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strategiefragen

ich mache gerade ein paar staunenswerte erfahrungen. eine strukturelle NEUERUNG für das kommende april-festival ist die location crew“. da mögen kunstschaffende zusammenfinden, die gut mit einander können. die gruppe ist in sich autonom. eine „schlüsselperson“ ist das verbindungsglied zur „basis-crew“ von „kunst ost.

das ist ein wichtiger entwicklungsschritt hin zu mehr selbstorganisation der kunstschaffenden in der region, denn nur so wird sich in kulturellen vorhaben jene stabilität erreichen lassen, über die wir budget- und struktureinbrüche des kulturbetriebes kompensieren können.

ergänzend dazu gibt es auch gelegentlich die formation einer labor-gruppe. das sind kulturschaffende, die gemeinsam längerfristig an bestimmten aufgabenstellungen arbeiten.

auch die klare THEMENSTELLUNG des „april-festivals“ ist — unter anderem — diesem zweck gewidmet. was bedeutet das? die themenstellung ist ein wichtiger inhalt in der frage der KOOPERATION dreier sektoren: staat, markt und zivilgesellschaft.

das bedeutet praktisch, dieses april-festival ist als experiment angelegt, um praktisch zu erproben, ob und wie eine kooperation gelingen kann, in der a) leute aus politik und verwaltung (kommunen), b) unternehmen, betriebe und c) private kulturschaffende bzw. vereine zu einem GEMEINSAMEN VORHABEN finden können, in dem dann auch GEMEINSAM die nötigen mittel zur umsetzung aufgebracht werden. klar? klar!

bei "kunst ost" geht es primär um kollektive kreativität

neuerdings höre ich von der basis kunstschaffender her, das seien eben so meine „theorien“, ich solle es nicht so kompliziert machen, es habe ja auch bisher ohne solche pläne funktioniert und überhaupt, diese themenstellungen, das sei eine einschränkung der freiheit der kunst etc.

das heißt praktisch, einige leute WOLLEN nicht umdenken, sich neu orientieren, sich damit auseinandersetzen, daß sich zeiten und bedingungen gerade radikal geändert haben.

einige leute WOLLEN sich nicht damit befassen, daß der umstand „ich mache kunst“ kein hinreichender grund ist, von öffentlicher hand eine finanzierung zu erwirken. das bedeutet auch, auf dem vertrauten feld eingesessener akteurinnen und akteure ist mit etlichen leuten selbst über jahre eine kritische reflexion des eigenen tuns im zusammenhang mit dem lauf der dinge nicht zu erreichen.

dabei liegt ein simpler schluß nahe, der besagt: „wenn du es besser weißt, mach dein eigenes ding!“ im sinne der „freunde des partikularismus“ würde das beispielsweise bedeuten: „klemm dir eine mappe unter den arm, zieh los und schau, ob dir ein bürgermeister oder ein bankdirektor die kosten für deine personale hinblättert.“

mich beschäftigen dagen strategien, in deren zentrum eine praktische auffassung von „kollektiver kreativität“ steht. in solchen ansätzen werden bestimmte geschichten GEMEINSAM erzählt. und über die RELEVANZ a) der geschichten und b) der konkreten erzählweise, also der UMSETZUNG, sollen auch gute GRÜNDE entstehen, daß sich verschiedene instanzen aufraffen, die finanzierung solcher vorhaben MITZUTRAGEN.

was wir da bei „kunst ost“ erforschen, folgt also der idee, einige KULTURPOLITISCHE innovationen zu erarbeiten, wege dort hin zu entwerfen und zu erproben. das ist ein fixer bestandteil der arbeit von „kunst ost“.

das bedeutet, wir sind hier nicht „dienstleister“ für andere kunst- und kulturschaffende, sondern kooperationspartnerinnen und -partner für konkrete projekte, nein, IN konkreten projekten.

die laborgruppe

davon wollte ich noch erzählen. ein ANDERER modus als jener der „location crew“. denn die findet zu einem bestimmten ereignis zusammen, orientiert sich zwar an der themenstellung einer kommenden veranstaltung, arbeitet in sich aber autonom. das ist die location crew: [link]

die laborgruppe ist dagegen nicht veranstaltungsbezogen. sie hat eine ganz andere reichweite, bezieht ihren inneren zusammenhalt aus einem gemeinsamen interesse an themenstellungen und verfahrensweisen.

gleisdorf bei nacht: franz sattler (links) und emil gruber bei der "laborübung" zu den "kollektiven aktionen" aus moskau

die laborgruppe mag sich anlaßbezogen AUCH zu einer location crew verdichten, ist aber nicht so temporär angelegt. haben wir das so „konstruiert“? nein! es hat sich in der praxis herauskristallisiert.

der begriffliche bezug zum „labor“ ergibt sich aus dem längerfristigen „arbeits-charakter“, den diese leute bei „kunst ost“ einbringen. eher ein „feld“ als eine gruppe. so gesehen „gehört“ die laborgruppe nicht „kunst ost“, sondern berührt bloß deren entwicklung.

das ist überhaupt ein wesentlicher aspekt von „kunst ost“. hier werden keine kunstschaffenden „gesammelt“, gebündelt, zusammengefaßt und womöglich GEGEN etwas anderes aufgestellt. der eben benutzte begriff trifft es am ehesten: die entwicklung von „kunst ost“ wird von menschen, die sich hier temporär einbringen, BERÜHRT.

kommunikationsverhalten und aktive anwesenheit bestimmen den lauf der dinge. für den zusammenhalt sorgt eine fixe crew im zentrum des geschehens. der rest bleibt offen.

eine laborgruppe, so hat die praxis gezeigt, widmet sich gelegentlich bestimmten themen, arbeitet vor allem auch an grundsätzlichen fragen und lotet so einen größeren zusammenhang aus, in dem sich AUCH „kunst ost“ ereignet …

das triviale, ernst genommen

ich habe im beitrag die kunst, die kultur und die region von den „vier genres“ geschrieben. und daß wir uns diesen genres bei „kunst ost“ widmen, ohne sie hierarchisch zu ordnen, also festzulegen, welches das angeblich wichtigste sei.

die kunst zeigt sich auf sehr verschiedene weisen. noch kürzlich hieß es ja „die künste“. aber seit richard wagner gibt es eine vorstellung, was ein „gesamtkunstwerk“ sei. im 20. jahrhundert hat sich dann eine klare auffassung etabliert, daß sich die verschiedenen genres und kunstformen in einer „gesamtvorstellung“ als „die kunst“ verstehen lassen.

martin krusche in einer meditation über dem vergessenen steyr fiat 126

als wir diesen herbst einige tage mit den leuten von den kollektiven aktionen aus moskau verbringen durften, habe ich einmal mehr erlebt, was es bedeuten kann, wenn sich jemand radikal und umfassen der kunst widmet. ich sehe mich selbst nicht auf so einem kompromißlosen weg. ich hab ebenso große freude daran, mich trivialen themen und fragen der alltagskultur zu widmen.

ich pendle praktisch bund sehr konkret zwischen diesen genres. als ich vor einiger zeit mit bernhard kober das kuratorium für triviale mythen initiiert habe, lag mir daran, eine praxis der verbindung solcher schwerpunkte auszuloten.

auch das kunsthandwerk interessiert mich. da bin ich jetzt bloß nicht gerade bei töpferei, korbflechten oder beim glasblasen. ein aktuelles beispiel sind jene ausschneidebögen zu einem stück österreichischer sozialgeschichte, die wir gerade in einer publikation zusammenfassen.

das „puch-auto“ oder auch „puch-schammerl“ ist österreichische folklore. eine ikone des alltagslebens: [link] genauer: es ist der „steyr puch 500“ mit seinen folgemodellen. in michael toson habe ich einen techniker zur seite, der solche „batelbögen“ entwerfen kann. es muß die „flachware“ ja so angelegt sein, daß sie sich zu einem erkennbaren körper formen läßt. (siehe dazu auch meinen logbuch-eintrag vom 15.11.2010!)

der versierte graphic novelist jörg vogeltanz liefert das artwork für die veröffentlichung, wird also das büchlein in einem durchgängigen konzept gestalten. ich steuere eine erzählung bei. das ergebnis unserer bemühungen wird kein kunstwerk sein. aber es ist mit den kompetenzen aus künstlerischer praxis unterfüttert.

aus der "flachware" muß ein erkennbarer körper entstehen können

die ausschneidebögen von toson sind dem kunsthandwerk zuzurechnen. meine erzählung stellt sozialgeschichte dar, nahe an oral history. die arbeit von vogeltanz ist gebrauchs-graphik, obwohl er handwerklich dabei seine erfahrungen als künstler einbringt.

so darf man sich – als ein beispiel — die konkrete verbindung der genres vorstellen. zugleich zielen wir in richtung des arbeitsvorhabens von „kunst ost“, eine zusammenschau von kunst, technik und wissenschaft zu erreichen. und sie finden hier auch schon den ansatz einer „laborgruppe“, jenes ANDERE struktur-detail von „kunst ost“ gegenüber der „location crew“. aber davon später mehr …