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Scharf stellen in unscharfen Verhältnissen

Wohin ich mich auch wende, Kulturschaffende führen Klagen über den Status quo. Mir ist das kein Rätsel und wir wissen ja auch, wie es gekommen ist. Aber um das deutlich zu sagen: Ich hab keine Lust, mich selbst als „Opfer“ oder „Problemfall“ zu definieren. Und ich hab auch keine Laune, dauernd nur mit dem befaßt zu sein, was uns schwer fällt. Da müssen auch noch andere Aspekte eine Rolle spielen können.

Die laufenden Debatten sind mir überdies etwas zu dünn. Ich wünsche mir:
+) Wenn schon Polemik, dann mit Esprit!
+) Wenn schon „Flaming“, dann aber radikal und mit grober Kelle!
+) Ansonsten hätte ich es gerne lieber sehr viel sachlicher und unaufgeregter!

Am wenigsten interessiert mich das populäre Verfahren, die Selbstdefinition durch Feindmarkierung vorzunehmen. Das ist erbärmlich. Ich brauche keine Wand, gegen die ich spielen kann, um anderen klar zu machen, wer ich bin und warum ich das bin.

Als Kunst- und Kulturschaffender muß ich in der gegebenen Situation neu klären, was ich selbst zu leisten vermag, wer mich als Verbündeten akzeptieren würde und was daraus folgt, wenn ich meine Position gegenüber Politik und Verwaltung zu verdeutlichen hab.

Wenn ich am Stand der Dinge Kompetenzmängel und Stagnation feststellen muß, dann betrifft das wahrlich nicht bloß die anderen Metiers, sondern auch unseres. Also liegt mir an brauchbaren Befunden, die einer Prüfung und Debatte standhalten. Daraus sind Schlüsse zu ziehen und Handlungspläne zu entwerfen, dann geht’s los. (Ja, ich wiederhole mich.)

"kunst ost" in der aktuellen Ausgabe von "top of styria"

Mich interessiert zur Zeit natürlich sehr, was wir als Kulturschaffende überhaupt direkt mit Wirtschaftstreibenden zu tun haben können. Das ist ja keineswegs so klar und herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring führen in unserem Bereich erfahrungsgemäß eher ins Leere.

In der heurigen Jahresausgabe von „top of styria“ ist auf Seite 18 meine Zusammenfassung solcher Überlegungen zu finden: [link]

Außerdem haben wir im Rahmen unserer „Kulturspange“, einer Kooperationsebene im Kulturbereich, nun eine Reihe von Arbeitstreffen eröffnet, wo solche Annahmen, Optionen, Überlegungen debattiert werden, um in praktikable Versuche zu münden: [link]

Ich sehe die wachsende Diskussion um das Grazer Künstlerhaus als einen interessanten Anlaß, um zu klären, wo denn Kunst- und Kulturschaffende in der Steiermark momentan überhaupt stehen; vor allem auch in ihrer Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung. Deshalb fasse ich einen Teil einschlägiger Beiträge hier zusammen: [link]

Techniker Michael Toson (links) und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz im Grazer Johann Puch-Museum

Die Alltagskultur bleibt derweil nicht unberücksichtigt. Aus unserem „Kuratorium für triviale Mythen“ ist inzwischen so einiges hervorgegangen. Das bildet längst einen speziellen Fokus auf Mobilitätsgeschichte. Der hat nun eine im Plauderton gehaltene Ebene auf Facebook, an der Person Johann Puch festgemacht: [link]

ein kurzer überblick

Die soziokulturelle Drehscheibe „kunst ost“ verknüpft verschiedene soziale und kulturelle Agenda mit Optionen der Gegenwartskunst, wobei wir aus unserer langjährigen Erfahrung schöpfen, solche Vorhaben jenseits des Landeszentrums, in der sogenannten „Provinz“ zu realisieren. Dabei beziehen wir Kompetenzen aus der Praxis im Bereich eigenständiger Regionalentwicklung und haben auch auf dem Kunstfeld Zugänge entwickelt, die uns erlauben, für unseren Arbeitsbereich geltend zu machen: „Provinz war gestern!“

vorarbeiten für den schwerpunkt "frauen und technik": kulturmanagerin nina strassegger-tipl (links) und kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov in albersdorf

Wir bemühen uns, das gesamte Geflecht an soziokulturellen und sozialgeschichtlichen zusammenhängen angemessen zu bearbeiten. Das bezieht sich in den großen Schwerpunkten auf unsere
+) Tage der agrarischen Welt
und den momentanen Fokus auf
+) Frauen und Technik
sowie verschiedene thematische Querverbindungen, die das
+) Kuratorium für triviale Mythen
bearbeitet, welches sich in den Kunstbereich verzweigt, aber stellenweise auch stark sachbezogen arbeitet. In diesen Zusammenhängen greifen wir momentan auch verstärkt das Thema
+) Mobilitätsgeschichte
auf.

christian strassegger (mitte) setze den heurigen auftakt zu "close to nature", was bernhard kober ("kuratorium für triviale mythen") mit einer aktion abrundete

Wir entwickeln unsere Projekte vor dem Hintergrund eines Themen-Horizonts, an dem zwei große Teil-Themen ineinander gehen, welche diesen Lebensraum, die „Energie-Region“, ausmachen:
+) die agrarische Welt
+) und die High Tech-Zonen.

Im Zentrum unserer Aufgaben steht die Befassung mit Gegenwartskunst und ihren Bedingungen. Die Bedingungen der Kunst sind über quasi benachbarte Genres berührbar:
+) die Alltagskultur
+) das Kunsthandwerk und
+) die Voluntary Arts,
… also jener sehr populäre Bereich, in dem sich interessierte Menschen außerberuflich mit künstlerischen Verfahrensweisen befassen.

Einige dieser Bereiche verknüpfen wir quer durch das Jahr mit künstlerischen Aktivitäten im Rahmen der Reihe „close to nature“. So fügt sich „kunst ost“ als Ganzes zu einem Gesamtvorhaben, in dem diese verschiedenen Themen- und Aufgabenstellungen in Theorie und Praxis verbunden werden.

[kuratorium für triviale mythen]
[Frauenmonat: FMTechnik!]
[april-festival 2012]
[close to nature]
[was ist kunst?]

das triviale, ernst genommen

ich habe im beitrag die kunst, die kultur und die region von den „vier genres“ geschrieben. und daß wir uns diesen genres bei „kunst ost“ widmen, ohne sie hierarchisch zu ordnen, also festzulegen, welches das angeblich wichtigste sei.

die kunst zeigt sich auf sehr verschiedene weisen. noch kürzlich hieß es ja „die künste“. aber seit richard wagner gibt es eine vorstellung, was ein „gesamtkunstwerk“ sei. im 20. jahrhundert hat sich dann eine klare auffassung etabliert, daß sich die verschiedenen genres und kunstformen in einer „gesamtvorstellung“ als „die kunst“ verstehen lassen.

martin krusche in einer meditation über dem vergessenen steyr fiat 126

als wir diesen herbst einige tage mit den leuten von den kollektiven aktionen aus moskau verbringen durften, habe ich einmal mehr erlebt, was es bedeuten kann, wenn sich jemand radikal und umfassen der kunst widmet. ich sehe mich selbst nicht auf so einem kompromißlosen weg. ich hab ebenso große freude daran, mich trivialen themen und fragen der alltagskultur zu widmen.

ich pendle praktisch bund sehr konkret zwischen diesen genres. als ich vor einiger zeit mit bernhard kober das kuratorium für triviale mythen initiiert habe, lag mir daran, eine praxis der verbindung solcher schwerpunkte auszuloten.

auch das kunsthandwerk interessiert mich. da bin ich jetzt bloß nicht gerade bei töpferei, korbflechten oder beim glasblasen. ein aktuelles beispiel sind jene ausschneidebögen zu einem stück österreichischer sozialgeschichte, die wir gerade in einer publikation zusammenfassen.

das „puch-auto“ oder auch „puch-schammerl“ ist österreichische folklore. eine ikone des alltagslebens: [link] genauer: es ist der „steyr puch 500“ mit seinen folgemodellen. in michael toson habe ich einen techniker zur seite, der solche „batelbögen“ entwerfen kann. es muß die „flachware“ ja so angelegt sein, daß sie sich zu einem erkennbaren körper formen läßt. (siehe dazu auch meinen logbuch-eintrag vom 15.11.2010!)

der versierte graphic novelist jörg vogeltanz liefert das artwork für die veröffentlichung, wird also das büchlein in einem durchgängigen konzept gestalten. ich steuere eine erzählung bei. das ergebnis unserer bemühungen wird kein kunstwerk sein. aber es ist mit den kompetenzen aus künstlerischer praxis unterfüttert.

aus der "flachware" muß ein erkennbarer körper entstehen können

die ausschneidebögen von toson sind dem kunsthandwerk zuzurechnen. meine erzählung stellt sozialgeschichte dar, nahe an oral history. die arbeit von vogeltanz ist gebrauchs-graphik, obwohl er handwerklich dabei seine erfahrungen als künstler einbringt.

so darf man sich – als ein beispiel — die konkrete verbindung der genres vorstellen. zugleich zielen wir in richtung des arbeitsvorhabens von „kunst ost“, eine zusammenschau von kunst, technik und wissenschaft zu erreichen. und sie finden hier auch schon den ansatz einer „laborgruppe“, jenes ANDERE struktur-detail von „kunst ost“ gegenüber der „location crew“. aber davon später mehr …