Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn

Eine Kulturkonferenz auf Wanderschaft („Talking by Walking“) gehört heute nicht zu den allgemein vertrauten Modalitäten des Betriebes. Ursula Glaeser (Kulturbüro Stainz) hatte eine weitere Station dieses Genres realisiert, diesmal zum Thema „Quellen der Inspiration“.

Ursula Glaeser (links) vom Kulturbüro Stainz und Petra Lex vom Büro für Pessi.mismus


Das war zugleich eine nächste „Konferenz in Permanenz“, durch welche laufende inhaltliche Arbeit sichergestellt werden soll. Entsprechend folgte dieser Debatte unter freiem Himmel dann im Festsaal von Schloß Freiberg eine ausführlichere Diskussion nach der Session „Die Gefolgschaft des Ikarus“.

Die war wiederum flankiert durch „Die Beuyse des Pessler“. Daran ist die symbolische Anwesenheit von Joseph Beuys (realisiert durch Maler Nikolaus Pessler) keineswegs Zufall. der Beuys’sche Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ wurde unzählige Male aus dem Zusammenhang gerissen und sogar von Menschen, denen die Kunst erkennbar wenig wichtig ist, zu selbstreferenziellen Eskapaden mißbraucht. Da besteht also Klärungsbedarf.

Maler Nikolaus Pessler mit einem seiner Beuyse

Johannes Sfiligoj wird übrigens eine Video-Dokumentation dieser Ereignislinie ausarbeiten, un zu zeigen, welche Fragen zur Kunstpraxis und zur Kulturpolitik von uns erörtert wurden. Dabei kam natürlich auch zur Sprache, daß der Kunstmarkt ein freier Markt ist, der die üblichen Härten dieses Feldes zeigt und außerdem in Österreich viel zu klein ist, um der Summe einheimischer Kunstschaffender einen harten Wettbewerb zu ersparen.

Auf der anderen Seite geht es in all dem aber auch um Kultur- und Wissensarbeit zugunsten einer Gesellschaft, die gerade eine aufregende Modernisierungskrise erlebt, welche durch die Vierte industrielle Revolution getriggert wurde. Nun sind zwar Kunstwerke selbst keine soziokulturellen Reparaturwerkzeuge, aber die Befassung mit Kunst schafft Kompetenzen, welche im Gemeinwesen gebraucht werden.

Johannes Sfiligoj an der Videokamera

Das ist ein spezieller Bereich, der keinesfalls dem freien Markt überlassen werden kann. Wir werden also zu erörtern haben, in welchen Aspekten Kunstschaffende unausweichlich dem Markt ausgesetzt bleiben und in welchen Aspekten sie unverzichtbar Quellen jener Kompetenzen sind, die eine Gesellschaft benötigt, um in einer Modernisierungskrise ihre Zukunftsfähigkeit zu erarbeiten.

Das sind Aufgabenstellungen, in denen nützen uns keine Wow-Effekte durch professionell gemachte Events. Dabei zählen auch nicht medienwirksame Publikumszahlen. Da geht es um ganz andere Aufgaben.

Ich meine die Bedingungen eines geistigen Lebens, das aus verschiedenen Genres genährt wird und aus dem jene Reflexionsarbeit wie auch die Entwicklung neuer Optionen hervorgeht, welche wir brauchen, um nicht in antiquierten Posen festzusitzen, sobald sich die Höhe der Zeit zu einem neuen Bergrücken verschoben hat, den wir erst erklimmen sollen.

Postscriptum: Ja, es gibt vereinzelt Politiker, die das verstanden haben und mit denen wir in solchen Fragen prozeßhaft kooperieren können, also nicht auf rasche Effekte ausgerichtet, sondern auf Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn.

— [Dokumentation] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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