Schlagwort-Archiv: kompetenzzentrum für gegenwartskunst

kulturelles neuland

die befassung mit kunst berüht eine ganze reihe zentraler menschlicher möglichkeiten. wahrnehmung, auffassung, deutung. solche fertigkeiten zu verfeinern, das betrifft nicht nur kulturelle anliegen der menschen. unser aller alltag läßt uns darauf angewiesen sein, daß wir derlei kompetenzen entwickeln, statt verkümmern lassen.

die befassung mit kunst war über hunderte generationen nur den gesellschaftlichen eliten vorbehalten. museen gibt es ohnehin erst seit dem 18. jahrhundert. davor waren die „wunderkammern“ und „kunstkammern“ ein privilegien-detail von adel und hohem klerus. damit möchte ich betonen, daß wir kulturell noch wenig erfahrung haben, kunstsammlungen allgemein zugänglich zu halten und diese freien zugänge auch auf breiter gesellschaftlicher ebene angemessen zu nutzen.

es geht um die schaffung eines hochkarätigen künstlerischen gravitationsfeldes

angemessen nutzen meint einerseits eine mischung aus privaten, persönlichen, ja intimen erfahrungsmöglichkeiten in der befassung mit kunst, aber andrerseits auch den gesamtgesellschaftlichen gewinn aus einem anregenden geistigen klima in gemeinsamen lebensräumen.

das heißt ferner, herkömmliche kunstveranstaltungen, etwa mit vernissagen als sozialen ereignissen, lassen uns solche möglichkeiten nur zu einem geringen teil ausloten. es bedarf konzentrierterer formen, um in diesen fragen neuland zu gewinnen. wir halten diverse bildungseinrtichtungen für selbstverständlich, soziale institutionen für standard, das gesundheitswesen, fragen der sicherheit, all dem haben wir fixe strukturen gegeben. (vor allem und am stärksten in den landeszentren.)

auf dem kultursektor kennt die region nur wenige zeitgemäße einrichtungen fixer natur. es bestehen, konventionellen konzepten folgend, manche feste häuser. ein „forum kloster“ in gleisdorf, sein „kulturkeller“, ein „kunsthaus“ in weiz sind ausdruck dessen. das gleisdorfer „haus der musik“ repräsentiert eine eigene dimension der sozialen und kulturellen qualität, die sich im erlernen und spielen von musikinstrumenten einlöst; das hat die vermutlich längste tradition im hier genannten sinn, wenn über weitere bevölkerungskreise zu sprechen ist. da treffen sich die traditionen der volksmusik und des bürgerlichen salons mit den geschichten von chor- und blasmusik.

kunstsammler erich wolf: "ich ringe um erkenntnis, um mit künstlern auf augenhöhe zu gelangen."

die bildende kunst mit ihren querverbindungen und zeitgemäßen derivaten hat außerhalb der landeszentren meist keine solche tradition und keine adäquaten einrichtungen. was hier nun mit einer kooperation von kunstsammler erich wolf und „kunst ost“ begonnen hat, bedeutet in der region ein betreten von neuland. der weg führt uns zu einem kompetenzzentrum für steirische gegenwartskunst, das als fixe einrichtung eine ganze reihe jener aufgaben erfüllen soll, die so bis heute keinen ort in der region haben.

ereignis-ort, präsentationsraum, bildungsstätte, arbeits-ort, drehscheibe für einen umfassenden know how-transfer. ein projekt, das sich nicht nur lokal und regional bewähren soll, sondern das auch internationale relevanz entfaltet. derlei vorhaben laufen unter anderem auf eine praktische schule der wahrnehmung und des denkens hinaus.

diese gesellschaft hat in den letzten jahren ein beunruhigendes ausmaß an stagnation und kompetenzverlusten erfahren. was immer die günde dafür sein mögen, faktum ist, daß konventionelle bildungseinrichtungen das nicht verhindern konnten, zum teil sogar selbst als die quelle solcher probleme gelten müssen. wir loten hier im spannungsfeld mehrerer kunst-genres neue möglichkeiten aus, die kulturellen möglichkeiten der menschen zu bereichern und zu stärken.

herbst 2012: kunstbezogen

wahrnehmung. irritation. reflektieren. woher beziehen wir impulse, um über das banal notwenige der alltagsorganisation auch hinauszugelangen? menschliche kultur bietet dazu viele quellen und gelegenheiten. kommt man am garten von kunstsammler erich wolf vorbei, dann überrascht da neuerdings eine arbeit von hans kupelwieser. das ergibt vor allem in der morgensonne markante augenblicke.

eine arbeit von prof. kupelwieser in der sammlung wolf

ich habe schon erzählt, daß wir nun begonnen haben, einen längerfristigen prozeß in gang zu setzen, um ein kompetenzzentrum für gegenwartskunst herbeizuführen. dazu soll es jeweils im herbst der kommenden jahre ein symposion geben, welches diesem ziel gewidmet ist. für 2012 lautet die von künstler richard kriesche fstgelegte themenstellung: „regionalität und realität // globalität und virtualität“ [link]

kunstsammler erich wolf

wir haben gerade das datum präzisiert: am 07. und 08. september 2012 soll das hauptereignis über die bühne gehen. wir werden diesen kernbereich allerdings noch mit anderen vorhaben verknüpfen. somit ist also die erste große station dieses „work in progress“ dingfest gemacht. weitere details in kürze…

Kontrastreiche Strategien

Der Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf demonstriert, daß Ausstellungen nur ein Teil zeitgemäßen Kunstgeschehens sind und daß man sich hier mit einigen Ereignislinien absolut auf Augenhöhe mit dem Zentrum Graz und anderen, weit größeren Orten des Kulturgeschehens befindet.

Von links: Vortragender Martin Titz, Tänzerin Linda Samaraweerova, Künstler Karl Karner und Gastgeber Erich Wolf

Damit meine ich, daß es schon vorab Rahmenbedingungen und Mittel in ausreichendem Maß geben muß, damit Kunstschaffen möglich ist. Das setzt wiederum einen breiteren gesellschaftlichen Konsens voraus, denn die Kunst kann nicht bloß dem Markt anvertraut sein. Dieser Konsens hat Kenntnis zur Vorbedingung, ist also an Bildungsfragen geknüpft.
Bei der aktuellen Personale in den Räumen von Erich Wolfs Kanzlei wird eine Werkschau des Feldbachers Karl Karner gezeigt. Der ist ein Mann zwischen Handwerk und Kunst, zwischen einzelnem Exponat und Gesamtkunstwerk, welcher mit Witz und energischem Zugriff eine ironische Sicht auf die Welt schafft.

Das meint unter anderem, Karner verdient sein Brot in einer Kunstgießerei. Daraus folgt, daß er für einen Teil seines Werkes über alle handwerklichen Fertigkeiten selbst verfügt. Er führt also das Gedankliche, Konzeptuelle, Schöpferische selbst auch bei allen Stationen in physische Momente über.

Karl karner beherrscht neben der Konzeption auch die handwerkliche Umsetzung komplexer Arbeiten

Durch die lebhafte Einführung von Martin Titz und den penibel gearbeiteten Karner-Katalog aus der „Sammlung Wolf“ werden Zugänge zum Verständnis so komplexer Kunstpraxis geöffnet. In der Deutung, der sachkundigen Kommentierung, erhalten wir Gelegenheit, etwas über künstlerische Strategien und Verfahrensweisen mitgeteilt zu bekommen. Hier werden zum Teil genau jene menschlichen Fertigkeiten auf speziellem Niveau angewandt, wie wir sie auch für die Alltagsbewältigung brauchen, wie sie zugleich nötig sind, um auf emotionaler und symbolischer Ebene nicht bloß ein Leben in endloser Routine zu führen.

Das meint auch, künstlerische Praxis bietet Wahrnehmungserfahrungen, die unserem Leben Perspektiven eröffnen, wie sie Tätigkeiten der Alltagsbewältigung in der Regel nicht generieren. Bei Karner handelt das von einem sehr breiten Spektrum der Genres und Techniken. Zeichnungen, Plastiken, Installationen und größere Ensemble, auch Perfomances, bei denen zum Teil Tänzerin Linda Samaraweerova ins Spiel kommt.

So wird über die laufende Ausstellung und den Katalog begreiflich gemacht, daß Gegenwartskunst nicht nur von Objekten, sondern auch von Prozessen handelt.

randnotizen

ohne zu reisen würde meine existenz als künstler völlig mißraten. zweierlei bedingungen lösen sich auf den fahrten ein. im fremden zu sein und vor ort zu ein. die irritation durch das, was man noch nicht kennt und die konkrete anschauung dessen, was woanders ist… jenseits aller mutmaßungen.

das sind auch grundlagen jener kooperationsansätze, die wir bei „kultur.at“ und im rahmen von „kunst ost“ entwickelt haben. zur erinnerung: „kunst ost“ war ursprünglich ein projekt von „kultur.at“. wegen seiner anwachsende dimension und komplexität hatten wir es schließlich ausgelagert und mit einer eigenen struktur versehen.

doch im verweben der unterschiedlichen aufgaben und vorhaben ergibt es ein ganzes, das sich wechselseitig bedingt. es löst sich auch auf reisen ein. das meint einerseits die besuche von kolleginnen und kollegen in anderen regionen. davon verdichtet sich nun etwas in unserer „kulturspange“: [link]

teil der "kulturspange" (von links) franz maunz, eva ursprung, mirjana peitler-selakov und gerhard flekatsch

das gewinnt andererseits erweiterungen über unser „balkan büro“ [link] die krisen des vormaligen jugoslawien sind auch die krisen europas. uns damit und mit den konsequenzen zu befassen bedeutet, sehr viel von jenen kräftespielen zu begreifen, die ganz europa bewegen. (in den „fahrten südost“teil #1 und teil #2 — sind einige aktuelle notizen zusammengefaßt.)

diese mischung aus konzentration auf lokale und regionale, aber auch auf grnzüberschreitende zusammehänge bündeln sich nun in unserer arbeit an der startphase eines „kompetenzzentrums für gegenwartskunst“: [link]

steinernes monument eines brockens europäischer historie: die brücke über die drina

in kooperation mit dem kunstsammler erich wolf haben wir begonnen, gegen ressentiments und kompetenzdefizite, die es in verschiedenen instanzen dieser gesellschaft gibt, der gegenwartskunst gerade in dieser von krisen bestimmten zeit neues terrain zu gewinnen.

reflexionsvermögen, flexibilität des denkens, problemlösungskompetenzen, all das, was politik und wirtschaft so sehr fordern, was aber voe allem eine zeitgemäße demokratie dringend braucht, sind fertigkeiten, die in ihrer entfaltung klare vorbedingungen haben. es geht um WAHRNEHMUNGSERFAHRUNGEN, also um ästhetische erfahrungen. genau DAS bedeutet „ästhtetik“: wahrnehmung.

es gibt nur wenige genres, in denen all das so radikal, also grundlegend zu anwendung kommt, wie in der befassung mit kunst; egal ob als kunstschaffender oder als rezipierender mensch. so gesehen ist es absurd, daß gegenwartskunst vor allem jenseits der landeszentren als „abgehoben“ diffamiert und als „elitär“ herabgewürdigt wird.

man kann ja über kunst reden: malerin herta tinchon im arbeitsgespräch ("talking communities")

es ist ebenso absurd, daß budgets dafür so umfassend gekürzt wurden. aber das scheint im augenblick nicht verhandelbar zu sein. also brauchen wir strategien und neue modi, um in dieser zeit mit ihren kompetenzverlusten und ihrer stagnation nicht nur terrain zu halten, sondern boden zu gewinnen.