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die kulturspange

um sam peckinpah zu zitieren: „wir haben einen konvoi!“ aber was haben wir nun genau? sie merken schon: da ist auf jeden fall ein hang zu trivialen mythen [link] doch ich greife vor.

wir haben also nun eine kulturspange konstituiert, welche quer durch die steiermark reicht. ich habe das thema schon öfter voranzubringen versucht. ende 2009 war das kurz in einiger reichweite, wie im projekt-logbuch nachzulesen ist:

>>Dieser neue Abschnitt in der Entwicklung von „kunst ost“ wird von der kommenden“Freitags-Konferenz“ unterstrichen, in der wir die „Kulturspange“ bearbeiten. Da zeichnet sich ein Kommunikations- und Kooperationsraum zwischen Weiz, Gleidsorf und Feldbach ab.<< [quelle]

peripatetische einschüber bei der konstituierenden session: (von links) franz maunz, gerhard flekatsch, mirjana peitler-selakov und eva ursprung

damals bin ich mit dieser vorstellung offenbar noch zu früh unterwegs gewesen. heute sieht das anders aus. die gang of excellence, konkret: gerhard flekatsch, günther marchner franz maunz, mirjana peitler-selakov eva ursprung und ich, ist auf der primären kompetenzebene folgendermaßen aufgestellt: drei kunstschaffende (flekatsch, ursprung und ich), ein kulturschaffender (maunz), zwei leute aus der wissenschaft (peitler-selakov und marchner).

auf einer zweiten ebene verfügbarer kompetenzen sind alle im team seit jahren mit kunstvermittlung, fragen der kulturpolitik und auch mit kunsttheorie vertraut. das bedeutet, in dieser crew werden aktion und reflexion beieinander gehalten.

ohne reflexion, theorie und klar benennbare gründe ist im kuturbereich kein boden zu gewinnen: (von links) günther marchner, franz maunz und gerhard flekatsch

dazu kommt der räumliche/regionale aspekt. feldbach und gleisdorf (südost- und oststeiermark), graz als landeszentrum, gesäuse und salzkammergut (als obersteirische bezugspunkte) ergeben territorial einen sehr passablen ausgangspunkt für unsere steirische präsenz.

nach südosteuropa führen unsere wege momentan vor allem nach bosnien-hercegovina und in die serbische vojvodina. das bedeutet unter anderem, wir etablieren einen laufenden erfahrungsaustausch mit kunst- und kulturschaffenden, die uns in den krisen- und mangelerfahrungen bei der arbeit viel voraus haben.

und es ist schin so, daß einem bei engagierten frauen mitunter ganz andere strategien auffallen, als sie herkömmliche männer-seilschaften pflegen: mirjana peitker-selakov (links) und eva ursprung

zugleich ist der künstlerische austauch in diesen bereichen vielversprechend, weil die kunstschaffeden dort von völlig anderen hintergünden und zusammenhängen geprägt sind, was wechselseitige horizonterweiterung in aussicht stellt.

es ist auch nicht gerade unerheblich, daß franz maunz und ich die kooperation zweier LEADER-kulturprojekte repräsentieren, bei denen eine klare auffassung besteht, daß gegenwartskunst und „voluntary arts“ zwei grundverschiedene kategorien sind, die unterschiedliche rahmenbedingungen haben und verlangen.

zu all dem kommt, daß wir nun in gleisdorf eine fixe kooperation mit kunstsammler erich wolf eingegangen sind, um in einer zweijährigen vorlauf-phase die grundlagen für ein kompetenzzentrum zur gegenwartskunst zu erarbeiten. (siehe: eine wegmarke!)

kunstsammler erich wolf besitzt eine der bedeutendsten kollektionen steirischer gegenwartskunst

damit haben wir natürlich nicht bloß regionale reichweite im auge, sondern auch bundesweite und internatioale relevanz. diese arbeitsansätze korrespondieren mit der bereitschaft des „offiziellen gleisdorf“, im bereich politik und verwaltung mit uns regelmäßige arbeitstreffen zu pflegen, um relevanten aspekte all dieser themen in kontinuität durchzugehen. (siehe dazu: zur praxis des bottom up-prinzips!)

das bedeutet, wir klären nun in einer außergewöhnlichen gesamt-kooperation, wie sich eine kulturelle situation, in der gegenwartskunst eine erhebliche rolle spielt, abseits des traditionbellen landeszentrums so entfalten kann, daß wir uns a) absolut auf der höhe der zeit bewegen und b) in den wesentlichen positionen nach internationalen standards bestehen.

[die spange]

eine wegmarke

angenehmer weise komme ich mit der arbeit gar nicht damit nach, unseren online-pressespiegel auf stand zu bringen: [link] naja, im spätsommer wird das getan sein. an dieser sache ist wichtig, daß uns eine kontinuierliche präsenz in regionalen medien gelingt. denn medienpräsenz hat den rang von „realitätserzeugung“. das bedeutet, was in den medien vorkommt, gibt es, das wird von den menschen als existent wahrgenommen. was in den medien keine erwähnung findet, rangiert meist unter „unwichtig“ bis „gibt’s net!“

diese medieal vermittelte wahrnehmung spielt wiederum in einem anderen rang-system eine rolle, die wir nicht ignorieren können. ob wir von manchen schlüsselpersonen und machtpromotoren wahrgenommen werden, hat viel einfluß darauf, ob wir mit unseren ansichten und ansprüchen gehört werden oder nicht.

ich brauch für die entwicklung unserer vorhaben zugang zu mehreren verschiedenen ebenen. hier ein arbeitsgespräch mit landesrat christian buchmann (2. v. links) und funktionastragenden der stadt gleisdorf

wenn wir in verhandlungen augenhöhe zu unseren gegenüber erwarten, hat das viel damit zu tun, ob man uns die kompetenz und den rang zutraut, die beide voraussetzung sind, daß man quasi für eine begegnung in augenhöhe zugelassen wird. ich kenn die empörung darüber, daß es solche gefälle im verhältnis der menschen gibt, über mehrere partituren rauf und runter.

wir kinder der gegenreformation sind leider nach zutiefst autoritäten mustern gestrickt und der lauf der dinge hat gezeigt, daß jene, die ganz ostentativ allergisch auf solche autoritätsformationen reagieren, oft selbst die härtesten bedingungen und unerbittlichsten gefälle einführen.

unterm strich bleibt jedenfalls, daß ein fruchtbarer und vor allem über längere zeiträume kontinuierlicher dialog zwischen sach- und machtpromotoren nicht von selber entsteht, sondern in den meisten fällen mühsam erarbeiten werden will.

ohne permanente diskursarbeit wäre für uns kaum klärbar, nach welchen kriterien wir nun um welche strukturellen maßnahmen konzentriert ringen sollten

daraus folgt auch, es braucht meist längerfristigen umgang mit einander, in dem achtsamkeit und die neigung zu respektvoller betrachtung platz haben, damit eine begegnung in augenhöhe stattfinden kann, wo menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen positionen dann bestenfalls auch zu kooperationen finden. es ist freilich eine reizvolle aufgabe, übliche barrieren einzuebnen, um auf die art neuen handlungsspielraum zu schaffen.

ich habe nun seit einiger zeit mit „kunst ost“ ein hauptprojekt installiert, das für „kultur.at“ völlig neue optionen ermöglicht. das soziokulturelle potenzial dieses projektes fesselt mich. aber ein spezieller höhepunkt ist natürlich aktuell die nun feststehende kooperation mit erich wolf, dem repräsentanten der „sammlung wolf“. durch die zusammenarbeit mit ihm bekommt unser fokus auf die gegenwartskunst ganz neue nuancen und perspektiven.

der mann befaßt sich seit jahrzehnten intensiv mit gegenwartskunst, hat sich in der sammlung auf steirische kunst vor allem der nachkriegszeit konzentriert, und ist natürlich auch teil angemessener netzwerke. somit erweitert sich unser handlungsspektrum und unser streben nach professionalisierung einzelner projektbereiche.

kunstsammler erich wolf

gerade unter den krisenhaften entwicklungen der landesbudgets und der kommunalen situationen stellt sich ja laufend neu die frage, welche guten gründe wir vorbringen können, um jene finanzierungen zu schaffen, die ein zeitgemäßes kulturelles engagement verlangt; mehr noch, die so eine konzentration auf gegenwartskunst unabdingbar benötigt.

mit dem aktuellen presse-info von „kunst ost“ [link] ist eine wegmarke am beginn des neuen arbeitsabschnittes hervorgehoben. wir sind uns übrigens einig, daß sich unsere konzeptuelle orientierung in drei bereichen einlösen und bewähren muß. was wir in summe vorhaben, muß LOKAL funktionieren, respektive im bezug auf die „kleinregion gleisdorf“. es muß REGIONALe und steiermarkweite relevanz entfalten können, es muß sich aber auch in einigen INTERNATIONALen bezügen als tauglich erweisen.

das ist eine spannende aufgabenstellung, weil wir so gefordert sind, ein sehr komplexes kräftespiel zu bearbeiten. es weist einiges darauf hin, daß einige unserer wege bisher noch nicht begangen wurden…

auf jahre

unsere vorhaben sind nun in wesentlichen zielpunkten auf jahre klar entworfen. das löst sich cih in kleinen ereignissen ein. wir haben heuer begonnen, entlang unserer veranstaltungen eine serie von postkarten herauszubringen. eben sind zwei weitere ausgaben fertig geworden. jene von richard mayr schließt noch an das vergangene „april-festival“ [link] an, jene von christian strassegger ist das erste motiv der serie „close to nature“: [link]

nun sind auch je eine karte vion christian strassegger (links) und richard mayr in unserer edition verfügbar

damit ist ein großer teil unserer aktuellen arbeit in eine ruhige phase gekommen. im augenblick beginnt wieder die inhaltliche arbeit zu dominieren. nächste woche absolvieren wir eine kleine kulturkonferenz in der obersteiermark. dabei sollen möglichkeiten der kooperation und des erfahrungsaustausches jenseits der „energie-region“ überprüft werden. (siehe dazu: die erfahrung von weng!)

ich habe schon mehrfach erwähnt, daß ich inhaltliches gewicht und kooperation für wesentliche mittel halte, um aktuelle auswirkungen diverser krisen zu kompensieren. außerdem haben gerade diese krisenausläufer der etwa letzten 10 monate deutlich gezeigt, wie gering quer durchs land die allgemeinen kenntnisse der zusammenhänge von gegenwartskunst und generell dem kulturellen klima sind.

das bedeutet auch, viele entscheidungen, die GEGEN kulturbudgets fallen, basieren sehr wesentlich auf mangelnder sachkenntnis. berührungsängste sind standard, ressentiments erlebe ich häufig. anders ausgedrückt: wer in einem herkömmlichen gemeinderat mit dem thema KUNST anzukommen versucht, hat allergrößte chance, zuerst einmal ins leere zu laufen.

es interessiert mich nicht, darüber klage zu führen, weil jene, die ich gerne als sachkundige gegenüber gewinnen würde, ohnehin schon ausreichend rückzug üben, genau WEIL sie den öffentlichen diskurs meiden, in dem die häufig herrschenden kompetenzmängel auffallen könnten.

wir brauchen demnach andere strategien und verfahrensweisen, um für die sache der kunst boden zu gewinnen. die lassen sich nach meiner überzeugung in wachsenden kooperationen finden. erst in der konkreten zusammenarbeit entsteht jene wechselseitige kenntnis von einander, die vorerst so schmerzlich fehlt.

ich debattiere diese fragen zur zeit auch mit dem gleisdorfer kunstsammler erich wolf. er verfügt über eine beachtliche kollektion steirischer gegenwartskunst. wolf ist ein mann, der nicht auf das „besondere bild“ aus ist, sondern die zusammenhänge sucht, also ensembles bevorzugt, die eine verlaufsgeschichte abbilden.

kunstsammler erich wolf bemüht sich mit leidenschaft, das steirische kunstschaffen der nachkriegszeit in seinen wesentlichen positionen überschaubar und verständlich zu machen

diese faible für das prozeßhafte ist mir sehr vertraut. nun schätze ich nicht bloß anregende debatten über kunst und deren bedingungen mit ihm. wir gehen gerade einen erheblichen schritt weiter. inzwischen ist es also gewissermaßen „amtlich“. es gibt nun eine kooperation zwischen der sammlung wolf und dem projekt „kunst ost“. wir haben einen prozeß eingeleitet, der auf mehrere jahre angelegt ist und das ziel hat, in dieser region eine art kompetenzzentrum für gegenwartskunst herbeizuführen.

damit wir uns recht verstehen, das meint nicht ein museum, sondern eine leistungsfähige „drehscheibe“, bei der es vor allem auch um know how-transfer, netzwerke und auslandskontakte geht, um maßnahmen, steirisches kunstgeschehen wirksam mit internationalen prozessen zu verknüpfen. aber natürlich soll auch vor ort gezeigt werden, wo kunstschaffen aus der steiermark gerade steht.

es ist also ein einigermaßen anspruchsvolles unterfangen, für das wir uns die ärmel aufgestrickt haben. null will die konzeption konkretisiert und die umsetzungsarbeit begonnen werden.

was herauskommt

nun stecken monate arbeit in diesem „april-festival“. so viele inspirierte leute haben sich aufgerafft, mehr zu tun als nur das eigene werk zu promoten. und obwohl ich die ganze zeit mitten in diesen prozessen gesteckt habe, bin ich verdutzt, was sich mir alles zeigt. auch falle ich in manches, das sich plötzlich ereignet, wie ein fremder, ein gast, hinein.

durch eine verschiebung im programm ergab sich eine lücke in der gleisdorfer stadtbücherei, die nun herta tinchon mit einer kleinen auswahl an arbeiten bespielt

das sind ziemlich irritierende effekte, die mir zugleich große freude machen, weil sich darin eine ganz neue erfahrung andeutet. wir arbeiten zwar schon geraume zeit an der idee von „kollektiver kreativität“ und wie die sich ereignen mag, aber nun, wo sich das anscheinend stärker denn je einlöst, bin ich ziemlich überrascht, wie es sich anfühlt.

in diesen ereignissen tun sich mittlerweile auch unter den beitragenden stärkere kontraste auf als zuvor. da gibt es etwa eine künstlerin, die ein zehn jahre altes konzept aufwärmt und so schlampig umsetzt, daß die arbeit nach einer woche schon auseinandergefallen ist. gut, soll sein. andere haben sich dagegen auf die gesetzte themenstellung eingelassen und neue werke gründlich erarbeitet.

fotograf richard mayr scheint mi den ergebnissen seiner anstrengung zufrieden zu sein

da riecht man an bildern noch die frische farbe. da darf ich dabei sein, wenn jemand seine ergebnisse per post erhält, auspackt, vor freude strahlt, weil die arbeiten den hoch angesetzten erwartungen entsprechen.

da plaudere ich mit dem kunstsammler erich wolf, der sich stets umsieht, was an künstlerischen arbeiten in der region entsteht, und erfahre von ihm, wer sich in den letzten zwei jahren gut sichtbar gesteigert habe.

zurückhaltend mit kommentaren, aber stets mit wacher aufmerksamkeit am lauf der dinge: kunstsammler erich wolf

es ist also ein lebhaftes geschehen, das sich im kontext von „kunst ost“ entfaltet. immer mehr leute nützen merklich die gelegenheit, erstens von einem konzentrierten kunstgeschehen impulse zu beziehen und zweitens dann durch das eigene tun ihrerseits impulse zu geben. ein kurioses kräftespiel.

mit fotograf franz sattler hatte ich inzwischen ein plauder-stündchen, in dem etliche dinge auf den punkt zu bringen waren. eine seiner arbeiten („in der hitze der nacht“) ist nun gegenstand der erste karte in einer kleinen edition von kunstkarten, die ich voranbringen möchte: [link]

fotograf franz sattler tendiert zum reisen. wir werden also demnächst eine gemeinsame ausfahrt kunstschaffender realisieren.

ferner habe ich mit ihm erörtert, was ich davor schon mit kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov debattiert hatte. wir beginnen jetzt schon mit den vorbereitungen für das „april-festival“ 2012. die themenstellung geht noch näher an die menschen heran: „leben: die praxis der zuversicht“.

— [april-festival] —

was ist kunst? #10

einwände, einwände, einwände. ich höre meist einwände, in den geringeren fällen wohlmeinende oder gar geistreiche äußerungen zur kunst, die mir vielleicht von leidenschaft, eventuell von freude und unter umständen von etwas sachkenntnis erzählen. ich kann nur staunen, wie viel abschätziges ich quer durch’s jahr über „die kunst“ oder einzelne werke höre.

ich mache es mir selbst etwas einfacher. von dingen, die mich langweilen, wende ich mich sehr schnell ab. ich brauche auch nicht unerhebliche darbietungen anderer zu bemerken, um den wert meines eigenen tuns zu betonen. letztlich ist aber die kunst so voller unermeßlicher angebote, voller bewegender, vorzüglicher werke, daß ich kaum zeit und anlaß finde, mich mit schlechten arbeiten zu befassen.

andrerseits belegt die offensichtliche flut teils sehr schwacher arbeiten, daß bei uns eigentlich sehr viele menschen sich mit solchen techniken und künstlerischen strategien aktiv befassen. wer wollte ihnen vorwerfen, falls sie es dabei nicht zur meisterschaft bringen? DASS sie sich mehr oder weniger intensiv mit derlei dingen befassen, ist sicher ein gewinn für sie selbst und wahrscheinlch auch ein gewinn für die gemeinschaft, der sie angehören.

maler hannes schwarz bei der revision früher arbeiten

zurück zu den alltagsdiskursen über kunst, welche so auffallend oft eher abschätzig ausfallen. das übliche gezänk halte ich für ermüdend. wo mich jemand erkennen läßt, daß er oder sie eigentlich keinerlei nachvollziehbares interesse am thema kunst hat, was sich meist durch das fehlen wenigstens EINIGER grundlegender kenntnisse zur sache ausdrückt, will ich mir dessen ansichten über kunst gar nicht anhören. wozu? diese suderei, deren intentionen völlig im dunkel bleiben, läßt mich ratlos zurück.

aber das läßt sich auf jedes metier und jedes genre umlegen. chirurgie? autoreparatur? gärtnerei? kindererziehung? wenn alles nur mist sei und alle nur stümper wären, wenn es früher oder nie besser gewesen sei, wenn nichts von dem, was man zu sehen oder zu hören bekommt, etwas taugt, dann meine ich: man könnte auch einen strick nehmen oder sich in der verachtung der welt bequem einrichten und warten, bis einem die ohren abfallen, die augen erblinden … dann ist es eben so und das entzieht sich jeder fruchtbaren debatte.

im beitrag #3 zu dieser kleinen plauderei findet man eine fotografie, die mir teuer ist. sie zeigt den moment eines alten künstlers, da er sich selbst gerade radikal in frage gestellt hat. er ließ mich in diesem intimen moment so nahe an sich heran, daß dieses bild entstehen konnte.

ich habe die aufnahme gemacht, als ich mit dem maler hannes schwarz zum stift admont gefahren war. dieser mann von erheblichem künstlerischen rang, seit jahren unfähig zu malen, weil ihn eine schüttellähmung schwer beeinträchtigt, hatte sich die reise gewünscht, denn in admont besteht eine sammlung von früheren schwarz-werken, die er jahrzehnte nicht mehr gesehen hatte.

hannes sagte, er würde gerne überprüfen, ob diese werke seiner heutigen auffassung von kunst und den daraus resultierenden kriterien standhalten würden. ein insofern riskantes unterfangen, als er ja, falls er große teile seines oeuvres verwerfen müßte, nicht mehr in der lage wäre, neue arbeiten zu schaffen, die diesen verlust ausgleichen würden. warum ich diese geschichte erzähle?

hannes und friedl schwarz im stift admont

ich möchte eine vorstellung anbieten, welche dimensionen die befassung mit kunst haben kann. hannes und seine frau friedl haben ein ganzes leben lang stets nach weiteren ästhetischen erfahrungen gesucht, waren immer auf der suche nach eindrücken, die bestehendes in einen kontrast zu einander setzen.

es paßt zu dieser geschichte, daß friedl voriges jahr während eines ruhigen ausstellungsbesuches in kärnten verstarb. ja, sie hatten gerade erst begonnen, gemeinsam mit dem kunstsammler erich wolf eine kollektion anzusehen. erich hat mir die geschichte erzählt. friedl lag schließlich tot in dem etwas abgeschiedenen museum. es war auf den transport des leichnams zu warten und die leitung des hauses hatte eine angekommene besuchergruppe gebeten, auf einen rundgang zu verzichten, bis friedls leib geholt würde. also waren die zwei, hannes und erich, in der stille zwischen den werken …

hannes, von dem man annehmen darf, daß er in diser situation mehr als nur betroffen war, die beiden hatten jung geheiratet und ein langes leben mit einander verbracht, schlug erich vor, in der verbleibenden zeit durch die ausstellung zu gehen. so teilte er mit seiner frau über deren tod hinaus noch einige momente dieses gemeinsamen erlebens von kunstwerken, das alle ihre gemeinsamen jahrzehnte bestimmt hatte.

ich erzähle das nicht aus ergriffenheit, sondern weil es nach meinem geschmack illustriert, was uns die kunst sein kann. es ist diese art von verbindlichkeit und intensität, die ein level markiert, auf dem ich mich mit jemandem über kunst ausseinandersetzen mag. ein level, auf dem die leidenschaft für die erfahrung von kunst tonangebend ist, für ihre relevanten werke, nicht für ihre schwachen momente …

[überblick]