Unser Fiat lux

In den Credits [link] zu unserem Projekt „Fiat Lux“ (Das geschwätzige Automobil) habe ich notiert: „Mit einer Verbeugung vor Paul Jaray, Richard Buckminster Fuller, Dante Giacosa & Giuseppe Alberti sowie Hans & Erich Ledwinka“.

Ewald Ulrich beim Auspacken der selbsttragenden Kunststoff-Karosserie

Am Anfang der individuellen Motorisierung dieser Welt standen Voiturettes, die meist der Fahrrad-Sphäre entstammen, und motorisierte Kutschen. Eigenständige Konstruktionen durchbrachen schnell dieses Feld der Ableitungen.

Mit der Karosserieform „Torpedo“ wurden neue Linien gezogen, glattere Verläufe eingeführt. Es gab schon früh vereinzelt „Tropfenwagen“, auch das Ei erwies sich als anregende Basisform für Fahrzeuge. Paul Jaray schuf dann sehr wirksame Grundlagen für das Reüssieren der Stromlinie als technisches Mittel und kultureller Code.

Die Sphären von Buckminster Fuller sind nur ein Aspekt im Schaffen dieses einflußreichen Denkers, der uns die Metapher vom „Raumschiff Erde“ hinterließ. Er deutete unseren Planeten als ein Vehikel, das uns ohne Anleitung, aber übervoll mit Ressourcen übergeben wurde.

Die Worte „Fiat lux“/“Es werde Licht“ sind in unserer Kultur von zentraler Bedeutung, verweisen unter anderem auf die Vorstellung, daß Worte Schöpfungskraft haben. Es ist ein grundlegendes Motiv abendländischer Schöpfungsmythologie (Buch Genesis).

Die phonetische Nähe der Formulierung zur Automarke Fiat ergibt sich über ein Akronym, der Firmennamen bedeutet nämlich: Fabbrica Italiana Automobili Torino („Italienische Automobilfabrik Turin“). Die mögliche Doppeldeutigkeit eben dieser Wortschöpfung steht freilich für Spekulationen zur Verfügung.

Unser Objekt, eine mobile, basal kommunizierende Maschine, wird über eine technische Ausstattung und eine ästhetische Formung zum Artefakt „Fiat lux“. Das ergibt sich aus einer Erzählung, an der ich arbeite. Die ist auf einer Debatte gegründet, welche ich mit Techniker Ewald Ulrich führe.

Auf unser Work in Progress lassen sich nun Willi Gangl und Alfred Urleb (Wigl Design) ein, deren Deutung dieses Prozesses sich in der Erscheinung der Maschine zeigen wird. Damit vollzieht sich ein Abschnitt kollektiver Kunstpraxis gemäß meiner Wunschanordnung „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“.

Der Tatra 77 A (Foto: Mohylek, Public Domain)

Das Artefakt hat als Basis eine selbsttragende Kunststoffkarosserie, die den aktuellen Fiat 500 in etwas gedrungener Fassung paraphrasiert. Ich hab mich für diese Form entschieden, weil deren ökonomisch sehr erfolgreiches Original den Fiat nuova 500 von 1957 zitiert.

In „Woher kommt das Puch-Häusel“ ist skizziert, wie der herausragende Ingenieur Dante Giacosa im Dialog mit Giuseppe Alberti, dem damaligen Chef der Karosserieabteilung fon Fiat, diese Form erarbeitet hat: [link]

Dabei hatte Giacosa die Arbeit am Fiat 600 (1955) ausgewertet. Der „Seicento“ war in jenen Tagen eine Novität mit selbstragender Karosserie, ein Ovoid, der seinerseits auf die Klassiker der ersten Streamline-Ära reagierte.

In jener Kategorie gilt der Chrysler Airflow (1933) als erstes Stromlinien-Serienautomobil der Welt, an dem übrigens Toyoda (heute: Toyota) 1935 für ihre erste Limousine, den Toyoda AA, Maß nahm.

The observation end of the Pioneer Zephyr. (Foto: Sean Lamb, Creative Commons)

Im Jahr 1934 lief mit dem Pioneer Zephyr in Amerika auch eine legendäre Stromlinien-Eisenbahngarnitur. Weit extremere Stromlinien-Lokomotiven schuf schließlich Industriedesigner Raymond Loewy. Streamliners und Teardroppers boomten, waren zu der Zeit aber keineswegs neu.

Die Nazi ließen beeindruckende Stromlinien-Lokomotiven bauen, investierten ab 1934/34 ebenso enorm in die weit populäreren Silberpfeile. Der Autorennsport nutzt dieses symbolische Kapital bis heute. Es war vor allem der geniale Ferdinand Porsche, dem damals, in völliger Distanzlosigleit zu Hitler, legendäre Konstruktionen gelangen.

In Österreich schuf Karl Jenschke mit dem Steyr 100 (1935) einen expliziten Streamliner. Die Werbung jener Tage behauptete sogar, daß man mit dem richtigen Motoröl einen „Stromlinie aus der Ölkanne“ aktivieren könne.

An Hans Ledwinka kommt man bei diesem Thema keinesfalls vorbei. Seine Streamliner der Marke Tatra sind sensationell. Hier rundet sich das Thema. Sein Sohn Erich Ledwinka war der verantwortliche Ingenieur, als in Graz steirische Technik ins Blech des italienischen Fiat nuova 500 gepackt wurde; ein maßgeblicher Akzent in der Geschichte von „Mythos Puch“.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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