Archiv für den Monat: April 2012

Kulturgeschichte und Kulturgeschehen

Mein aktuelles Plauderstündchen mit Historiker Robert Hausmann weist uns eine sehr interessante Perspektive. Er hatte im vorigen April-Festival erhebliche Denkanstöße geboten, indem er uns einige Grundlagen der Sozialgeschichte dieser Region darlegte: „Tag der agrarischen Welt“ [link]

Ein kulturelles Engagement auf der Höhe der Zeit könnte nicht gelingen, würden wir weitgehend ignorieren, was diesen Lebensraum über viele Generationen geprägt hat und welche mentalitätsgeschichtlichen Kräftespiele zum gegenwärtigen Klima unter den Menschen geführt haben. Die Geschichtsschreibung bietet uns dabei wesentliche Impulse.

Der Gleisdorfer Historiker Robert F. Hausmann

Da es zur Zeit, was die Oststeiermark angeht, kaum Literatur gibt, sind die realen Begegnungen mit Fachkräften eine wichtige Möglichkeit, in dieser Sache mehr zu erfahren. Hinzu kommt der große Vorteil, in Gesprächen einzelnen Aspekten nachgehen zu können.

Kleiner Einschub: Ein zweibändiges Werk, das ich zu solchen Fragen immer wieder zur Hand nehme, ist leider längst vom Markt verschwunden. Aus meinen Notizen zum vorjährigen April-Festival:
Die Historiker Karl Kaser und Karl Stocker haben das in einem fulminanten zweibändigen Werk dargestellt: „Bäuerliches Leben in der Oststeiermark seit 1848“. Sie haben für den Zeitraum zwischen 1848 und 1938 der Oststeiermark „Abgeschlossenheit und Stagnation“ zugeschrieben. [Quelle]

Hausmann erzählt mir nun von einem Projekt, das der Verein für Kulturgeschichte [link] längerfristig in der Steiermark entfaltet, dessen Auftakt in Gleisdorf stattfinden wird: „Es geht um die Vermittlung neuer Forschungsergebnisse aus den Bereichen der Kultur, der Literatur und der Baukunst, der Musik und der Malerei, der Religion und der Lebensformen, der sozialen Entwicklung, des Geschlechterverhältnisses, der Mentalitätsgeschichte in den einzelnen Regionen.“

Dem ist die Tagung „Geschichte und Kultur der Oststeiermark“ gewidmet, die am 27. und 28. April 2012 im Gleisdorfer Forum Kloster stattfinden wird. Ein Auftakt. Die Organisation der Tagung liegt in den Händen von Anton Grabner-Haider, Peter Cordes und Horst Schlögel.

Ich denke, wir sollten Ideen entwickeln, wie sich ein derart dichtes Wissensangebot aufgreifen und in das kulturelle Geschehen der Region verzweigen läßt. Damit meine ich auch, es wäre sehr interessant, eine derartige Veranstaltungsreihe aus dem universitären Bereich mit laufenden kulturellen Aktivitäten regionaler Kulturschaffender zu verknüpfen.

Gleisdorfer Momente

Fotograf Richard Mayr scheint zu grübeln. Der rote Kofferraumdeckel gehört zu einem Ferrari Mondial. Der wiederum gehört Michael Toson, von dem ich hier nun mehrmals erzählt habe, weil er die Bastelbögen zum aktuellen „Puch-Buch“ erstellt hat. (Toson spiegelt sich rechts in der Scheibe des Wagens.)

Fotograf Richard Mayr und das Spiegelbild von Michael Toson

Die „Vorpremiere“ des Puch-Albums ereignet sich im Rahmen des „April-Festivals“, wo ich das Thema “Gehen, reiten, fahren” referiere: [link] Ich bin momentan sehr tief in die historischen Grundlagen unserer Mobilitätsgeschichte verwoben.

Zur Gegenwart dieses Themas zeigen sich bei uns auch kuriose Bezüge, da unsere Kuratorin Mirjana-Peitler-Selakov in wenigen Tagen bei Magna Steyr an Bord gehen wird, um dort einen Bereich der Sicherheitskontrolle in der E-Car-Forschung zu übernehmen. Siehe dazu: „Gleisdorf als Angelpunkt“ [link]

Die Galerie "Einraum"

Doch zurück zu Richard Mayr. Die Gleisdorfer Galerie „Einraum“ erhält gerade ein neues Konzept, das von der Firma Kricker Glas [link] mitgetragen wird. Im Vorbeigehen fällt dort momentan der mächtige, barock anmutende Goldrahmen des großen Fensters auf. Und das Zebra, welches einem da entgegenblickt.

Hier sind also zur Zeit einige Arbeiten von Mayr zu sehen, der kommenden Dienstag ein Teil jenes Trios ist, das eine weitere Station des „April-Festivals“ ergibt: [link]

Sozialgeschichte & Alltagskultur: Das Puch-Buch

Das Puch-Buch
Einige Puch-Werke mit 9 Bastelbögen
Von Martin Krusche, Michael Toson & Jörg Vogeltanz
Ein Album, 36 Seiten, Euro 9,- (zuzügl. Versand)

Die Bezeichnung „Puch-Schammerl“ oder „Puch-Auto“, kurz „Pucherl“, ist auch jenen geläufig, die kein ausgeprägtes Interesse an Automobilen haben. Jene Generationen, die in den 1950er- und 60er-Jahren geboren wurden, haben diese Fahrzeuge noch im Alltag erlebt. Vor allem aber Fahrräder, Motorroller und Motorräder der Marken Steyr und Puch.

Techniker Michael Toson und der Boden einer Einzelanfertigung (Steyr-Puch 650 TR)

Massenmotorisierung und motorisierter Individualverkehr sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg möglich geworden. Das Automobil war nicht nur Vehikel, sondern zugleich ein soziales Statement. Es drückte vor 50 Jahren die Teilhabe am kommenden Wohlstand aus.

Rund ein Jahrhundert lang waren österreichische Betriebe in der Fahrzeugentwicklung mehr als einmal international tonangebend. Neben den oben angedeuteten sozialgechichtlichen Aspekten sind in der Historie von Steyr, Austro Daimler und Puch auch einige bedeutende Kapitel der Technologiegeschichte festgeschrieben.

Gerade diese Mischung ist heute interessant. Die Verzahnung von Sozial- und Technologiegeschichte im Heraufdämmern völlig neuer Formen der Massenkultur, wie sich das ab 1933/34 vollzogen hat; in Prozessen, die bis heute andauern. Es ist eine Grundlage zum Verständnis des 20. Jahrhunderts, diese komplexe Gesamterscheinung des Themas wenigstens skizzenhaft zu verstehen.

Ein Einzelstück aus der Produktionsphase des Albums

Wir rollen das Thema im „Kuratorium für triviale Mythen“ von der Seite der Alltagskultur her auf. Wir vertiefen es aber auch für Momente in solide geschichtliche Betrachtungen und führen von da zurück zu den vergnügten Äußerungen einer (auto-) mobilen Massengesellschaft, die ihre daher rührenden Probleme noch weitgehend ignoriert.

Das „Puch-Buch“ (Krusche, Toson & Vogeltanz) ist einer von mehreren Beiträgen zu diesem Unterfangen, welches sich in verschiedene mediale Formen verzweigt. Neben der geschichtlichen Skizze bieten wir im Album neun Bastelbögen mit den wichtigsten Fahrzeugen der Steyr-Daimler-Puch AG (nach 1945) zur Betrachtung, aber auch, um die Fahrzeuge en miniature zu bauen.

Die Bastelbögen
• Der Prototyp PUCH U3
• Das erste Serienmodell PUCH 500
• Der renntaugliche PUCH 650 TR II
• Der Kombi PUCH 700 C
• Der Schlußakzent STEYR FIAT 126
• Der kleine Allrad-Star PUCH HAFLINGER
• Der große Haflinger-Nachfolger PUCH PINZGAUER 710 M
• Der Allrad-Evergreen PUCH G 300 GD
• Die Concept-Studie MAGNA MILA

Kontext
Ein Beitrag zum Thema Mobilitätsgeschichte
kunst ost, vision 2050: [link]

Weiterführend im Internet
• Kuratorium für triviale Mythen: [link]
• Puch: Eine Dokumentation: [link]
• Mobilitätsgeschichte im Plauderton: [link]
• Die Gefolgschaft des Ikarus (laufende Erzählung): [link]

Die „Vorpremiere“
• „Gehen, reiten, fahren“: [link]

— [Das Puch-Buch] —

Gleisdorf als Angelpunkt

Das Laufende umsetzen, nächste Schritte herbeiführen, Neues planen… Ich geb’ zu, manchmal fällt es mir schwer, so einen Fluß der Dinge sicherzustellen. Es ist ein gravierendes Kräftespiel.

Aber genau diese Kontinuität scheint eine der Voraussetzungen zu sein, damit solche Art Kulturarbeit auch in Kommunen und Unternehmen ausreichend ernst genommen wird, um Kooperationen und Kofinanzierungen wert zu sein.

Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov

Wir haben momentan im Zusammenspiel von kultur.at und kunst ost eine Reihe von Dingen auf die Schiene gebracht, die spannende Zeiten versprechen. Das lohnt dann die Anstrengung. Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov schreibt gerade ihre Dissertation.

In dieser Phase hat sie aber auch den kommenden „Frauen-Monat“ („Frauen, Macht und Technik“) von kunst ost vorbereitet und, was dem eine erhebliche Perspektive gibt, die Grundlagen für ein „Tech-Lab“ geschaffen, in dem wir wohl einige neue Maßstäbe setzen werden, was den Kontext „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“ betrifft.

Darüber hinaus wird Mirjana Peitler-Selakov dann ihr Engagement auf dem Kunstfeld reduzieren, denn sie kehrt in die Automobilentwicklung zurück, hat eine leitende Funktion im E-Car-Bereich von Magna Steyr [link] übernommen.

Kunstsammler Erich Wolf

Eine andere Praxisvariante des Kontext „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“ realisieren wir in Kooperation mit dem Unternehmer und Kunstsammler Erich Wolf: [link] Daraus ergibt sich der heurige Herbst-Schwerpunkt von kunst ost, welcher traditionell der Gegenwartskunst im internationalen Rang gewidmet ist.

Erich Wolf ist federführend in der Entwicklung des Symposions „Regionalität und Realität // Globalität und Virtualität“, das wir am 7. und 8. September dieses Jahres im Hause von Binder+Co [link] realisieren werden.

Damit möchte ich deutlich machen, daß wir augenscheinlich eine nächste Stufe erreicht haben, Themenstellungen und Arbeitsweisen hier in der Provinz auf ein Niveau zu bewegen, wo wir weder den Vergleich mit Projekten im Landeszentrum scheuen müssen, noch beim Schritt über Landesgrenzen eine schlechte Figur machen. Das meint auch, der primäre Ereignisort Gleisdorf erweist sich als ein Angelpunkt kultureller Innovation.

Avantourismus: Die kommende Puch-Buch-Präsentation

Das April-Festival ist vorzüglich angelaufen: [link] Derweil ist allerhand Hintergrundarbeit fällig. Die Abrechnung von Projekten, neue Einreichungen wollen vorbereitet sein. Weitere Umsetzungsschritte sind fällig. Karlheinz Rathkolb, Hausherr des Grazer Puch-Museums, hält hier unser Album schon in Händen. Hinter ihm die Halle P, noch nicht öffentlich zugänglich. Das Museum ist eben in jene historische Halle übersiedelt, die noch zu Lebzeiten von Johann Puch gebaut wurde.

Karlheinz Rathkolb, Leiter des Grazer Johann Puch-Museums

Wir werden unser „Puch-Buch“ [link] mit der Historie und den Bastelbögen bedeutender Nachkriegsfahrzeuge dort am 10. Mai präsentieren. Damit hat das „kuratorium für triviale mythen“ bei kunst ost einen markanten Akzent zum Thema Mobilitätsgeschichte gesetzt.

Das große Thema behandeln wir auch am 14. April bei einer Station des April-Festivals in Weiz, wo ich in der Geschichte sehr viel weiter zurückgehen werde, um dann flott in die Gegenwart zu führen: [link]

Bernhard Kober mit unserem Album

Bernhard Kober, einer der ersten Akteure unseres Kuratoriums, bietet das Album derzeit im Gleisdorfer Fachgeschäft für Modellbau an: [link] … neben der kleinen Einführung in die Geschichte der Spielzeugautos: [link] Die Publikationen sind für je neun Euro erhältlich.