(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)
Nicht alles, was eine Kunst ist, ist auch Kunst. Sprache ist Handeln. Begriffe erzeugen Realität. Der Staat fördert mich nicht, er leistet bei Deals seinen Teil. Wir müssen reden! Also der Reihe nach. Ich bin Künstler. Das ist mein Beruf. Daher hängt auch mein Broterwerb damit zusammen.
wer unter den kunst- und kulturschaffenden hat sich eigentlich das kulturförderungsgesetz der steiermark schon einmal angesehen? einige gewiß, die meisten eher nicht. immerhin ist das ein regelwerk, aus dem wir zwar keinen anspruch auf förderungen ableiten können, das wäre nämlich, so heimo steps, verfassungswidrig, aber es enthält einige grundlagen, durch die sich auch das land gegenüber den kulturschaffenden verpflichtet hat. es wäre für kulturschaffende also vorteilhaft, diesen text zu kennen.
steps war einer der architekten kulturförderungsgesetzes und hat dabei seine eigene, langjährige praxiserfahrung einfließen lassen. als promotor der frühen phase von „gamsbART“, einer legendären steirischen jazz-serie, war er teil der grazer szene. (hier das „gründungsmanifest“ aus dem jahr 1984: [link])
die plakat-kunst von herms fritz wurde beim "STERZ" nicht nur mit einem schwerpunkt-heft gewüdigt
ich verbinde diese ära auch mit der phänomenalen plakatserie, die herms fritz dieser veranstaltungsserie quasi auf den leib zeichnete. das hier gezeigte bild stammt allerdings nicht daher, ich habe es von der „sterz“-website geklaut, wo es eine ausgabe zu den fritz’schen plakaten markiert: [link]
und weil ich mich gerne an all das erinnere, hier auch noch ein zitat aus einem herms fritz-interview im „falter“: „Was ist gutes Design?“ / Fritz: „Ja ich!“ [quelle]
aber zurück zum eigentlichen thema! das gesetz birgt ein interessantes politisches statement. der § 1 nennt als ausdrückliches ziel unter anderem: „die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in jeder Region des Landes“. damit ist vor allem regionales kulturgeschehen jenseits des landeszentrums graz ausdrücklich hervorgehoben.
heimo steps hatte sich in seinen beiträgen bemüht, den anforderungen kunstschaffender entgegenzukommen
auch „eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit“ zählt zu den kulturellen agenada, welche hier formell von der politik eingefordert werden. das bedeutet ja umgekehrt, wir sollten fähig sein, uns unter anderem in aktuellen kulturpolitischen streitgesprächen auf diese absichtserklärung der regierung zu berufen. (da ist boden bereitet, um den wir nicht mehr ringen müssen!)
der absatz 5 des § 1 regt uns ferner an, lokal- und regionalpolitische gremien darauf hinzuweisen, daß der gesetzgeber, immerhin repräsentant des volkes, implizit geäußert hat, fußball-klub und blaskapelle würden noch kein kulturpolitisches programm ergeben.
ich erwähne das – etwas polemisch formuliert – deshalb, weil uns die praxis gelegentlich zeigt, daß sich alteingessene formationen in der region notfalls GEGEN die kunst und deren kulturbetrieb aussprechen, wenn es etwa um verteilungsfragen geht.
karl bauer (rechts), mitglied des gleisdorfer kulturausschusses, bevorzugt eine klare kenntnis von rahmenbedingungen, wenn projekte in gang kommen sollen
im gesetzes-text steht ausdrücklich: „Dieses Gesetz verfolgt auch das Ziel, den Gemeinden als Vorbild für deren Kunst- und Kulturförderung zu dienen.“ es sollte uns also gelingen, kommunale kräfte dazu zu bewegen, sich das gesetz einmal anzuschauen.
ich erinnere mich gut, daß ich voriges jahr von einem regionalen management her den einwand hörte, es sähe nicht so gut aus, wenn „kunst ost“ ein plenartreffen in markt hartmannsdorf realisiere, da dieser ort nicht zur „energie-region“ gehöre, in der „kunst ost“ ansässig ist. ich nehme freilich an, das gesetz ist auf meiner seite, wenn da als eines der ziele steht: „die Öffnung gegenüber neuen kulturellen und künstlerischen Entwicklungen im In- und Ausland“. und da wir in dieser frage mit dem gesetzgeber übereinstimmen, pflegen wir auch laufend auslandskontakte, obwohl „kunst ost“ ein erklärtes „regional-projekt“ ist.
übrigens! der § 2 macht deutlich, was ich hier in der region schon gelegentlich um die ohren gehaut bekam, nämlich die bedeutung des fokus auf gegenwartskunst: „Das Land setzt einen Schwerpunkt seiner Förderung im Bereich der Weiterentwicklung der Gegenwartskunst und der Gegenwartskultur.“
wir werden noch darüber zu reden haben, was damit in der praxis gemeint ist, warum das vor allem gegenwartskunst und eher nicht die voluntary arts meint, warum wir DENNOCH auch die voluntary arts in unser engagement eingebunden haben und warum es trotz allem im zentrum von „kunst ost“ um die gegenwartskunst geht.
kompliziert? oh ja! tut mir leid, aber so ist es. naja, überlassen wir radikale komplexitätsreduktion den boulevard-blättern, die „knackig“ sein möchten wie frischer salat, und widmen wir uns der spannenden herausforderung, die komplexität des lebens ernst zu nehmen.
mein hang zur repräsentationsarbeit hält sich sehr in grenzen. aber sichtbarkeit, wahrgenommen zu werden … es gehört zum geschäft, diese aspekte nicht zu ignorieren. umgekehrt betrachtet: es freut mich natürlich auch, wenn unsere arbeit u.a. dadurch gewürdigt wird, daß sie in einem größeren rahmen beachtung findet.
beim „europa-tag“in der aula der alten universität, graz (von links): frido hütter (kultur-chef „kleine zeitung“), landeskulturreferent christian buchmann und kulturpublizist peter wolf
so ein größerer rahmen war ohne zweifel der „europatag 2011“ in graz, zu dem ich exemplarisch für steirische basis-kulturinitiativen jenseits des landeszentrums eingeladen war; in ziemlich bunter gesellschaft, wie sich zeigte:
+) Elisabeth Arlt, Verein Pavelhaus
+) Max Aufischer, Kulturvermittlung Steiermark
+) Anna Badora, Schauspielhaus Graz
+) Christian Buchmann, Landesrat für Wirtschaft, Europa und Kultur
+) Frido Hütter, Kleine Zeitung
+) Dzevad Karahasan, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler
+) Martin Krusche, kunst ost: Soziokulturelle Drehscheibe
+) Margarethe Markovec, Verein
+) Gerhard Melzer, Franz-Nabl-Institut Graz/Literaturhaus Graz
+) Peter Pakesch, Universalmuseum Joanneum
+) Eberhard Schrempf, Creative Industries Styria
+) Gottfried Wagner, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
daß ich hier nicht bloß nominell neben dem bosnischen autor dzevard karahasan gelandet bin, hat mir sehr gefallen, weil uns eine längere geschichte verbindet [link], die wohl auch ihre querverbindungen zu unseren kommenden vorhaben finden wird.
tags darauf folgte eine weitere station im rahmen unserer „talking communities„. viele kulturschaffende haben sich erfahrungsgemäß das steirische kulturförderungsgesetz noch nie näher angeschaut. wir haben einen der „architekten“ dieses gesetzes, heimo steps, gebeten, es uns zu erläutern, es mit uns zu debattieren.
referent heimo steps und kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov
wir werden diese art der inhaltlichen „basis-arbeit“ beibehalten. es geht mir dabei sehr wesentlich um einen andauernden kompetenzgewinn der kulturschaffenden, was uns in summe dazu verhelfen sollte, unsere vorhaben zu sichern und so den boden zu befestigen, auf dem sich gegenwartskunst — auch abseits des landeszentrums — zeigen und ereignen kann. das braucht freilich ganz andere strategien und wege als die „zentrums-situationen“. (den gesetzestext kann man HIER downloaden.)
wir sind zugleich laufend richtung praxis unterwegs. im augenblick bedeutet das, es geht mit „close to nature“ zur sache. basierend auf einer konzeption von mirjana peitler-selakov übertragen wir künstlerische arbeiten auf die region; nicht im metaphorischen sinn, sondern ganz konkret auf die landschaft.
ein erster, knapper blick auf ein stück der arbeit von christian strassegger
unser „raketenprojekt“ mit medienkünstler niki passath war ja schon ein kurioser vorbote dieses genres. wir hatten dabei auf dem anwesen der familie pölzer gehörigen spaß, was ein weiterer, wichtiger hinweis ist: die ernsthafte arbeit schließt den spaß nicht aus.
eine arbeit von christian strassegger wird nun dieser erste formelle akzent von „close to nature“ 2011 sein, ergänzt um eine session mit bernhard kober. man könnte sagen: rasenmäher trifft hubschrauber. das schafft auch querverbindungen zu unserem „kuratorium für triviale mythen„, bei dem augenblicklich die geschichte der mobilität und des verkehrswesens zur debatte steht.