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Das kommende Puch-Buch

Verlagslektorin Dorothee Müller (Sutton Verlag, Erfurt) schrieb mir eben: „Außerdem brauchen wir bitte das Bild Nr. 105 noch einmal mit 20 Zentimetern Höhe und 300 dpi Auflösung oder noch besser als Originalbild. Dieses würden wir gerne für das Cover verwenden, dafür liegt es aktuell aber zu klein und qualitativ zu mangelhaft vor.“

Das betrifft jenes Buch über den Steyr-Puch 500, welches ich gerade gemeinsam mit Sozialhistoriker Matthias Marschik geschrieben hab. Siehe dazu auch die Notiz vom 25. Oktober 2011: [link]

Nun ist aber auf diesem Wunschbild ein Fiat Nuova 500 zu sehen, weshalb ich zu antworten hatte: „das geht leider keinesfalls, denn es ist KEIN puch, sondern ein fiat. die puchianer-kurie würde uns einen killer schicken.“

Der Fiat Nuova 500 war ein Hauptereignis der Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg

Müller: „Das falsche Coverbild tut mir natürlich sehr leid, da sind wir ja grad noch einmal mit dem Leben davongekommen… Um diesen Gefahren vorzubeugen, würden wir uns sehr freuen, wenn Sie uns noch eine Liste der Bildnummern schicken könnten, die als Coverbilder infrage kommen. Oder gibt es vielleicht sogar noch eine vergleichbare Aufnahme zu Bildnr. 105, die aber einen Puch zeigt?“

Zur Erläuterung der Episode: Das „Pucherl“ wurde in Graz-Thondorf gebaut. Die Karosserie stammt hauptsächlich vom italienischen Fiat, doch aufgrund einer Reihe technischer Details bestehen „Puchianer“ darauf, daß der Thondorfer Wagen NICHT als Fiat-Klon verstanden werden darf.

Die Historie von Steyr, Daimler und Puch ist die eines weit verzweigten Weltkonzernes, der heute von Magna Steyr repräsentiert wird

Wir haben es hier mit einem zentralen Stück österreichischer Mobilitätsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Der Automobilismus ist über fast hundert Jahre mit einem so horrenden Aufwand an Propagandamitteln eingeführt worden, daß wir heute kaum eine realistische Vorstellung davon haben, wie das gemacht wurde und was davon heute wie in unseren Köpfen sitzt.

Wir gehen diesen Motiven auf mehreren Ebenen konzentriert nach. Eine davon ist unser „Kuratorium für triviale Mythen“, bei dem das Kulturgeschichtliche daran mit einigem Augenzwinkern bearbeitet wird: [link] Andere Arbeitsbereiche führend mehr und mehr dazu, das ganze auch mit Fragen des Energiebereiches und jenen nach Ernährungssouveränität zu verknüpfen.

Für laufenden Notizen und Plauderein zu diesem gesamten Themenkomplex gibt es hier nun auch eine Facebook-Präsenz: [link]

mobilitätsgeschichte

die „avantouristische zentralbibliothek“ hat zuwachs erhalten. diese kleine bibliothek hat sozialhistoriker matthias marschik vor einer weile mit seinem opulenten band „flieger, grüß‘ mir die sonne …. eine kleine kulturgeschichte der luftfahrt“ initiiert. sammler emil gruber setzte mit dem film „two lane blacktop“ von monte hellman einen wichtigen cineastischen akzent in dieser jungen sammlung.

nun kam per post gerade marschiks aktuelle publikation: „automobil in wien 1955-1975“. der band erschien im „sutton verlag“ wo zur zeit unsere gemeinsame publikation über den steyr-puch 500 in arbeit ist. das „kuratorium für triviale mythen“ [link] ist also wieder aktiver und der „avantourismus“ wird neue blüten treiben.

unser nächstes projekt ist eine publikation mit den ausschneidebögen von michael toson, wobei das artwork von graphic novelist jörg vogeltanz kommen wird. apropos toson. der fährt inzwischen, wenn das wetter nicht zu unfreundlich ist, einen ferrari mondial, was am steuer einige unerschrockenheit verlangt und in der garage die fertigkeiten eines versierten mechanikers.

marschik und ich sind bescheidener motorisiert, dafür mit unseren überlegungen gerade in den optionen jener legendären hochenergie-zone, die sich überm teich als ära der „muscle cars“ manifestiert hat, während europas automobilismus ideologisch und technisch andere wege ging. aber dem thema widmen wir uns wohl erst kommendes jahr näher. (siehe zu marschik auch: individuelle mobilität!)

individuelle mobilität

das fazit leutete „eingezwickt.“ so faßte man es im oktober 1897 zusammen, als in der illustrierten „wiener bilder“ über „ein straßenbild aus dem radlerleben in wien“ berichtet wurde. automobile waren praktisch noch keine auf dem set. die illustration zeigt, wer sich damals den platz auf den flächen teilen mußte.

auf dem weg in das 20. jahrhundert konkurrierten auf den straßen fuhrwerke, straßenbahnen, fahrräder und fußvolk (das auto kam erst etwas später dazu)

da sind zwei radfahrer zwischen fuhrwerken und im hintergund holt die straßenbahn auf. wären noch die fußgänger zu erwähnen, die im begleitenden text so vorkommen: „erstlich hat man mit den noch immer nicht vom schauplatz verschwundenen fußgängern zu rechnen, die am liebsten gerade erst dort gehen, wo ein radler fährt…“

klingen diese töne nicht sehr vertraut und aktuell? wir befassen uns bei „kunst ost“ unter anderem mit MOBILITÄTSGESCHICHTE, weil die themen individuelle mobilität und massenmotorisierung nicht nur über sachfragen präsent sind, sondern auch während vieler jahrzente mit enormen geldmitteln ideologisch befrachtet und promotet wurden.

matthias marschik, dr. phil. habil., ist historiker und kulturwissenschaftler, autor zahlreiche publikationen zum thema populärkultur, besonders zum österreichischen sport und zur fluggeschichte

durch die arbeit im rahmen unseres „kuratoriums für triviale mythen“ hat sich das einvernehmen mit dem kulturwissenschafter matthias marschik verdichtet. ich habe mit ihm eben ein manuskript zur geschichte des „steyr-puch 500“ abgeschlossen. das buch wird kommendes frühjahr im „sutton verlag“ erscheinen. dort kam eben marschiks „automobil in wien, 1955-1975“ heraus: [link]

wir sind also bezüglich der technologischen und sozialen grundlagen dieser geschichte ganz gut aufgestellt. die steiermark hat in diesem zusammenhang spezielle bezugspunkter vorzuweisen. das ist exemplarisch an der geschichte des johann puch, die ich hier gerade im web aufblättere, festzumachen: [link]

diese geschichte bietet interessante querverbindungern. da wäre etwa von franz pichler, dem gründer der weizer „pichlerwerke“ zu reden: [link] da bietet der lebenslauf des autors peter rosegger anknüpfungspunkte, da wird die wirkung von nikola tesla näher zu betrachten sein.

so leuchten wir den kulturellen und ideologischen hintergrund jenes mächtigen wirtschaftskomplexes aus, dessen völlige umstellung wir vor allem einmal mental schaffen müssen, denn die energie- und infrastrukturkosten steigen inzwischen so steil an, daß es absehbar ist, wann der automobilismus wieder den kleineren kreisen reicher leute vorbehalten sein wird.