Schlagwort-Archiv: april-festival 2011

agrarische welt #1

vergangenen sommer fuhr ich mit dem gleisdorfer tierarzt karl bauer in das kosovo: [link] ich besuchte mit ihm und seinem kosovarischen kollegen skifter ajvazi mehrere bauern und verschiedene einrichtungen der agrarischen welt. meine tage in diesem geschundenen land, auf den spuren der beiden tierärzte, haben mich allerhand darüber gelehrt, wie landwirtschaft noch heute stark mit unserem leben zusammenhängt, selbst wenn das – wie in meinem fall – ein urbanes leben ist.

die tierärzte skifter ajvazi (links) und karl bauer beim besuch eines kosovarischen bauernhofes

diese eindrücke und unsere diskussionen während der langen autofahrten waren für mich wesentliche impulse, in diesem „april-festival“ das thema „agrarische welt“ näher zu beleuchten; zumal die region, in der wir leben, ja nicht einfach eine „energie-region“ ist, sondern ein komplexes soziokulturelles gebilde, das sich in einem spannungsfeld zwischen dem agrarischen und high tech entwickelt, entfaltet hat.

anfang des vorigen dezembers haben wir das mit werner höfler, dem bürgermeister von hofstätte, debattiert: [link] von da an war es für uns ziemlich klar, daß wir ein großes thema vor uns haben, dessen verflechtung mit der (regionalen) industrie-welt einiger beachtung wert ist: [link] wir nahmen uns vor, dagobert eberdorfer nach möglichkeit für dieses vorhaben zu gewinnen.

debatte in wetzawinkel (von links): tierarzt karl bauer, schulleiter dagobert eberdorfer und kamillo hörner, leiter "steirisches volksbildungswerk"
debatte in wetzawinkel (von links): tierarzt karl bauer, schulleiter dagobert eberdorfer und kamillo hörner, leiter "steirisches volksbildungswerk"

als direktor der „obstbaufachschule wetzawinkel“, genauer: Fachschule für OBST-Wirtschaft und EDV-Technik“, ist er hausherr einer einrichtung, die auch tradition in kulturveranstaltungen hat; ganz zu schweigen von der inhaltlichen relevanz des ortes für unserer themenstellung.

direktor eberdorfer hat sich unserem projekt angeschlossen und wir werden in wetzawinkel unseren ersten „tag der agrarischen welt“ realisieren. mit im boot (besser: im traktor ;-)) kamillo hörner, der das steirische volksbildungswerk leitet.

mit hörner haben wir beim „april-festival“ 2010 in wetzawinkel eine wichtige session zum thema kunsthandwerk gehabt. [das skriptum online: link] während unserer schritte richtung  die fachschule gab es vor einigen tagen übrigens eine Böse Überraschung“ („Kleine Zeitung“) für den schulleiter, die ihrerseits gewissermaßen ein statement zu unserem thema ist. ich möchte daraus schließen: wir sind zeitgerecht am richtigen punkt …

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

Ausstellung: wheels

Emil Gruber, Martin Krusche und Franz Sattler sind drei Künstler, die dem „Kuratorium für triviale Mythen“ angehören. In einem dialogischen Prozeß loten sie einige Zusammenhänge aus, die das Thema „Fetisch Automobil“ berühren. Damit bezieht sich das Trio regional auch auf den Veranstaltungsort, auf ein industriell geprägtes Vorfeld von Albersdorf/Prebuch, in dem Zulieferbetriebe der Automobilindustrie ansässig sind.

emil gruber (links) und franz sattler sind reisende mit leidenschaft

Die Ausstellung „wheels“ ist ein gemeinsames Statement, in dem der Mythos untersucht wird, durch den das Automobil zur wuchtigsten „Kultur-Maschine“ unserer Spezies wurde. Vehikel, Projektionsfläche, Status-Symbol, auch Container für die verrücktesten Inhalte.

Da wir an der Schwelle zu völlig neuen Vorstellungen von (Massen-) Mobilität stehen, erscheint es lohnend, jene Klischees, Krisen, Mythen und Phantasmen, die uns an diesen historischen Fahrzeugtyp fesseln, zu überprüfen.

martin krusche ist der gründer des "kuratorium für triviale mythen"

Das Künstler-Trio geht dabei von einem Bruce Springsteen-Song („Thunder Road“) und einer Fotografie Sattlers aus, entwickelt jenseits dieser Markierungen ihr aktuelles Ensemble des „Avantourismus“.

Gruber, Krusche und Sattler setzen damit einen Kontrapunkt zum „Tag der agrarischen Welt“, welcher im Rahmen des „April-Festival“ 2011 von „kunst ost“ einen anderen Schwerpunkt der „Kleinregion Gleisdorf“ ausmacht. Das ergibt zugleich einen Pol in jenem Spannungsfeld der „Energie-Region“, das sich sozialgeschichtlich zwischen dem Agrarischen und High Tech aufblättert.

Ausstellung: „wheels“
Emil Gruber, Martin Krusche und Franz Sattler
(„Kuratorium für triviale Mythen“)
Eröffnung: 16.4.2011, 19:00 Uhr
Albersdorf/Prebuch, Gemeindezentrum

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

april-festival 2011: elektrisiert

Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. Die Stimmen zu erheben ist in diesem Fall auch metaphorisch gemeint und bezieht sich auf das Einsetzen der jeweils bevorzugten Kommunikations- und Gestaltungsmittel.

das plakat-motiv für dieses festival stammt von christian strassegger

Das sind soziokulturelle Aufgabenstellungen. Wir erproben bei „kunst ost“ verschiedene Möglichkeiten, solche Prozesse herbeizuführen. Das Jahresthema 2011 lautet „elektrisiert“. Es geht dabei um den Funken, der uns bewegt, um auf die Zukunft aktiv zugehen zu können.

Bei der Arbeit am Teilprojekt ungleich/ist gleich kam für uns ein zentraler Aspekt der ganzen Geschichte zum Vorschein; gewissermaßen eines der großen Themen menschlicher Gemeinschaft: Die Bewältigung der Wildnis.

Das meint nicht etwa die Beherrschung der Wildnis, denn diese Idee ist ein Phantasma, welches uns die Natur regelmäßig herunterräumt. Aber die Bewältigung der Wildnis als ein Ringen um Lebensräume, in denen die Menschenwürde sichere Orte hat, das ist eine große Aufgabe, die ohnehin nur in einzelnen Schritten angepackt werden kann.

Wir durchleuchten heuer Zusammenhänge im regionalen Leben zwischen agrarischer Welt und High Tech, zwischen trivialen Mythen und realen Strategien der Krisenbewältigung. Es geht gewissermaßen umd die Praxis der Zuversicht.

— [zum aprilfestival 2011] —

aviso: ungleich/ist gleich

Als versierte Unternehmer repräsentieren sie ein Stück des Gedeihens dieser Region: Franz Lukas ist Handwerker, Richard Mayr Apotheker und Andreas Turk Ingenieur. Damit verkörpert das Trio symbolisch die Planung, die Herstellung und den Handel.

Das ist freilich nicht die einzige Weise, in der diese sehr unterschiedlichen Männer hier zu einander in Beziehung gesetzt werden. Jeder von ihnen ist ein exzellenter Fotograf. Ihre bevorzugten Modi, dieses künstlerische Medium einsetzen, sind so kontrastreich wie ihre Lebensgeschichten.

von links: andreas turk, richard mayr und franz lukas

So war es reizvoll, Lukas, Mayr und Turk für einen Prozeß zu gewinnen, in dem eine komplexe Aufgabenstellung zu einem gemeinsamen Ergebnis, einem gemeinsamen Statement führen soll. Dabei entstand der Auftakt einer Reflexion über das Leben in der „Energie-Region“.

Daraus ergibt sich ein Ensemble von visuellen Äußerungen gemäß der Vorstellung von Künstler Martin Krusche, die besagt: Falls diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, wenn die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben, indem sie dabei ihre bevorzugten Kommunikations- und Gestaltungsmittel einsetzen.

Das wäre „Poiesis“, also Poesie, in einem sehr grundlegenden Sinn. Lukas, Mayr und Turk setzen das nun in einer gemeinsamen Ausstellung fotografischer Arbeiten um.

Ausstellung: „ungleich/ist gleich“
Franz Lukas, Richard Mayr und Andreas Turk
(im Dialog mit Martin Krusche)
Eröffnung: 14.4.2011, 19:00 Uhr
Gleisdorf, Ingenos

— [ein beitrag zum april-festival 2011] —

nikola tesla labor

unser „april-festival 2011“ ist dem thema „elektrisiert“ gewidmet. wir untersuchen dabei einige der grundlagen unserer kultur, wie sie hier in der region zur zeit konkret erlebbar sind. das handelt von einem spannungsfeld zwischen agrarischer welt und high tech, das berührt energie-fragen und den fundamentalen umbruch in unseren vorstellungen von (massen-) mobilität.

warum sind das nun auch themen der kunst? im umfeld von „kunst ost“ haben sich zwar manche kreative weitgehend nur fragen der ästhetik verpflichtet, doch die meisten leute fragen auch nach den bedingungen ihres tuns, also nach unseren lebensbedingungen.

eine „kunst ost“-exkursion führte in das „nikola tesla labor“, wo wir uns einige zusammenhänge der hochspannungstechnik darlegen ließen

zu den praktischen formen dieses fragens gehören auch besuche wie jener im grazer „nikola tesla labor“. der techniker werner lick vom „institut für hochspannungstechnik und systemmanagement“ [link] demonstrierte und erläuterte einige grundlegende vorgänge, welche die „elektrifizierung der welt“ ausmachen.

wir hatten schon bei unserem besuch in einem werk für elektromotoren [link] festgestellt, daß sich aus solchen exkursionen nicht nur wissen über zusammenhänge gewinnen läßt, sondern auch ästhettische anregungen aus den konkreten anlagen der jeweiligen technologie ergeben. das wird sich wohl in manchen künstlerischen arbeiten niederschlagen.

werner lick vom „institut für hochspannungstechnik und systemmanagement“ führte uns auf einem kurzbesuch in die hochspannungs-welt

ähnlich erlebten wir es auch beim besuch der ausstellung „roboterträume“, durch die uns medienkünstler niki passath geführt hatte: [link] das bedeutet keineswegs, sich nun ausschließlich technologischen themenstellungen zu widmen.

unsere werkzeuge bilden unsere vorstellungen vom menschen und der welt ab. außerdem wirken sie in der verwendung auf uns verändernd zurück. es sind also sehr komplexe prozesse von massiven wechselwirkungen, in denen wir unsere werkzeuge verstehen, benützen und gelegentlich hinter uns lassen …

ida kreutzer im „einraum“

ida kreutzer, deren ausstellung „women“ momentan im gleisdorfer „einraum“ zu sehen ist, sagte in einem interview: „Außerdem finde ich es interessant, dass Frauen, wenn man sie zum ersten Mal fotografiert, immer wieder versuchen werden, süß, sexy oder attraktiv auszuschauen. Das hat mich angespornt, hinter diese Kulisse zu gelangen und die Persönlichkeit – soweit dies möglich ist – zu fotografieren.“ [quelle]

ida kreutzer bei ihrer vernissage in gleisdorf

dieses hinter die kulissen blicken als grundlage künstlerischer praxis fürht dann auch in ganz andere winkel unserer kultur. so wird kreutzer als experimentalbäckerin ein set beim kommenden april-festival bestreiten, zu dem sich anschließend der medienkünstler und robotiker niki passath gesellt.

es geht uns um einen kühnen genre-mix, in dem keine hierarchischen konzepte weitergeschrieben werden, was zu ärgerlichen verengungen führen müßte. wir ringen um einen praktikablen modus, in dem verfahrensweisen kombiniert werden, die vormals innerhalb eines „bürgerlichen bildungskanon“ eher streng getrennt waren.

in der debatte (von links): bernhard kober, winfried lechner und karl bauer

bei der aktuellen ausstellungseröffnung habe ich in einem der gespräche ein sehr anregendes statement erhalten. winfried lechner, architekt und einer der geschäftsführer von „ingenos.gobiet“ meint: „das ergebnis ist der tod der entwicklung.“

eine radikale überlegung als gebot, sich unverzüglich die nächsten schritte vorzunehmen, wenn man gerade bequem auf einem zwischenergebnis sitzt.

besuch in gutenberg

gutenberg ist eine der nördlichen gemeinden der „energie-region“. werner höfler, bürgermeister die südlichsten gemeinde in der „energie-region“, nämlich höfstätten, hatte uns zugestimmt: es wäre eine interessante geste, die kunstschaffenden von gutenberg nach wetzawinkel einzuladen. siehe dazu: zwischen landwirtschaft und high tech“!

damit ist auch der größere themenrahmen genannt, innerhalb dessen wir darangehen, längerfristig auszuloten, was denn diese region in ihrem kern ausmache, eben: „zwischen landwirtschaft und high tech“. ich habe dabei im tierarzt und gleisdorfer kulturausschuß-mitglied karl bauer einen sachkundigen kooperationspartner zur seite.

karl bauer (links) im gespräch mit kunstschaffenden von gutenberg

wie bezeichnend, daß sich im auftaktgespräch jene zwei positionen zeigten, zwischen denen dann auch ganz andere zugänge sichtbar wurden: hier die bäuerin, die von ihrem arbeitsalltag sagt: „in der landwirtschaft gibts’s so viele sachen, die nicht sichtbar sind.“ mit ihrer künstlerischen arbeit macht sie dann ganz andere erfahrungen.

bürgermeister thomas wild schätzt das künstlerische engagement der runde, auch indem er es praktisch unterstützt

da die vormalige industriearbeiterin (trafo-bau), die erzählt, daß die künstlerische tätigkeit für sie eine wichtige möglichkeit war, zur harten arbeit des alltags einen gegenpol zu haben, abschalten zu können. künstlerische praxis als das feld, das man betritt, um das reich der alltagsbewältigung zu verlassen, um etwas über sich und die welt herauszufinden …

das war der auftakt mehrerer arbeitsgespräche, in denen sich die gutenberger über einen möglichen beitrag, ein gemeinsames künstlerisches statement zu unserem „tag der agrarischen welt“ beim „april-festival“ 2011 verständigen wollen. das ist keine fixe formation in der kleinen gemeinde nahe weiz, sondern eine sehr kontrastreiche runde kreativer menschen, die sich gelegentlich über gemeinsame interessen verständigen.

[april-festival 2011: notizen & reflexionen]

was ist kunst? #8

können sie sich unter einem „wow-effekt“ etwas vorstellen? es ist gewissermaßen die triviale variante von „kathedrale!“ markanter effekt, heftige reaktion. so in der art. ja, das ist schon etwas, worauf in der kunst nicht unbedingt verzichtet wird. die etwas zurückhaltendere deutung dessen meint ungefähr einen „erhebenden moment“. das kann auch auf „andere zustände“ hinauslaufen. solche „alterated states“ kennen wir nicht nur durch die einnahme verbotener substanzen, der eigene leib produziert kraftvolle stoffe, die unsere wahrnehmung verschieben und uns in solche anderen zustände versetzen. menschliche kultur handelt seit ewigkeiten davon, was auch immer an mitteln und methoden dazu führt.

ob es also nun um eher triviale momente geht, ob wir uns feierlich fühlen und erhoben sein möchten, erhoben über alltägliche zustände, stets sind das intensive wahrnehmungserfahrungen. der hooligan, dem es während eines fußball-matches völlig die sicherungen schmeißt, tobt da vermutlich auf einem ähnlichen bedeutungs-kontinent wie die kunstfreundin, die von einem entzücken über besonderen kunstgenuß gerade auf wolken schwebt.

der reisende und fotograf emil gruber pendelt mit seiner liebhaberei ausdauernd zwischen trivialen artefakten und hochkarätigen kunstgegenständen

vermutlich würde man beim durchforschen unserer gehirne mit einem scanner feststellen, daß dabei – fußball-match oder kunstgenuß – einerseits höchst unterschiedliche neuronen-ensembles feuern, aber ich stelle mir vor, es gibt dabei andrerseits auch viele übereinstimmungen. kleiner einschub: was immer wir tun, was immer uns bewegt, es bildet sich in gehirnaktivitäten ab. es wird durch physikalische und chemische ereignisse, die heute durch verschiedene „bildgebende verfahren“ gut sichtbar gemacht werden können, in unseren köpfen repräsentiert. diese oder jene gehirnegionen zeigen dann „leuchtende“ aktivitäten, was vergleiche der anlässe und ereignisse zuläßt.

franz sattler, fotograf und wandelndes gegenkonzept zu stubenhockern, verzichtet auf große gesten und zieht kontinuierliche arbeit vor.

aber diese neuronale ebene interessiert mich im augenblick gar nicht weiter. wir sind als spezies offenbar ziemlich darauf versessen, „wow-effekte“ oder „kathedrale!“-momente zu erleben, ganz egal, wodurch wir sie auslösen und auf welche weise sie sich einlösen. in der wirtschaft bediebnt man sich dieser neigung von menschen ebenso wie in anderen branchen.

und die effekte selbst? kulturelle und soziale konventionen regeln hierarchien solcher momente. in meinen kindertagen galt etwa die polarisierung „schundhefte“ (comics) versus „das gute buch“ als turnierplatz des ringes um kulturelle exzellenz. ein anderer nebenschauplatz ist jener der „kitsch oder kunst“-debatte. aber das sind irgendwie bloß zeitbezogene konzepte der dünkelhaftigkeit, falls sich daraus frontstellungen ableiten. viele von uns finden aus dem „entweder-oder“ in das „sowohl-als-auch“.

ich hab derlei fragen gerade mit den beiden fotografen emil gruber und franz sattler erörtert. in dieser debatte hat gruber den begriff „kathedrale!“ als metapher verwendet. das gefällt mir und erscheint mir für unser thema passend. wir sind akteure des „kuratorium für triviale mythen“. es beschäftigt uns daher ein mögliches ineinandergehen von so unerschiedlichen positionen; nämlich was da einerseits der gegenwartskunst zugerechnet werden kann, was andrerseits sache der populärkultur ist. gegenwartskunst und produkte der pop-kultur sind nicht generell von einandner zu unterscheiden. überlappungen, interferenzen, trugbilder und falschmünzerei ergeben in summe ein gedeutungsgefüge, da war es vergleichsweise simpel, zu sagen: beethove, leonardo, thomas mann!

wir kinder des popismus und des kalten krieges haben uns eine kompliziertere welt angeeignet, als es alte eliten für möglich halten wollten. das macht mir dann auch als künstler viel freude, aber es muß stets unter der androhung massiver verunsicherung gelebt werden.

ich dar für uns drei — gruber, sattler und mich – behaupten, daß wir in unseren leidenschaften keine grenzen zwischen diesen feldern zur kenntnis nehmen; im sinne von: demarkationslinien, an denen wir uns aufhalten würden. es ist auch nicht so, daß unser gemeinsames tun vor allem auf einen „wow-effekte“ oder „kathedrale!“-moment zielen würde. als künstler wählen wir fragestellungen, mit denen wir uns befassen möchten. wir wählen uns gemeinsame aufgabenstellungen.

unsere erfahrung besagt, das führt sehr verläßlich zu besonderen momenten, zu anderen zuständen. das ist einfach so, aber es ist kein „hauptereignis“ in unserem künstlerischen tun. sie ahnen schon, das praktische tun, die erfahrungen, das erlebnis des kritischen austausches, nein! bitte nicht die floskel, daß der weg das ziel sei! wir haben uns nämlich keine bestimmten ziele gesetzt. es ließe sich bestefalls sagen: der weg ist der weg. das hat nun entweder eine sehr buddhistische anmutung oder es ist leeres geschwätz, also lassen wir das.

künstler betreiben künstlerische praxis. wir sammeln dabei erfahrungen mit höchst unterschiedlichen codes und mit fragen, wie man sie verwenden kann. wir tun derlei – jeder für sich – lange genug, daß erwartet werden darf, diese prozesse werfen gelegentlich brauchbare ergebnisse ab. ich kennen kolleginnen und kollegen, die sich dabei dann mit großen gesten hervortun. auch recht! mir egal. das präsentationsgeschäft zähle ich zu den sozialen agenda, nicht zu denen der kunst. marktschreierei halte ich für banal, aber ich ignorirer nicht, daß sich ohne solche zutaten nur schwer geschäfte machen lassen.

gesellige regung und gesellschaftliche relevanz halte ich für zwei grundverschiedene vorkommnisse. ich will nicht so tun, als wäre mir das ringen um sozialprestige völlig gleichgültig. wahrgenommen zu werden, reaktionen auf das zu erfahren, was einem gelingt, das sind ja früchte, die ich auch ganz gerne nach hause trage. zugegeben, wie jedes milieu seinen jargon bildet und seinen verhaltens-kodex entwickelt, ist das „zurückhaltungs-gebot“, welches mir gefällt, im kern auch bloß pose. oder aber doch: haltung? also etwas, das inhalt ist und inhalt ausdrückt?

[überblick]
emil gruber, martin krusche, franz sattler: „wheels

aktion und reflexion

das aktuelle arbeitsjahr von „kunst ost“ wird verstärkt der idee gewidmet sein, aktion und reflexion beieinander zu halten. kunstpraxis in einigen konkreten veranstaltungs-vorhaben. kompetenz-gewinne durch eine kontinuierliche auseinandersetzungen mit fragen zur kunst. debatten und konkrete schritte quer durch die region.

reisen und fotografie unverzichtbare grundlagen: emil gruber (links) und franz sattler beim lokalaugenschein für „wheels“

ein beispiel, wie dabei auch „unscharfe zonen“ geschätzt werden: unser kuratorium für triviale mythen ist eingerichtet, um die grauzonen und die überlappenden felder zwischen alltagskultur und gegenwartskunst zu bearbeiten. aktuell lösen wir das im „avantourismus“-projekt wheels ein. (das steht seinerseits bewußt im kontrast zum „tag der agrarischen welt“.)

eine spezielle anordnung haben wir in jenem „work in progress“, für das sich drei unternehmer der region eingefunden haben … um selbst eine persönliche rolle im kulturgeschehen der gegend einzunehmen, die zu einem gemeinsamen künstlerischen statement führen soll: [link]

ausstellungsräume, diskursräume, aktionsräume ...

inzwischen bereiten wir weitere station der „konferenz in permanenz“ und der „talking communities“ vor, außerdem besuchen wir demnächst das hochspannungslabr der TU in graz. das knüpft an schritte an wie etwa kürzlich der gemeinsame besuch der ausstellung „roboterträume“: [link]

wie erwähnt: aktion und reflexion in einem fluß der ereignisse. all diese möglichkeiten fließen augenblicklich in das kommende „april-festival“; die wachsende übersicht: [link]

wheels

gruber, sattler und ich … wir sind drei männer, die knapp nach der mitte des 20. jahrhunderts geboren wurden. das ist insofern von bedeutung, als wir mit einem sozialen versprechen aufwuchsen, das während des zweiten weltkrieges formuliert wurde: „ihr werdet ALLE am kommenden wohlstand teilhaben!“

dieses große versprechen hatte ein zentrales kultobjekt, ein vehikel, das sehr bald selbst zum materiellen ausdruck dieses versprechens wurde: das automobil. emil gruber, franz sattler und ich stammen aus eher proletarischen milieus. in unseren kindertagen war der erwerb eines eigenen autos eine soziale sensation mit enormen konsequenzen.

franz sattler

zugleich sind wir kinder der pop(ulär)kultur. eine gewaltige kulturelle bewegung, die auf kunst und wirtschaft gleichermaßen radikal einfluß genommen hat. ein soziokulturelles phänomen, das in wenigen jahrzehnten weltumspannende präsenz und wirkung erreichte.

wenn wir uns nun in der „energie-region“ diesem themenkomplex widmen, dann bedeutet das, wir bearbeiten fundamente dieser (industrie-) gesellschaft, wir gehen den rätseln, fragen und anforderungen nach, die am beginn des neuen jahrhunderts offensichtlich sind. diese ganze geschichte, zugleich ein populäres mythengebilde, ist nicht nur gelegentlich anlaß für kriege gewesen, es ist auch eines der zentralen momente jener umbrüche, in die wir mittlerweile gestürzt sind.

emil gruber

was ist also das große ganze und wie zeigt es sich in seiner regional erfahrbaren dimension? welche erzählungen klingen dabei an und welche politischen kräftespiele erreichen uns in diesem zusammenhang?

das trio gruber-krusche-sattler setzt dazu beim kommenden april-festival einen akzent in der gemeinde albersdorf, welche stark vom industriellen geschehen im vorgelagerten raab-tal geprägt ist. das trio wird über mittel der bildenden kunst und der literatur ein gemeinsames künstlerisches statement erarbeiten, das in einem foto von franz sattler und einem song von bruce springsteen seinen ausgangspunkt hat.

so entsteht die ausstellung „wheels“. sie ist ihrerseits kein isoliertes einzelereignis, sondern der impuls für ein längerfristiges projekt, in dem wir den weiten horizont der gesamten themenstellung ausleuchten werden.

an einer stelle des springsteen-songs „thunderroad“ heißt es: „we got one last chance to make it real / to trade in these wings on some wheels. die flügel und die räder; in kombination eine nun schon jahrhundert-metapher für mobilität …

„wheels“ ist ein weiterer „avantourismus“-akzent, initiiert vom „kuratorium für triviale mythen“.

+) april-festival: „elektrisiert“
+) avantourismus
+) kuratorium für triviale mythen