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vehikel der zuversicht

„wie geht es ihnen?“
„danke, kann nicht genug klagen!“

zugegeben, solche momente waren mir in den letzten monaten vertraut. es ist ein mühsamer abschnitt gewesen, ein ringen, um die sicherung unseres kultur-projektes. aber ich hab keine freude am klagen. es kostet kraft und zeit, bringt nichts und läßt einen dort sitzen, wo man gerade feststeckt.

lieber in bewegung bleiben. unser april-festival ist sozusagen das „vehikel der zuversicht“, mit dem wir leute aus verschiedenen bereichen bewegen wollen, den kulturbereich zu stützen, mitzutragen, auch wenn die budgets krachen.

dagobert eberdorfer, schulleiter in wetzawinkel, lüftet gerade ein betriebsgeheimnis, während veterinär karl bauer die kurve kratzt

eben waren wir auf lokalaugenschein in der fachschule von wetzawinkel, wo wir unseren „tag der agrarischen welt“ realisieren möchten. hausherr dagobert eberdorfer kommt uns dabei sehr entgegen. eine weitere station in der umgebung von gleisdorf, die wir uns als längerfristigen teil eines gemeinsam entwickelten regionalen kulturgeschehens wünschen.

den nachmittag davor habe ich auf etwas kuriose art verbracht. für den 17. februar war in graz die entscheidung der zweiten instanz im fall herberstein angekündigt. der skandal hat ja in der steiermark einiges an strukturen grundlegend verändert.

von links: journalistin monika bertsch, frau olga (wurm), regionale großmeisterin des gulaschkessels, und heinz boxan, vormals verwalter in herberstein

wir saßen mit dem vormaligen verwalter heinz boxan, als beitragstäter nun rechtkräftig verurteilt, im ruhigen extrazimmer des gasthofs „wurm“ und erörterten den stand der dinge.

wie erbärmlich die hochmütig angelegte klamotte endete, in der über geraume zeit die republik ausgeplündert wurde, machte der „standard“ im bericht nach der urteilsverkündung deutlich: „Jedes Urteil ist nicht nur ein Urteil gegen mich, sondern auch ein Urteil gegen meine Kinder.“ Bei ihrem Schlusssatz brach die tränenerstickte Stimme von Andrea Herberstein. [quelle]

kann mir zufällig jemand sagen, was das eine mit dem anderen zu tun hat? eben! gar nichts! diese weinerliche art, das ganze gebäude an manipulationen, täuschungen, kostspieligen erhabenheiten und merkwürdigen konstruktionen nun in solcher larmoyanz zurechtzustellen, erscheint mir ekelhaft.

aber die selbsternannte „gräfin“ die sich nun nicht mehr so nennt, interessiert mich recht wenig. mich interessiert viel mehr dieses stück regionalgeschichte, das auch ein stück reale regionalentwicklung ist, in dem sich so viele menschen auf allen ebenen haben hinreißen lassen, regeln zu übergehen, zu brechen. mich interessiert diese kumpanei, die lösungen zugusten des gemeinwohls vorgab und doch bloß eigennutz beförderte.

in einer zeit, wo probleme rasch wachsen und wirksame lösungen rar werden, steigt offenbar die neigung vieler leute, flotte lösungen herbeizuhudeln, notfalls zu simulieren, eventuell auch über gesetzesbruch aus dem boden zu stampfen.

ich denke, das „system herberstein“ steht für eine komplexe „realpolitische“ problemlage, die wir uns noch genauer ansehen sollten; vor allem unter den aktuellen anforderungen, bei diesen zunehmenden problemen, jenseits des landeszentrums nun die strukturen zu sichern und der massiven „neuen landflucht“ etwas wirksames  entgegenzusetzen.

was uns das angeht, wo wir doch ein kulturprojekt betreiben?

wir haben nach den realen bedingungen unseres lebens und unserer arbeit in der region zu fragen. ohne verständnis dieser zusammenhänge bleibt kulturpolitik unklar, hat folglich das kunstschaffen keine beschreibbaren bedingungen.

das geht uns also eine menge an, wie dorfhonoratioren und mitglieder verschiedener deutungseliten hier den lauf der dinge deuten und beeinflussen, entsprechend oder entgegen den regeln der republik.

— [kunst.rasen] —

zwischenstände

was geschieht zur zeit? na, so allerhand. eben hatten wir eine weitere station der „talking communities“: [link] tom tipu pono und renate buchgraber vom projekt „:freie galerie:“ fanden sich zu einer debatte ihrer konzeptionellen grundlagen ein. das in graz ansässige galerie-projekt wird – von einigen kühnen annahmen über den kunstbetrieb ausgehend – nun aus der webpräsenz in eine zusätzliche ereignis-zone im realraum überführt.

tom tipu pono und renate buchgraber vom projekt „:freie galerie:“

einiger anlaß, einschätzungen und aussichten zu debattieren. davor hatten wir ein bemerkenswertes arbeitsgespräch mit meinen “drei tenören”, die freilich nicht singen, sondern ein ungewöhnliches projekt-trio ergeben, in dem eine reflexion über unseren lebensraum zu einem gemeinsamem fotografischen statement führen wird.

da war der moment, in dem franz lukas kopfschüttelnd sagte: „je mehr ich über meine letzten aussagen nachdenke, desto mehr entferne ich mich davon. ich fange wieder bei null an.“ das hat uns amüsiert und es war ihm vermutlich in dem augenblick gar nicht klar, wie sehr genau das, diese radikale bereitschaft, vorläufig erreichtes zu verwerfen, oft ein wertvolles fundament künstlerischer praxis ist. eine unverzichtebare art von produktivem zweifel.

das trio im radikalen kontrast: richard mayr, andreas turk und franz lukas

lukas sagte, es werde seine arbeit vermutlich darauf hinauslaufen daß er nur ein einziges bild zeige, in dem sich der prozeß verdichte. ich wünschte, er würde gute gründe finden, sich von dieser konsequenten konzentration nicht abbringen zu lassen. wir haben also im set nun den „buddhisten“ (lukas), den „praktikanten der kontraste“ (turk) und den „zeitreisenden“ (mayr).

von links: das gleisdorfer kultur-team alois reisenhofer, sigrid meister und winfried kuckenberger

andere session, anderes trio. gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer, kulturbüro-leiter winfried kuckenberger und „MIR“-kustodin sigrid meister in einer debatte mit uns, wo es denn nun regional/kulturell weitergehen könne und wovon allenfalls eine weiterführende kooperation zwischen “kunst ost“ und der stadt gleisdorf handeln könnte.

jungejunge! das sind frostige zeiten. und irgendwie ist in der region so allerhand schaden entstanden; genauer: in der regionalpolitik. das hat aber vielleicht auchn sein gutes. der status quo legt uns behutsame schritte nahe. achtsame prüfung der möglichen vorhaben und der fragen, was dabei das zeug zum konsens hat.

neben all dem erreicht mich einige unruhe anläßlich des buches über den „fall herberstein“, das nun erscheint. ich habe daran als sekretär von autor heinz boxan mitgearbeitet. dadurch haben wir bei „kunst ost“ die basis-finanzierung für das erste quartal 2011 erwirtschaftet: [link]

boxan stand mit andrea herberstein, die sich notorisch „gräfin“ nennen ließ, vor gericht. beide wurden für die verübten betrügereien verknackt; boxan zu bedingten, herberstein zu unbedingten strafen. das buch erscheint in kürze, denn für den 17. februar wird das gerichtsurteil der zweiten instanz erwartet: [link]

ich erhalte inzwischen schon manche zuschrift, die mir „andere blickwinkel“ zum casus quasus anbietet. alles sehr interessant, denn es illustriert, was noch heute populäre auffassungen von regionalentwicklung sind, welche sich auch die falsche „gräfin“ nutzbar machte. ich bin sehr neugierig, was ich in der angelegenheit noch erfahren darf …

— [kunst.rasen] —

krisenfest

ich hatte in letzter zeit etliche gespräche geführt, welche sich um die frage drehten, wie es denn nun im kulturbereich weiter gehe, wo doch so viel an budgets weg sei. politiker haben die rollbalken heruntergelassen. beamte zeigen sich teils sehr spröde. es wird auch nicht gar so gerne klartext geredet. ich hab in den vergangenen wochen mehrmals gestaunt, was da an UNAUSGESPROCHENEM im raum steht.

wir sind im kern von „kunst ost“ als dreier-team übriggeblieben. es besteht da einigkeit, momentan eine eher plüschige botschaft auszusenden, die besagt: „WIR sind härter als diese krise!“ was meint das? wir wußten seit einem dreiviertel jahr was kommen werde. jetzt ist es da. wir waren gerüstet: schlankere strukturen, adaptiertes konzept und aufgestrickte ärmel, um innerhalb kurzer zeit neue faktenlagen zu schaffen.

klar, das klingt nun etwas salopper als es sich zugetragen hat. aber krisen auszusitzen, das läßt sich eben nicht im schaukelstuhl machen.

eine große runde kunstschaffender beim ersten 2011er-plenar-treffen in ludersdorf

eben hat es das erste plenar-treffen im neuen jahr gegeben. ich bin erstaunt gewesen, wie GROSS die runde war, die diesmal in ludersdorf an einen gemeinsamen tisch gefunden hat. es scheint einigermaßen deutlich, daß die aktuelle konzeption von „kunst ost“ nun bei den leuten angekommen ist. das hilft sehr, die kräfte zu bündeln.

allerdings mangelt es noch etwas an geld-bündeln. aber das dürfte sich nun ebenso lösen lassen. zumindest für die auftakt-phase von „kunst ost neu“ haben wir durch eine spezielle dienstleistung ein nennenswertes startkapital erarbeiten können.

heinz boxan, vormals gutsverwalter in herberstein, davor kino-betreiber in pischelsdorf, ist ein profunder kenner einiger ecken regionaler kulturgeschichte

das ist ebenso romantisch wie kurios zustande gekommen. es gab vor jahren einen kriminalfall, der die politik der steiermark in ihren fundamenten erschüttert und das gesamte fördersystem des landes, vor allem auch die kulturförderungs-modalitäten, verändert hat. es ist der wohl schillerndste skandal der steiermark in der zweiten republik geworden.

ich war nun einige zeit der sekretär jenes vormaligen gutsverwalters, welcher neben andrea herberstein als beitragstäter in dieser kausa vom gericht eingesackt worden ist. heinz boxan ist ein erfahrener insider einer ziemlich verrückten geschichte. es wird nun ein buch erscheinen, in dem boxan einblicke gewährt, wie dieses „system herberstein“ funktioniert hat. dafür waren berge von archivalien durchzuackern und in einer umfassenden medien-recherche gegenzuchecken, anschließend mit boxan zu debattieren, was davon nun wie für eine publikation in frage käme.

das war viele wochen mein zusätzliches „nachtgeschäft“, also neben dem üblichen tagesgeschäft, um unser projekt in seiner umbruchs-phase finanziell abzusichern und uns im „basis-team“ einige monate spielraum zu verschaffen, das neue konzept zu etablieren und geschäftlich auf die schiene zu bringen.

eigentlich ein grimmiger witz, daß ein kriminallfall, in dem ungezählte millionen an öffentlichen geldern versickert sind, uns eine arbeit beschert, mit deren lohn wir den verlust an öffentlichen geldern in unserem kulturprojekt kompensieren können. um es goschert auszudrücken: das schicksal ist ein scherz-keks!