Meine Post-Beuys-Befindlichkeit III

[Vorlauf] Sinnliche Wahrnehmung und rationaler Diskurs. Wer in Fragen zur Kunst nach Erkenntnis sucht, nach einer nächsten Klarheit, und dabei diese beiden Optionen gegeneinander ausspielt, blockiert sich selbst. Nebenbei bemerkt: Seit wann generieren wir Wahrheit, indem wir bloß die Widersprüche eliminieren?

Script: Selman Trtovac

Da die Kunst nichts müssen muß, kann ich mir jederzeit die Freiheit nehmen, in der Zuwendung zu Werken völlig subjektiv vorzugehen. Geschmäcklerisch. Launisch. Ungereimt. Wenn ich mich aber mit meinem Kunstverständnis nach außen/draußen wende, werde ich anderen Modi begegnen.

Viele Menschen hauen das Sätzlein „Was ist Kunst?“ nicht als Frage, sondern als Statement raus. Ich kennen dieses süffisante Lächeln, das besagt: „Du weißt das eh nicht. Niemand weiß das.“ Eine sehr spezielle Art der Wichtigtuerei.

Ich frage sowieso schon lange nicht mehr „Was ist Kunst?“, sondern „Wann ist Kunst?“ Das betont eine dynamische Situation, in der Dinge und Prozesse einerseits aufgewertet (valorisiert), andrerseits abgewertet (trivialisiert) werden können.

Was wir der Kunst zurechnen, wird in unseren Landkarten der Bedeutungen anders vermerkt, als triviale Dinge. Dabei ist es nicht zwingend, solche Dinge rational verhandeln zu können. Es steht mir völlig frei, mit den Belangen der Kunst in einem Reich der Sinne zu verbleiben. Da gibt es eben den sinnlichen Kunstgenuß, aber keine kritisch Debatte.

Interessieren mich allerdings Betrachtungen gemäß unserer Regeln der Kunst, muß ich mich kundig machen, werde es aus Wißbegier auch leichten Herzens tun. Ich mag mir beide Optionen offen halten.

Falls es beuyselt…

Doch ich werde jede Geselligkeit mehr oder weniger freundlich ablehnen, in der mir jemand zu Fragen der Kunst schlau kommt, ohne auch nur einen groben Überblick zu haben, was bisher in diesen Fragen gemacht und gedacht wurde.

Darum mag ich dieses Beuys-Zitat sehr: „Wer nicht denken will, fliegt raus“. („sich selbst“) Wer Wissenserwerb für unnötig hält, aber bei Debatten zu interessanten Themen mitmischen möchte, sollte besser ein Genie sein, sonst endet unsere Unterhaltung augenblicklich, weil ich keine Lust habe, meine Zeit mit nutzlosen Tänzchen zu verplempern. Siehe dazu auch: The Track: Pop * Ikarus

Da sitz ich lieber in irgendeinem Gastgarten und schau in die Luft. Zurück zu Fragen der Praxis und zum aktuellen Zustand unseres Kulturbetriebs.

Bruchlinien

Die Corona-Pandemie ist nicht der Grund für ein aktuelles Kämpfen um Ressourcen, bei dem Inhalte leicht auf der Strecke bleiben. Das hat eigentlich schon 2010 begonnen, da uns die Folgen der amerikanischen Wirtschaftskrise (Lehman Bros. etc) von 2008 erreicht hatten.

Ab da kam der steirische Kulturbetrieb dynamisch unter Druck, was sich spätestens 2015 in merkwürdigen Verschiebungen und auch Malversationen gezeigt hat. Dazu fügte sich nun eben verschärfend, auch verdeutlichend, die Pandemie mit Lockdown und anderen Konsequenzen.

Graphic Novelist Jörg Vogeltanz

Plötzlich ist das Wettrennen um Ressourcen sprunghaft härter geworden. Wir spüren das enorme Manko, wonach wir wenigstens zehn, 15 Jahre keine konsequenten kulturpolitischen Diskurse geführt haben; als öffentliche Diskurse. Siehe dazu die Notiz: Mein Kontinent III („Die Jahre 2010, 2015 und 2020 haben noch einige sehr deutliche Markierungen vor dieser schon erwähnten Hintergrundfolie.“)

Also wäre interessant zu klären

  • Markiert Beuys die letzte allgemein bekannte Position kulturpolitischer Diskurse, welche breiteren gesellschaftlichen Konsens erreicht hat? (So sehr nämlich, daß sich sogar auch Hobby-Leute, denen die Gegenwartskunst fremd bis egal ist, auf Beuys berufen.)
  • Ergibt Markus Lüpertz einen nach wie vor aktuellen Referenzpunkt, wenn er betont, in der Kunst gehe es um Qualität und um Vollendung?
  • Hat die sehr aufs Dynamische ausgelegte Kunsttheorie von Boris Groys für uns Nutzen? (Werke und Prozesse werde valorisiert oder trivialisiert, oft mehrfach wechselnd…)
  • Kennen wir jüngere Positionen und Thesen, die Beachtung finden sollen?
  • Nützen uns beim Erkunden der Höhe der Zeit auch ältere Konzepte, wie etwa die Russische Avantgarde und Dada?
  • Wie hängt das mit Auffassungen und realer Ressourcenverteilung im Konzept „Zentrum-Provinz“ zusammen, wo wir in einer völlig neuen informationellen Umwelt leben? (Info-Sphäre!)

+) Was ist Kunst? (Einige Hinweise für unbeschwerte Zugänge)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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