahmen, etc.) das Ungleichgewicht der Mittelverteilung zusätzlich verstärkt. Dadurch wird ein pseudo-ökonomisches Modell in Umlauf gebracht und versucht, es als Maßstab für die Art und Weise der Arbeit mit zeitgenössischer Kunst zu befestigen: „Für die Kulturindustrie wird der Begriff der ‚Öffentlichkeit‘ (…) durch den Begriff ‚des Marktes‘ ersetzt, der Warenaustausch und Konsum als Modi des Zugangs und der Artikulation impliziert.“ (Simon Sheikh)

Welche Probleme lassen sich konkret benennen?

(1) der rasche Wechsel der zuständigen PolitikerInnen verunmöglicht eine Kontinuität der Kommunikation und erschwert so die längerfristige Umsetzung von Konzepten und Schwerpunkten
(2) die Unverhältnismäßigkeit der Verteilung finanzieller Mittel zwischen den wenigen großen Einrichtungen, die unter kulturpolitischem Einfluss stehen und den vielen unabhängigen Institutionen und Initiativen; so fließen etwa seitens der Stadt Graz mehr als 90 % der Mittel, die unter dem Titel Bildende Kunst ausgegeben werden in eine einzige Einrichtung, das Kunsthaus
(3) damit einhergehend die Konzentration der Definitionsmacht über Kunstproduktion und Kunstrezeption
(4) mangelnde Entwicklungsoptionen von unabhängigen Institutionen und Initiativen
(5) das Auftreten der Kulturpolitik nicht nur als Ermöglicherin sondern als eigener Veranstalterin
(6) inkompetente Umsetzung von Kunst- und Kulturprojekten durch politik-eigene Gesellschaften
(7) Die Vermischung der Begriffe „Kunst“ und „Angewandte Kunst“ bzw. die Einverleibung der Freien Künste in die „Creative Industries“
(8) Perspektivenlosigkeit junger Kunstschaffender und in Folge deren Abwanderung mangels adäquater Kunstausbildung und kaum Möglichkeiten, mittels Kunstproduktion zu überleben
(9) Mangel an freien, offenen, selbstverwalteten Ateliers und Präsentationsräumen
(10) mangelhaftes Lehrangebot neuester Kunstgeschichte an den universitären Einrichtungen
(11) schließlich eine zunehmende Prekarisierung von Kunstschaffenden und KunstvermittlerInnen
Diese Diagnose deckt sich in vielen Punkten mit den Ergebnissen der aktuellen Evaluierung der Kulturförderung der Stadt Graz. Die hier geäußerte Kritik kann nicht als reine Interessenspolitik einer Handvoll AkteurInnen abgetan werden. Sie wird vielmehr von Vielen mitgetragen, in der Sorge um den Kunststandort Graz. Die Kulturpolitik von Stadt Graz und Land Steiermark ist aufgerufen, zur Rettung des Kunststandorts Graz tätig zu werden!

Aus diesem Grund fordern wir:

(1) Ein klares kulturpolitisches Bekenntnis zu Graz als Standort zeitgenössischer bildender Kunstproduktion, Präsentation und Vermittlung. Damit einhergehend das Bekenntnis, diese Bereiche finanziell entsprechend auszustatten, anstelle Gelder weiter in Neu- oder Umbauten von Hüllen zu stecken, die kaum mehr mit adäquatem Programm und Inhalt gefüllt werden können
(2) eine Umverteilung der vorhandenen Budgetmittel hin zu kleineren und mittleren, unabhängigen Institutionen und Initiativen
(3) internationale Ausschreibung und Transparenz bei der Vergabe von Stellen im Bereich der großen Kunsteinrichtungen
(4) ein Ende der Ämterakkumulation bei den großen Kunsteinrichtungen und unabhängige künstlerische Leitungen insbesondere für das Kunsthaus Graz, die Neue Galerie und das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark
(5) einen Stopp der öffentlichen Hand als Veranstalter im Kunstbereich
(6) Einbindung internationaler ExpertInnen in mittel- und längerfristige kulturpolitische Entscheidungen
(7) Unterstützung von KünstlerInnen bei der Einrichtung selbstverwalteter Atelierhäuser anstelle topdown zur Verfügung gestellter Flächen
(8) die Einrichtung einer (universitären) zeitgemäßen Kunstausbildung in Graz, die eine durchgehende Präsenz internationaler ExpertInnen vor Ort ermöglicht, den internationalen Austausch befördert und junge Kunstschaffende an Graz bindet
(9) Fair Pay im Bereich von Kunst- und Kulturproduktion, um einer Prekarisierung sowohl von Kunstschaffenden als auch von KunstvermittlerInnen vorzubeugen
Die UnterzeichnerInnen sehen ihre – durchaus unterschiedlichen – Formen der Arbeit mit zeitgenössischer Kunst nicht als „Versorgungsleistung“ von KunstkonsumentInnen, die ihr Votum über den Kauf von Eintrittkarten abgeben oder als BesucherInnenstatistik unsere Arbeit legitimieren. Wir weisen auch den Anspruch zurück, Orte der Repräsentation für Kulturpolitik zu sein. Unsere Ausstellungsräume, Publikationen, Projekte und Interventionen eröffnen vielmehr Räume für die Ausbildung und Übung anderer Fähigkeiten und Erfahrungen als jene, die den scheinbar unhintergehbaren Anforderungen einer postulierten neo-liberalen Gesellschaft unterworfen werden. Experimentell heißt vor allem, diese Räume für ein anderes Denken nicht nur künstlerischer, sondern auch allgemeiner Interessen offen zu halten.

Wir erwarten uns von der Kulturpolitik keine ausgefeilten Strategiepapiere oder kulturpolitische Leitlinien, sondern eine kompetente und durch Kontinuität gekennzeichnete Auseinandersetzung, die sich an den tatsächlichen Bedingungen der Arbeit der vielen AkteurInnen im Kunstfeld orientiert, die die Notwendigkeit einer internationalen Vernetzung erkennt und die nicht allein die lokale Sichtbarkeit und die dadurch gegebenen lokalen Repräsentationsmöglichkeiten zum Maßstab nimmt. Ideen, Konzepte und Schwerpunkte, die sich längerfristig positiv auswirken, gibt es längst, vor allem aus den Reihen der ProduzentInnen selbst.

Graz, am 7.11.2011

Reinhard Braun, Camera Austria
Sandro Droschl, Kunstverein Medienturm
Søren Grammel, Grazer Kunstverein
Reni Hofmüller, ESC
Astrid Kury, Akademie Graz
Karin Lernbeiß, Streetgallery
Margarethe Makovec & Anton Lederer, < rotor >
Eva Meran, the smallest gallery
Wenzel Mracek, Kunsthistoriker, Publizist
Eva Pichler, Gerhard Pichler, zweintopf
Heidrun Primas, Andreas Heller, Forum Stadtpark
Nicole Pruckermayr, Institut für zeitgenössische Kunst, TU Graz
Johannes Rauchenberger, Kulturzentrum bei den Minoriten
Ulrich Tragatschnig, Kunsthistoriker, Journalist
Eva Ursprung, Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz; IG Kultur

[Die Debatte: Übersicht]