Steineklopfen

Nach diesem überaus holpernden 2020er Jahr sind wir im Kulturbereich wieder etwas zügiger unterwegs, auch wenn nach wie vor alles in der Schwebe bleibt. Nötige Arbeit ist ohne jede Garantie für ein Finish. Unterwegs ändern sich ständig die Rahmenbedingungen und Reglements.

(Grafik: Ulla Rauter)

Wir haben für das „Graz Kulturjahr 2020“ ein Projekt mit dem GISAlab (Girls In Science&Art Lab) laufen, das sich an Mädchen im Alter zwischen 10 und 16 Jahren richtet. Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov kam mit „Geteilte (in)Kompetenzen“ eigentlich thematisch perfekt auf den Punkt. Wir stützen uns zwar auf so vieles, was wir können, doch wir ringen mit dem Unwägbaren.

Die Krise als Wildwasserfahrt
Ich bin in der beneidenswerten Situation, daß ich – Corona hin oder her – einen überwiegenden Teil meiner vertrauten Arbeit weiter machen kann, wenn ich mich den aktuellen Bedingungen nur halbwegs anpasse.

Dazu kommt, daß ich mich wenigstens 80 bis 90 Prozent all meiner Tage nach dem Aufstehen auf die Arbeit freue. Für die rein künstlerische Tätigkeit ist das plausibel. Das Schreiben von Gedichten oder die Arbeit an anderen Werken, dieser Flow, und wenn es gelingt, dann auch Momente von Werkstolz.

Ähnlich vergnüglich sind mir weite Bereiche der Wissens- und Kulturarbeit. Literaturrecherche, das Erschließen von Themen, das Verfassen von Essays oder Glossen, aber auch die meisten Abschnitte der Umsetzung von Kulturprojekten.

Das meint etwa Arbeitsgespräche, alle Arten von Treffen und Dialogveranstaltungen etc. Bleibt mir noch jener Bereich, den ich Steineklopfen nenne. Zum Beispiel Buchhaltung, das Einscannen von Archivbeständen, Layoutarbeit für Druckwerke etc.

Das sind Routinearbeiten, die mir überwiegend gefallen, meinen Verstand nicht besonders fordern, weshalb ich mir dazu gerne Interviews oder Diskussionsrunden aus dem Web lade, um mich bei der Arbeit zu unterhalten.

Auswege und Fluchtpunkte in Corona-Zeiten

Dann wäre da noch Steineklopfen II, wozu ich am wenigsten Lust habe. Der ganze Haushaltskram, Wäsche waschen, Bad und Küche putzen, Schuhe putzen einmal pro Jahr, Fenster nur alle fünf Jahre, solche Sachen.

Kompetenzsimulation?
Das Thema „Geteilte (in)Kompetenzen“ trifft natürlich diese Ära wunderbar, in der sich mir via Social Media Legionen von Menschen als Kompetenz-Athleten aufdrängen. Und weil ich hier der Dorfdepp bin, fühle ich mich enorm beeindruckt.

All die laufenden wissenschaftlichen, sozialen und politischen Kontoversen, die da von Hinz und Kunz Woche für Woche flott rezipiert und ausgewertet werden, während sie – wie ich – ihre Alltagsarbeit erledigen müssen. Die schaffen das und wissen Bescheid, lassen mich an ihrer Weisheit teilhaben. Ich bewundere diese intellektuelle Kapazität einzelner Kapazunder von singulärer Exzellenz.

Mir ist das nicht möglich. Ich bleib auf konventionelle Kulturarbeit beschränkt und beachte dabei jene simplen Regeln, die wir ohnehin alle kennen: das Abstandhalten, das Händewaschen, das Meiden zu dichter Situationen, in denen sich Aerosole problematische anreichern können…

Ich bevorzuge derzeit die Hintergrundarbeit, den Redaktionskram, die Recherche. Und mein Leben in der Schreibstube, gelegentlich von anderen Momenten durchbrochen, ein wenig wie Knast mit Ausgang.

Freilich fehlt mir vieles von dem, was mein Leben vor Corona ausgemacht hat. Wen schert’s? Es war ja schon all die Jahre ganz unerheblich, wenn ein freischaffender Künstler existentiell gegen die Wand fuhr und unterging. Ich bin wenigstens geübt, durch solche Phasen zu kommen.

Themen, Inhalte und die konsequente Arbeit daran bleiben wichtig, weil einen das tragen kann. Plus ein nahes Umfeld achtsamer Menschen. So bleibt vieles machbar. Apropos! Zwei der aktuellen Programmpunkte:

+) „Bestiarium
Der Workshop von und mit Niki Passath
+) „Upcycling Sound
Der Workshop von und mit Ulla Rauter

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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