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Kunst ist kein Hobby

so hat christian henner-fehr einen aktuellen beitrag in seinem „kulturmanagement blog“ überschrieben: [link] dabei eröffnet er gleich mit einem sehr populären klischee: „Wer sich künstlerisch betätigt, wird von seinem Idealismus angetrieben und macht das nicht wegen des Geldes. Solche Sätze haben Sie wahrscheinlich auch schon des öfteren gehört.“

woher kommen solche ideologischen konstruktionen? ursprünglich ist das ja eine sehr romantische vorstellung aus gesellschaftlichen kreisen, die andere für sich arbeiten ließen. wer sich nicht den ganzen tag abrackern mußte, um ein leben zu haben, durfte freizeit und muße darauf verwenden, sich „edle lebenszwecke“ auszudenken.

heute hat eine im sturm der boulevard-medien geglättete „freizeitgesellschaft“ auf neue art sinnkrisen. vor allem auf sehr viel breiterer basis. da müssen dann zum beispiel romantische vorstellungen was kunst sei als „sinnstiftungsgeschäft“ herhalten.

wir werden heuer im rahmen der „talking communities“ quer durchs jahr ein wenig beleuchten, welche unterschiedlichen positionen in unserer umgebung bestehen und welche begriffsklärunen sich allenfalls als nützlich erweisen.

es wird nicht darum gehen, eine position gegen die andere auszuspielen, sondern besser zu lernen, wie sehr unterschiedliche zugänge neben einander und manchmal mit einander bestehen können, um in summe ein kraftvolles kulturelles klima zu tragen.

[talking communities]

talking communities #2

für mich sind diese schritte als „back to some basics“ angelegt. im data overflow einer dominanten fernsehwelt a la berlusconi, die auch auf die anderen medienbereiche erdrückenden einfluß nimmt, haben wir gute gründe, uns dieser grundlegenden kompetenzen zu versichern und sie konsequent einzusetzen: reale soziale begegnung und diskurs im sinne von „nennen sie ihre gründe!“

ich hatte „im fenster“ unter anderem zur frage gefunden, warum wir das nicht per lautsprecher nach draußen übertragen. nein, es geht um genau diese nähe, wo die mediale reichweite sich aus der physis, aus der konstitution unserer sinne herleitet. im zentrum der stadt, gut sichtbar, präsent, aber nicht an ein größeres publikum adressiert.

zur erinnerung: „broadcasting“, also das prinzip „ein sender, viele empfänger“, war eine grundsituation des faschismus. das personal der tyrannis ist immer bestrebt, die individuell gehaltene kommunikation unter kontrolle zu bekommen. dem gegenüber brauchen wir strategien und praxisformen, „öffentlichkeit“ und öffentliche diskurse erhalten zu können, auch wenn und gerade weil die aktuelle mediensituation das eher zu demontieren scheint.

der schon erwähnte abend in der „art klinika“ [link] bekam noch ein kurioses stück realismus in eben solchen zusammenhängen; auf welche arten nämlich menschen ihre möglichkeiten ausloten, um ein geistiges und kulturelles klima zu sichern, in dem eine zeitgemäße demokratie sich einlösen könnte. das sind ja zusammenhänge, die in meiner auffassung einer “art under net conditions” insofern wichtig sind, als ich stets auch nach den „ungebungsbedingungen“ meiner kunst zu fragen habe.

publizist gregor mayer, versierter kenner der region

es ist mindestens 25 jahre her, daß ich gregor mayer das letzte mal begegnet bin. wir haben seinerzeit in graz gemeinsam an einem zeitungsprojekt gearbeitet, zu dem auch mein „avantouristischer“ kollege emil gruber gehörte. es ist also eine ewigkeit und drei tage her, daß wir einander sahen. nun kam er in der „art klinika“ zur tür herein.

mayer lebt seit den 1980ern in budapest und in beograd, schreibt für blätter wie „profil“ und „der standard“ über jene entwicklungen, die uns in eine neue ära wuchten, von der wir so wenig wissen, welche kräftespiele uns zu welchen ergebnissen führen werden.

wir saßen nachts noch in diesem kleinen lokal, wo man die suppe im kochtopf serviert bekommt. in wenigen tagen wird er nach kairo abreisen, um über die aktuelle lage im irak zu berichten.

ich skizziere diesen hintergrund deshalb, weil er den angemessenen kontrast zur momentanen situation im vordergrund abgibt. es könnte heißen: „der weg der tausend gespräche“. ein weg kultureller und politischer entwicklung im sinne zeitgemäßer demokratie, im sinne eines eintretens für die unteilbarkeit der menschenwürde.

einige sehr wichtige impulse habe ich dazu im jahr 1999 vom damaligen botschafter chiles erhalten. osvaldo puccio hatte meine einladung nach gleisdorf angenommen, um in eine dialog-situation zu kommen, in ungefähr das, was wir heute als „talking communities“ realisieren. wir erörterten seine teils radikalen erfahrungen vor dem hintergrund seiner jahrelangen reisen in die dörfer chiles, um dort mit den menschen ungezählte gespräche, diskussionen zu führen.

tausend gespräche. im sinne der haltung von hrant dink, über den mir von einer türkischen künstlerin erzählt worden ist, er habe ein prinzip verkörpert, das so lauten könnte: „reden, reden, reden, bis wir einander kannten.“ [link]

gregor repräsentiert in seinem metier dieses suchen nach vorläufigen klarheiten, dieses ausloten eines status quo bei gleichzeitigem bemühen um intellektuelle redlichkeit. das sind übrigens einige der grundlagen dessen, was wir uns unter „talking communities“ vorstellen. eine klare gegenposition zur kulturellen „ära berlusconi“.

— [talking communities] —

aktuell von gregor mayer:
Aufmarsch, Die rechte Gefahr aus Osteuropa

was wir so treiben

was für ein tag! theorie und praxis regionalen kulturgeschehens in EINEM durchgang. zuerst mit peter wolf in einer konzentrierten debatte. er kommt vom theater, war einige zeit tv-redakteur beim orf, ist aktuell als konsulent der kulturabteilung des landes steiermark tätig.

cooler kenner des metiers: konsulent peter wolf

wir haben vor allem diskutiert, welche aspekte des kulturgeschehens abseits eines landeszentrums von der art sind, daß sie einerseits regional etwas bringen, andrerseits aber auch auf gesamteuropäischer ebene relevanz erreichen. das ist vor allem angesichts gegenwärtiger budgeteinbrüche und ressourcen-probleme eine spannende aufgabenstellung.

ein stück hintergund-folie, das wir dabei im blickfeld hatten: die oststeiermark war einst ein armenhaus österreichs. nach dem zweiten weltkrieg gelang jener aufschwung, der zu dem wohlstand führte, den ich heute hier genieße. dieser wohlstand ist aber momentan ganz akut bedroht und wird unausweichlich um etliche grade absacken.

das führt auch zur frage: was bewegt unternehmer, hier einen standort zu halten, von dem aus sie auch in „billiglohn-länder“ abwandern könnten? ein praktisches beispiel dafür: die firma elin motoren“.

unerschütterlicher reiseführer für eine sprunghafte reisegesellschaft: friedrich rauchenberger

eine delegation von „kunst ost“ war dort eben zu besuch, um sich impressionen für arbeiten zum kommenden april-festivalzu holen. elin-mitarbeiter friedrich rauchenberger hat uns mit einiger geduld durch die verschiedenen sektionen des hauses gelotst. eine kleine reise von teilweise verblüffenden visuellen phänomenen und inhaltlich stoff für mehrere anregende debatten.

anschließend ein „kick off-meeting“ der LEADER-region in krottendorf. die szene feierte sich für erreichtes und für ein aktuelles LEADEDR-projekt, das nun in die gänge kommt. all zu viele details sind dazu augenblicklich noch nicht verfügbar.

das abfahren ist geklärt, das ankommen macht uns neugierig: LEADER-kick off in krottendorf

dieses ereignis wird für uns noch anlaß sein, über INHALTE, zwischenergebnisse und fragen der INNOVATION im regionalen geschehen nachzudenken. aus der sicht einer soziokulturellen initiative habe ich natürlich bei der headline „Die Energieregion Weiz-Gleisdorf auf der Überholspur“ [link] früher oder später zu fragen: wer wird denn da überholt? wer bleibt zurück?

sie meinen, das seien haarspaltereien? ich darf ihnen versichern, man muß headlines sehr ernst nehmen. ganz egal, ob sie sehr sachlich kühl oder eher metaphorisch angelegt sind. in ihnen entstehen bilder von erheblicher wirkmächtigkeit. wir haben also mit den von uns forcierten bildern achtsam zu sein.

ich habe einige dieser fragen in krottendorf mit dem journalisten herbert kampl debattiert. mein ausgangspunkt war: „du generierst mit deiner arbeit gesellschaftliche realität. welchen stellenwert hat also das, was in den regionalmedien angekommen ist?“

kampls ansicht ist scharf und klar: „was in den blättern geschrieben steht, werden historiker später auswerten, zitieren, das wird sein, was die region gewesen ist.“ damit schneidet kampl implizit das thema „definitionshoheit“ an. was äußern deutingseliten und welche konsequenzen hat das?

es sollte uns alle demnach SEHR interessieren, WELCHE inhalte medial vermittelt werden und mit welchen bildern, in welchem tonfall all das kommuniziert wird.

grobe brösel, feine aussichten

nun sind uns im kulturbereich gerade einige trümmer der fundamente um die ohren geflogen. fragen sie nicht, wie es zugleich im sozialbereich der steiermark aussieht. ein fiasko! ist irgendjemand überrascht? ich bin es nicht. warum? weil es seit monaten alle spatzen von den dächern pfeifen.

man muß den menschen themen und inhalte verkaufen. so höre ich. und ich zweifle. „ich brauche von euch was knackiges.“ wirklich? (knackiges gehört definitiv NICHT zu unseren agenda, steht auch nicht in meinem vertrag.)

wer kontrolliert die relevanten informationsflüsse?

hat sich ihnen schon erschlossen, WAS genau die aktuelle (finanz-) krise der steiermark ausmacht? ich hab eine ganze serie von gesprächen mit insiders hinter mir, damit mein bild davon konturen annimmt, schärfe gewinnt.

die (finanz-) misere ist erheblich. der blick darauf ist uns nun über jahre dauernd verstellt worden. durch jubelmeldungen, zweckoptimismus, „knackige“ botschaften in geschliffener öffentlichkeitsarbeit.

glauben sie wirklich, man wußte in politik und verwaltung nicht, was auf uns zukommt? quatsch! wer damit zu tun hat, weiß auch, was sich tut. es gibt bloß sehr unterschiedliche auffassungen, was „man“ nun den bürgerinnen und bürgern an „wahrheit“, also an stichhaltigen informationen, „zumuten“ könne.

manche von uns haben ingeborg bachmann gelesen und kennen ihre überzeugung: die wahrheit ist den menschen zumutbar.

diese ansicht läßt sich auch wenden: die wahrheit möge nicht beschönigt, aufgebrezelt, aufgeblasen werden. was der fall ist, darf sensation genug sein. die nächste sensation wäre, daß sich zuständige menschen dem seriös widmen. kein reklame-gebläse, keine propaganda. zeigen wir kompetenz, indem wir die dinge sein lassen, was sie sind.

was ist dazu unverzichtbar? eine offene informationspolitik. transparenz. ich will nicht vor einer einzelnen quelle herumlungern und um information betteln. es muß in der „res publica“, in der „öffentlichen angelegenheit“, evidenzstellen geben, wo ich jederzeit auf relevante informationen zugreifen kann; und zwar genau dann, wenn ich sie brauche.

das anhäufen und abschotten von „herrschaftswissen“ ist quasi unrepublikanisch und vor allem kontraproduktiv.