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kunst ost: reflexionen #4

Kulturpolitik als Two Trick-Pony

Ich erlebe nun seit vielen Jahren das häufige Betonen von „Bürgerbeteiligung“, „Bottom up-Prinzip“ und ähnlichen Ansätzen zur Kooperation zwischen den verschiedenen Sektoren einer Gesellschaft. Die drei Bereiche Staat Markt und Zivilgesellschaft sind in den jeweiligen Lagern mit allerhand Ressentiments hochgerüstet. Von den Zinnen so mancher Festung wird einander zugegrinst.

Regionalentwicklung, Regionalpolitik, regionales Bewußtsein, das sind Optionen, die in der regionalen Kulturpolitik noch kaum Spuren hinterlassen haben. Es gab dazu von der Landesebene her einige Impulse, etwa die Ablöse des Veranstaltungstyps „Landesausstellung“ durch die „regionale“. Das hatte zwei wunde Punkte: Es kam von der Landesebene und es ist der Gegenwartskunst gewidmet.

Wohin? Zu mehr Konsumation oder mehr Partizipation?

Nicht einmal die sogenannte „Initiativenszene“ zeigte sich ausreichend in der Lage, solche Ansätze jenseits des Landeszentrums Graz angemessen in Empfang zu nehmen. Nun ist „LEADER Kultur“ gewissermaßen die „Cousine“ dieses Ereignisses „regionale“, das Ganzjahresereignis neben dem Festival. „LEADER Kultur“ hat Schnittpunkte mit der „regionale“, was Intentionen und Aufgaben betrifft, ist gleichermaßen der Provinz verpflichtet und der Gegenwartskunst.

Ich könnte im Augenblick nicht so genau sagen, was meine Kolleginnen und Kollegen in der Sache entwickelt haben, was landesweit Stand der Dinge ist und wo die einzelnen Projekte praktisch hinzielen; vor allem aber, worin wir nun Potential und konkrete Schnittstellen hätten, um dieses neue kulturelle Geschehen auf dem Lande in wesentlichen Teilen ein wenig zu verknüpfen.

Kunstwerke brauchen RAUM. Es ist ein Unfug und Affront, sie zwischen Bankschalter, diversen Plunder und Warenbestände zu quetschen.

Aber zurück zum lokalen „Erfahrungsbereich Kulturpolitik“. Ich hab schon angedeutet, daß es kaum praktische Beispiele gibt, wo Kulturpolitik über Ortsgrenzen hinaus geführt wird und den Ansatz einer regionalen Kulturpolitik zeigen möchte. Das ist allein schon deshalb staunenswert, weil wir von diversen Regionalkonzepten umhüllt sind wie von Zwiebelschalen. Regionext, „Großregion Oststeiermark“, Kleinregionen im Sinne der „Lokalen Agenda 21“, LEADER plus, Städtepartnerschaft etc.

Gut. Es ist eben so. Und wie schon notiert, Kulturpolitik wird regional – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf zwei wesentliche Aufgaben beschränkt:
a) Das Verwalten von Kulturbudgets beziehungsweise das Rechtfertigen eines völligen Fehlens von Kulturbudgets und
b) das Eröffnen von Veranstaltungen.

Wir hatten also bei kunst ost einige Inhalte und Positionen zu erarbeiten, die es reizvoll werden ließen, über diese knappen Optionen der „Zwei Aufgaben“ hinauszudenken und hinauszugehen. Das wäre zwar prinzipiell in den genannten Programmen der Regionalentwicklung schon angelegt, hatte aber zum Beginn unserer Arbeit noch keinerlei konkrete Entsprechung in der Region.

Ganz im Gegenteil, wir haben unter anderem erlebt, daß einzelne Funktionäre der Lokalpolitik unsere Arbeit massiv angefochten haben; und zwar genau weil sie verstanden, daß wir hier auch (kultur-) politische Fragestellungen bearbeiten.

Das sind also gewichtige Barrieren im Bereich möglicher Zusammenarbeit. Anders betrachtet, in dieser Sache ist noch viel an Verständigung, Entwicklungsarbeit und Erfahrungsaustausch notwendig. Wo dann derlei Kooperation mit Funktionstragenden der Kommunen schon klappt, erweisen sich zwei andere Themenbereiche als sehr leichtgängige Krisenquellen:

+) Bestehende Phantasien über die Möglichkeiten von Sponsoring bei Kulturprojekten.
+) Die reibungslose Kombination von bezahlter und unbezahlter Arbeit bei Kulturprojekten.

Die Annahmen über Sponsoring sind gewöhnlich aus den Landeszentren übernommen, wo sie einem anderen Kontext entstammen, in den meisten Fällen nämlich aus diversen, sehr repräsentativen Formen des Kulturbetriebs. Das meint bei uns auf dem Lande dann eigentlich weder die Gegenwartskunst noch die Hobby-Varianten der Voluntary Arts. Das meint eher Operette und Musical, dann aber doch ab und zu hochrangige Gegenwartskunst mit entsprechendem „Promi-Faktor“ (Marke: Arnulf Rainer umarmt einen Bürgermeister).

In Summe meint es Repräsentationskultur, mit der hauptsächlich die Selbstdarstellung von bürgerlichen Kreisen in Events realisiert wird. Prozeßhafte Arbeit kommt da kaum vor. Gut, das sind tradierte Formen, wie sie im 20. Jahrhundert reichlich in die Provinzen gefunden haben. Unsere Arbeit wird nicht gegen solche Formen zu entfalten sein, sondern neben diesen Formen.

Es ist allerhand Sponsorleistung regionaler Wirtschaft an den Sport gebunden. Es fehlt uns noch an ausreichenden Ideen und Konzepten, was Wirtschaft und Kunst/Kultur in der Provinz so verbinden könnte, daß die Wirtschaft hier nennenswerte Budgets investieren würde, die genau nicht vozugsweise in das Repräsentative gehn.

Die Erfahrung zeigt, daß einzelne Geschäftsleute für Eigenveranstaltungen im Kunst- und Kulturbereich durchaus beträchtliche Ausgaben in Kauf nehmen. Dagegen ist der Modus „Geben Sie uns Ihr Geld, wir machen dann schon“ irrelevant. Gleichermaßen substanzlos ist die halbherzige Überredungskonsequenz, um brutto 100,- bis 150,- Euro auf den Tisch zu hauen. In diesem Modus fettet sich die Hobby-Liga ein Vernissagen-Buffet auf, aber kulturelle Entwicklungsarbeit ermöglicht das nicht.

+) Großregion Oststeiermark
+) LEADER plus
+) Lokale Agenda 21
+) Regionext
+) Städtepartnerschaft

[kunst ost: reflexionen]

kunst ost: reflexionen #3

Ressentiments und Skepsis

Wie im vorigen Abschnitt notiert: Unser zentraler Arbeitsinhalt ist die Gegenwartskunst. Außerdem besteht, soweit wir als LEADER-Kulturprojekt etabliert sind, mit unserem Vertragspartner, dem Land Steiermark, Übereinkunft, daß wir uns mit dem kulturpolitischen Status quo zu befassen haben.

LEADER ist ein Programm der EU, über das Fördermittel verfügbar werden. Mit kunst ost ist das überhaupt erste LEADER-Kulturprojekt Österreichs entstanden. Unser Vertrag wurde von Landeshauptleuten unterzeichnet. Wer nun die Provinz kennt, weiß freilich, daß kommunale Kräfte oft empfindlich bis abwehrend reagieren, wenn sie mit Erwartungen von der Landesebene in Berührung kommen.

Zugleich hätte unser Vertrag und Projekt nie auf die Schiene kommen können, wäre ein Zustimmung von regionalen Machtpromotoren ausgeblieben. So ist der LEADER-Modus. Der regionale „Lenkungsausschuß“ bleibt die erste Instanz, das Land ist die zweite Instanz, mögliche Gelder der vereinbarten Kofinanzierung werden dann bundesweit von der AMA in Wien verwaltet.

Damit sei festgehalten: Solche Budgets, die NUR Kofinanzierungen sind, also keinesfalls in Gang kommen, falls Eigenmittel fehlen, wurden mit hohen Zugangsbarrieren umstellt. Der Aufwand, solche Budgets abzuholen, ist erheblich.

Unser Deal ist also interessant. Der Gegenwartskunst gewidmet, die in der Provinz keinen festen Boden hat, ausdrücklich auf regionalpolitische Relevanz verpflichtet, was in der Regionalpolitik keine Tradition hat, an einen Kunstdiskurs gebunden, der in unserem Metier als öffentlicher Diskurs eher gemieden als gesucht wird.

Damit ist in Summe ein Vorhaben skizziert, das eine ganze Reihe brisanter Punkte enthält. Wir haben uns bei kunst ost vorgenommen, diese Aufgabe zu lösen, um lokal und regional Wirkung zu entfalten und dabei zugleich ein Beispiel von Best Practice zu erarbeiten, das auf europäischer Ebene zur Debatte stehen kann.

In einem Arbeitspapier des zuständigen Referats-Leiters Gerald Gigler (Abteilung 16: Landes- und Gemeindeentwicklung) stehen Passagen wie: „Gemeint ist damit sicherlich nicht die Vermarktung von Kulturarbeit als touristischer Angebotsbringer! Oder auch nicht kulturelle Veranstaltungsförderung.“ Oder: „…kann im positiven Sinne auch Provokation mit einschließen“. Und: „Da LEADER Regionen weitgehend im ländlichen Raum befindlich sind, sollte damit — bei Vorgabe von klaren Zielsetzungen durch die A 9 — auch ein weiter gefasster kulturpolitischer Begriff möglich sein…“ [Quelle]

Ich fand für uns also eine Situation, die auf Übereinkünften ruht, welche vertraglich vereinbart sind, zu denen ich sagen darf: Hier haben Politik und Verwaltung auf der Landesebene eine kulturpolitische Position eingenommen, der ich umfassend zustimmen kann. Es gibt in unseren Vereinbarungen keinen Passus, den ich eingeschränkt oder gar nicht akzeptiert hätte. Das ist kein übler Modus.

Aber die Kunst! Es gibt gelegentlich Ausnahmen, doch das kulturelle Geschehen der Region ist von den Voluntary Arts dominiert. Das hat sich in den letzten Jahren bloß bestätigt, hier sind mindestens 80 Prozent der Kreativen, die publizieren/ausstellen möchten, den Voluntary Arts zuzurechnen: [link]

Ich kann auf einem Terrain, wo Gegenwartskunst keinen sozialgeschichtlich bedingten, gewachsenen Rückhalt hat, diese Arbeit nicht tun, indem ich bei der Gegenwartskunst ansetze. Dabei würde ich bloß ins Leere zielen. Ich muß bei vorhandenen Gegebenheiten ansetzen, über die realen Rahmenbedingungen — quasi vom Rand her — an das Thema heranführen.

Was das bedeutet? Die vorherrschenden Varianten eines Kulturbegriffes subsummieren jegliche kreative Äußerung unter den Begriff Kunst, unterscheiden keine Genres und bergen eine verbreitete Skepsis gegenüber dem, was tatsächlich als Gegenwartskunst gelten darf.

Keine Malerin, eine "Pinselschwingerin" (Quelle Kleine Zeitung, Oktober 2009)

Wie erwähnt, unter den künstlerischen Verfahrensweisen dominieren in der Provinz die Voluntary Arts. Kunsthandwerkliche Methoden und kreatives Basteln werden gewöhnlich eingerechnet, während ein breites Unverständnis von Gegenwartskunst oft sogar zu Abwehrhaltungen führt: Zu abgehoben. Zu elitär. Zu intellektuell. Zu schwierig. Das trifft sich mit einer anhaltenden Diskursverweigerung der meisten jener Leute, die tatsächlich im Sinn der Gegenwartskunst arbeiten.

Wir wissen zwar, wenn wir selbst nicht stets neu klären, was Kunst sei, tun das Politik und Wirtschaft für uns, zuzüglich Vox populi, mit den problematischen Konsequenzen, die wir kennen. Das hat seit wenigstens 20 Jahren leider nicht dazu geführt, in der Provinz einen seriösen Kunstdiskurs zu initiieren.

Es mußte uns also gelingen, eine Summe von Ressentiments zu überwinden, ohne jene, die sie pflegen, zu denunzieren. Dazu stießen wir auf ein dominantes Muster in der regionalen Kulturpolitik, die so gut wie keine Beispiele kennt, kulturpolitische Arbeitsansätze über eigene Gemeindegrenzen hinaus zu erwägen, zu erproben. Einschlägige Beispiele finden wir bestenfalls noch in Verkettung mit dem Tourismus, der wiederum so gut wie keine Intention zeigt, sich auf Gegenwartskunst einzulassen.

Diese Situation wird dadurch verschärft, daß ein Gros der regionalen Kulturbeauftragten Kulturpolitik auf zwei wesentliche Aufgaben beschränkt:
a) Das Verwalten von Kulturbudgets beziehungsweise das Rechtfertigen eines völligen Fehlens von Kulturbudgets und
b) das Eröffnen von Veranstaltungen.

Verstehen Sie mich recht! Ich beklage diesen Stand der Dinge nicht, ich finde darin eine äußerst spannende Aufgabenstellung.

Zwei grundlegende Dokumente zu unserem Projekt:
+) Aktionsprogramm Achse 4 LEADER
… über kulturelle Förderungen im ländlichen Raum von 2007 – 2013 durch die Europäische Union und vom Land Steiermark – Kultur [link]

+) Sechs Punkte zum Kulturgeschehen
Von Gerald Gigler… vorgelegt anläßlich des „LEADER Kultur-Treffen“ am 21.11.2008 im Grazer Kunsthaus. Gerald Gigler ist Leiter des „LEADER-Referates“ in der Abteilung 16 (Landes- und Gemeindeentwicklung): [link]

[kunst ost: reflexionen]

die kulturspange

um sam peckinpah zu zitieren: „wir haben einen konvoi!“ aber was haben wir nun genau? sie merken schon: da ist auf jeden fall ein hang zu trivialen mythen [link] doch ich greife vor.

wir haben also nun eine kulturspange konstituiert, welche quer durch die steiermark reicht. ich habe das thema schon öfter voranzubringen versucht. ende 2009 war das kurz in einiger reichweite, wie im projekt-logbuch nachzulesen ist:

>>Dieser neue Abschnitt in der Entwicklung von „kunst ost“ wird von der kommenden“Freitags-Konferenz“ unterstrichen, in der wir die „Kulturspange“ bearbeiten. Da zeichnet sich ein Kommunikations- und Kooperationsraum zwischen Weiz, Gleidsorf und Feldbach ab.<< [quelle]

peripatetische einschüber bei der konstituierenden session: (von links) franz maunz, gerhard flekatsch, mirjana peitler-selakov und eva ursprung

damals bin ich mit dieser vorstellung offenbar noch zu früh unterwegs gewesen. heute sieht das anders aus. die gang of excellence, konkret: gerhard flekatsch, günther marchner franz maunz, mirjana peitler-selakov eva ursprung und ich, ist auf der primären kompetenzebene folgendermaßen aufgestellt: drei kunstschaffende (flekatsch, ursprung und ich), ein kulturschaffender (maunz), zwei leute aus der wissenschaft (peitler-selakov und marchner).

auf einer zweiten ebene verfügbarer kompetenzen sind alle im team seit jahren mit kunstvermittlung, fragen der kulturpolitik und auch mit kunsttheorie vertraut. das bedeutet, in dieser crew werden aktion und reflexion beieinander gehalten.

ohne reflexion, theorie und klar benennbare gründe ist im kuturbereich kein boden zu gewinnen: (von links) günther marchner, franz maunz und gerhard flekatsch

dazu kommt der räumliche/regionale aspekt. feldbach und gleisdorf (südost- und oststeiermark), graz als landeszentrum, gesäuse und salzkammergut (als obersteirische bezugspunkte) ergeben territorial einen sehr passablen ausgangspunkt für unsere steirische präsenz.

nach südosteuropa führen unsere wege momentan vor allem nach bosnien-hercegovina und in die serbische vojvodina. das bedeutet unter anderem, wir etablieren einen laufenden erfahrungsaustausch mit kunst- und kulturschaffenden, die uns in den krisen- und mangelerfahrungen bei der arbeit viel voraus haben.

und es ist schin so, daß einem bei engagierten frauen mitunter ganz andere strategien auffallen, als sie herkömmliche männer-seilschaften pflegen: mirjana peitker-selakov (links) und eva ursprung

zugleich ist der künstlerische austauch in diesen bereichen vielversprechend, weil die kunstschaffeden dort von völlig anderen hintergünden und zusammenhängen geprägt sind, was wechselseitige horizonterweiterung in aussicht stellt.

es ist auch nicht gerade unerheblich, daß franz maunz und ich die kooperation zweier LEADER-kulturprojekte repräsentieren, bei denen eine klare auffassung besteht, daß gegenwartskunst und „voluntary arts“ zwei grundverschiedene kategorien sind, die unterschiedliche rahmenbedingungen haben und verlangen.

zu all dem kommt, daß wir nun in gleisdorf eine fixe kooperation mit kunstsammler erich wolf eingegangen sind, um in einer zweijährigen vorlauf-phase die grundlagen für ein kompetenzzentrum zur gegenwartskunst zu erarbeiten. (siehe: eine wegmarke!)

kunstsammler erich wolf besitzt eine der bedeutendsten kollektionen steirischer gegenwartskunst

damit haben wir natürlich nicht bloß regionale reichweite im auge, sondern auch bundesweite und internatioale relevanz. diese arbeitsansätze korrespondieren mit der bereitschaft des „offiziellen gleisdorf“, im bereich politik und verwaltung mit uns regelmäßige arbeitstreffen zu pflegen, um relevanten aspekte all dieser themen in kontinuität durchzugehen. (siehe dazu: zur praxis des bottom up-prinzips!)

das bedeutet, wir klären nun in einer außergewöhnlichen gesamt-kooperation, wie sich eine kulturelle situation, in der gegenwartskunst eine erhebliche rolle spielt, abseits des traditionbellen landeszentrums so entfalten kann, daß wir uns a) absolut auf der höhe der zeit bewegen und b) in den wesentlichen positionen nach internationalen standards bestehen.

[die spange]

auf jeden fall: weng

was ich am zusammenkommen von versierten leuten sehr mag: wir müssen uns die branche nicht erklären. niemand hat lust, sich jammereien anzuhören. wir überprüfen unsere befunde auf klare schnittpunkte, wir debattieren die schlüsse, die daraus zu ziehen sind, und welche handlungspläne diese nahelegen. so ist das nach meinem geschmack.

oh, was könnten wir in dreißig jahren für eine verrückte rentner-gang abgeben! (womöglich kommt es ja so.) es ist also von einer denkwürdigen session in weng bei admont zu erzählen. die gegend hat besonderen reiz. es herrscht dort etwa acht monate winter und zwei monate ist es kalt. nein! kleiner scherz! wir hatten bei unserer klausur milde sommertage.

alpin gelagert (von links): eva ursprung, franz maunz, mirjana peitler-selakov und gerhard flekatsch

kürzlich gab es eine erfahrung von weng, der folgte meine erste erklärung von weng. das war eine kleine wegmarke am rand möglicher routen. zwischendurch hatte ich einige leute gefragt, ob sie mit mir in eine konzentrierte arbeitssituation gehen würden. meine lieblings-annahme: gerade WEIL die zeiten schwierig sind, der kulturbereich schläge gegen seine fundamente und strukturen hinnehmen muß, die sich offenbar nicht abwenden lassen, möchte ich mit inspirierten leuten losziehen und zusätzlichen boden gewinnen.

diese idee fand jazz-promotor franz maunz ganz interessant. zumal ihm auch die vorstellung behagte, wir könnten quer durch die steiermark eine art „kulturachse“ installieren, der entlang sich kompetenzen bündeln und möglichkeiten verknüpfen ließen.

wissenschafter günther marchner (links) und jazz-promotor franz maunz teilen eine spezielle leidenschaft: sie sammeln wein und haben uns sachkundig durch einige uralte basisgebiete der kultur geleitet 😉

diese vorstellung mußte ich dem sozialwissenschafter günther marchner [link] nicht erst buchstabieren, der mann ist seit wenigstens 20 jahren mit solchen zusammenhängen gut vertraut. künstler gerhard flekatsch [link] bringt auch so viel an erfahrung und vorausschau mit, daß wir uns mit fragen nach den basics keinen moment lang aufhalten müssen. damit war unser pflänzchen von neuem bezugssystem — über gleisdorf — nach norden und nach süden verzweigt.

man kennt hier mein wiederkehrendes räsonieren über „zentrum-provinz-verhältnisse“ und die diversen arten von gefälle, welche darin zutage treten. das ist EIN aspekt der geschichte. ein anderer aspekt liegt in den zusammenhängen künstlerischer praxis im landeszentrum graz, wo ja von keinem honigschlecken berichtet werden kann; wie künsterin eva ursprung zu erzählen weiß. [link] unserer erfahrungen handeln von allerlei kontrasten und schnittpunkten. das macht die erörtererung von gemeinsamen optionen ziemlich spannend.

kuratorin mirjana peitler-selakov pendelt in ihrer arbeitspraxis zwischen höchst verschiedenen lebensräumen zwischen „zentrum“ und „provinz“, vertieft durch aktuelle projekte auf dem balkan, der ja seinerseits als ganzes dem „westlichen“ europa gegenüber eine art provinz-funktion wahrnehmen muß.

die gang zu gast bei radio "freequenns" in liezen

so, da sind wir also nun, drei kunstchaffende (flekatsch, ursprung und ich), ein kulturschaffender (maunz), eine kunsthistorikerin (peitler-selakov) und ein sozialwissenschafter (marchner). das ergibt in summe weit über hundert jahre kulturelle praxis und theoriegestützte diskurse. ich darf behaupten, hier hat sich nun eine „gang of excellence“ formiert, die lustig ist, über das bündeln der diversen kompetenzen und kenntnisse arbeitsbedingungen herbeizuführen, die das bei weitem übertreffen, was uns zur zeit quasi „gnadenhalber“ von herkömmlichen einrichtungen angeboten wird.

themen, strategien, methoden, ich darf weiter behaupten: wo wir hinfassen, ist auf jeden fall die action. und zwar auf der höhe der zeit. schauen wir also wer das zeug und die laune hat, auf diese art für kunst und kultur neuen boden zu erarbeiten. (siehe zum aktuellen hintergrund auch: wetterfest im schlechten wetter!)

auf die nächste ebene

im vorfeld hatte es die frage gegeben: „wie hast du es geschafft, daß der buchmann herauskommt?“ ich konnte ein wenig angeben und sagen: „ist gar nicht so schwer gewesen.“ gut, das sind spielchen. nein, das ist nicht ganz nebensächlich. zur erläuterung: christian buchmann ist steirischer landeskulturreferent und wirtschaftslandesrat. er war gestern zu einem arbeitsgespräch nach gleisdorf gekommen.

ich habe als kunst- und kulturschaffender zwei grundlegende anliegen an leute aus politik und verwaltung:
a) gehört zu werden und
b) sachkundige gegenüber für arbeitsgespräche zu finden.

von links: sigrid meister (kustodin des „museum im rathaus“), winfried kuckenberger (leiter des büros für kultur und marketing), karl bauer (sachpromotor unserer „tage der agrarischen welt“) und gerhard flekatsch (kulturprojekt „bluethenlese“)

manchmal bin ich erneut überrascht, wie viel vorarbeit es ist, für ein komplexeres meeting die eigenen optionen aufzubereiten, so daß kommunizier- und verhandelbar ist, was wir anstreben und wie es erreicht werden soll. mir lag daran, personen der drei sektoren staat, markt und zivilgesellschaft an einen tisch zu bekommen. es ging darum, modi zu klären, wie eine kooperation von leuten aus diesen drei sektoren gestaltet sein solle, um längerfristig eine stabile arbeitssituation für kunst- und kulturschaffende zu erreichen.

landesrat christian buchmann: „warme stube richte ich zur zeit keinem. ansonsten bin ich für vieles offen.“

um diese fragen zu debattieren, hatte ich auch alois reisenhofer, den kulturreferenten von gleisdorf, an den tisch gebeten. und winfried kuckenberger, den leiter des büros für kultur und marketing, der sigrid meister, die kustodin des „museum im rathaus“, mitgebracht hatte. bürgemeister christoph stark hatte sich ebenfalls zeit genommen.

die drei sektoren, also politik & verwaltung, wirtschaftsbetriebe und deren metabereich sowie — in unserem fall der zivilgesellschaft — vor allem kunst- und kulturschaffende. worin und wofür können wir abschnittweise an einem gleichen strang ziehen? wie vermeiden wir das feststecken in bewährten klischee-ensembles, über die kaum mehr als bloß ein starkes gefälle produziert wird? unterm strich bleibt ja auch die frage, ob und unter welchen bedingungen uns ein umgang miteinander gelingt, der von begegnungen in augenhöhe geprägt ist.

alois reisenhofer (gleisdorfs kulturreferent) und maren spitzer-diemath (büro buchmann)

es waren demnach diese aspekte unterzubringen UND konkete, projektbezogene fragen, inhaltliche aspekte eines kulturgeschehens jenseits des landeszentrums, in dem überdies die gegenwartskunst an boden gewinnen kann. nicht weniger wollte ich bei diesem treffen auf dem tisch haben. damit ist auch klar gewesen, das konnte nur der AUFTAKT einer serie von treffen sein, in denen dieses komplexe paket bearbeitet wird.

arbeitstreffen, die eben zunehmend davon geprägt sein sollen, daß leute aus politik, verwaltung, wirtschaft und zivilgesellschaft a) gemeinsame fragen finden, b) daraus gemeinsame aufgabenstellungen beziehen, was c) zu gemeinsamen vorhaben führen soll. das betrifft unter anderem strukturen und bedingungen, in denen sich AUCH das kunstschaffen ereignen kann. aber hier muß klarheit bestehen, daß die kunst kein werkzeug der sozialarbeit, des tourismus oder anderer metiers ist.

bürgermeister christoph stark (links) und landesrat christian buchmann

es sind die gemeinsamen fragen und aufgabenstellungen, zu denen sich kunstschaffende mit ihren mitteln einbringen können, ohne daß die künstlerische praxis selbst in einen werzeugkasten für andere zwecke gepackt wird. ich stelle fest, daß diese nötige trennschärfe von den funktionären am tisch ansatzlos verstanden wurde, während sie unter uns kultur- und kunstschaffenden als thema nicht gar so präsent ist.

das berührt übrigens aspekte, wo ich mit künstler gerhard flekatsch einig bin: wir haben in unserem metier noch viel zu wenig antrengung darauf verwandt, breiter klar zu machen, wovon genau unsere profession eigentlich handelt, welche bedingungen sie hat und was genau sie zu leisten imstande ist, was andrerseits ausgeschlossen bleiben muß.

das macht wohl auch gelegentlich die verständigung mit leuten aus anderen metiers etwas schwierig. selbstreferenzielle wanderlegenden über das dasein als künstler nutzen uns dabei am allerwenigsten. wenn ich noch einrechne, wie wenig basiswissen selbst in gebildeten kreisen zu fragen des kunstbetriebes stellenweise vorzufinden ist, halte ich es für einigermaßen dringend, in diesen angelegenheiten langsam auf stand zu kommen. (oder doch etwas schneller.)

modalitäten und rahmenbedingungen

wir sind mit „kunst ost“ unter anderem teil eines eu-programmes, nämlich des: „Aktionsprogramms Achse 4 LEADER über kulturelle Förderungen im ländlichen Raum“. darin ist eine klare aufgabenstellung formuliert, sich im gefälle zwischen „zentrum und provinz“ um eine kulturelle praxis zu bemühen, die nicht auf „urbanisierung der region“ hinausläuft.

das meint, es wäre unfug, kulturelle strategien aus dem landeszentrum zu übernehmen. wir haben eigene ziele und verfahrensweisen zu entwerfen, zu erproben, umzusetzen. soweit meine deutung dieses passus: „Bewahrung und Weiterentwicklung des ländlichen Raums (Gemeinden unter 50.000 Einwohner) in seiner Funktionsfähigkeit als möglichst eigenständigen Kultur- und Lebensraum.“

diese textpassage hat auch einige brisanz vor dem hintergrund einer neuen, radikal beschleunigenden LANDFLUCHT. das heißt, menschen folgen der arbeit, pendeln aus, wandern ab. läßt sich da auch kulturell gegensteuern? welche lebensbedingungen werden wir haben, wenn solche prozesse ein jahrzehnt weiter gediehen sind?

kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov (hier links, neben künstlerin eva ursprung) ist als diplomingenieurin auch mit der welt der technik gründlich vertraut

zurück zur gegenwart! soweit wir für die entsprechenden vorhaben a) die nötigen EIGENMITTEL aufbringen und b) die nötige VORFINANZIERUNG schaffen, können wir dazu momentan auch eu-gelder einsetzen. da die behörde rund sechs monate braucht, um jeweils eingereichte unterlagen zu prüfen und dann den eu-anteil auszuzahlen, müssen also für einen kleinen kulturverein beträchtliche summen vorrätig sein, um diesen modus nutzen zu können.

das ist zur zeit praktisch kaum zu schaffen, weil vor allem die kommunen ihre kulturbudgtes – soweit überhaupt vorhanden – komplett runtergefahren haben. beispiel: die stadt gleisdorf war über jahre sehr gut gestellt. vom gleisdorfer kulturbudget ist aber nun in zwei schritten (gegenüber 2009) bloß noch ein viertel geblieben. also real nicht minus 25%, sondern minus 75%.

dazu birgt so ein eu-deal erhöhte risken, denn es prüfen zwei instanzen, das land steiermark. und die „Agrarmarkt Austria (AMA)“. sollte eine aufwendung als nicht widmungsgerecht eingestuft werden, muß das geld refundiert werden: „Der Endbegünstigte ist verpflichtet, bereits geleistete Förderungszuschüsse zuzüglich um Zinsen in der Höhe von 3% p.a. über dem jeweils geltenden Basiszinssatzes der ÖNB gerechnet ab dem Tag der Auszahlung – zurückzuzahlen, wenn einer oder mehrere der vorweggenannten und sonstigen Gründen aus dem Förderungsvertrag bzw. Finanzierungsangebot zutreffen.“

tierarzt karl bauer ist unser sachpromotor in fragen der agrarischen welt

zum glück kompensiert das land steiermark im rahmen seiner kulturförderung noch einiges, was hier draußen weggebrochen ist. ansonsten wäre hier schon vor monaten mit autonomen kulturprojekten völlig schluß gewesen. in einem mix der mittel, wobei momentan privat aufgebrachte gelder und ehrenamtlich geleistete arbeit die basis ausmachen, haben wir unser programm aufrecht erhalten können.

dazu gehören momentan auch schritte zu stabilen kooperationen und eine konsequente arbeit an neuen finanzierungsmodellen. da wir seit mindestens frühjahr 2010 über das heraufdämmern dieses status quo bescheid wußten, sind die aktuellen finanzierungsprobleme nicht ganz aus dem blauen gekommen. dennoch scheint die zeit kaum zu reichen, angemessen gegenzusteuern.

ich denke allerdings, daß wir mit diesem sommer die konsolidierung des projektes schaffen dürften. verschiedene kooperationsschritte sind getan und sollten zu passablen ergebnissen führen. wichtig ist auch für das kulturelle engagement in der region, daß wir konzepte schaffen, die regionale betriebe bewegen, unsere aktivitäten mitzutragen.

(quelle: der standard)

dieses allgemeine ringen um möglichkeiten und budgets ereignet sich AUCH vor dem hintergrund wachsender strukturprobleme jenseits von graz, die insgesamt teil einer gesamtösterreichischen entwicklung sind; stichwort: landflucht. (siehe dazu den artikel Der ländliche Raum wird stark ausgedünnt„!)

wer bringt die dazu relevanten theilthemen in die öffentlichkeit der region? na, gar zu viele instanzen dieser gesellschaft arbeiten vorerst nicht daran, wie man allein der laufenden berichterstattung in den printmedien entnehmen kann.

daß sich nun KULTURSCHAFFENDE solchen gesellschaftlich relevanten themenstellungen widmen, daß dabei künstlerische praxis auch für akzente sorgt, ist offenbar für die regionalen honoratioren noch gewöhnungsbedürftig…

was ist das LEADER-kulturprogramm der steiermark? [link]
die LEADER-kulturprojekte in der steiermark: [link]