Wir pflegen bei kunst ost schon geraume Zeit einen Themenschwerpunkt unter dem Titel „Zwischen agrarischer Welt und High Tech“. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die Oststeiermark, ein einstiges „Armenhaus Österreichs“, bietet heute einen vorzüglichen Lebensstandard. In Teilbereichen, etwa zwischen Gleisdorf und Weiz, herrscht „Vollbeschäftigung“. Viele ansässige Betriebe würden mehr Fachkräfte brauchen als sie bekommen können.
Wie verhalten sich Herz und Hirn in Konflikten zu einander?
wir gehen mit den „talking communities“ nun weiter. in wenigen tagen treffen wir heimo steps, den vorsitzenden des kulturförderungs-beirates, zu einer zweiten session: [link] in einem text von steps finden sich allerhand details, die deutlich machen, wie dieses gesetz gemeint und daher der beirat orientiert ist. da heißt es unter anderem:
>>Kulturförderung ist kein Gnadenerweis, sondern eine Vereinbarung, die einerseits von den Kulturschaffenden ein korrektes Management ihrer kulturellen Aktivitäten verlangt, andererseits vom Land transparente Entscheidungsgrundlagen und Verlässlichkeit. Um es der freien Szene und den regionalen Kulturinitiativen zu ermöglichen, weitsichtig und effizient zu planen, vernünftige Planungshorizonte zu realisieren, sollen dreijährige Förderungsvereinbarungen abgeschlossen werden.<< [quelle]
bleibt natürlich stets neu zu vehandeln und zu klären, was das für die praxis vor allem regionaler kulturschaffender bedeutet.
unsere kuratorin mirjana peitler-selakov bereitet inzwischen weitere treffen für den anderen bereich der „talking communities“, die reihe „was sagen kunstwerke?“, vor. dazu ist sie momentan mit zwei bildenden künstlerinennen im gespräch, der gleisdorferin herta tinchon und der grazerin eva ursprung.
entwürfe unter verwendung von bildern des werkes von ulla rauter
das verweist zugleich auf den „frauenmonat“ 2011 im kommenden juli, für den nina strassegger-tipl gerade an den print-entwürfen arbeitet. peitler-selakov hat dazu die wortmarke „FMTechnik!“ eingeführt: [link] damit greift sie den themenzusammnenhang frauen, macht und technik auf. sie stellt folgende frage:
>>Seit Jahren wird versucht, mit Hilfe diverser Förderungsprogramme, Frauen für technische Berufe zu interessieren. Leider beweisen die Untersuchungen, dass diese frauenfördernden Aktionen bisher wenig Effekt gebracht haben. An der TU Graz beträgt der Frauenanteil beispielsweise im Durchschnitt knapp 20%, im Wintersemester 2010/2011 waren es 21,4%. In den klassischen Ingenieursfächern sind noch immer fast keine Studentinnen zu finden. Warum ist das auch heute, im 21. Jahrhundert, so?<<
die „talking comnmunities“ handeln also von zwei ebenen und diskussions-bereichen. „was sagen kunstwerke?“ erklärt sich von selbst. wir wollen zeigen, daß man über kunst sprechen kann und daß sich durchaus klären läßt, was kunst ist und was kunstwerke sind.
der andere teil, die „konferenz in permanenz“, ist kultur- und regionalpolitischen fragen gewidmet. was soll kulturpolitik leisten und warum? was verlangt eigenständige regionalentwicklung und was steht dem eventuell entgegen?
polemisch verkürzt läßt sich sagen: wo alte funktionärsherrlichkeit an neuen aufgaben scheitert, steigt die tendenz zu tricksereien. die kippen dann manchmal auch in kriminelle dimensionen.
links moderator winfried kuckenberger, rechts herberstein-insider heinz boxan
wir haben genau das kürzlich an einem sehr spektakulären beispiel dargelegt bekommen. heinz boxan, vormals verwalter auf gut herberstein, war zu gast unserer „talking communities“. anlaß für hitzige debatten. feedback in der „kleinen zeitung“: [link]
was geschieht, wenn einem wachsenden geflecht von funktionstragenden die kompetenzen ausgehen? dann muß mitunter die propaganda ersetzen, was tüchtigkeit schuldig bleibt. dafür steht in der oststeiermark geradezu exemplarisch der fall herberstein.
„expansion“, „vorzeigebetrieb“, „leitbetrieb“, „tourismusmagnet“, „hoffnungsträger“. die aktuelle station bei den „talking communities“ war an einem kuriosen kriminalfall festgemacht, der sich über wenigstens 30 jahre aufgebaut hat. wir konnten an diesem abend erleben, wie sehr die kausa herberstein für emotionen sorgt, während eine eher rationale debatte der begleitumstände praktisch kein interesse findet.
heinz boxan, rund 30 jahre verwalter auf gut herberstein, ist ein profunder kenner der zusammenhänge und verfahrensweisen des kriminellen netzwerks, das die steiermark unzählige millionen gekostet hat
einige neugierige, einige empörte, der erfahrene gerichts-kiebitz, der kontrahent („warum bewerfen sie die familie herberstein mit dreck?“), der wütende („ich sag das ganz offen, da können die mich klagen.“), aber keine debatte über die gebräuche in den fragen der regionalentwicklung. winfried kuckenberger moderierte die debatte mit dem inzwischen rechtskräftig verurteilten heinz boxan, vormals verwalter auf gut herberstein.
wenn ich schon vorher eher bescheidene erwartungen hatte, was aufklärerisches potenzial regionaler kulturarbeit betrifft – na, da muß ich jetzt selber lachen –, wäre nun mehr als klar, es ist in dieser speziellen erwartung (aufklärerisches potenzial) sehr viel zurückhaltung angebracht. empörung ist leicht zu haben, das wird uns auf dem boulevard vorgehüpft, das zeigen uns auch aktuelle protest-ereignisse rund um das aktuelle „sparpaket“ der steiermark. kritische debatten, die der reflexion gewidmet sind, gehören dagegen nicht zum bevorzugten „format“ im lande.
gibt es eine "klassenjustiz"? warum patzt jemand die "gräfin" an? welche halunken hätten auch auf die anklagebank gehört? es war an diesem abend teilweise ziemlich energisch vorgebrachter klartext zu hören
gut, der abend mit heinz boxan war auch jener, an dem der sk sturm graz ein entscheidendes fußballsoiel absolvierte und prompt österreichischer meister wurde, was in den tagen davor schon für allerhand aufregung gesorgt hatte: [link] aber es ist zweifelhaft, ob wir all zu viel publikum an den sport verloren haben.
und warum befassen wir uns als soziokulturelle drehscheibe mit diesem kriminalfall, an dem der boulevard sich über jahre abgearbeitet hat? unterschätzen sie nicht, in welchem ausmaß manche orts-honoratioren, sobald sie unter anforderungsdruck geraten, zu tricksereien bereit sind, falls ihnen seriöse lösungen nicht einfallen. wir gehen auf eine anstrengende zeit zu, da die umfassende landflucht zunimmt, die struktuellen probleme vor allem kleiner gemeinden sprunghaft steigen, was sich mit kräftespielen aus anderen problembereichen vermengt.
wir sind durchaus gut beraten, vorstellungen zu entwickeln, wie das geht, wenn was geht, also wenn funktionstragende beginnen, einzelnen abzockern zur hand zu gehen, um zwar die verluste von projekten der allgemeinheit aufzubürden, aber die gewinne in private taschen zu schaufeln.
genau DAS ist eines der bemerkenswerten hauptereignisse verschiedenster wirtschaftsunternehmen: gewinne privatisieren, verluste der repulik aufladen. ich hab einige der zusammenhänge solcher modi am beispiel herberstein hier notiert: [link] aber einen öffentlichen diskurs, noch dazu mit einiger kontinuität, sehe ich weder am horizont, noch erahne ich ihn hinter dem nächsten horizont.
eine unsere zentralen thesen für die kulturarbeit besagt: kooperationen zwischen den „drei sektoren“ könnten eine neue arbeitssituation ergeben. was mag damit gemeint sein? die drei sektoren sind 1.: der staat (politik & verwaltung), 2.: der markt (wirtschaftstreibende) und 3.: die zivilgesellschaft (privatpersonen, vereine etc.)
wenn wir da die KOOPERATION suchen, dann bedeutet das: aus den schnittpunkten in einigen interessen gemeinsame vorhaben entwickeln und realisieren. das bedeutet auch: a) niemand blickt auf die jeweils anderen herab. b) alle machen erfahrungen mit der situation, den bedingungen und prioritäten der jeweils anderen.
kooperation verlangt ferner, daß niemand seinen oder ihren beitrag höher als den der anderen einstuft. diese art eines gefälles im gemeinsamen ist störend, meist sogar ausgesprochen kontraproduktiv.
unsere gesellschaft ist so sehr von polarisierenden bildern geprägt, daß es einiger anstrengung bedarf, in diesem gewirr von gerüchten und unterstellungen, von unüberprüften und bestätigten annahmen, klare positionen herauszuarbeiten.
heimo steps als gast der „talking communities“
unsere reihe „talking communities“ ist zum teil solchen aufgaben gwidmet. die reihe „was sagen kunstwerke?“ wird gegen sommer wieder belebt werden. im augenblick dominiert die „konferenz in permanenz“, wo es hauptsächlich um strukturfragen und -details geht, auch um deren grundlagen.
heimo steps, eben erst gast der „talking communities“, hat mir nun jenes arbeitspapier geschickt, auf dem die erste session mit ihm beruhte: [link] Ich zitiere hier noch einmal vier von mehreren grundlegenden Punkten, die im Kulturförderungsgesetz schon im ersten paragraphen angeführt sind:
Die Kultur- und Kunstförderung des Landes hat insbesondere folgende Ziele zu beachten: 1. die Unabhängigkeit und Freiheit kulturellen Handelns in seiner gegebenen Vielfalt;
2. die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in jeder Region des Landes;
3. eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit;
4. die Öffnung gegenüber neuen kulturellen und künstlerischen Entwicklungen im In- und Ausland; […] [quelle]
heinz boxan (links) und winfried kuckenberger bei einer vorbesprechung für unere „talking communities“
bleibt zu klären: was heißt das für die praxis? (vor allem auch abseits des landeszentrums.) wie werden ende des monats noch eine zweite session mit steps absolvieren, die selbstverständlich allgemein zugänglich ist.
doch davor gibt es eine station mit heinz boxan, einer schlüsselperson im fall herberstein. auch dieser abend dient dem einblick in bereiche und hintergründe, hier freilich eines skurrilen kriminalfalles, der übrigens das gesamte förderwesen der steiermark in mehreren bereichen grundlegend verändert hat.
in summe sollte es uns quer durchs land gelingen, etwas klarer zu sehen, wir regionalpolitik funktioniert, wo sie in fallen oder sackgassen führt und wie wir die dinge trotz solcher blockaden in gang halten können.
stagnation ist erfahrungsgemäß ein riesenproblem, weil darin schon erreichtes sich einfach verflüchtigt, als wäre es nicht da gewesen. wir bleiben also der anforderung ausgeliefert, selbnst durch krisensituationen hindurch unsere vorhaben voranzubringen und … gute gründe dafür nennen zu können
rein in räume, rauf auf leitern, runter auf den boden der tatsachen, rüber ins nächste cafe. vorbereitungen. letzte klärungsschritte. jetzt liegen noch zwei vernissagen vor uns und gegen ende des monats werden wir den „nikola tesla-tag„ absolvieren.
fotograf franz sattler auf fact finding mission in albersdorf
der „boden der tatsachen“ ist ja vor allem auch ein „deutungsraum“, ein terrain, wo verhandelt wird, was die dinge seien. künstlerische verfahrensweisen als einer von mehreren wegen, um reflexion und deutung vorzunehmen, auch selbstvergewisserung.
warum ist das wichtig? aus wenigstens zweierlei gründen. wir sind sinnsuchende wesen, denen bloße alltagsbewältigung gewöhnlich nicht reicht, um damit ein leben auszufüllen. da treffen sich dann im günstigsten fall etliche intentionen von kunstschaffenden und publikum.
ein letzter lokalaugenschein im "business park"; von links: franz lukas, manuela petermann (von "ingenos"), richard mayr und andreas turk
das „april-festival“ ist heuer mehr denn je zu einem ereignis geworden, in dem äußerst verschiedene kreative menschen sich aus einer größeren themenstellung ein teilthema wählten, um es mit ihren bevorzugten mitteln zu bearbeiten.
und während sich dieses festival dem ende zuneigt, sind schon die ersten arbeitsschritte für das von 2012 in gang: [link] so wollen wir einen ausreichend großen zeitraum öffnen, damit a) jene für nächste „location crews“ zusammenfinden, die in neuen frage- und aufgabenstellungen harmonieren und damit b) um genug zeit zu haben, die anspruchsvolle themenstellung auszuloten.
im mai tagen dann wieder die „talking communities“. einmal geht es um grundlagen der kulturförderung: [link] zum anderen sehen wir uns ein kurioses stück regionalgeschichte etwas näher an. heinz boxan, vormals verwalter auf gut herberstein, wird uns einblicke bieten, wie das ausplündern der republik gelingt, wenn leute aus unseren eliten zusammengreifen.
heinz boxan ist insider eines spektakulären betrugsfalles in der oststeiermark.
das verspricht ein aufschlußreicher abend zu werden: [link] in tagen der einbrechenden budgets dürfte die verlockung zu solchen machenschaften ja da und dort ansteigen. apropos einbrechende budgets! wie sehr wir davon im kulturbereich betroffen sind, habe ich schon skizziert. aber da gib es noch ganz andere problemlagen.
das leben schwer behinderter menschen ist ebenso belastet wie das ihrer angehöriger. bisher haben kompetente assistenzleistunen deren existenz stabilisiert. und genau da drohen nun streichungen, die etliche betroffene an den rand von panik bringen. ich trage hier einige diesbezügliche informationen zusammen: [link]
„wie geht es ihnen?“
„danke, kann nicht genug klagen!“
zugegeben, solche momente waren mir in den letzten monaten vertraut. es ist ein mühsamer abschnitt gewesen, ein ringen, um die sicherung unseres kultur-projektes. aber ich hab keine freude am klagen. es kostet kraft und zeit, bringt nichts und läßt einen dort sitzen, wo man gerade feststeckt.
lieber in bewegung bleiben. unser „april-festival“ ist sozusagen das „vehikel der zuversicht“, mit dem wir leute aus verschiedenen bereichen bewegen wollen, den kulturbereich zu stützen, mitzutragen, auch wenn die budgets krachen.
dagobert eberdorfer, schulleiter in wetzawinkel, lüftet gerade ein betriebsgeheimnis, während veterinär karl bauer die kurve kratzt
eben waren wir auf lokalaugenschein in der fachschule von wetzawinkel, wo wir unseren „tag der agrarischen welt“ realisieren möchten. hausherr dagobert eberdorfer kommt uns dabei sehr entgegen. eine weitere station in der umgebung von gleisdorf, die wir uns als längerfristigen teil eines gemeinsam entwickelten regionalen kulturgeschehens wünschen.
den nachmittag davor habe ich auf etwas kuriose art verbracht. für den 17. februar war in graz die entscheidung der zweiten instanz im fall herberstein angekündigt. der skandal hat ja in der steiermark einiges an strukturen grundlegend verändert.
von links: journalistin monika bertsch, frau olga (wurm), regionale großmeisterin des gulaschkessels, und heinz boxan, vormals verwalter in herberstein
wir saßen mit dem vormaligen verwalter heinz boxan, als beitragstäter nun rechtkräftig verurteilt, im ruhigen extrazimmer des gasthofs „wurm“ und erörterten den stand der dinge.
wie erbärmlich die hochmütig angelegte klamotte endete, in der über geraume zeit die republik ausgeplündert wurde, machte der „standard“ im bericht nach der urteilsverkündung deutlich: „Jedes Urteil ist nicht nur ein Urteil gegen mich, sondern auch ein Urteil gegen meine Kinder.“ Bei ihrem Schlusssatz brach die tränenerstickte Stimme von Andrea Herberstein. [quelle]
kann mir zufällig jemand sagen, was das eine mit dem anderen zu tun hat? eben! gar nichts! diese weinerliche art, das ganze gebäude an manipulationen, täuschungen, kostspieligen erhabenheiten und merkwürdigen konstruktionen nun in solcher larmoyanz zurechtzustellen, erscheint mir ekelhaft.
aber die selbsternannte „gräfin“ die sich nun nicht mehr so nennt, interessiert mich recht wenig. mich interessiert viel mehr dieses stück regionalgeschichte, das auch ein stück reale regionalentwicklung ist, in dem sich so viele menschen auf allen ebenen haben hinreißen lassen, regeln zu übergehen, zu brechen. mich interessiert diese kumpanei, die lösungen zugusten des gemeinwohls vorgab und doch bloß eigennutz beförderte.
in einer zeit, wo probleme rasch wachsen und wirksame lösungen rar werden, steigt offenbar die neigung vieler leute, flotte lösungen herbeizuhudeln, notfalls zu simulieren, eventuell auch über gesetzesbruch aus dem boden zu stampfen.
ich denke, das „system herberstein“ steht für eine komplexe „realpolitische“ problemlage, die wir uns noch genauer ansehen sollten; vor allem unter den aktuellen anforderungen, bei diesen zunehmenden problemen, jenseits des landeszentrums nun die strukturen zu sichern und der massiven „neuen landflucht“ etwas wirksames entgegenzusetzen.
was uns das angeht, wo wir doch ein kulturprojekt betreiben?
wir haben nach den realen bedingungen unseres lebens und unserer arbeit in der region zu fragen. ohne verständnis dieser zusammenhänge bleibt kulturpolitik unklar, hat folglich das kunstschaffen keine beschreibbaren bedingungen.
das geht uns also eine menge an, wie dorfhonoratioren und mitglieder verschiedener deutungseliten hier den lauf der dinge deuten und beeinflussen, entsprechend oder entgegen den regeln der republik.
was geschieht zur zeit? na, so allerhand. eben hatten wir eine weitere station der „talking communities“: [link] tom tipu pono und renate buchgraber vom projekt „:freie galerie:“ fanden sich zu einer debatte ihrer konzeptionellen grundlagen ein. das in graz ansässige galerie-projekt wird – von einigen kühnen annahmen über den kunstbetrieb ausgehend – nun aus der webpräsenz in eine zusätzliche ereignis-zone im realraum überführt.
tom tipu pono und renate buchgraber vom projekt „:freie galerie:“
einiger anlaß, einschätzungen und aussichten zu debattieren. davor hatten wir ein bemerkenswertes arbeitsgespräch mit meinen “drei tenören”, die freilich nicht singen, sondern ein ungewöhnliches projekt-trio ergeben, in dem eine reflexion über unseren lebensraum zu einem gemeinsamem fotografischen statement führen wird.
da war der moment, in dem franz lukas kopfschüttelnd sagte: „je mehr ich über meine letzten aussagen nachdenke, desto mehr entferne ich mich davon. ich fange wieder bei null an.“ das hat uns amüsiert und es war ihm vermutlich in dem augenblick gar nicht klar, wie sehr genau das, diese radikale bereitschaft, vorläufig erreichtes zu verwerfen, oft ein wertvolles fundament künstlerischer praxis ist. eine unverzichtebare art von produktivem zweifel.
das trio im radikalen kontrast: richard mayr, andreas turk und franz lukas
lukas sagte, es werde seine arbeit vermutlich darauf hinauslaufen daß er nur ein einziges bild zeige, in dem sich der prozeß verdichte. ich wünschte, er würde gute gründe finden, sich von dieser konsequenten konzentration nicht abbringen zu lassen. wir haben also im set nun den „buddhisten“ (lukas), den „praktikanten der kontraste“ (turk) und den „zeitreisenden“ (mayr).
von links: das gleisdorfer kultur-team alois reisenhofer, sigrid meister und winfried kuckenberger
andere session, anderes trio. gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer, kulturbüro-leiter winfried kuckenberger und „MIR“-kustodin sigrid meister in einer debatte mit uns, wo es denn nun regional/kulturell weitergehen könne und wovon allenfalls eine weiterführende kooperation zwischen “kunst ost“ und der stadt gleisdorf handeln könnte.
jungejunge! das sind frostige zeiten. und irgendwie ist in der region so allerhand schaden entstanden; genauer: in der regionalpolitik. das hat aber vielleicht auchn sein gutes. der status quo legt uns behutsame schritte nahe. achtsame prüfung der möglichen vorhaben und der fragen, was dabei das zeug zum konsens hat.
neben all dem erreicht mich einige unruhe anläßlich des buches über den „fall herberstein“, das nun erscheint. ich habe daran als sekretär von autor heinz boxan mitgearbeitet. dadurch haben wir bei „kunst ost“ die basis-finanzierung für das erste quartal 2011 erwirtschaftet: [link]
boxan stand mit andrea herberstein, die sich notorisch „gräfin“ nennen ließ, vor gericht. beide wurden für die verübten betrügereien verknackt; boxan zu bedingten, herberstein zu unbedingten strafen. das buch erscheint in kürze, denn für den 17. februar wird das gerichtsurteil der zweiten instanz erwartet: [link]
ich erhalte inzwischen schon manche zuschrift, die mir „andere blickwinkel“ zum casus quasus anbietet. alles sehr interessant, denn es illustriert, was noch heute populäre auffassungen von regionalentwicklung sind, welche sich auch die falsche „gräfin“ nutzbar machte. ich bin sehr neugierig, was ich in der angelegenheit noch erfahren darf …
ich hatte in letzter zeit etliche gespräche geführt, welche sich um die frage drehten, wie es denn nun im kulturbereich weiter gehe, wo doch so viel an budgets weg sei. politiker haben die rollbalken heruntergelassen. beamte zeigen sich teils sehr spröde. es wird auch nicht gar so gerne klartext geredet. ich hab in den vergangenen wochen mehrmals gestaunt, was da an UNAUSGESPROCHENEM im raum steht.
wir sind im kern von „kunst ost“ als dreier-team übriggeblieben. es besteht da einigkeit, momentan eine eher plüschige botschaft auszusenden, die besagt: „WIR sind härter als diese krise!“ was meint das? wir wußten seit einem dreiviertel jahr was kommen werde. jetzt ist es da. wir waren gerüstet: schlankere strukturen, adaptiertes konzept und aufgestrickte ärmel, um innerhalb kurzer zeit neue faktenlagen zu schaffen.
klar, das klingt nun etwas salopper als es sich zugetragen hat. aber krisen auszusitzen, das läßt sich eben nicht im schaukelstuhl machen.
eine große runde kunstschaffender beim ersten 2011er-plenar-treffen in ludersdorf
eben hat es das erste plenar-treffen im neuen jahr gegeben. ich bin erstaunt gewesen, wie GROSS die runde war, die diesmal in ludersdorf an einen gemeinsamen tisch gefunden hat. es scheint einigermaßen deutlich, daß die aktuelle konzeption von „kunst ost“ nun bei den leuten angekommen ist. das hilft sehr, die kräfte zu bündeln.
allerdings mangelt es noch etwas an geld-bündeln. aber das dürfte sich nun ebenso lösen lassen. zumindest für die auftakt-phase von „kunst ost neu“ haben wir durch eine spezielle dienstleistung ein nennenswertes startkapital erarbeiten können.
heinz boxan, vormals gutsverwalter in herberstein, davor kino-betreiber in pischelsdorf, ist ein profunder kenner einiger ecken regionaler kulturgeschichte
das ist ebenso romantisch wie kurios zustande gekommen. es gab vor jahren einen kriminalfall, der die politik der steiermark in ihren fundamenten erschüttert und das gesamte fördersystem des landes, vor allem auch die kulturförderungs-modalitäten, verändert hat. es ist der wohl schillerndste skandal der steiermark in der zweiten republik geworden.
ich war nun einige zeit der sekretär jenes vormaligen gutsverwalters, welcher neben andrea herberstein als beitragstäter in dieser kausa vom gericht eingesackt worden ist. heinz boxan ist ein erfahrener insider einer ziemlich verrückten geschichte. es wird nun ein buch erscheinen, in dem boxan einblicke gewährt, wie dieses „system herberstein“ funktioniert hat. dafür waren berge von archivalien durchzuackern und in einer umfassenden medien-recherche gegenzuchecken, anschließend mit boxan zu debattieren, was davon nun wie für eine publikation in frage käme.
das war viele wochen mein zusätzliches „nachtgeschäft“, also neben dem üblichen tagesgeschäft, um unser projekt in seiner umbruchs-phase finanziell abzusichern und uns im „basis-team“ einige monate spielraum zu verschaffen, das neue konzept zu etablieren und geschäftlich auf die schiene zu bringen.
eigentlich ein grimmiger witz, daß ein kriminallfall, in dem ungezählte millionen an öffentlichen geldern versickert sind, uns eine arbeit beschert, mit deren lohn wir den verlust an öffentlichen geldern in unserem kulturprojekt kompensieren können. um es goschert auszudrücken: das schicksal ist ein scherz-keks!