Raum überwinden, eine Epoche fassen

Eben wurde ein Konferenzchen im Schloß („Fokus Freiberg“) zur Demonstration dessen, was ich mit „Möglichkeitsraum“ meine. Das Staunenswerte ist nicht unsere Zusammenkunft, sondern was diese Zusammenkunft hervorbrachte; wie sich zunehmend eines zum anderen fügt. Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov hatte sich einen Lokalaugenschein gewünscht und ein Gespräch mit Unternehmer Ewald Ulrich.

Mirjana Peitler-Selakov und Ewald Ulrich im „Konvergenzraum“

Ich werde ja im Schloß einen temporären Konvergenzraum zur Wunderkammer umgestalten. Peitler-Selakov befaßt sich mit Fragen der Inszenierung und des Lichts. Als Diplomingenieurin der Elektrotechnik wußte sie mit Ulrich aber auch über andere Aspekte zu plaudern, als man etwa gerade ert Bell Computer zum Laufen brachte, das war wohl so eine OS2-Angelegenheit in Tagen, da die jungen Profis staunten, daß jemand MS-DOS für ein „richtiges“ Betriebssystem hielt. (OS = Operating System)

Das mag nun für Laien nicht so rasend interessant klingen. Aber man ahnt das Gewicht des Themas in Fragen der Vorstellungen von unserer Welt, wenn man folgende Episode beachtet, das Ulrich preisgab. Als Rookie in diesem Geschäft, als Lernender, mußte er eine Anforderung des Chefs hinnehmen, die etwa besagte: Du schraubst da jetzt nicht herum, bis es paßt, sondern denkst dir zuerst die richtige Lösung aus.

Näher am Originalton hieß das: „Wir probieren nicht herum. Ihr rechnet das zuerst. Und wenn ihr mir beweisen könnt, daß es funktioniert, dann bauen wir die Schaltung.“

Das bedeutet, für eine konkrete Anwendung mußte die Lösung des gestellten Problems erst einmal theoretisch gefunden werden, nicht empirisch über eine Versuchsreihe. Das Rechenmodell ist Ausdruck einer erheblichen Abstraktionsleistung.

Meine vier historische Bezugspunkte: Malewitsch‘ „Das Schwarze Quadrat“, Jarays „Strohmlinienkörper“, ein „Buckyball“ und eine Suppendose von Warhol

Haben Sie bitte ein wenig Geduld mit mir. Wir müssen für das laufende Jahresvorhaben solche Aspekte genauer durchsehen. Derlei Abstraktionsprozesse und der Umgang mit Rechenmodellen sind zwar nicht neu, aber ihre aktuelle Wirkmächtigkeit und Verbreitung bis in den Alltag hat es vor dem Zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben.

Um das Zwanzigste Jahrhundert als Epoche zu verstehen und in der Gegenwart auch Verantwortung für den Lauf der Dinge übernehmen zu können, ist es hilfreich, wenn derlei Reflexionen gelegentlich greifbar gemacht werden. Darum geht es uns heuer.

Möglichkeitsraum. Was alles zum Vorschein kommt, wenn man die Rahmenbedingungen dafür bereitet hat. Heute habe ich etwas von Ulrichs Familiengeschichte erfahren. Der Großvater ein Dorfschmied. Der Vater ein Schlosser, der sich zunehmend mit landwirtschaftlichen Geräten befaßte und dabei in der agrarischen Welt des Burgenlandes niemals Gefahr lief, sich in Wohlstand zu verheddern.

Diese Ulrich’sche Generationsfolge bildet in ihren Berufsbildern die ganze Epoche exemplarisch ab. Der Enkel also ein Unternehmer in der High Tech-Welt digital informierter Maschinensysteme und unser Kooperationspartner für einen wichtigen Aspekt von „The Track: Pop  | Ikarus“.

Von der lokalen agrarischen Welt über die Maschinisierung der Landwirtschaft in größere Marktzusammenhänge, schließlich über die Digitialisierung in eine weltweite Vernetzung des eigenen Tuns. Vom Greifbaren des alten Handwerks über die Modernisierung an Infrastruktur und Effizienz zur Abstraktion im „Nichts“ digitaler Zustände.

Siehe übrigens zum letzten Aspekt auch: „Abschürfungen, um freizulegen“, über die Arbeit von Medienkünstlerin Sabine Maier: [link]

Zu dieser Session im Schloß kam dann auch Norbert Gall, mit dem ich schon Jahre im Einvernehmen bin. Gall war zuletzt Brand Manager von Abarth Austria, ist derzeit für Lastwagen von DAF zuständig, mit Mobilitätsgeschichte und der Gegenwart unserer Industrie kennt er sich aus.

Im Jahr 2013 hatte ich mit Gall im Johann Puch Museum Graz das Thema „Die Farbe der Geschwindigkeit“ bearbeitet: [link] Darauf komme ich nun zurück. Geschwindigkeit als Relation. Auf visueller Ebene ein soziokultureller Code. In all dem ein Aspekt von Raumüberwindung, daher auch hier das Thema RAUM im Zentrum.

Sie können vermutlich noch nicht ahnen, wohin das zielt. Zwischen „Aprilfestival“ (Frühjahr 2015) und Gleisdorfer Kunstsymposion (Herbst 2015) werde ich eine Serie von Themenabenden aufblättern. Raum ist das Hauptthema. Nun überprüfen wir verschiedene Aspekte.

So ist auch Mirjana Peitler-Selakov gerade an der Schwelle einer Zusagen für einen der Themenabende. Ihre Arbeitssituation als „Quality Engineer“ bei einem weltweit tätigen Chiphersteller ist ein permanentes Pendeln zwischen realer sozialer Begegnung und Telepräsenz plus Teleworking, über enorme räumliche Distanzen hinweg.

Das ist für Ulrich ebenfalls eine vertraute Situation, die überdies an Zeitverschiebungen festgemacht ist. Die lokale Zeit differiert ja enorm, wenn man jemanden in einer anderen Zeitzone erreichen soll. Ob Schloß Freiberg bei Ludersdorf, ob Schloß Eybesfeld bei Lebring, solche Bedingungen sind keine Domänen der Zentren, sie reichen überall hin.

So werden wir also mit der Überwindung des Raumes am Raum arbeiten und in der Durchdringung der Zeit die Epoche fassen. Auf visueller Ebene habe ich meine „Vier Markierungen“ gesetzt, sie ergeben historische Bezugspunkte unserer Erzählung: [link]

— [The Track: Pop | Ikarus] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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