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KWW: Was geht, was kommt, was (aus-) bleibt…

Wir sagen gerne „Die Wirtschaft“, aber so weit ich sehe, gibt es „Die Wirtschaft“ nicht; wenigstens nicht in dem Zusammenhang, der uns Kunst- und Kulturschaffende hier in der Region beschäftigen mag. Wir träumen gerne. Wir träumen uns das Echo anderer Verhältnisse zurecht. Das führt zu ganz merkwürdigen Klitterungen.

Da wären also „Die Mäzene“. Die gehören aber, so das Träumen, den Vergangenheiten an. Deshalb habe „Der Staat“ die Mäzene abgelöst. Und wo könnte sonst noch Geld für die Kunst herkommen? Na, denken Sie doch an „Die Wirtschaft“!

Kaufmann Gregor Mörath macht in seinem Geschäft eine erste Ausstellungserfahrung

Wie erwähnt, die gibt es nicht. Und Kunstschaffende, die ökonomisch zu hundert Prozent vom Staat abhängen, sind auch eine fragwürdige Option. Das wirft allerdings einige Fragen auf. Wie sollen sich Staat, Markt und Zivilgesellschaft zueinander verhalten? Warum sollen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander zu tun haben?

Wie möchten wir den Umgang der verschiedenen Sektoren miteinander geregelt haben? Welche Geldflüsse soll es geben, gestützt auf welche Art von Leistungsaustausch? Ich kann das rausbrüllen, so oft ich will, vorerst erhalte ich keine Antworten. Die einzige markante Antwort, die ich aus meinem Umfeld kenne, wird von der IG Kultur Steiermark promotet und lautet: „plus 25%“. (Ein schwaches Statement!)

Ich bleib noch etwas beim beliebten Bild „Die Wirtschaft“. Das bedeutet in Österreich, über 60 Prozent der heimischen Betriebe sind EPU, also „Ein-Personen-Unternehmen“. Die werden naturgemäß eher selten im Bereich Kunstsponsoring aktiv, zumal ein erheblicher Anteil dieser EPU über die Jahre selbst unter großem ökonomischem Druck steht.

Die EPU sind gewissermaßen Teil der KMU: „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der Unternehmenslandschaft und haben damit wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur.“ [Quelle] Laut „KMU Forschung Austria“ sind das „99,6% der gewerblichen Wirtschaft“ [Quelle] Die reißen uns hier auch nicht heraus.

In unserer regionalen Kulturpraxis habe ich es permanent mit EPU-Leuten zu tun, ferner mit einigen führenden Kräften von Klein- und Mittelbetrieben, wie etwa der Stadtapotheke, dem Kaufhaus Mörath, Elektro Kurtz, Buchhandlung Plautz oder die eigenständige Volksbank, Raiffeisenbank, Zweirad Laller etc.

Soweit dort Budgets für Kunstprojekte vorhanden sind, gehen sie in eigene Kulturveranstaltungen. Investitionen in die Vorhaben anderer Leute sind von diesen Betrieben her die Ausnahme.

Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer von „KWB“, bei einer Session mit Künstlerin Maruša Sagadin (Foto: Sagadin)

Keiner dieser Betriebe mit unterschiedlich großem Angestelltenstab hat Ressourcen, die ein konventionelles Kunstsponsoring ermöglichen würden. Sachleistungen sind möglich. So hat mich etwa Bernhard Kurtz (Elektro Kurtz) noch nie abblitzen lassen, wenn ich für eine Veranstaltung einen großen Monitor plus DVD-Player gebraucht hab etc.

Es gibt in dieser Betriebsdimension gelegentlich Ausnahmen wie etwa den Unternehmensberater Erich Wolf, der erhebliche Mittel in Ausstellungen, Kataloge und Werke investiert; weil er Kunstsammler ist. Das heißt, er folgt seinen eigenen Intentionen und Obsessionen, agiert nicht als Sponsor im herkömmlichen Sinn.

In der nächst größeren Betriebskategorie sieht das schon anders aus. Etwa Binder +Co oder KWB, da hat man Ressourcen und auch eine entsprechende Orientierung, durch die eine Kofinanzierung von Kunstprojekten immerhin möglich ist, zuweilen vorkommt.

Von einigen Betrieben der Region weiß ich, daß sie Kunstsammlungen haben, was ja seinerseits Mittel bindet, die folglich nicht in „außenliegende“ Aktivitäten investiert werden. Das heißt: Die Kunstaffinität ist da, aber die verfügbaren Mittel sind gebunden.

Manches Engagement muß, wie wir es eben erlebt haben, nicht einmal nach außen und an eine Öffentlichkeit adressiert sein. Es kann auch bedeuten, ein Kunstprojekt firmenintern abzuwickeln. Was dabei unausweichlich bleibt: Der Anspruch an hohes inhaltliches Niveau und professionelle Umsetzung.

Wenn eine Firmenleitung Geld verfügbar macht, damit etwa die Management-Riege mit einer Künstlerin in eine Tages-Session geht, dann handelt das von Anforderungen, welche regionale Voluntaries für gewöhnlich nicht zu erbringen imstande sind; so zumindest unsere praktische Erfahrung.

Da brauch ich schon wen, der oder die a) das Metier beherrscht und b) die Abläufe bewältigt, wenn Leute mitziehen, die etwa noch keinerlei Erfahrung mit solchen Sessions haben; ich benötige dazu aber vor allem Ideen und Konzepte, auf die sich eine Firmenleitung einläßt.

Derlei Ideen und Konzepte fallen weder vom Himmel, noch sind sie flott formuliert und noch flotter verkauft. Es kann in Firmen ohne weiteres auf einen mehrmonatigen Dialog mit Entscheidungstragenden hinauslaufen, die ihrerseits allenfalls erst etwas herausfinden müssen bzw. mitgestalten möchten. Es ist also in der Anbahnung mitunter sehr arbeitsintensiv.

Unternehmensberater Erich Wolf folgt mit großer Zähigkeit seinen Kunst-Obsessionen

Internationale Players investieren bei uns eher nicht in regionale Kunstprojekte. Ich sehe bestenfalls ihre Logos auf den Plakaten von Sportvereinen. Die Gegenwartskunst hat hier keinen vergleichbaren Stellenwert und was die Voluntaries machen, wird von einem Management wie etwa dem bei Magna Steyr keiner näheren Betrachtung unterzogen.

Wo aber Wege offen sind, hab ich noch nie gehört, daß vom Kunstfeld eine grandiose Idee angekommen sei, die das umgehende Zücken eines Scheckheftes bewirkt hätte. Wege. Zeit. Prozesse. Ich denke, wo es gelingt, einzelne Geschäftsleute für Vorhaben zu interessieren und schließlich zu gewinnen, müssen beide Seiten geneigt sein, miteinander Erfahrungsschritte zu setzen. „Schnelles Geld“ ist dabei keinerlei relevante Kategorie.

Was dann hinter dem nächsten oder übernächsten Horizont an Kooperationen zwischen Kunst und Wirtschaft greifbar werden mag, das muß, wie mir scheint, inhaltlich und in den Modusfragen überhaupt erst erkundet, erarbeitet werden.

— [kww] —

Wo das Essen herkommt

Der Begriff „Gemischtwarenhandlung“ ist etwas aus der Zeit gefallen. Der Grund dafür ist banal. Es gibt kaum noch welche. Drei Konzerne kontrollieren Österreichs Lebensmittelmarkt. Die Supermarktketten haben Jahrzehnte eine harte Standortpolitik verfolgt. Viele Nahversorger gaben auf.

Nicht so Gregor Mörath, der im Zentrum Gleisdorfs seine Position behauptet. Sein Betrieb ist eine zeitgemäße Deutung des Begriffs Gemischtwarenhandlung. Dort sind außerdem auch Produkte von landwirtschaftlichen Betrieben aus der Umgebung erhältlich.

Details: Kaufmann Gregor Mörath erklärt mir, daß Bosnische Zwetschgen nicht zwingend aus Bosnien kommen, sondern eien eigene Sort sind; merklich größer als unsere Hauszwetschgen

Gelegentlich frage ich Gregor Dinge wie: „Wenn aus irgendwelchen gründen eine Woche lang keine Lastwagen fahren könnten, wie lange würde ich bei Dir was kaufen können?“ Ich hab nicht das geringste Talent zum Selbstversorger, bin also auf Kaufleute angewiesen. Und im Krisenfall wäre ich es auch auf eine bäuerliche Landwirtschaft, denn die industrielle Landwirtschaft würde uns dann wohl ebenso freundlich bedienen, wie die Erdöl-Lobby, wenn die Zeiten schwierig werden.

Es gibt noch eine andere Option in diesem Zusammenhang. Der Gleisdorfer Bioladen ist nicht nur Kaufhaus, sondern auch Umschlagplatz für Informationen. Barbara Regelsberger, die das Geschäft betreibt, ist Fachfrau im Bereich der Bodenkultur und versiert in Ernährungsfragen, sie befaßt sich aber auch mit den größeren Zusammenhängen solcher Themen. [link]

Stichwort Ernährungssouveränität. Das bezieht sich, grob zusammengefaßt, auf die Frage, ob für uns alle ausreichend sauberes Wasser und leistbare Lebensmittel angemessener Qualität verfügbar sind. Und zwar weltweit. Das ist keine Selbstverständlichkeit!

Bäuerin Gerti Amplatz (links) und Barbara Regelsberger vom Bioladen reden aus der Praxis und verknüpfen so Informationen zum Thema Ernährungssouveränität auf greifbare Art.

Wie wir zur Zeit schon erhebliche Abhängigkeit und teils abenteuerliche Preisentwicklung bei Treibstoffen und in anderen Energiebereichen erleben, gilt Ernährung als das ganz große Geschäft der Zukunft, das zu ebensolchen Verhältnissen neigt. Wer das Stichwort „land grabbing“ in eine Suchmaschine haut, bekommt nichts Freundliches zu lesen. Letzten April fand eine internationale Konferenz zu diesem Thema statt: [link]

In Krems hat gerade das „Europäische Forum für Ernährungssouveränität“ (Nyeleni Europe 2011) getagt: [link] Regelsberger war Teil der über 400 Delegierten aus 34 europäischen Ländern. Sie berichtete im Bioladen von den Ergebnissen dieser lebhaften fünf Tage.

Das Ziel solchen Engagements ist unter anderem ein entsprechender Wissensstand der Kundschaft, damit wir uns nicht alle der Waren- und Preispolitik von bloß drei großen Konzernen ausliefern, die den Lebensmittelmarkt in Österreich kontrollieren.

Dazu ist es auch unverzichtbar, daß bäuerliche Landwirtschaft gegenüber der Agrarindustrie bestehen kann und daß nötiges Fachwissen erhalten bleibt, daß aber auch weltweite Entwicklungen der Branche beachtet werden.

Bei einer Gesprächsrunde im Bioladen, wo Regelsberger von „Nyeleni Europe 2011“ berichtete, meinte Wirt Gottfried Lagler lapidar: „Niemand jammert, wenn das Benzin teurer wird, aber alle jammern, wenn die Suppe mehr kostet.“ Die Marktsituation handelt seit Jahrzehnten von immer wieder steigendem Druck auf die Bauernschaft. Bäuerin Gerti Amplatz [link] erwähnte: „Der Bauer bekommt sieben Cent für en Kilo feinstes Mahlgetreide.“

Warum sind das auch Themen für eine Kulturinitiative? Leistbare Lebensmittel von angemessener Qualität. Nahversorgung. Individuelle Mobilität und nötige Anbindungen über öffentliche Verkehrsmittel. Das ergibt alles Faktoren, die in einer Frage nach stabilen Verhältnissen und sozialem Frieden Wirkung zeigen. Dabei fallen auch Überlegungen an, was an Wahrnehmung und Reflexionsvermögen wünschenswert ist, um auf diese Kräftespiele sinnvoll einwirken zu können.

Da stehen schnell auch kulturelle Agenda zur Debatte. Aus meiner Sicht heißt das zum Beispiel: Wenn wir einander nicht erzählen was wir tun, wissen wir nicht wer wir sind. Amplatz brachte das, auf die agrarische Welt bezogen, sehr treffend zur Sprache: „Das Morgen suchen und vom Gestern reden?“ Keine einleuchtende Perspektive.

Bei „kunst ost“ gehen wir solchen Überlegungen seit heuer konzentrierter nach; über die „Tage der agraischen Welt“: [link]