Archiv für den Monat: September 2011

die bürde?

künstlerische praxis als permanente bürde der kunstschaffenden? das wäre ein merkwürdiges lebens- und arbeitskonzept. „Zeitgenössische Kunst ist immer schwierig.“ wird künstler richard frankenberger zum auftakt in einem artikel („Kunst im Kukuruzfeld“) in der „WOCHE“ zitiert. ich darf widersprechen? denn was sagt das schon! es ist auch schwierig gebrauchte autos zu verkaufen. oder bürgermeisterin in einer kleinen gemeinde zu sein. oder eine mehrstöckige hochzeitstorte zu fabrizieren.

warum immer? und was heißt schwierig?

frankenberger präzisiert im zweiten satz: „Unsere Stärke ist es, hier zu bleiben.“ schon klar. im kleinen oststeirischen ort pischelsdorf läßt sich für gegenwartskunst nun seit jahren, nein, seit jahrzehnten keine situation herbeiführen, wie sie etwa ein kunsthaus in einem landeszentrum haben könnte. und selbst die „zentrumsleute“ knirschen inzwischen, was das betrifft: akzeptanz, interesse, publikumsfrequenz, budgets… keine chance auf eine entspannte situation!

gut, fragen sie einen gebrauchtwagenhändler, die bürgermeisterin einer kleinen gemeinde oder den zuckerbäcker ihres vertrauens. alle knirschen, weil sich keine entspannte situation ergeben will. aber die kunst! es liegt ja vielleicht in der natur der sache, wo es in der menschheitsgeschichte gerade erst einmal drei generationen her ist, seit sich breite bevölkerungsteile mit kunst befassen können. könnten! damit meine ich, mein großvater war zwar ein grundsätzlich etwas kunstinteressierter mann, aber der handwerker hatte sein lebtag keinen praktischen zugang zu kunstwerken und damit verbundenen ästhetischen erfahrungen, wie wir das heute für wichtig hielten.

anders ausgedrückt: seit wir formell aufgehört haben untertanen zu sein und seit wir die tyrannis der nazi losgeworden sind ist noch nicht gar viel zeit vergangen, um zugänge zur gegenwartskunst zu entwickeln, zu finden, zu erproben. es gibt vorerst keinen breiten gesellschaftlichen konsens, daß die befassung mit kunst wichtig sei. und es fehlt generell immer noch an konsequenter landesweiter vermittlungsarbeit.

werke der gegenwartskunst, manchmal mischungen aus artefakt und prozeß, können selbstverständlich nicht von einem breiten publikum rezipiert werden, wenn klischees den blick verstellen und vermittlungsarbeit fehlt

genau in diesem kontext halte ich es für FATAL und sehr kontraproduktiv, wenn die erste botschaft eines berichtes über kulturgeschehen jenseits des landeszentrums so beginnt: „Zeitgenössische Kunst ist immer schwierig.“ vor allem, weil das auch INHALTLICH gedeutet wird und weil sich so darin klischees bestätigen, mit denen der gegenwartskunst bescheinigt wird, sie sei unverständlich, abgehoben, elitär und letztlich… eher überflüssig; was sich ja allein schon in der schwachen ausstattung der kommunen mit kulturbudgets ausdrückt.

diese botschaft – „immer schwierig“ – kennt freilich noch andere wurzeln. eine künstlerische boheme hat sich einst, als zeitlich begrenztes soziokulturelles phänomen westeuropäischer prägung, in antibügerlichen attitüden gezeigt. es fällt manchen knstschaffenden heute noch schwer, sich zu entscheiden, ob sie nun ganz offen anstreben sollen, auch auf dem markt zu reüssieren, um dringende geldprobleme loszuwerden, oder ob sie sich auf einen eher mönchischen weg in die kunst einlassen mögen, der zwar tief in die sache führt, aber nicht von großem publikumsinteresse begleitet ist, um sich auch ökonomisch zu rentieren.

das sind fisimatenten eher persönlicher art, ohne große kulturpolitische relevanz. wer tief in der „provinz“ ein fixes und nicht gerade kleinens haus für gegenwartskunst einrichtet, muß entweder eine besondere konzeption vorweisen, die ausreichend publikum und allgemeines interesse mobilisiert, oder seine konzeption überdenken, falls das nicht auf eine „fitzcarraldo-nummer“ (opernhaus im regenwald) hinauslaufen soll.

wir werden, um in solchen fragen voranzukommen, weder „städtische salonkultur“ aus den zentren in die „provinz“ übertragen können, noch ergebnisse erzielen, indem wir alte rollenkonzepte des künstlerdaseins reanimieren, die von heroischen posen und edler einsamkeit handeln. das ist alles 19. jahrhundert. das hat sich, stendahl rauf und runter balzac, längst erledigt.

wäre unter uns kulturschaffenden zu klären, was gemeint sein könnte, wenn wir von kulturpolitik auf der höhe der zeit zu reden hätten.

Wo das Essen herkommt

Der Begriff „Gemischtwarenhandlung“ ist etwas aus der Zeit gefallen. Der Grund dafür ist banal. Es gibt kaum noch welche. Drei Konzerne kontrollieren Österreichs Lebensmittelmarkt. Die Supermarktketten haben Jahrzehnte eine harte Standortpolitik verfolgt. Viele Nahversorger gaben auf.

Nicht so Gregor Mörath, der im Zentrum Gleisdorfs seine Position behauptet. Sein Betrieb ist eine zeitgemäße Deutung des Begriffs Gemischtwarenhandlung. Dort sind außerdem auch Produkte von landwirtschaftlichen Betrieben aus der Umgebung erhältlich.

Details: Kaufmann Gregor Mörath erklärt mir, daß Bosnische Zwetschgen nicht zwingend aus Bosnien kommen, sondern eien eigene Sort sind; merklich größer als unsere Hauszwetschgen

Gelegentlich frage ich Gregor Dinge wie: „Wenn aus irgendwelchen gründen eine Woche lang keine Lastwagen fahren könnten, wie lange würde ich bei Dir was kaufen können?“ Ich hab nicht das geringste Talent zum Selbstversorger, bin also auf Kaufleute angewiesen. Und im Krisenfall wäre ich es auch auf eine bäuerliche Landwirtschaft, denn die industrielle Landwirtschaft würde uns dann wohl ebenso freundlich bedienen, wie die Erdöl-Lobby, wenn die Zeiten schwierig werden.

Es gibt noch eine andere Option in diesem Zusammenhang. Der Gleisdorfer Bioladen ist nicht nur Kaufhaus, sondern auch Umschlagplatz für Informationen. Barbara Regelsberger, die das Geschäft betreibt, ist Fachfrau im Bereich der Bodenkultur und versiert in Ernährungsfragen, sie befaßt sich aber auch mit den größeren Zusammenhängen solcher Themen. [link]

Stichwort Ernährungssouveränität. Das bezieht sich, grob zusammengefaßt, auf die Frage, ob für uns alle ausreichend sauberes Wasser und leistbare Lebensmittel angemessener Qualität verfügbar sind. Und zwar weltweit. Das ist keine Selbstverständlichkeit!

Bäuerin Gerti Amplatz (links) und Barbara Regelsberger vom Bioladen reden aus der Praxis und verknüpfen so Informationen zum Thema Ernährungssouveränität auf greifbare Art.

Wie wir zur Zeit schon erhebliche Abhängigkeit und teils abenteuerliche Preisentwicklung bei Treibstoffen und in anderen Energiebereichen erleben, gilt Ernährung als das ganz große Geschäft der Zukunft, das zu ebensolchen Verhältnissen neigt. Wer das Stichwort „land grabbing“ in eine Suchmaschine haut, bekommt nichts Freundliches zu lesen. Letzten April fand eine internationale Konferenz zu diesem Thema statt: [link]

In Krems hat gerade das „Europäische Forum für Ernährungssouveränität“ (Nyeleni Europe 2011) getagt: [link] Regelsberger war Teil der über 400 Delegierten aus 34 europäischen Ländern. Sie berichtete im Bioladen von den Ergebnissen dieser lebhaften fünf Tage.

Das Ziel solchen Engagements ist unter anderem ein entsprechender Wissensstand der Kundschaft, damit wir uns nicht alle der Waren- und Preispolitik von bloß drei großen Konzernen ausliefern, die den Lebensmittelmarkt in Österreich kontrollieren.

Dazu ist es auch unverzichtbar, daß bäuerliche Landwirtschaft gegenüber der Agrarindustrie bestehen kann und daß nötiges Fachwissen erhalten bleibt, daß aber auch weltweite Entwicklungen der Branche beachtet werden.

Bei einer Gesprächsrunde im Bioladen, wo Regelsberger von „Nyeleni Europe 2011“ berichtete, meinte Wirt Gottfried Lagler lapidar: „Niemand jammert, wenn das Benzin teurer wird, aber alle jammern, wenn die Suppe mehr kostet.“ Die Marktsituation handelt seit Jahrzehnten von immer wieder steigendem Druck auf die Bauernschaft. Bäuerin Gerti Amplatz [link] erwähnte: „Der Bauer bekommt sieben Cent für en Kilo feinstes Mahlgetreide.“

Warum sind das auch Themen für eine Kulturinitiative? Leistbare Lebensmittel von angemessener Qualität. Nahversorgung. Individuelle Mobilität und nötige Anbindungen über öffentliche Verkehrsmittel. Das ergibt alles Faktoren, die in einer Frage nach stabilen Verhältnissen und sozialem Frieden Wirkung zeigen. Dabei fallen auch Überlegungen an, was an Wahrnehmung und Reflexionsvermögen wünschenswert ist, um auf diese Kräftespiele sinnvoll einwirken zu können.

Da stehen schnell auch kulturelle Agenda zur Debatte. Aus meiner Sicht heißt das zum Beispiel: Wenn wir einander nicht erzählen was wir tun, wissen wir nicht wer wir sind. Amplatz brachte das, auf die agrarische Welt bezogen, sehr treffend zur Sprache: „Das Morgen suchen und vom Gestern reden?“ Keine einleuchtende Perspektive.

Bei „kunst ost“ gehen wir solchen Überlegungen seit heuer konzentrierter nach; über die „Tage der agraischen Welt“: [link]

lebendige kunstgeschichte

richard mayr ist unternehmer. punktum. falsch! mayr besitzt einen gleisdorfer traditionsbetrieb, das ist ein teil der geschichte. ein anderer teil handelt davon, daß er sich über jahre zu einem fotografen auf hohem niveau profiliert hat. bisher war er damit hauptsächlich im angewandten bereich tätig, inzwischen interessieren ihn auch künstlerische strategien. das belegt zum beispiel die jüngste kunstkarte in der edition unserers „kuratoriums für triviale mythen“: [link]

fotograf richard mayr bei der durchsicht neuer arbeiten

mayr widmet sich außerdem in seinem betrieb der gegenwartskunst über eine reihe von veranstaltungen: [link] in dieser serie wird es am 1. oktober 2011 einen abend geben, der nicht als personale angelegt ist, sondern als ein querschnitt durch die zeitgenössische malerei österreichs.

kurator karl a. irsigler wird zum themenabend „lebendige kunstgeschichte“ anhand der werke von kubin, weiler, mikl, attersee, schmalix und anderen eine einführung zum verständnis dieser arbeiten bieten.

am 1. oktober 2011: "lebendige kunstgeschichte"

der titel „lebendige kunstgeschichte“ macht klar, hier handelt es sich durchgehend um kanonisierte werke, was meint, sie stehen als kunstwerke außer streit. das sind freilich immer kategorien des vorläufigen, denn die auf- oder abwertung von werken ereignet sich stets zeitbezogen. es gibt auch keinen durch mehrere zeiten durchgängigen kunstbegriff. das heißt, die menschlichen vorstellungen, was kunst sei, ändern sich laufend.

genau deshalb ist eine ständige auseinandersetzung mit kunst nötig, da diese ja nicht bloß von kunst handelt, sondern vor allem auch von unseren eigenen sichtweisen und vorstellungen von der welt. das bedeutet, im kunstschaffen selbst wie in der betrachtung von gegenwartskunst erfahren wir uns selbst auf der höhe der zeit.

mayr ist einer von mehreren unternehmern gleisdorfs, die dieses augenmerk auf gegenwartskunst pflegen und auch dazu beitragen, daß menschen adäquate zugänge finden. ich hab hier kürzlich den abend im hause von erich wolf erwähnt: [link]

während andernorts nach wie vor eher auf events und touristisch orientirte kunstereignisse gesetzt wird, belegt solches engagement eine konzentration auf subtilere bereiche menschlicher wahrnehmung; was ja gesellige momente keineswegs ausschließt.

individuelle mobilität

das fazit leutete „eingezwickt.“ so faßte man es im oktober 1897 zusammen, als in der illustrierten „wiener bilder“ über „ein straßenbild aus dem radlerleben in wien“ berichtet wurde. automobile waren praktisch noch keine auf dem set. die illustration zeigt, wer sich damals den platz auf den flächen teilen mußte.

auf dem weg in das 20. jahrhundert konkurrierten auf den straßen fuhrwerke, straßenbahnen, fahrräder und fußvolk (das auto kam erst etwas später dazu)

da sind zwei radfahrer zwischen fuhrwerken und im hintergund holt die straßenbahn auf. wären noch die fußgänger zu erwähnen, die im begleitenden text so vorkommen: „erstlich hat man mit den noch immer nicht vom schauplatz verschwundenen fußgängern zu rechnen, die am liebsten gerade erst dort gehen, wo ein radler fährt…“

klingen diese töne nicht sehr vertraut und aktuell? wir befassen uns bei „kunst ost“ unter anderem mit MOBILITÄTSGESCHICHTE, weil die themen individuelle mobilität und massenmotorisierung nicht nur über sachfragen präsent sind, sondern auch während vieler jahrzente mit enormen geldmitteln ideologisch befrachtet und promotet wurden.

matthias marschik, dr. phil. habil., ist historiker und kulturwissenschaftler, autor zahlreiche publikationen zum thema populärkultur, besonders zum österreichischen sport und zur fluggeschichte

durch die arbeit im rahmen unseres „kuratoriums für triviale mythen“ hat sich das einvernehmen mit dem kulturwissenschafter matthias marschik verdichtet. ich habe mit ihm eben ein manuskript zur geschichte des „steyr-puch 500“ abgeschlossen. das buch wird kommendes frühjahr im „sutton verlag“ erscheinen. dort kam eben marschiks „automobil in wien, 1955-1975“ heraus: [link]

wir sind also bezüglich der technologischen und sozialen grundlagen dieser geschichte ganz gut aufgestellt. die steiermark hat in diesem zusammenhang spezielle bezugspunkter vorzuweisen. das ist exemplarisch an der geschichte des johann puch, die ich hier gerade im web aufblättere, festzumachen: [link]

diese geschichte bietet interessante querverbindungern. da wäre etwa von franz pichler, dem gründer der weizer „pichlerwerke“ zu reden: [link] da bietet der lebenslauf des autors peter rosegger anknüpfungspunkte, da wird die wirkung von nikola tesla näher zu betrachten sein.

so leuchten wir den kulturellen und ideologischen hintergrund jenes mächtigen wirtschaftskomplexes aus, dessen völlige umstellung wir vor allem einmal mental schaffen müssen, denn die energie- und infrastrukturkosten steigen inzwischen so steil an, daß es absehbar ist, wann der automobilismus wieder den kleineren kreisen reicher leute vorbehalten sein wird.

der blick auf details und die welt

wir haben „kunst ost“ inhaltlich an der region auf einen themenbogen zwischen agrarischer welt und high tech orientiert. dabei spielt mobilitätsgeschichte eine wichtige rolle. und es zeigt sich immer mehr, daß wir für die summe unserer teilthemen einen deutlichen schnittpunkt in den fragen nach ernährungs-souveränität finden. damit führt der blick in die welt dann auch wieder auf details in der region zurück.

leader-managerin iris absenger-helmli (links) informierte uns über den status quo einiger großer leader-projekte. (ihr gegenüber karl bauer und alois reisenhofer)

leader-managerin iris absenger-helmli hat uns eben einen überblick angeboten, wo die energie-regionmit ihren projekten und optionen steht. gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer und gemeinderat karl bauer begleiteten mich zu diesem gespräch.

das meeting war für mich nun die erste gelegenheit zu erfahren, daß eine regionale formation schon konkret auf jenen prozeß eingeht, der sich heute aus strukturellen umwälzungen und politischen kräftespielen zwangsläufig ergibt. es ist ja längst faktum, daß die anzahl steirischer gemeinde verringert werden wird. in diesem zusammenhang sollen auch die steirischen leader-regionen zahlenmäßig vermindert werden; ebenfalls durch zusammenlegungen. (alle betroffenen erwarten momentan sehr gespannt das ende des septembers, wo die landespolitik konkrete direktiven für den umbau einiger strukturen ausgeben will.)

ich hab im projektlogbuch schon von diesen prozessen erzählt; siehe zum beispiel log #356! in diesem jahr war bisher noch wenig konkretes darüber zu erfahren, wie und womit lokale und regionale funktionstragende auf diese nahe zukunft mit ihren unausweichlichen umwälzungen konkret zugehen möchten. im bereich des regionalen „leader-managements“ wird an einigen großen projekten gearbeitet, welche genau jenen zusammenhängen gewidmet sind.

kulturreferent alois reisenhofer (rechts) und gemeinderat karl bauer

kulturreferent reisenhofer meinte, durch diese besprechung sei ihm nun einiges klarer, was die „energie-region“ ausmache. gemeinderat karl bauer wird diese aktuelle orientierungshilfe nützen, um unsere arbeit am thema „agrarische welt“ auf solche entwicklungem hin zu überprüfen.

unterm strich bleibt als einer der wichtigen punkte in diesem gesamtzusammenhang, daß wir mehr über die verschiedenen lebenswelten der menschen in der region herausfinden, um das angemessen darzustellen. wenn wir einander nicht erzählen was wir tun und wie wir unseren alltag bewältigen, wissen wir auch nicht, wer wir sind. das deutlicher herauszuarbeiten ergibt dann auf jeden fall kuturelle agenda, auch anregungen und themenstellungen für kunstschaffende.

Kontrastreiche Strategien

Der Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf demonstriert, daß Ausstellungen nur ein Teil zeitgemäßen Kunstgeschehens sind und daß man sich hier mit einigen Ereignislinien absolut auf Augenhöhe mit dem Zentrum Graz und anderen, weit größeren Orten des Kulturgeschehens befindet.

Von links: Vortragender Martin Titz, Tänzerin Linda Samaraweerova, Künstler Karl Karner und Gastgeber Erich Wolf

Damit meine ich, daß es schon vorab Rahmenbedingungen und Mittel in ausreichendem Maß geben muß, damit Kunstschaffen möglich ist. Das setzt wiederum einen breiteren gesellschaftlichen Konsens voraus, denn die Kunst kann nicht bloß dem Markt anvertraut sein. Dieser Konsens hat Kenntnis zur Vorbedingung, ist also an Bildungsfragen geknüpft.
Bei der aktuellen Personale in den Räumen von Erich Wolfs Kanzlei wird eine Werkschau des Feldbachers Karl Karner gezeigt. Der ist ein Mann zwischen Handwerk und Kunst, zwischen einzelnem Exponat und Gesamtkunstwerk, welcher mit Witz und energischem Zugriff eine ironische Sicht auf die Welt schafft.

Das meint unter anderem, Karner verdient sein Brot in einer Kunstgießerei. Daraus folgt, daß er für einen Teil seines Werkes über alle handwerklichen Fertigkeiten selbst verfügt. Er führt also das Gedankliche, Konzeptuelle, Schöpferische selbst auch bei allen Stationen in physische Momente über.

Karl karner beherrscht neben der Konzeption auch die handwerkliche Umsetzung komplexer Arbeiten

Durch die lebhafte Einführung von Martin Titz und den penibel gearbeiteten Karner-Katalog aus der „Sammlung Wolf“ werden Zugänge zum Verständnis so komplexer Kunstpraxis geöffnet. In der Deutung, der sachkundigen Kommentierung, erhalten wir Gelegenheit, etwas über künstlerische Strategien und Verfahrensweisen mitgeteilt zu bekommen. Hier werden zum Teil genau jene menschlichen Fertigkeiten auf speziellem Niveau angewandt, wie wir sie auch für die Alltagsbewältigung brauchen, wie sie zugleich nötig sind, um auf emotionaler und symbolischer Ebene nicht bloß ein Leben in endloser Routine zu führen.

Das meint auch, künstlerische Praxis bietet Wahrnehmungserfahrungen, die unserem Leben Perspektiven eröffnen, wie sie Tätigkeiten der Alltagsbewältigung in der Regel nicht generieren. Bei Karner handelt das von einem sehr breiten Spektrum der Genres und Techniken. Zeichnungen, Plastiken, Installationen und größere Ensemble, auch Perfomances, bei denen zum Teil Tänzerin Linda Samaraweerova ins Spiel kommt.

So wird über die laufende Ausstellung und den Katalog begreiflich gemacht, daß Gegenwartskunst nicht nur von Objekten, sondern auch von Prozessen handelt.