basis-kunst: Kunst als Symbolfigur

Aus der Liste meiner bevorzugten Kultur-Mantras:
Gesellschaftliche Realität wird nicht hauptsächlich, aber überwiegend durch Medienanwendung konstruiert.

Die Behauptung läßt sich auch so aufstellen:
Was in unseren Medien vorkommt, gilt als real, was darin nicht vorkommt, kann nur unter großen Mühen als existent behauptet werden.

Das meint keine individuellen Positionen, sondern breitere Wahrnehmung, soweit sie der aus „Öffentlichkeit“ bezogen werden. Anders gesagt, wenn mein Tun medial nicht in Erscheinung tritt, wird im 15 Kilometer entfernten Weiz kaum jemand annehmen, daß es mich gibt und daß ich etwas Sinnvolles tue.

Man muß es nicht zu sehr verallgemeinern. Ich beziehe mich da augenblicklich vor allem auf kulturelles Engagement.

Künstler Richard Kriesche (links) und Kunstsammler Erich Wolf

Nun habe ich Kolleginnen und Kollegen in meinem Umfeld schon über viele Jahren klagen gehört, daß Gegenwartskunst gering geschätzt werde, vielfach überhaupt nicht wahrgenommen werde, daß die Kulturpolitik uns Support und Budgets schuldig bliebe etc. etc.

Dazu kommt bei Krisenentfaltungen, daß Budgeteinbrüche in den meisten Gemeinden sofort einmal Kürzungen der Kulturbudgets nach sich ziehen.

Richard Kriesche faßte das beim Gleisdorfer Kunstsymposion so zusammen:
„Faktum ist, […] daß Kunst als Symbolfigur einer freien Gesellschaft, von freien Bürgern, in der positiven Instrumentalisierung für eine freie Gesellschaft von der Politik nicht mehr zur Kenntnis genommen wird. Das Desinteresse der Öffentlichkeit legitimiert die Politik sich zurückzuziehen.“

Kriesche kritisierte, die Politik würde unterstellen: „Mit avancierter Kunst ist kein Staat mehr zu machen.“

Ich stimme diesem Befund völlig zu. Eine der möglichen Gegenmaßnahmen sehr ich darin, in den öffentlichen Diskursen permanent präsent zu sein, in öffentlicher Wahrnehmung laufend in Erscheinung zu treten.

Kulturjournalist Walter Titz

Das wird keinesfalls klappen, indem wir hoffen, das etablierte Feuilleton möge diesen Job für uns erledigen. Kulturjournalist Walter Titz, der einen Teil des Symposions moderiert hat, war in der Sache unmißverständlich: „Es gibt viel zu viel von allem.“ Das könne in den Redaktionen nicht mehr bewältigt werden.

Dem steht gegenüber, daß die Flächen im Blatt eher knapper als üppiger werden und daß vieles in Lokalredaktionen landet, also in einem fragmentierten Blätterwald, der zu großen Teilen bloß noch eingeschränkt, eben regional, rezipiert wird.

Seit wann wissen wir das? Na, im Grunde seit Jahrzehnten. Haben wir das via Internet halbwegs kompensiert? Nicht daß ich wüßte.

Was könnte dagegen helfen? Ganz klar, wir müssen selbst in das Mediengeschehen aktiv eingreifen. Geschieht das? Sehen Sie sich um! Nichts weist darauf hin, daß etwa die „Freie Initiativenszene“ in den letzten 15, 20 Jahren die neuen Medienmöglichkeiten adäquat genutzt hätte.

Wie können wir etwa abseits des Landeszentrums erreichen, daß die verbreitete Geringschätzigkeit gegenüber der Gegenwartskunst zurückgeht? Wie können wir bewirken, daß Funktionstragende der Kommunen aufhören, Kunst und Kultur als „Freizeitgeschäft“ zu betrachten, das bei schlechter Konjunktur des Gemeinwesens abgedreht wird?

Kulturjournalist Walter Titz (links und Kunsthistoriker Werner Fenz

Wir müssen unsere Gründe nennen, wir müssen Präsenz in öffentlichen Diskursen zeigen, wir müssen Informations- und Bildungsarbeit leisten. Ich sehe derzeit keine Alternative zu solchen Anstrengungen. Und ich sehe weit und breit niemanden, der uns diese Arbeiten abnehmen würde.

Als ich beim Symposion mit jemandem vom Vorstand der IG Kultur Steiermark darüber sprach, bekam ich den „Steirischen Klassiker“ zu hören: „Ich kann mich darum nicht kümmern, Ich brauche meine Kraft und meine Zeit für meine Projekte und fürs Überleben. Mehr geht sich leider nicht mehr aus.“

Das ist die Logik des Holzfällers, dem ein Kollege empfiehlt: „Mach doch deine Axt scharf, dann geht die Arbeit besser voran.“ Und der antwortet: „Keine Zeit! Ich muß noch so viele Bäume fällen.“

Ich würde das heute „avancierte Hilflosigkeit“ nennen und ahne, daß wir mit solchen Positionen hart an das herangeraten, was Immanuel Kant die „selbstverschuldete Unmündigkeit“ nannten.

— [Das Symposion] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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