In Gleisdorf feiern sich unter allerhand Protestierenden seit Monaten regelmäßig Menschen, von denen die Republik demonstrativ verachtet wird, die bewährte Instanzen der Gesellschaft für nichtig erklären und präzise Begründungen nur mit Nachrichten aus den eigenen Reihen belegen. (Das nennt man Propaganda.)
Wer mit Euphemismen Politik macht, hat verdeckte Intentionen. Das spottet dem Prinzip der Res publica. In Gleisdorf boomt derzeit der Begriff „Liebe“, den politisch frisch erweckte Leute grade als jüngste Sau durchs Dorf treiben. Es ist bloß ein Feigenblatt. Hört man eine Weile zu, liest man mit, läßt sich das entschlüsseln. Dazu sind hier zwei Punkte zu notieren, denen die aktuelle Gleisdorfer Protestbewegung in Teilen widerspricht: +) Ein Staat im Staat wäre das Ende der Republik. +) Mit der Natur kann man nicht verhandeln.
Warum erhalten die Coronaproteste Zulauf? Deshalb erhalten sie Zulauf, weil die herrschende Politik nicht in der Lage war und ist, ganz offensichtlich existierende Gefühlslagen und Bedürfnisse anzuerkennen, ernst zu nehmen und empathisch zu adressieren.
Es ist leicht dahingesagt: „Faschismus!“ Aber das Thema verlangt Genauigkeit. Gleisdorf erlebt im Winter 2021 eine Serie von Protestmärschen und Kundgebungen. Im Web, etwa auf Facebook, laufen Debatten. Flugblätter kursieren, Meinungen schwirren.
Umberto Eco anno 2010 in Mailand (Foto: Aubrey, CC BY-SA 1.0)
Ich hab an einigen Stellen betont, daß ich den Begriff „faschistoid“ für unbrauchbar halte. In etwas polemischer Verkürzung: faschistoid klingt mir wie „ein bißchen schwanger“. Also was nun?
Ich hab gestern mit Martin Krusche telefoniert. Schnell kamen wir auf das Thema, das hier vor Ort, als auch bundesweit, berechtigt Sorgen macht. Harmlos ausgedrückt.
In den aktuellen Reaktionen auf meine Glossen zu rechtslastigen Angelegenheiten und Neofaschismus finde ich immer wieder den Hinweis: „Aber die, die es betrifft, werden dir nicht zuhören.“ „Aber die, die gemeint sind, lesen das nicht.“ Müssen sie auch nicht. Ein Mißverständnis! An diese Leute richte ich mich gar nicht.
„Houston, wir haben ein Problem!“ Das kommt ein wenig so wie „Ground control to major Tom!“ (rin David Bowie-Zitat) daher. Ich habe mich Jahrzehnte lang gehütet, in meinem Lebensraum Gleisdorf die Zuschreibung Faschismus auszustreuen. Das hat sich inzwischen geändert.