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das kühle extrazimmer 17

Ein paar Tage keine Neuigkeiten, eine Panne, die Website kurz vom Netz weg, schon ist es auch das Publikum… weg. Klar? Klar! Naja, keine große Sache, nichts, was irreparabel wäre. Aber es fehlt dadurch eben ein praktisches Bindeglied zwischen einer räumlich verstreuten Community.

Die Publikumsfrequenz ist sofort dahin, wenn nichts läuft

Wo andere Kulturinitiativen fixe Häuser bevorzugen, an die sie ihr Publikum binden, ist „kunst ost“ eine hauslose Initiative. Das bedeutet, wir residieren in einem KOMMUNIKATIONSRAUM. Und dafür ist die Webpräsenz ein wichtiges Fundament.

Ich hab freilich über die Jahre keinen Beleg gefunden, daß die Website ein wichtiger Diskursraum wäre. Direkter Feedback ist die rare Ausnahme. Dazu ein amüsantes Beispiel. Zu einem Zeitpunkt, da hier schon rund 300 Beiträge publiziert waren, erreichte mich folgende Botschaft:

>>hallo krusche, ich bin vielleicht ein pedant, aber, wenn du konsequent die kleinschrift verwenden willst dann solltest du “letzten 20 Jahre” vermeiden. lg bernhard<<

Das bezog sich also auf einen einzelnen Tippfehler in „die erfahrung von weng“ [link] Angesichts einer Inhaltsfülle, die frei zugänglich ist und zur Debatte steht, bloß so eine Petitesse zurückzumelden, das illustriert auf verblüffende Art den Zustand unsere kulturellen Lebens. Da haben wir also noch viel Arbeit vor uns.

Gelegentlich blitzt im Lauf der Dinge ein interessantes Posting auf, viel tut sich auf die Art aber nicht. Am lebhaftesten waren hier bisher Leute, die ich schließlich blockieren mußte, weil sich schnell herausstellte, daß sie Revisionisten sind, die ganz ausdrücklich serbische Kriegsverbrechen in Bosnien-Hercegovina leugnen: [link]

An diesen Leuten war nicht nur erstaunlich, welche Ansichten sie vertraten, sondern auch ihr Versuch, Webspace und Publikum, also im Web etablierte Öffentlichkeit, zu okkupieren, sozusagen bei „kunst ost“ auf mögliche Trittbretter zu springen.

Ansonsten neigen Kunst- und Kulturschaffende überwiegend nicht zu konsequenter Netzpräsenz sowie zu öffentlichen Diskursen ihrer Anliegen und Angelegenheiten. Eines der betrüblichsten Beispiele ist jene Community, die seit etwa Sommer 2011 Zugriff auf das neu gestaltete Grazer „Künstlerhaus“ fordert, sich aber seit Monaten nur über einen weitgehend toten Briefkasten der Öffentlichkeit mitteilt: [link]

Andrerseits kann man bei uns leicht erleben, daß ein Andersdenken gegenüber den vorherrschenden Ansichten einer Community im Web postwendend als undemokratisch gedeutet und entsprechend geahndet wird. Da waren meine jüngsten Erfahrungen in einer Kontroverse mit dem Filmemacher Heinz Trenczak sehr aufschlußreich; der offene und öffentliche Meinungsaustausch gipfelte in der Unterstellung „polizistischen“ Verhaltens und dem Aviso an meinen Herausgeber, er werde mit rechtlichen Schritten zu rechnen haben; siehe „Lizenz zum Zetern“: [link]

Es ist also die Webpräsenz Kulturschaffender bei uns nicht primär das Erschließen eines zusätzlichen Aktionsraumes, in dem Telepräsenz und Telekommunikation unseren realen Handlungsspielraum erweitern würden. Websites werden doch meist nur als „Schaufenster“ und „Ablagesysteme“ genutzt, viele Informationen landen dort im Modus „fire and forget“.

In „Winden und wimmern“ habe ich skizziert, welche kulturpolitische Arbeit in der Steiermark schon geleistet, verschriftlicht und sogar der Behörde übergeben wurde, Arbeit, die ja auch in Dokumenten auf diversen Websites verfügbar ist, während wesentliche Diskurslinien der Gegenwart nicht einmal an die Höher dieser Inhalte herankommen: [link]

Das bedeutet praktisch, diese Arbeitspapiere sind zwar im Web abgelegt, wurden aber in meiner Branche eher nicht rezipiert — „fire and forget“ –, weshalb anscheinend auch viele kulturpolitischen Kontroversen inhaltlich stets bei annähernd Null beginnen dürfen.

Wir sind also in Fragen einer lebhaften Netzkultur, die Medienzugänge auf der Höhe der Zeit nutzen könnte, noch nicht ganz in dem Bereich angelangt, den der kulturpolitische und strukturelle Status quo des Landes nahelegen würde. Daher meine Frage: Machen wir was?

— [netzkultur: der überblick]

Die Künstlerhaus-Debatte

Über das Wollen, das Können und das Werden

Da war nun dieses kulturpolitische Arbeitspapier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ erschienen, in dem einige exponierte Kulturschaffende den Status quo skizziert haben: [link] Gegen Ende voriger Woche hat, so höre ich, Joanneum-Boss Peter Pakesch auf das Papier geantwortet. Diese Antwort ist leider bisher im öffentlichen Diskurs nicht aufgetaucht.

Peter Pakesch läßt wissen, daß er sich sein Leben auch gut ohne das Künstlerhaus vorstellen kann

Ich denke, es bleibt unverzichtbar, alle vertretenen Positionen auch sichtbar zu machen. Die IG Kultur Steiermark hat einiges an Statements und Presse-Reaktionen zusammengetragen, im Web deponiert: [link] Andere Akteurinnen und Akteure dieses Diskussions- und Klärungsprozesses zeigen sich in ihren Äußerungen noch sehr zurückhaltend.

Von APA/OTS kam kürzlich eine Meldung, die in manchen Punkten nachdenklich stimmt. Zum Beispiel: „So forderte die IG Kultur, das seit 2003 dem Joanneum zugeordnete Ausstellungshaus am Stadtpark lokalen Kulturschaffenden zur Verfügung zu stellen. Anita Hofer von der IG Kultur meint,…“ [Quelle]

Das halte ich für problematisch, denn „lokale Kulturschaffende“ wären jene von Graz, womit auch die IG Kultur Steiermark schon wieder einmal die Steiermark ausgeblendet hätte. Immerhin hieß es an anderer Stelle: „die Öffnung für die gesamte künstlerische Szene der Steiermark“, was offenbar den Leuten in der Grazer Szene nicht ganz selbstverständlich über die Lippen kommt.

In der OTS-Meldung heißt es weiters: „Am Kunsthaus Graz ‚sehen wir ja, wie so etwas läuft’, so Hofer: ‚Steirische Künstler haben kaum Chancen, dort auszustellen.’“ Da wäre freilich, mit Verlaub, einmal zu debattieren, warum Grazer Kunstschaffende vor allem in Graz mehr Ausstellungsmöglichkeiten haben sollen, anstatt sich zu rüsten, an anderen Orten und auch möglichst weit weg auszustellen.

Veronica Kaup-Hasler fühlt sich eher nicht prinzipiell für eine steirische Heimwerker-Bewegung zuständig

Eine Frage, in der schon Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals „steirischer herbst“, seinerzeit übel genommen wurde, daß sie auf ein ähnliches Anliegen hin wissen ließ, dieses Festival sei nicht primär als Schaufenster für heimische Kräfte konzipiert.

In gewissem Sinne wäre es sogar interessant auszuloten, was geschähe, wenn heimischen Leuten zuhause nur kleine Locations zum Üben verfügbar gemacht würden, es ihnen aber ansonsten möglichst schwer fallen solle, vor der eigenen Haustür auszustellen, um ihnen Geschmack an der Ferne nahezulegen. (Drohrufe, Verwünschungen und Briefbomben für mich bitte an das Salzamt adressieren!)

Zur Sache! Wir erfahren von Pakesch überraschend: „Wir sind auch nicht böse, wenn wir das Künstlerhaus wieder los sind. Wir haben ohnehin genug zu tun.“

Das hat doch Charme! Die Zeit wäre eventuell reif, Pakesch darin beim Wort zu nehmen, sich selbst die Verantwortung für so ein bemerkenswertes Haus aufzubürden. Ja, eine Bürde ganz bestimmt, denn solcher Strukturen Vorteile zu konsumieren ist eine viel gemütlichere Hackn, als sie Jahr um Jahr in Gang und in Schuß zu halten.

Ich habe inzwischen schon den Ruf nach Selbstverwaltung hören können. Prima!

Offen gesagt, als vor einer Weile zu lesen war, daß steirische Kunstschaffende nun einig seien: „Wir holen uns die Selbstverantwortung für unsere Arbeit zurück!“, habe ich erstmals heiße Tränen der Rührung in mein Taschentuch geweint. Warum hatten wir sie so lange nicht, die Selbstverantwortung? Wer hatte sie uns geraubt? Jetzt aber!

Christian Buchmann tut jetzt genau das, was wir von einem Landeskulturreferenten erwarten würden: Er bittet den Landeskulturbeirat, die eingegangenen Konzepte zu prüfen.

Scherzchen beiseite, das sind ja ernste Angelegenheiten. Landeskulturreferent Christian Buchmann ergänzte eben meine Notizen auf INFOGRAZ um eine Stellungnahme: „…aktuell liegen mir sechs Konzepte für eine zukünftige Positionierung des Künstlerhauses vor. Es sind dies Konzepte von
den Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen)
von Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel
von der IG Kultur
vom Grazer Stadtmuseum
vom Künstler-Paar Nestler-Rebeau
und vom Universalmuseum.

Diese Konzepte wurden von mir am 2. November an den Landeskulturbeirat weitergeleitet, den ich um eine Expertise zu den Konzepten bis Ende des Jahres ersucht habe.“ [Quelle]

Der Beirat wurde heuer im Frühjahr neu besetzt: [link] Unter diesem Link findet man auch ein downloadbares PDF-Dokument mit einem aktuellen Mission Statement des Landeskulturbeirates. Angesichts des personellen Status dieser Instanz wird es mit gängigen Verschwörungstheorien etwas langweilig.

Freilich gibt es die absolute Killerapplikation der Auguren, Blitzgneißer und Propheten, nämlich ein Ansichtenbündel, wonach das alles nur Getöse sei, eine Inszenierung, die bemänteln solle, daß Entscheidungen hinter den Kulissen längst gefallen seien, daß diese nun bloß noch von quasidemokratischen Prozessen bemäntelt und legitimiert werden sollen.

Vorzüglich nutzbarer Raum in günstiger Lage: Das Künstlerhaus Graz

Das Bequeme an solchen Verschwörungstheorien ist, daß sie niemals entkräftet werden und so auch nicht aus der Welt geschafft werden können, ganz egal, wie sehr sich diese oder jene Menschen in der Sache anstrengen. Deshalb sind mir Verschwörungstheoretiker so suspekt. Sie betreiben ein dubioses Geschäft, welches kaum angemessen überprüft werden kann.

Da bewegen wir uns also jetzt im Bereich von Glaubensgegenständen, zu denen jemand vor allem einmal sein eigenes Credo einreihen kann. Ich mach das hier gleich: Diese lahme Verschwörungstheoretisiererei ist eine letzte Zuflucht jener, die sich nicht aufraffen möchten, um Klärungen zu ringen. Selbst ein inspirierender Dissens ist harte Arbeit. Diese Arbeit muß nun gemacht werden. Schauen wir, dann sehn wir schon!

[Die Debatte: Übersicht]