Was der Fall ist: Lagler

Auf meinem Kontinent halten es manche Menschen für verpflichtend, daß man ein Stück Verantwortung für das übernimmt, was man von einer Bühne herunter bewirkt, was man durch einen Auftritt auslöst.

Redner und Wirt: Gottfried Lagler

Der Modus „Fire and forget“ mag auf dem Schlachtfeld Bedeutung haben, in einem Gemeinwesen hieße sowas eher, ziemlich unberechenbare Prozesse in Gang zu setzen. Das gilt natürlich auch für den Kulturbereich. Zwar mag man die „Freiheit der Kunst“ beanspruchen, aber die bedeutet bloß, daß man sich die Freiheit nehmen kann alles zu denken und zu tun. Es entbindet einen nicht von allfälligen Konsequenzen, die man sich unter Umständen einhandelt..

Ein Beispiel. Die Oststeiermark hat eine rege Szene der Sammler und Schrauber, welche sich rollendem Kulturgut widmen. Das meint die Volkskultur in der technischen Welt, ein weit unterschätztes kulturelles Genre.

Der Koch und Wirt Gottfried Lagler bewährte sich über Jahrzehnte als Exponent dieser Szene und tat sich vor allem oft als verbindende Kraft hervor, die zu vermitteln versuchte, wo etwa Clubs in Konkurrenz zueinander standen.

Ich kenne Lagler seit über 20 Jahren, habe in Projekte oft mit ihm zusammengearbeitet. Ein fröhlicher und hilfsbereiter Mensch, der übrigens gerne vor Publikum steht und die Leute blendend unterhält. Habe ich in all diesen Jahren je erlebt, daß sich Lagler politisch exponiert hat, gar als Agitator auftrat? Nein. Ich erinnere mich an keine solche Aktivitäten. Ich kenne aus der Zeit nicht einmal politische Statements von ihm.

Als ich im Jahr 2021 noch eine Reihe von Kooperationsschritten mit Lagler absolvierte (Beispiel: Herbst 2021), war er allerdings von den behördlichen Restriktionen merklich verärgert. Ich erinnere mich an Aussagen wie: „Wenn die so weitermachen, hör ich auf.“ (Damit meinte er seine Pizzeria.)

Ich konnte das insofern gut nachempfinden, als ich im Kulturbetrieb sehr harte Einbrüche erlebte, da konnte man zwischendurch verzweifeln. Zum damaligen Jahresende hin bekam ich mehrfach zu hören, Lagler sei ein „Rechtsextremer“. Darauf gab ich nichts. Ich konnte das an ihm nicht feststellen. Aber er brachte sich in öffentliche Diskurse ein, lieferte allerhand Polemiken.

Im Dezember 2021 notierte ich: „Der angesehene Wirt Gottfried Lagler, den ich seit Jahrzehnten kenne und mit dem ich in etlichen Kulturprojekten zusammengearbeitet hab, fiel mir all die Jahre noch nie damit auf, daß ihm danach gewesen wäre, über Liebe zu reden. Jetzt tut er es häufig. In seinem ‚Adventvideo‘ auf Facebook betont er, da sei in Sachen Gewalt nichts in Gang. Wir werden sehen.“ (Quelle)

Ich denke heute noch, daß Lagler kein Rechtsradikaler ist. Aber er zeigte sich bei etlichen Auftritten vor Publikum als eine Art Einpeitscher und Agitator für die anschließenden Protestmärsche, die auch er etwas heuchlerisch „Spaziergänge“ oder „Friedens-Rundgänge“ nannte und oft betonte, dies alles sei im Dienste der „Liebe“ zu sehen. (Friedlich waren sie nicht und auch nie dem Frieden gewidmet, sondern oft simple Scharfmacherei.)

Okay. Menschen gehen verschiedene Wege, um ihre politischen Erwartungen zu vertreten. Als Monate später die Gleisdorfer Protestveranstaltungen abflauten, schließlich verebbten, war auch von Laglers gesellschaftspolitischem Engagement für mich nichts mehr zu bemerken.

Ich hätte erwartet, daß sich derart energische Leute aufraffen würden, um nach dem Verlassen der Bühne Verantwortung zu übernehmen. Mit konkreter politischer Arbeit, die sich im Gemeinwesen den unterschiedlichen Auffassungen, Interessen und Ideen widmet. Ein seriöses Engagement für die Demokratie, für Antwortvielfalt, für eine Praxis des Kontrastes, in der man um Ausgleich der Interessen ringt. (Vielleicht hatte Lagler sowas ja gemeint, wenn er das Wort „Liebe“ hervorhob.)

Auf1 wird in Gleisdorf mach wie vor beworben

So kam es aber nicht. Nicht durch Lagler, nicht durch andere Männer und Frauen, die sich auf den Bühnen der Gleisdorf Protestveranstaltungen sehr laut hervorgetan haben. Wenn man Zusammenrottungen bloß nützt, um die Republik und ihre Institutionen zu erschüttern, schlechtzureden, dann aber keine erkennbaren Schritte setzt, der Demokratie zu neuen Horizonten zu verhelfen, hat man bloß seine persönlichen Partikularinteressen bedient und den Rechtsruck des Landes befördert.

Ich überlasse es Ihnen, aus solchem Verhalten Schlüsse zu ziehen. Solche Entwicklungen gedeihen übrigens auch dank der Leute, die über unsere Laglers bloß hinterrücks reden, statt sie in der Debatte um relevante Inhalte herauszufordern. Der Rechtsruck gewinnt ferner durch Mandatstragende im Rathaus, die keinen Anlaß finden, in öffentlichen Diskurs klare politische Debattenbeiträge zu liefern.

+) Rechtsruck (Übersicht)

Postskriptum
Etwas Originalton Lagler und seiner Werbung für Auf1 finden Sie in meiner Notiz vom 24. Dezember 2021, der traditionell dem „Fest der Liebe“ gewidmet ist. Zu Laglers Empfehlung meine man in Die Zeit: „Der Internetsender Auf1 ist zum zentralen Medium der Querdenkerszene geworden. Wer steckt dahinter?“

Selbstverständlich verteufelt Auf1-Publikum andere Quellen generell als „Die Medien“, denunziert sie als „Lügenpresse“. Wer für seine Arbeit flächendeckend so katastrophale Befunde zugestellt bekommt, muß ja irgendeinen Ausweg suchen; und sei es der schwächste. (Auf1 wird auf Gleisdorfs Straßen auch heute noch beworben.) [Fortsetzung]

+) ARD1: AUF1 „Völkische Entwicklungshilfe“ aus Österreich
+) Der Standard: Medienbehörde prüft Verschwörungssender Auf1 und Regionalsender RTV
+) Frankfurter Rundschau: Corona-Leugnung und Rassismus: Rechter TV-Sender will nach Deutschland expandieren
+) ORF: Rechter Propaganda-Cluster wächst
+) profil: Medienbehörde leitet Verfahren gegen Verschwörungssender AUF1 ein
+) Die Zeit: Verdrehte Wahrheiten

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Politik abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.