Was ein Pfiff erzählt

Die Gerichtsverhandlung, in der geklärt werden sollte, ob Künstler Chuck LeMonds mit seinen Pfiffen eine Wahlkampfveranstaltung der FPÖ erheblich gestört habe, hatte ein paar interessante Momente.

Der Richter meinte, die Poster seien okay und kein Gegenstand der Verhandlung.

So ging es etwa bezüglich des Auftrittes einer Gruppe von Clowns um die Frage, was genau die Botschaften seien, wie Aktionskunst und dergleichen bestimmte Inhalte vermitteln wollen. Der Staatsanwalt zeigte Interesse an derlei Zusammenhängen. Die Verhandlung bot freilich keinen Raum, dabei etwas in die Tiefe zu gehen.

Chuck LeMonds hatte, wie erwähnt, mehrmals gepfiffen. Ohne technische Vorrichtung, bloß mit dem Mund. Wir wissen aus Alltagserfahrungen, daß Pfeifen ein Kommunikationsmittel ist. Wir drücken damit, je nach Kontext, Zustimmung, Freude, aber auch Unmut und Ablehnung aus.

Von Spanien bis zur Türkei finden wir sogar elaborierte Pfeifsprachen. El Silbo als Teil der Volkskultur von La Gomera, die türkische Pfeifsprache islik dili, in Griechenland Sfyria genannt… Unser Gehirn kann sich ganz unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen anpassen, kann daher auch Pfeiftöne, die über Distanzen tragen, als Sprache verarbeiten.

Bei LeMonds waren die genannten Momente freilich weniger komplex. Er hat mit simplen Pfiffen eine Emotion geäußert. Der Staatsanwalt ließ sich kaum auf diesen einfach zu dechiffrierenden Inhalt ein. Ihm gefiel es, den Aspekt der Störung herauszuarbeiten. Das brachte ihn auf einen plausiblen Vergleich.

Wenn LeMonds als Musiker auf der Bühne stünde und es würde gepfiffen, ob er das nicht als Störung empfände. Gutes Beispiel! Gerade von diesem Setting wissen wir: es kommt auf den Kontext an. Pfiffe drücken Emotionen aus. Zustimmung, Freude, aber auch Unmut und Ablehnung.

Suchen Sie sich auf Youtube beliebige Videos von Live-Konzerten oder erinnern Sie sich an Konzertbesuche. Eines meiner Lieblingsbeispiele ist The Boss: Bruce Springsteen & The E Street Band mit Thunder Road, live in Barcelona. Da hört man reichlich Pfiffe. Ablehnung? Störung? Eher nicht…

Die Stromgitarre (links hinten) braucht eine kräftige PA und genug leistungsfähige Becherln (rechts vorne), um den ganzen Platz akustisch kontrollieren zu können.

Und die Kunst? Die Kunst ist nicht bloß auf rationale Aussagen angewiesen, nicht einmal auf eine konsenstaugliche, eindeutig dechiffrierbare Botschaft. Die Spezies Mensch übt sich in all dem mindestens seit der Neolithischen Revolution. Wir haben das symbolische Denken entwickelt und kommunizieren natürlich auch in diesem Zusammenhang miteinander.

Etwas präziser: Wir denken in Worten, Bildern und Emotionen. Emotionen? Genau! Da kommt der physische Anteil menschlicher Kommunikationsakte zur Wirkung. Emotionen, die wir stark körperlich erfahren, tragen unsere Denkprozesse mit, sind auch wichtige Entscheidungshilfen. Sie wollen als Ausdruck geäußert werden. Ein Wort, ein Satz, ein Schrei, ein Pfiff, Händeklatschen, Füßestampfen, egal, welches Ausdrucksmittel gerade naheliegt.

Es mag ja sein, daß sich jemand von einem Pfiff abgelenkt, gestört fühlt. Aber in erster Linie ist es eine Mitteilung an Mitmenschen. Ein Kommunikationsakt.

+) Pfeifer im Sturm (Übersicht)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Kulturpolitik abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.