Archiv für den Monat: Februar 2012

das kühle extrazimmer 17

Ein paar Tage keine Neuigkeiten, eine Panne, die Website kurz vom Netz weg, schon ist es auch das Publikum… weg. Klar? Klar! Naja, keine große Sache, nichts, was irreparabel wäre. Aber es fehlt dadurch eben ein praktisches Bindeglied zwischen einer räumlich verstreuten Community.

Die Publikumsfrequenz ist sofort dahin, wenn nichts läuft

Wo andere Kulturinitiativen fixe Häuser bevorzugen, an die sie ihr Publikum binden, ist „kunst ost“ eine hauslose Initiative. Das bedeutet, wir residieren in einem KOMMUNIKATIONSRAUM. Und dafür ist die Webpräsenz ein wichtiges Fundament.

Ich hab freilich über die Jahre keinen Beleg gefunden, daß die Website ein wichtiger Diskursraum wäre. Direkter Feedback ist die rare Ausnahme. Dazu ein amüsantes Beispiel. Zu einem Zeitpunkt, da hier schon rund 300 Beiträge publiziert waren, erreichte mich folgende Botschaft:

>>hallo krusche, ich bin vielleicht ein pedant, aber, wenn du konsequent die kleinschrift verwenden willst dann solltest du “letzten 20 Jahre” vermeiden. lg bernhard<<

Das bezog sich also auf einen einzelnen Tippfehler in „die erfahrung von weng“ [link] Angesichts einer Inhaltsfülle, die frei zugänglich ist und zur Debatte steht, bloß so eine Petitesse zurückzumelden, das illustriert auf verblüffende Art den Zustand unsere kulturellen Lebens. Da haben wir also noch viel Arbeit vor uns.

Gelegentlich blitzt im Lauf der Dinge ein interessantes Posting auf, viel tut sich auf die Art aber nicht. Am lebhaftesten waren hier bisher Leute, die ich schließlich blockieren mußte, weil sich schnell herausstellte, daß sie Revisionisten sind, die ganz ausdrücklich serbische Kriegsverbrechen in Bosnien-Hercegovina leugnen: [link]

An diesen Leuten war nicht nur erstaunlich, welche Ansichten sie vertraten, sondern auch ihr Versuch, Webspace und Publikum, also im Web etablierte Öffentlichkeit, zu okkupieren, sozusagen bei „kunst ost“ auf mögliche Trittbretter zu springen.

Ansonsten neigen Kunst- und Kulturschaffende überwiegend nicht zu konsequenter Netzpräsenz sowie zu öffentlichen Diskursen ihrer Anliegen und Angelegenheiten. Eines der betrüblichsten Beispiele ist jene Community, die seit etwa Sommer 2011 Zugriff auf das neu gestaltete Grazer „Künstlerhaus“ fordert, sich aber seit Monaten nur über einen weitgehend toten Briefkasten der Öffentlichkeit mitteilt: [link]

Andrerseits kann man bei uns leicht erleben, daß ein Andersdenken gegenüber den vorherrschenden Ansichten einer Community im Web postwendend als undemokratisch gedeutet und entsprechend geahndet wird. Da waren meine jüngsten Erfahrungen in einer Kontroverse mit dem Filmemacher Heinz Trenczak sehr aufschlußreich; der offene und öffentliche Meinungsaustausch gipfelte in der Unterstellung „polizistischen“ Verhaltens und dem Aviso an meinen Herausgeber, er werde mit rechtlichen Schritten zu rechnen haben; siehe „Lizenz zum Zetern“: [link]

Es ist also die Webpräsenz Kulturschaffender bei uns nicht primär das Erschließen eines zusätzlichen Aktionsraumes, in dem Telepräsenz und Telekommunikation unseren realen Handlungsspielraum erweitern würden. Websites werden doch meist nur als „Schaufenster“ und „Ablagesysteme“ genutzt, viele Informationen landen dort im Modus „fire and forget“.

In „Winden und wimmern“ habe ich skizziert, welche kulturpolitische Arbeit in der Steiermark schon geleistet, verschriftlicht und sogar der Behörde übergeben wurde, Arbeit, die ja auch in Dokumenten auf diversen Websites verfügbar ist, während wesentliche Diskurslinien der Gegenwart nicht einmal an die Höher dieser Inhalte herankommen: [link]

Das bedeutet praktisch, diese Arbeitspapiere sind zwar im Web abgelegt, wurden aber in meiner Branche eher nicht rezipiert — „fire and forget“ –, weshalb anscheinend auch viele kulturpolitischen Kontroversen inhaltlich stets bei annähernd Null beginnen dürfen.

Wir sind also in Fragen einer lebhaften Netzkultur, die Medienzugänge auf der Höhe der Zeit nutzen könnte, noch nicht ganz in dem Bereich angelangt, den der kulturpolitische und strukturelle Status quo des Landes nahelegen würde. Daher meine Frage: Machen wir was?

— [netzkultur: der überblick]

Oberdorf 33

Die Kunst bekommt einen Bezugspunkt. Oberdorf erreicht man zum Beispiel von St. Ruprecht aus, vorbei an Schloß Stadl, auf dem Weg zu einem bedeutenden Naturereignis der Region.

Das Haus liegt an einem der Eingänge zur Raabklamm: [link] Seine Basis war einst ein Preßhaus, also ein Ort der Weingewinnung. Dieser ebenerdige Bereich [link] ist heute als Ausstellungsraum adaptiert, wie das ganze darüber liegende Geschoß für Kulturveranstaltungen bereit steht.

Hilde Sowinz will hier einen längerfristigen Galeriebetrieb etablieren. So verknüpft sie ihre Emotionen für die Kunst und ihren Geschäftssinn, um an einem ungewöhnlichen Ort in der Region einen fixen kulturellen Bezugspunkt zu schaffen und sich dort ein Publikum zu erarbeiten.

Das Haus Oberdorf 33 ergibt so auch den Galerienamen

Diese Ambitionen und Überlegungen teilt Sowinz mit dem St. Ruprechter Hans Gesslbauer. Der ist seinerseits gewillt, in räumlich mäßiger Distanz zu Oberdorf einen ähnlichen Bezugspunkt zu schaffen, einen Ausstellungsraum zu eröffnen. Präsenz und Kontinuität sind zwei wesentliche Aspekte, unverzichtbare Grundlagen, um der Kunst abseits von Zentren Räume aufzubauen.

Hilde Sowinz und Hans Gesslbauer

Hier sind also weitere engagierte Menschen am Werk, um der Region ein paar neue kulturelle Facetten zu verleihen. Der formelle Auftakt für diese Ereigniskette wird sich innerhalb des kommenden „April-Festivals“ ereignen. Am Freitag, dem 13. April 2012, eröffnet Sowinz um 19:00 Uhr die Ausstellung „natürlich-künstlich“ (Ein Leben, inspiriert von der Natur) mit Arbeiten von Hans Gesslbauer, Adolf Gsell und Johann Vidrich.

[April-Festival 2012]

Wovon handelt Kulturpolitik? #17

Ich verfolge den „Speakers Corner“ im Kulturteil der „Kleinen Zeitung“ schon eine Weile. Dabei geht es um Fragen der Kulturpolitik, um die Einschätzung des Status quo. Eines der offenkundigen Schwerpunktthemen ist dabei der Mangel an Wertschätzung, den Kunst- und Kulturschaffende erleben und betonen.

(Quelle: Kleine Zeitung)

Ich kenne das gut, es ist fast so was wie ein übliches „Berufsrisiko“ geworden, dss sich laufend einlöst. Dazu kommt ein auffallender Mangel an Sachkenntnis bei recht vielen Funktionstragenden in Politik und Verwaltung sowie in diversen privatwirtschaftlichen Institutionen der Meta-Ebene.

Die Mängelliste könnte fortgesetzt werden. Aber das bringt uns nichts, wir kennen den Problemkatalog ohnehin in vielen Ausfertigungen. Einen wichtigen Punkt möchte ich noch anfügen, der in solchen Erörterungen gerne unterschlagen wird. Auch unter meinen Kolleginnen und Kollegen stelle ich manchmal einen deprimierenden Mangel an Sachkenntnis fest. Das führt gelegentlich zu sehr skurrilen Diskurs-Momenten.

Der Job ist Gerade nicht vakant...

Was machen wir nun? Ich hab kürzlich eine — meiner Meinung nach — wichtige Ursache für diesen Stand der Dinge skizziert: „Was (nicht) zu übersehen war“ [link] Die konsequente Abwertung von Wissensarbeit und von Kulturarbeit bei gleichzeitig erschreckendem Verfall der Bezahlung solcher Arbeit ist ein umfassendes Phänomen, dem wir uns während der letzten 25 Jahre leider nie konsequent und womöglich kollektiv gewidmet haben.

Daher ist für mich eine der vorrangigen Fragen, mit welchen Mitteln sich die Wertschätzung für Wissens- und Kulturarbeit wieder anheben läßt, was auch verlangt, daß die Reputation unserer Berufe wachsen muß, daß wir unser Sozialprestige in die Höhe bringen sollten.

Aus verschiedenen sachlichen Zusammenhängen nehme ich nicht an, daß uns dabei herkömmliche Methoden der PR-Arbeit nützen würden. Es sind wohl auch kaum Budgets verfügbar, um einschlägige Kampagnen zu fahren. Ich nehme an, daß wir
a) über berufliche Kompetenz, die sich in Arbeitsergebnissen zeigt, punkten können,
b) über fundierte kulturpolitische Ansichten und deren Vertreten in öffentlichen Diskursen Boden gewinnen werden und
c) mittels zeitgemäßer Formen von Kooperation Terrain sichern mögen.

Damit meine ich ausdrücklich NICHT anschwellende Phrasendrescherei und Polemiken, die keiner genauern Debatte standhalten. Ich meine auch NICHT das klagende Verkünden von harten Arbeitsbedingungen und das herbeten von Krankheitsbildern, denn: Wer will das hören? Wir sind Weltmeister in Sachen Burn out, ganz Österreich pflegt das. (Jede Supermarkt-Kassierin im Teilzeitjob, die ein kleines Kind zuhause hat, kann in Belastungsfragen sicher locker mit mir mithalten.)

Ich würde es vorziehen, daß wir erst einmal — quasi branchen-intern — beginnen, angemessene Strategien zu entwickeln und best practice herauszuarbeiten. Das kann NICHT bedeuten, diese Leistung erst zu erbringen, wenn die Politik uns endlich mehr Geld rüberschiebt. (Auch die Geldfragen bedürfen neuer Verhandlungszusammenhänge.) Das muß uns primär aus eigenen Stücken gelingen; allein um der Autonomie willen.

Zugleich meine ich, daß wir unter den Funktionstragenden aus Politik und Verwaltung Boden gewinnen sollten. Ich will sie in Kooperationssituationen eingebunden sehen. Ich will erreichen, daß wir für gemeinsam gewählte Aufgaben auch gemeinsam Verantwortung übernehmen. Das mag ja in Graz nicht gar so leicht zu bekommen sein, in kleineren Gemeinden ist das selbstverständlich denkbar und machbar.

Außerdem hat unsere praktische Erfahrung gezeigt, daß es unter Wirtschaftstreibenden etliche gibt, die finden an einer Reihe Fragestellungen gleiches Interesse wie wir. Also suche ich mir jene aus, die mit uns gemeinsame Aufgabenstellungen erwägen würden, bei denen wir unser Know how und unsere Ressourcen bündeln können.

Der entscheidende Punkt in dieser Vorgangsweise ist die Modusänderung. Ich gehe nämlich nicht zu Geschäftsleuten und sage zu ihnen: „Gebt’s uns ein Geld, wir machen dann schon!“ Ich sage: „Was können wir uns gemeinsam vornehmen? Welche Rolle im regionalen Kulturgeschehen könnt Ihr Euch vorstellen, um zu einer Stärkung des kulturellen Klimas beizutragen?“

Klar, das ist ein viel weiterer und aufwendigerer Weg als zu sagen: „Gebt’s uns Geld, wir machen dann schon!“ Es ist eben ein völlig anderer Modus, der von einem anders gewichteten Selbstverständnis handelt. Überflüssig zu betonen, daß wir diesen Weg bei „kunst ost“ schon praktizieren. Deshalb sind unsere Budgetsorgen keineswegs vom Tisch. Das ist nun eben Entwicklungsarbeit. Die verlangt Inputs, bevor sie Profit abwirft. Nein, halt! Es gibt ja auch immateriellen Profit; der hat sich längst eingestellt.

Zu dieser Entwicklungsarbeit gehört hier in der Provinz auch ganz wesentlich die Klärung der Frage, wie sich längerfristig das Ehrenamt zum Hauptamt verhalten soll, wie sich öffentliche Mittel und Sponsorengelder mit den Früchten unbezahlter Arbeit kombinieren lassen, ohne permanent Spannungen zwischen Akteurinnen und Akteuren zu erzeugen.

Orientierungs-Kniffligkeiten: Und wenn das Pferd blöd schaut, waren vielleicht gerade mehr Häuptlinge als Indianer am Werk.

Die letzten Jahre der Praxis haben nämlich gezeigt, daß oft jene, die am allerwenigsten etwas zum größeren Ganzen beitragen, am lautesten nach Zugriff auf lukrierte Gelder verlangen. Bei unseren Projekten haben manchmal jene, die am geringsten für Akquise, Öffentlichkeits- und Überzeugungsarbeit zur Verfügung stehen, am heftigsten nach Anteil an errungenen Geldmitteln verlangt.

Die Gemeinde soll, die regionale Wirtschaft soll, der soll und die soll, das sind alles keine brauchbaren Ausgangspunkte für eine kontinuierliche kulturpolitische Entwicklung und für einen Aufbau von adäquaten Strukturen. Der Modus, den wir bei KWW [link] herausgearbeitet haben, erscheint da wesentlich vielversprechender:
1. Frage: Gibt es Fragestellungen, die uns gemeinsam interessieren?
2. Frage: Welche Aufgabenstellungen können wir aus Schnittpunkten ableiten und gemeinsam bearbeiten?
3. Frage: Welche Ressourcen kann jede beteiligte Person/Einrichtung in eine Kooperation einbringen?

Diesen kleinen Fragenkatalog nutze ich stets, ganz egal, ob ich mit Leuten aus einer Gemeinde, einer Firma, einer Kulturinitiative oder Einzelpersonen zu tun habe. Ein Arbeits-Auftakt im Konsens zu diesen Fragen kann viel Positives nach sich ziehen. Mir ist dagegen noch nie aufgefallen, daß die wechselseitigen Zurufe von Forderungen uns Konsens und Geschäftsabschlüsse gebracht hätten…

Was mir nötig erscheint? Stichhaltige Befunde des Status quo unter Vermeidung üblicher Wanderlegenden. Klare Schlußfolgerungen, Handlungspläne und Praxisschritte. Leistungsfähige Kooperationen, mindestens um die verknappten Ressourcen besser nutzen zu können. Seriöse Präsenz in öffentlichen Diskursen.

Das halte ich für eine unverzichtbare Grundausstallung, die je nach Position und Bezugsrahmen noch diverse Ergänzungen verlangt.

[überblick]

Mensch im Wechsel

Ich hab große Freude daran, wie sich Dinge momentan entwickeln. Wie schon bei unserer zweiten KWW-Session [link] zu betonen war: Diese Region hat eine auffallende Dichte inspirierter Menschen. Sie hocken natürlich nicht alle innerhalb eines Ortszentrums. Sind mehrere zu treffen, ergibt das stets eine kleine Reise durch die Region.

Der Fotograf Richar Mayr

Den gestrigen Abend habe ich mit dem Fotografen Richard Mayr [link] und dem Regisseur Alfred Ninaus [link] zugebracht. Wir haben nun Übereinkunft für deren Part beim kommenden „April-Festival“. Film und Buch über das Wechselland ergeben den Anlaß, die Fragen der Umbrüche zu erörtern. Es betrifft Menschen wie ganze Regionen gleichermaßen. Nichts bleibt wie es ist und dennoch soll in all dem etwas von Bestand sein.

Der Regisseur Alfred Ninaus

Ich hab das hier [link] schon einmal kurz in einer Notiz erwähnt. Wie gelingt es also, im unausweichlichen Fluß der Veränderungen Indentität zu bewahren? Das ist weit kniffliger und anspruchsvoller, als man gewöhnlich vermuten möchte. Ein heftiges Beispiel: Ein kleiner Vorfall im eigenen Leib, eine winzige biochemische Katastrophe, und man weiß nach dem Aufwachen nicht mehr, daß man der war, der letzte Nacht schlafen gegangen ist.

So drastisch ereignen sich soziale Veränderungsprozesse zum Glück gewöhnlich nicht. Aber es ist ganz erheblich, was etwa ein Jahrzehnt im Verlauf an einem Lebensraum, einer Region bewirken kann; natürlich auch an einer einzelnen Biografie. Das wird wohl an jenem Abend zur Sprache kommen, den wir nun vorbereiten:

„Mensch im Wechsel“ (Eine regionale Auseinandersetzung)
Film, Buch, Autorengespräch
Alfred Ninaus (Regisseur), Richard Mayr (Fotograf) & Fritz Aigner (Autor)
[April-Festival 2012]

Drucksachen

Ich hab mit der Themenleiste „Die Gefolgschaft des Ikarus“ [link] nun begonnen, zentrale Grundlagen unserer Mobilitätsgeschichte kulturgeschichtlich aufzuarbeiten. Das weist übrigens auf eine Station beim kommenden „April-Festival“ hin, wo wir dieses Thema im Raum Weiz auf eine Praxisebene herholen werden: „gehen, reiten, fahren“ [link]

Mobilitätsgeschichte greifbar: Unser "Puch-Buch"

Das hat eine andere Verzweigung in einer Print-Publikation, die gerade fertig wird. In „Das Puch-Buch“ [link] (Einige Puch-Werke), gemeinsam mit Magna Steyr-Mitarbeiter Michael Toson und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz erarbeitet, skizzieren wir das am Beispiel eines Stückes (alt-) österreichischer Konzerngeschichte, die bis in die Gegenwart Präsenz zeigt. (Dazu gibt es eine Serie von Tosons Ausschneidebögen mit den wichtigsten Fahrzeugen.)

Unsere nächste Kunstpostkarte zeigt eine Grafik von Michela Knittelfelder-Lang

Eine andere Produktion ist demnächst verfügbar. Die Ausgabe #9 in unserer Kunstkarten-Editon ist [link] gerade in Arbeit. Sie wird eine Druckgrafik von Michaela Knittelfelder-Lang zeigen.

Der nächste Abschnitt

Mit “kunst ost” entstand das überhaupt erste LEADER-Kulturprojekt der Steiermark. Eine Besonderheit, da dieses EU-Programm davor dem landwirtschaftlichen Bereich, den Kommunen und regionalen Firmen gewidmet war, nicht den Kulturinitaiativen und der Gegenwartskunst.

Während andere Verfahrensweisen darauf zielen, möglichst viele Personen und Formationen unter ein gemeinsames Dach zu holen, bemühen wir uns, kulturpolitisches Neuland zu betreten. Das heißt, wir forcieren die Bildung und Konsolidierung völlig eigenständiger Gruppierungen, die in sich autonom bleiben.

Das bedeutet auch, wir haben keineswegs vor, als „kunst ost“ über Quantität zu punkten, sondern über kontinuierliche Prozesse, die im regionalen Leben wirken.

Ein gemeinsames Auftreten mit „kunst ost“, beziehungsweise unter dem Signum von „kunst ost“, erfolgt jeweils nur temporär, projektbezogen. Das geschieht von Mal zu Mal mit einer generellen Themenstellung, die wir in ihren möglichen Aspekten gemeinsam bearbeiten.

Damit haben wir heuer einen neuen Status quo erreicht, der sehr vielversprechend ist. Ich denke, dieses Mehr an Eigenverantwortung bringt ein Mehr an Engagement. Das wiederum dürfte Kommunen in den krisenhaften Budgetsituationen eher dazu bewegen, Kofinanzierungen einzubringen. Außerdem haben wir für die jeweils gewählten Zeitfenster und Vorhaben ein großes Maß an wechselseitig verfügbaren Ressourcen im Spiel.

Das bedeutet, die einzelnen „Kleingruppen“ („location crews“) verstärken sich in diesem begrenzten Miteinander gegenseitig, ohne darin ihre Autonomie zu schmälern. Daraus sollten ausreichend positive Arbeitserfahrungen entstehen, damit zukünftige Kooperationsbereitschaft zunimmt.

Wir würden das inzwischen gerne in eine neue Phase überleiten und zu einem Beispiel von „best practice“ entwickeln, welches nicht nur steiermarkweit Gewicht hat, sondern EU-weit zur Debatte stehen kann. Ich denke, diesen neuen Abschnitt haben wir inzwischen schon betreten.

Die Formationen für dsas kommende „April-Festival“: [link]

Wovon handelt Kulturpolitik? #16

Ich erinnere mich an eine Debatte, da wurde Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals „steirischer herbst“, ausgerichtet, sie möge doch im Programm auch Kunstschaffende aus der Steiermark ausreichend berücksichtigen. Es stecke ja viel steirisches Kulturbudget im „herbst“, auch reichlich heimische Sponsorgelder, selbst der Name des Festivals berge einen Hinweis auf diese Verpflichtung.

Kaup-Hasler sah das anders und antwortete sinngemäß, dieses Festival sei nicht als Schaufenster für steirische Kunstschaffende konzipiert. Darin liegt u.a. die Frage, ob denn Herkunft und Wohnort Kategorien der Kunst seien und welche Rolle diese Kriterien spielen sollten, falls Veranstaltungen nicht ausdrücklich einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Region gewidmet sind.

Unser Landeskulturförderungsgesetz vom 24. Mai 2005 ist selbstverständlich dem Kunst- und Kulturgeschehen der Steiermark gewidmet, verzichtet aber auf derartige Bindungen; mit zwei Ausnahmen.

Eine davon ist der Absatz 5 des § 1, der lautet:
>>5. die Erhaltung und Nutzung des kulturellen Erbes des Landes Steiermark als ein bestimmendes Element des gegenwärtigen Selbstverständnisses mit dem Ziel, diese Einrichtungen, Errungenschaften und Werke für die Gegenwart zu erschließen und kulturell produktiver Nutzung verfügbar zu machen;<< [Quelle]

Die andere Ausnahme betrifft speziell den § 13 Joanneumsfonds:
>>Unter wertvollem Kulturgut sind hierbei Gegenstände zu verstehen, die Einzelstücke von internationaler Bedeutung darstellen oder in einer besonderen geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Beziehung zur Steiermark stehen.<<

Ansonsten besagt das Gesetz nicht, daß Leute aus der Steiermark in Fragen der Förderung einen speziellen Status hätten. Es wird wohl auch gewöhnlich keinen „Graz-Bonus“ geben. (Ob es einen „Wien-Bonus“ gibt, wäre zu klären.)

Aber darf eine Intendantin all das unwidersprochen so auslegen, wie es Kaup-Hasler getan hat? Steht es einem Kurator zu, seine Auswahlkriterien enger zu fassen, als die Kunstschaffenden, die ihm Werke anbieten? Welche Rolle spielen bei all dem die Geldquellen, die eine Kunstveranstaltung, ein Festival überhaupt erst ermöglichen?

Geld! Als wir in Gleisdorf 2007 erstmals eine Kooperation mit dem Festival „steirischer herbst“ zustande brachten, während die Gruppe „K.U.L.M.“ (nach mehreren Jahren der „herbst“-Kooperation) keinen Vertrag erhielt, richtete uns Kollege Richard Frankenberger via „Kleine Zeitung“ aus, Gleisdorf habe sich in das Festival eingekauft.

(Quelle: Kleine Zeitung)

Ein Zitat aus meinem Projekt-Logbuch von 2007:
>>Auf dem Kunstfeld unterstellt „sich einkaufen“, daß man kraft des Geldes und nicht kraft eines künstlerischen Konzeptes und einschlägiger Kompetenzen da oder dort dabei sei.<< [Quelle]

Es unterstellt also etwas Anrüchiges. Damit war erstens unser Projekt inhaltlich berührt, zweitens die Kompetenz des zuständigen Dramaturgen Florian Malzacher und der Intendantin. Oder sollte es bloß zur Debatte stellen, daß im Kunstbetrieb letztlich Geld entscheidet?

Dramaturg Florian Malzacher

Malzacher antwortete damals unter anderem:
>>Veronica hat dabei immer klar gesagt, dass es grundsätzlich keinen Automatismus in der Zusammenarbeit gibt, sondern, dass der herbst immer neu entscheidet, welche Konzepte für ihn interessant sind.<< [Quelle]

Meine aktuelle Kontroverse [link] mit Regisseur Heinz Trenczak, in der er mir mittlerweile sogar mit juristischen Schritten winkt [link], dreht sich um eben dieses Thema. Wird in einem Kuratorium, in einer Intendanz politisch willfährig gehandelt? Werden Wünsche von Sponsoren und Förderern womöglich über die berechtigten Anliegen von Kunstschaffenden gestellt?

Das ist der eine Themenkomplex, den wir debattieren könnten. Der andere betrifft Entscheidungsgrundlagen. Künstlerische Kriterien. „Diagonale“-Intendantin Barbara Pichler, die der Anlaß meiner Kontroverse mit Trenczak ist, schrieb mir dazu vom „formalen Diskurs und die – zugegebenermaßen subjektive(n) – Qualitätsfrage“.

Ja. Ist genau das Verhandlungssache? Öffentlich? Filmkritiker Reini Urban notierte dazu: >>Politisch und aktuell wichtige Filme haben andere Kriterien. Sie dienen als Diskussionspunkt für das Publikum. Es geht um die Sache, nicht um die Vermittlung. Das Publikum ist intelligent genug, das unterscheiden zu können.<<

Das ist ein interessanter Punkt, weil er etwa manche Dokumentarfilme aus einem ästhetischen Diskurs herausnimmt und andere Gründe einer Publikation betont. Ich widerspreche dem gar nicht, weil mir diese Ansicht gefällt.

Urban weiter:
>>Die subjektiven Entscheidungskriterien aus ästhetischer Sicht öffentlich zu begründen wäre mutig. Dazu wird man meist von verärgerten Abgelehnten mit Beziehungen aufgefordert, das macht man normalerweise nicht. Aber für die subjektive – Qualitätsfrage vor einer Öffentlichkeit zu führen, die diesen Wissensstand nicht hat, das wäre wirkliche spannende Filmvermittlung.<<

Da stimme ich ihm völlig zu. Das wäre auch für übrige Kunstgenres wünschenswert. Und ich bin sicher, das ließe sich herbeiführen. Wir müßten es eben wollen und dafür adäquate Rahmenbedingungen schaffen. Ich habe keinen Zweifel, daß sich allerhand Leute aus der Kunstvermittlung darauf einließen.

Wäre ich Kurator, würde ich mich allerdings fragen: Interessiert mich das gerade? Wurde das vereinbart? Habe ich dafür Zeit? Werde ich dafür bezahlt? Aber das sind ja beantwortbare Fragen.

Was bedeutet es in möglicher Konsequenz, falls jemand dieses Ansinnen ausschlägt? Kann sich eine Intendantin, ein Kurator auf seine Bestellung berufen, auf eigenen Kriterien bestehen und Kunstschaffende, denen das mißfällt, an jene verweisen, die sie oder ihn engagiert haben?

Sollen Leute in solchen Positionen ihre Kriterien bei Dienstantritt zur Debatte stellen? Wo? Wem? Oder sollen sie sich während ihrer laufenden Amtszeit gelegentlich der Diskussion stellen? Würde ich selbst so einen Modus angemessen finden und akzeptieren?

Ich bin ja nicht nur Künstler, sondern auch entscheidende Kraft in Projekten, an dem andere Kunstschaffende teilnehmen, die ich auswähle. Ich tue das unter anderem AUCH gestützt auf Landesmittel, AUCH mit Sponsorengeldern.

Trenczak schrieb: „ich polemisiere seit jahren gegen das sog. intendanzprinzip beim festival des österr. films in graz.“ Durch welchen Modus sollte dieses Prinzip ersetzt werden? (Ich würde gerne sein „Gegenmodell“ kennenlernen!)

Was könnten wir den Leuten der Kunstvermittlung allenfalls im Gegenzug anbieten? Genauer: Welches Verhältnis wünschen wir Kunstschaffende uns mit a) Intendantinnen und Kuratoren, b) geldgebenden Instanzen und c) untereinander, um die kulturelle und kulturpolitische Gesamtsituation auf einen neuen Status zu bringen?

Da sind anscheinend eine Menge Fragen offen. Einige davon habe ich hier vorgelegt. Mich würden Antworten interessieren; auch jene, die einander womöglich widersprechen.

[überblick]

Was (nicht) zu übersehen war

Wir haben es nicht kommen gesehen. Als es uns erwischt hat, fielen uns kaum adäquate Reaktionen ein. Ich meine diese Umbrüche. Zuerst haben wir gesehen, wie eine Industriegesellschaft ihre Blue Collar-Jobs verliert, da war das Handwerk schon entwertet. Dann wurden wir, in der Entwertung von Industrie-Jobs, zur Wissensgesellschaft, von manchen etwas schlampig als Informationsgesellschaft verstanden. (Den essentiellen Unterschied zwischen dem Erwerb von Information und dem Erwerb von Wissen muß ich nun hoffentlich nicht erläutern.)

Die letzten 20 Jahre waren davon geprägt, daß die Wissensarbeit ebenso entwertet wurde, wie vor ihr die Industriearbeit und vor der das Handwerk; bei gleichzeitig rasendem Anstieg an Content-Bedarf. Das Angebot mußte demnach angehoben werden, die Preise gingen runter. Verblüffend!

Beispiel Vinyl: Was wurde alles innerhalb (m)einer Biographie entwertet, ohne deshalb wertlos zu sein?

Mir ging das durch den Kopf, weil gestern eine Künstlerin im Web 2.0 schrieb: „bücher machen ist horror!!!“ Das ist in meinen Ohren ein entsetzliches Statement. Ich liebe Bücher.

Das Machen von Büchern gehört zu den magischen Handlungen unserer Kultur. Natürlich nicht in der Form einer Massenproduktion. Aber kleine Editionen zu realisieren, das sind außergewöhnliche Erfahrungen.

Kleiner Einschub:
Ich gehe selbst gerade mit Kollegen in das Finish einer Print-Publikation, die viel Arbeit gemacht hat. Mühen, ja, aber was für ein Prozeß! (Das Puch-Buch)

Mit Michael Toson und Jörg Vogeltanz mitten in einem großen Stück Sozial- und Industriegeschichte

Ich hab mir als junger Kerl einen großen Teil der Fertigkeiten angeeignet, die es zum Büchermachen braucht, konnte damals auch eine Offset-Presse bedienen. Ich habe Bücher und Zeitschriften gemacht. Sowohl im inhaltlichen Bereich, was ich heute noch tue, als auch im Anfertigen der Artefakte.

Das ist weit mehr als bloß ein Herstellen von Dingen. Unsere Demokratie beruht auf der Tatsache, daß es Öffentlichkeit und Meinungsbildung gibt, die nicht vom Staat abhängen. Derlei ist nicht ausschließlich, aber sehr wesentlich etwas auf Medienanwendung Gestütztes.

Ich finde es gleichermaßen irritierend, daß man a) das Büchermachen als „Horror“ erleben und desavouieren muß, daß b) seit etlichen Jahren so viele Kunstschaffende vor allem beklagen, was sie tun. (Dann laß es doch! möchte man zurückrufen.)

Was ist uns also mehr eingefallen, denn das Jammern, da wir erlebten, wie die Bezahlung für Contentproduktion so sprunghaft nach unten fiel? Warum war uns offenbar kaum etwas aufgefallen, als die Leute aus Handwerksbereichen und später in den Industriehallen es genau so erlebt hatten? Entwertung. Ich vermute, wir waren zu lange den Annehmlichkeiten einer blühenden Jammerkultur ausgesetzt, um dem von Anfang an entgegenzutreten.

Kürzlich hatte ich eine interessante Debatte, in der es darum ging, daß eine zu massive „Intellektualität“ den Lauf von manchen Dingen blockiere, weil beispielsweise Funktionstragende in den Kommunen nicht die Zeit hätten, sich damit entsprechend auseinanderzusetzen. Der naheliegende Schluß daraus: Wenn ich etwas bewegen will, muß ich es einfacher machen. Muß ich das wirklich?

Diese Überlegung unterschlägt nämlich einen wichtigen Punkt: Was tun, wenn jeder weitere Schritt an Komplexitätsreduktion einem die ganze Sache entgleiten läßt? Ich meine, diesen Modus „einfacher machen“ kenne wir nun in seinen förderlichen Effekten seit wenigstens 25 Jahren, denn das wird ja von zahlreichen Agenturen praktiziert und ist in der Medienwelt sehr populär.

Was hat’s gebracht? Sind Funktionstragende in Summe engagierter und tatkräftiger? Haben Problemlösungskompetenzen allgemein merklich zugenommen? Ist die Bereitschaft, beizeiten Entscheidungen zu treffen und zu handeln, insgesamt gestiegen?

Darauf weist leider nichts hin. Fehlervermeidung durch Entscheidungsvermeidung ist sehr verbreitet. Immer häufiger wird Überregulierung beklagt. Bürokratie nimmt zu, Handlungsspielräume scheinen abzunehmen.

All das vor dem Hintergrund, daß wir eines der teuersten Bildungssysteme Europas haben, dessen Ergebnisse zur Zeit über weite Strecken als erbärmlich gelten müssen. In der Oststeiemark herrscht zur Zeit glücklicherweise noch Vollbeschäftigung, aber in Unternehmerkreisen höre ich, es könnte noch besser laufen, wenn man die Anzahl der Fachkräfte hätte, die gebraucht würden. Das gelingt uns schon etliche Zeit nicht mehr so sehr; unseren Kindern adäquate Bildungswege einzurichten.

Ich soll es den Funktionstragenden leichter machen, einfacher formulieren? Tut mir leid, Leute, dieser Weg hat sich nicht bewährt. Ihr werdet Euch anstrengen müssen, um a) komplexere Zusammenhänge besser erfassen zu können und b) Eure Arbeitsabläufe so zu ordnen, daß wieder mehr Zeit bleibt, sich mit kniffligen Sachverhalten ausreichend intensiv zu befassen.

Bei vielen Dingen ist es wir mit dem Kochen: Zeit kann nicht durch Surrogate ersetzt werden

Wir haben all die Heilsversprechen der Simplifizierungs-Branche längst als Postwurfsendungen erhalten, daß unsere Briefkästen überquollen. Wir haben all die Phrasen gehört, die gequirlten Reden, die knackigen Botschaften, wir haben die glänzenden Renderings gesehen, die so tun, als würden sie uns die Mühe abnehmen, aus Information Wissen zu machen.

Genau DAS ist einer der entscheidenden Punkte: Aus Information Wissen zu machen. Ein höchst anspruchsvoller Vorgang, der sich, wie Erfahrungen zeigen, nicht an Maschinen delegieren läßt, auch nicht an Agenturen.

Wir haben miterlebt, wie Wissensarbeit immer weniger wert wurde, also immer schlechtere Bezahlung erhielt. Wir sind in einer Situation angelangt, die von Kompetenzverlusten und Stagnation geprägt ist. Tut mir leid! Ich kann es dem werten Publikum nicht einfacher machen. Wenn all das noch billiger werden muß, wird uns das teuer zu stehen kommen. Unter anderem, weil uns dann gut ausgebildete, hoch motivierte Leute aus Ländern, auf die bei uns gerne herabgeblickt wird, um die Ohren fahren werden.

Vom Beständigen der Veränderung

Es klingt auf Anhieb vielleicht ein wenig banal, aber der Satz berührt ein Thema von erheblicher Wucht: Bestand hat nur die Veränderung. So ließe sich in einem Satz das Gespräch zusammenfassen, welches ich eben mit Fotograf Richard Mayr [link] geführt habe.

Fotograf Richard Mayr

Anlaß dazu war sein Buch über das steirische Wechselland. Nein, etwas genauer, das Buch zum Film von Alfred Ninaus mit Texten von Fritz Aigner. Hier hat ein ganzes Team gearbeitet. Veränderungsschübe als das Konstante und die Komplexität der Welt, in der wir bestehen müssen; in beidem, in dieser Welt und in dieser Komplexität.

Das bietet Fragen und Aufgabenstellungen, die sich im Geschäftsleben gleichermaßen stellen wie im Kulturbereich. Und vielleicht sind die unterschiedlichen „Erzählweisen“, die kontrastreichen Codes – hier im Geschäftsleben, da im Kulturbereich –, sehr gut geeignet, als komplementär verstanden und genutzt zu werden.

Damit meine ich, die unterschiedlichen Anforderungen und Verfahrensweisen können sich als wechselseitig sehr anregend erweisen. Ein möglicher Austausch in so verschiedenen Bezugssystemen ist, das haben wir schon herausgefunden, recht spannend. Das ist übrigens auch ein wichtiger Aspekt unseres Arbeitsvorhabens bei KWW („Kunst Wirtschaft Wissenschaft“): [link] Aber damit wäre ich jetzt bei einem anderen Thema. Zurück zum Ausgangspunkt!

Geschäftsleben und Kulturbereich. Da sind zwei großen Felder in Mayrs Biographie; einerseits als Unternehmer für einen Betrieb verantwortlich zu sein (Stadtapotheke Gleisdorf), andrerseits als Fotograf sich Themen und Projekte zu erschließen. Grundverschiedene Aufgabenstellungen vor dem Hintergrund eines Kräftespiels, in dem diese Region gerade erhebliche Umbrüche erlebt.

Was verlangt also nach Bestand und worin sollte es uns gelingen Veränderungen zuzulassen oder sogar selbst zu initiieren? Ich denke, das wird noch einige Erörterungen verlangen…

Noch ein paar Takte zum Buch. Das Wechselland ist die östlichste LEADER-Region der Steiermark: [link] Regisseur Alfred Ninaus hat gerade einen Film über dieses Gebiet gemacht: [link]

Drehbuchautor ist der Gleisdorfer Fritz Aigner: [link] Von ihm stammen, wie erwähnt, auch die Texte zu Mayrs Fotoband.

Hartberger Modus

Den Modus halte ich für zukunftsweisend, weil er in seiner Basis Kooperation anlegt. Die Stadtgemeinde Hartberg hat den Raum adaptiert und zur Verfügung gestellt. Der laufende Betrieb wird unterstützt, die Veranstaltungen müssen aber von engagierten Bürgerinnen und Bürgern realisiert werden. (Der Impuls dazu stammt von „styrian summer_art“.)

Der Künstler Christian Strassegger

So das Grundkonzept der Galerie „44QM“ [link] Dort stellt zur Zeit Christian Strassegger aus. Rita Schreiner, die Leiterin des Kulturreferates, erzählte, daß die Stadt bestrebt sei, die Galerie in diesem Modus längerfristig zu führen und dafür auch größere Räume zu suchen.

Christian Strassegger, Rita Schreiner und Ludwig Robitschko

Den Modus der Kooperation, daß nämlich Politik, Verwaltung und Gemeinwesen sich gemeinsam engagieren, halte ich aus mehreren Gründen für wichtig. Er schafft Stabilität in kulturpolitischen Verhandlungen. Wo eine Kommune allein gefordert wäre, der Gegenwartskunst solche Bedingungen einzuräumen, ist die Gefahr des Abbruchs enorm groß, weil sich viele Gemeinderäte im Fall krisenhafter Entwicklungen sofort hinreißen lassen, die allerersten Streichungen im Kulturbereich vorzunehmen. Siehe dazu den Eintrag im Projekt-Logbuch: [link]

Wenn aber ein Kooperationsmodell dieser Bereiche – Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft – besteht, ist die Gefahr abschlägiger Bescheide in Gemeinderäten nennenswert gemindert. Außerdem sorgen solche Modi dafür, daß Leute aus den verschiedenen Sektoren sehr konkrete Erfahrungen mit einander sammeln, was die Chance bietet, Klischees und Ressentiments abzubauen. Die sind gerade zwischen Personen aus Kunst, Politik und Verwaltung oft erheblich. Siehe zum Thema „Vorurteile“ das Intro zur zweiten KWW-Session: [link]

Hartbergs Kulturreferent Ludwig Robitschko schilderte die lokalen Strukturen des dortigen Kulturbetriebes, der markant von einem Stammpublikum geprägt sei, das Konzert- und Theater-Abonnements schätzt. Das ist also ein sehr urbanes Konzept. Und gerade in Fragen der Urbanität sind Provinzorte natürlich stets unter Konkurrenz der nächstliegenden Zentren, in diesem Fall Wien und Graz.

Es wird also sehr interessant zu erfahren sein, welche Wege Hartbergs Kulturpolitik einschlägt. Wie angedeutet, das hier gezeigte Kooperationsmodell ist vermutlich der vielversprechendste Ansatz, um der Gegenwartskunst längerfristig Boden zu sichern und ein Publikum zu erarbeiten.