Archiv für den Monat: Januar 2011

empfehlung: women (foto-ausstellung)

ida kreutzer ist ein nicht zu bremsendes bündel an kreativität. als experimental-bäckerin war sie das zentrum unseres auftaktes im „kuratorium für triviale mythen“, wo es hieß:in medias keks!

ida kreutzer im "einraum" in gleisdorf

als designerin von schmuck und accessoires kennen wir sie noch nicht näher, als singer-songwriter hat sie spuren hinterlassen, als fotografin war sie schon sichtbar. nun gastiert ida kreutzer mit einer serie ihrer foto-studien junger frauen im einraum in gleisdorf.

am 4. februar wird um 19:00 uhr eröffnet.

p.s.:
beim kommendenapril-festival wird ida kreutzer wieder als experimental-bäckerin tätig werden. im backofen soll ein glänzender „hot rod“ entstehen.

was ist kunst? #3

wenn sie georg k., den arzt meines vertrauens, in der stadt über den weg laufen, werden sie aufgrund seiner ercheinung nicht gleich denken: „ah, ein arzt!“ sollten sie manfred l. sehen, er ist mein belastbarer sachbearbeiter in der bank meines vertrauenes, verkündet sein outfit doch nicht seinen beruf.

falls sie ulli m. begegnen, wird ihnen nichts an ihr zurufen: „die apothekerin!“ daß christoph st. gleisdorfs bürgermeister ist, müßte man wissen, denn es gibt kein verbindliches bürgermeister-dienstgewand, das einen darauf hinweisen möchte.

aber es gibt operettenhafte aufmachungen, die sollen der welt, oder mindestens einer abendgesellschaft, umgehend ausrichten: „hallo, hier kommt ein künstler!“

eigentlich merkwürdig, daß derart „ständisches denken“ sich aus alten zeiten offenbar erhalten hat, weshalb einige leute per selbstinszenierung die zugehörigkeit zu einem jeweils „anderen stand“ proklamieren. aber gut, das sind codes, das sind milieu- und genre-fragen, das gibt es eben.

im auftreten still, in der orientierung radikal: der maler hannes schwarz

in meinem umfeld sind mir solche gesten fremd. da drücken sich lebensgeschichten eher unspektakulär aus. da werden keine standesdünkel an garderoben abgearbeitet. wie erkennen wir einander? die zeichensysteme der kunst sind grundlagen eines komplexen kommunikationsraumes. es liegt vielleicht am genre, daß manche von uns eben subtilere codes vorziehen. daran ist also nichts spektakuläres, dieser kommunikationsraum hat rundum offene zugänge.

es braucht dabei nicht einmal „türhüter“. über ein spezifisches kommunikationsverhalten und aktive anwesenheit regeln sich diese fragen. freilich stelle ich immer wieder fest, daß wir leute von sehr unterschiedlichem künstlerischem rang sind. damit möchte ich vor allem betonen, daß ich auch mit leuten zu tun habe, deren möglichkeiten und deren werk ich als viel weitreichender denn meine eigenen möglichkeiten einschätze. aber das erweist sich als unerheblich; und zwar im dem sinn, daß es uns nicht von einender trennt. vielleicht, weil es den kunstschaffenden, deren gesellschaft ich vorziehe, nicht um große gesten, sondern um intensität geht.

darin sind natürlich manche durch ihre talente und ihre praktischen erfahrungen weiter fortgeschritten als andere. etwas teilen wir aber über alle möglichen unterschiede hinweg: fragestellungen, aufgaben, pläne und vorhaben. diese dinge ereignen sich dann nicht über die gesten, sondern – wie schon erwähnt – über intensität. und dabei ist es völlig nachrangig, wie weit jemand in der sache kommt. diese positionen am ende einer arbeit sind sowieso flüchtig und stets dem wandel unterzogen.

allerdings neige ich zur ansicht, daß ohne folgende zwei eigenschaften in der kunst nicht voranzukommen ist: passion und ausdauer. als ich den alten, sehr erfahrenen maler hannes schwarz einmal gefragt habe: „worin zeigt sich meisterschaft?“, überlegte er nur kurz und antwortete lapidar: „im ergebnis.“

[überblick]

was ist kunst? #2

es mag ihnen irritiernd erscheinen: was immer ich hier vorbringe, es kann auch dessen gegenteil zutreffen. deswegen ist das gesagte nicht falsch. aber es bleibt anfechtbar. quer durch das 20. jahrhundert ist genau diese erfahrung im kunstbereich sehr radikal gemacht worden. aber sie war schon vorher keine neuigkeit mehr: wo kommen wir denn hin, wenn alle regeln gebrochen werden können und wenn die unterschiedlichsten stile wie positionen sich parallel nebeneinander zeigen dürfen, ohne einander auszuschließen? wo kommen wir denn hin, wenn das bewährte in frage gestellt werden darf?

in schlampigen zugängen nehmen manche menschen gerne an, das sei ein dubioser modus; die möglichkeit, daß etwas zutrifft, aber auch sein gegenteil gelten darf. diese skepsis mißtraut einer großen menschlichen und kulturellen qualität; daß nämlich unser denken nicht bloß auf praktische ergebnisse ausgerichtet ist, welche der „unzweideutigkeit“ gewidmet sind.

geht es um kunst, dann geht es sehr wesentlich um menschliche selbstvergewisserung, die sich nicht einlöst, indem ein status quo festgeschrieben wird. genau in diesem aspekt der kunst, uns keinerlei gewißheit anbieten zu wollen, liegt eine chance, vielfältige erfahrungen zu machen, die über vertraute formen der alltagsbewältigugung hinausweisen. brauchen wir das? ich schon! dazu brauche ich vor allem auch ein umfeld mit inspirierten menschen.

kunst-praxis handelt nicht nur von geifbaren werken, sondern auch von prozessen: (von links) kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov, abine hänsgen, sergei romashko und sergei letov ("kollektive aktionen", moskau)

für mich ist ein leben in solcher „ungewißheit“ jedem anderen in endlosen klarheiten vorzuziehen. das wird nicht bloß in unserer kultur geschätzt. in einem lied von van morrison heißt es: „Chop that wood / Carry water / What’s the sound of one hand clapping / Enlightenment, don’t know what it is“ [link] „hacke das holz, trage das wasser, wie klingt einhand-klatschen, erleuchtung, ich weiß nicht, was das ist.“

damit zitiert morrison ein berühmtes „koan“, das dem meister hakuin zugeschrieben wird. „wie klingt einhandklatschen?“ suchen sie nicht nach einer eindeutigen antwort! das „koan“ ist eine übung im zen-buddhismus, durch welche keine „logischen schlußfolgerungen“ trainiert und keine „eindeutigen lösungen“ produziert werden sollen, sondern, wie soll ich es ausdrücken? … diese übungen sollen einen dazu bringen, in seiner wahrnehmung und auffassung über die absehbare enge der erwähnten „zweckmäßigkeit“ des alltäglichen denkens hinauszugelangen.

das ist meines erachtens keine haltung GEGEN alltägliches denken. dieses brauche ich ja, um meinen alltag zu bewältigen. darüber hinaus soll mir die befassung mit KUNST aber noch weitere möglichkeiten eröffnen. so pendele ich als künstler, aber auch als teil eines kunstinteressierten publikums, zwischen diesen gefielden des alltags und den „erweiterten terrains“ der kunst. ich würde es freilich für eine komische attitüde halten, wenn jemand eines über das andere stellen möchte.

[überblick]

was ist kunst?

was mache ich bloß mit diesem thema? ich muß für mich da nicht gar so viel ausdrücklich klären. aber: ich kann es nicht ignorieren, weil es mir in meinem metier implizit oder explizit laufend um die ohren fliegt. das schwammige gerede, wie ich es oft erlebe, macht mich ärgerlich. wie soll das also konkreter werden?

ich nehme mir heraus, hier eine mischung aus polemik und feuilleton zu beginnen. einzelne momente oder faden-enden für einen augenblick aufgreifen. vielleicht bringt es mich wo hin, vielleicht verebbt es schnell wieder.

poetische nachtschicht: krusche in der werkstatt zur "hasen-oper" von nikola dzafo

als ich kürzlich im serbischen novi sad einen vortrag zum thema „art under net conditions“ hielt, war meine bevorzugte „augustinus-paraphrase“ teil davon. (ich muß stets die prominente quelle nennen, weil es zu verlockend wäre, diese elegante erklärung auf meinem eigenen konto zu verbuchen.)

ich weiß schon lange ganz genau, was KUNST ist,
außer es fragt mich wer danach.

das ist kein scherz. es trifft genau so zu. ich bin bloß allerhand unsicherheiten der frühen jahre als künstler inzwischen los. deshalb ist es keine sichere sache für mich. ich weiß gerade noch: wenn mit innerhalb eines jahres fünf gedichte gelingen, die etwas taugen, darf ich zufrieden sein.

sie werden mir vermutlich zustimmen: kunst definiert sich nicht über quantitäten. ich kannte alelrdings einen mann („kannte“, weil er leider nicht mehr lebt), dem gelangen alle paar tage gedichte, die etwas taugen. seine gedichtbände liegen einem schwer in der hand.

poesie als lebens-konzept: gerhard kofler

es ist also ein beschreibbarer unterschied zwischen gerardo und mir, obwohl wir beide – der kunst gewidmet und der lyrik verfallen – dem gleichen metier angehör(t)en.

und woher weiß ich nun, daß ein gedicht etwas taugt? ich löse das nicht theorie-gestützt, es hat sich quasi empirisch ergeben. jahrzehnte lese-erfahrungen, unzählige gedichte gschrieben, allerhand debatten über das thema geführt, in summe also ein komplex an wahrnehmungserfahrungen, welcher eine inviduelle geschmacksbildung getragen hat.

darauf kann ich mich, wie es scheint, ganz gut verlassen. und so weiß ich es, wenn eines meiner gedichte etwas taugt; früher oder später weiß ich auch, ob ich eines wieder löschen muß.

[überblick]

zwischen diesen beiden optionen, daß etwas einige zeit bestand hat oder daß es verworfen sein muß, dürfte die kunst gelegentlich präsent sein.

Kunst ist kein Hobby

so hat christian henner-fehr einen aktuellen beitrag in seinem „kulturmanagement blog“ überschrieben: [link] dabei eröffnet er gleich mit einem sehr populären klischee: „Wer sich künstlerisch betätigt, wird von seinem Idealismus angetrieben und macht das nicht wegen des Geldes. Solche Sätze haben Sie wahrscheinlich auch schon des öfteren gehört.“

woher kommen solche ideologischen konstruktionen? ursprünglich ist das ja eine sehr romantische vorstellung aus gesellschaftlichen kreisen, die andere für sich arbeiten ließen. wer sich nicht den ganzen tag abrackern mußte, um ein leben zu haben, durfte freizeit und muße darauf verwenden, sich „edle lebenszwecke“ auszudenken.

heute hat eine im sturm der boulevard-medien geglättete „freizeitgesellschaft“ auf neue art sinnkrisen. vor allem auf sehr viel breiterer basis. da müssen dann zum beispiel romantische vorstellungen was kunst sei als „sinnstiftungsgeschäft“ herhalten.

wir werden heuer im rahmen der „talking communities“ quer durchs jahr ein wenig beleuchten, welche unterschiedlichen positionen in unserer umgebung bestehen und welche begriffsklärunen sich allenfalls als nützlich erweisen.

es wird nicht darum gehen, eine position gegen die andere auszuspielen, sondern besser zu lernen, wie sehr unterschiedliche zugänge neben einander und manchmal mit einander bestehen können, um in summe ein kraftvolles kulturelles klima zu tragen.

[talking communities]

april-festival: notizen

eine weitere besprechung mit tierarzt und gemeinderat karl bauer macht den „tag der agrarischen welt“ greifbar. der wird einer unserer themenschwerpunkte des april-festival 2011 sein. die gründe lassen sich knapp zusammenfassen.

die oststeiermark war über ungezählte generationen der leute eine sehr arme region, das leben ist eine schinderei gewesen. das hat hier mentalitätsgeschichtlich natürlich noch seine gegenwart, obwohl nach dem zweiten weltkrieg in der region ein lebensstandard erreicht wurde, den es so nie zuvor gegeben hat.

ein insider: der gleisdorfer tierarzt und gemeinderat karl bauer

diese „erfolgsgeschichte“ verdankt sich zwar sehr wesentlich der industrialisierung. aber deshalb ist die agrarische welt weder versunken, noch unbedeutend geworden. im gegenteil! sie hat sich transformiert und erbringt ihrerseits wichtige beiträge zum aktuellen wohlstand der oststeiermark. dieser wohlstand ist allerdings durch aktuelle krisen, welche überregionaler natur sind, definitiv bedroht.

das sind also sozial- und mentalitätsgeschichtliche hintergründe, die wir als kulturschaffende keineswegs ignorieren wollen. wenn man sich fragt, was denn diese region sei, muß dieser hintergrund mindestens berührt werden.

ich habe nun mit dem gleisdorfer tierarzt und gemeinderat karl bauer eine weitere besprechung zu diesem thema absolviert. wir sind uns einig, daß die themenstellung eine dimension hat, der wir nicht mit EINEM event entsprechen wollen; dazu ist das alles viel zu komplex. wir entwerfen dazu einen AUFTAKT, der uns im umgang damit praktische erfahrungen einbringen soll. sind diese ausreichend ermutigend, werden wir weitere kulturelle vorhaben zu dieser themenstellung entwickeln.

nicht ohne historische hintergründe: "atlas zur geschichte des steirischen bauerntums"

davon war übrigens schon vor der jahreswende die rede, als werner höfler, der bürgermeister von hofstätten, mit uns am tisch saß: zwischen landwirtschaft und high tech. damit sind übrigens weichen gestellt, daß heuer die „kleinregion gleisdorf“ einen markanten kulturellen akzent setzen wird.

[april-festival 2011: notizen & reflexionen]

das kühle extrazimmer 8

nachdem ich schon einige jahre verschiedene online-zugänge erprobt hatte, um mit möglichkeiten im kulturellen zusammenhang zu experimentieren, ging ich vor rund einem jahrzehnt mit einem neuen projekt ins netz. ich war von der „haus-metapher“, die ich davor mit der ersten „van-site“ [link] verfolgt hatte, zur vorstellung eines „kulturellen terrains“ im web gekommen.

das logo der ersten „van-site“ von 1998

bei der „haus-metapher“ hatte ich die website als „elektromagnetisches kulturzentrum“ verstanden, wo menschen quasi telematisch ein- und ausgehen. die vorstellung vom „kulturellen terrain“ wurde dann der wachsenden weitläufigkeit und komplexität gerechter.

ich konnte damals noch nicht wissen, wie gründlich ich selbst bald den genauen überblick auf diesem terrain verlieren würde. ich hab in all den jahren abertausende html-pages gebaut, die meisten davon mit fotos versehen. aufgrund der damals sehr niederen übertragungsraten im web habe ich mich bemüht, fotos meist bei etwa 12 kilobyte dateigröße zu halten, damit der browser die pages flott laden kann.

für den schnellen seitenaufbau blieben die bilder eher klein

mein ursprünglicher standard waren 250 x 188 pixel. wenn größere bilder unverzichtbar waren, habe ich sie zerschnitten, damit man schon was zu sehen hat, während der browser noch beschäftigt ist, den rest aufzubauen. ich bin da heute noch sparsam und bevorzuge bilder im format von 400 x 300 pixel, zuweilen auch 500 x 375, nur in ausnahmen größer.

natürlich wollte ich wissen, was sich auf meinem „kulturellen terrain“ im web tut. ich habe daher einige jahre die wichtigsten besuchsfrequenz-daten protokolliert. das würde sich zwar heute vermutlich in etwas anderen verlaufs-kurven zeigen, aber ich nehme an, daß gegenwärtig zumindest im kulturbereich prinzipiell vergleichbare entwicklungen stattfinden.

ich hab es in einem früheren eintrag schon betont, diese technische möglichkeit der telekommunikation und telepräsenz darf nicht überwertet werden. das publikumsinteresse entwickelt sich eher sanft und langsam. wer also im web auf publikum aus ist, sollte mit langem atem und konsequenz gerüstet sein.

es ist damals kurz vor der 8. kalenderwoche 2000 losgegangen. ab sonntag, dem 26. märz 2000, wurde gemessen. die aufzeichnungen reichen bis zur 28. kalenderwoche 2007. es begann mit einem mittel von 79 „user sessions“ pro tag, führte über eine kuriose spitze von zirka achttausend „visits“, was durch eine erregung rund um die arbeit der serbischen künstlerin tanja ostojic ausgelöst worden war, zu über dreitausend visits pro tag. (zu den kategorien „hits“ und „visits“ siehe folge #4!)

[NETZKULTUR: der überblick]

horizonte und reflexe

das jahr 2011 beginnt wie eine ausfahrt ohne klarheit, was hinter dem nächsten horizont liegt. die kulturpolitische situation hat in teilen des kulturbereiches zu einem üblichen, schon etwas antiquierten reflex geführt.

es wird ein „kulturkampf“ proklamiert. der handelt allerdings erfahrungsgemäß davon, daß zuständigen funktionären in politik und verwaltung die türen eingerannt werden. das sollte eigentlich nicht „kampf“ genannt werden, sondern „lobbyarbeit“.

der artikel zur headline in „der standard“: [link]

dieses reaktionsmuster ist fad. ich kenne es seit jahrzehnten. es läßt sich dabei vorhersagen, wer a) dabei am lautesten schreien wird und b) was dabei herauskommen wird. mich beschäftigt seit einer weile ein ganz anderer zugang. der basiert auf einer vorstellung von wechselseitiger verpflichtung im verfolgen gemeinsamer interessen.

es ist ja eine grundlegende idee im denkmodell von den „drei sektoren“, daß also akteurinnen und akteure aus den bereichen staat, markt und zivilgesellschafft in konkreten vorhaben mit einander KOOPERIEREN. das handelt freilich auch von einem vollkommen anderen rollen-modell im umgang mit einander. die kampf-attitüde als letztlich leere geste ist dabei kein interessantes rollenangebot. eine zentrale aussage im aktuellen blatt des projekt-logbuchs [link] besagt:

>>Wir erproben bei „kunst ost“ einen Arbeitsansatz, der sich nicht auf behauptete Pflichten stützt, wie man sie sich von Institution zu Institution gerne zuruft oder über die Medien ausrichtet. Wir versuchen Formen der Kooperation herbeizuführen, die von einem Bedürfnis nach wechselseitiger Verpflichtung getragen sein sollen. Kooperieren heißt ja unter anderem, mir ist nicht egal, was die Interessen und Bedürfnisse der übrigen Beteiligten sind.<<

das handelt übrigens auch von der vorstellung, über gehabte bruchlinien und vertraute ressentiments hinwegzusteigen. im kultur- und kunstbereich wird ja ganz gerne ein „WIR“ angedeutet, das sich in bildern einer „szene“ beschreiben ließe; das meiste davon: phantasmen. legenden. diese szene hat auf dem steirischen feld der kunst und kultur längst auch seine „kameradschaftsbünde“, die sich aktiver legendenbildung widmen.

ich habe gegenüber solchen tendenzen keinen einwand. derlei schafft sich von selbst in irgendwelche depots, womöglich auch in manches museum. gut so. hauptsache der krempel liegt einem nicht vor den füßen herum.

talking communities #3

kulturelle salons, zirkel, das hat so seine historien. diese kulturellen ereignisse, seit dem 18. jahrhundert in europa von bedeutung, waren in unserer geistesgeschichte prägend. sie waren auch die quelle bemerkenswerter geschichten.

ein beispiel: fjodor dostojewski gehörte einem zirkel an, in dem er einen text von wissarion belinski verlas, der gogol gewidmet war. dieser leseakt brachte ihn nach sibirien. der zar hatte ihm die lesung mit verbannung und zwangsarbeit quittiert.

sie merken schon, romantisch ist das eigentlich nicht. außerdem handeln solche geschichten von kreisen, denen meine leute nicht angehört haben. was sich dann als „bürgerlicher salon“ herauskristallisierte, ein hort kultureller entwicklungen (und politischer merkwürdigkeiten), kann eigentlich auch kein angemessenes modell für mein milieu abgeben.

nostalgia 1984: martin krusche (links) mit dem filmemacher herbert josef grosschedl

heute ranken sich viele legenden um das grazer „forum stadtpark“. das meiste davon halte ich für kreative privatmythologien, wenngleich man die meriten von fredi kolleritsch & co. ja nich gering schätzen muß. das war die generation vor uns. und die ist hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt gewesen. (diesbezüglioch sind wir bei diesen professoren und bohemiens in die lehre gegangen.)

schließlich gab es „graz underground“ in den 1980er-jahren, boheme-hafte zustände, künstlerisch betonte kreise der nachfahren von keuschlern, kleinhäuslern, dienstboten. wie viele generationen hatte es bisher denn gegeben, um solche art der „kulturellen kreise“ zu erproben? wir waren eher „offene zirkel“, ohne gemeinsames programm, ohne gemeinsame vorhaben im kunstbetrieb.

nostalgia 1984 (von links): walter grond, lucas cejpek, helga glantschnig und stephan eibel erzberg

unter uns gab es zwar vereinzelt leute, die situierter mittelschicht entstammen, aber das war ja eigentlich kleinbürgertum, bildungsbürgertum, also seinerseits noch in erheblicher sozialer distanz zu dem, was in den rund 200 jahren davor „salon-kultur“ ausgemacht hatte.

die unsägliche „verschnöselung“ des bildungsbürgertums hat inzwischen einige terrains frei gemacht. was meint „verschnöselung“? ich habe es seit vielen jahren im kulturbetrieb laufend mit akademisch graduiertem personal zu tun, darunter erfüllen nur die wenigsten leute grundlegende standards ihres milieus. ich kann bei diesen leuchten die simpelsten standards an kunstverständnis und wissen um kulturelle zusammenhänge nicht voraussetzen.

solche „schnösel“ habe ich nicht nur in politik und verwaltung, sondern auch in allerhand managements vor der nase. da herrscht eine stichwortgeberei, ein einwerfen von floskeln, aber wenn ich genauer nachfrage, falle ich in’s leere. das hat kulturpolitisch fatale folgen.

so sind wir schon eine weile damit befaßt, adäquate situationen zu entwerfen, die einer entspannten debatte über fragen der kunst und des kulturbetriebes förderlich sind, ohne dabei zu einer billigen karikatur bürgerlicher kultursalons zu werden. das sind hintergründe des weges von „talking communities“

— [talking communities] —

weiter geht’s!

so viel ist klar, wir werden heuer kein großes feuerwerk abbrennen. die wichtigste anforderung, mit der wir nun unterwegs sind: verfügbare mittel klug einsetzen. kooperationen voranbringen. smarte konzepte herausarbeiten.

ich hab jetzt begonnen, den bereich „presse-info“ von „kunst ost“ zu einem kleinen informations-portal umzubauen. hier kann man sich stets einen passablen eindruck holen, womit man es zu tun hat, wenn man diesem projekt näher tritt. das aktuelle blatt: presse-info #4