Archiv für den Tag: 21. Dezember 2011

und dann 2050? #9

Ich bin ein Feind der Phrasendrescherei. Sie macht mir die Rufenden suspekt. Ich mißtraue jenen, die ihre Gründe nicht zu nennen bereit sind. Und wie sollten gute Gründe in beliebig befüllbaren Containersätzen verborgen sein? Was sollen abgenutzte Floskeln verdeutlichen? Es mag ja sein, daß Marktschreierei diesem oder jenem Geschäft sehr nützlich ist. In meinem Geschäft schadet sie.

Wir haben gerade ein Jahr der Klärungen durchlaufen. Klar ist vor allem, daß aktuell eine Menge Klärungsbedarf besteht. Wofür sollen sich Kunst- und Kulturschaffende selbst zuständig fühlen? Was haben sie mit Politik und Verwaltung zu verhandeln? Wie soll sich der Kulturbetrieb in unserem Bereich zur Privatwirtschaft verhalten?

Ich beziehe solche Fragen primär auf den Bereich jenseits des Landeszentrums, auf die sogenannte „Provinz“. Das hat mit kpmplexen Räumen und mit Wegstrecken zu tun, auch mit strukturellen Differenzen. Das hat mit großen Unterschieden der Milieus zu tun.

Wir haben hier, auf dem Lande, keinen Bevölkerungsanteil, der – ausreichend kulturaffin – ein Stück Grundkonsens verkörpern würde, daß es ein lebhaftes kulturelles Klima geben muß, welches angemessene Ressourcenausstattung verlangt. Was hier an nennenswert Kulturinteressierten wohnt, pendelt gerne in die nächsten Zentren, um Interessen zu befriedigen. Graz, Maribor, Wien …

Wir haben keine Kulturreferate und Kulturbeauftragten, die Kahlschläge von minus 70 bis minus 100 Prozent im Kulturbudget als ein ernstes Problem im Gemeinderat behandeln würden. Vieles weist drauf hin, daß es da und dort genau umgekehrt ist, daß bestehende Kulturbudget wird als Problem verstanden, seine Abschaffung als politische Leistung angesehen. Ich gehe noch weiter: Niemand hat uns gerufen. Niemand würde beklagen, wenn wir als Kulturschaffende demissionieren wollten.

Daß erfahrene Leute den realen Bedarf, auch auf dem Lande, ganz anders einschätzen und bewerten, gehört zu den gut gehüteten Geheimnissen unseres Metiers. Daß nun langsam Defizite der Regionalenwicklung offensichtlich werden, die auf soziokulturelle Mankos hinweisen, beginnt manchen aufzufallen. Mit Phrasendreschen und Marktschreierei wird nun in solchen Fragen nichts zu erreichen sein.

Was bedeutet nun „Professionalität“ in unserer Profession? Wie kommen wir vom Modus Förderung zum Modus Kooperation? Wie soll unser Verhältnis zur Privatwirtschaft angelegt sein? Wie mögen sich Ehrenamt und Hauptamt zu einander verhalten? Und als inhaltlicher Angelpunkt: Was ist die Gegenwartskunst im Kontrast zu anderen Genres?

[2050: übersicht]

Jahresende

Montage, Demontage, rein mit den Sachen, raus mit den Sachen, Ausstellungen sind und bleiben ein wesentlicher Teil regionalen Kulturgeschehens. Wir haben in Schloß Hainfeld nun das Feld geräumt. Für mich war es die letzte Station dieses Jahres: [link] 2011 erwies sich als ein Jahr, in dem die primäre künstlerische Arbeit weit zurückstehen mußte, um aktuelle Strukturprobleme abzuarbeiten, um wieder Stabilität zu erreichen, wo diverse Krisenentwicklungen der letzten Jahre unser Berufsfeld verwüstet hatten.

Ich habe diese Ausfahrt ins Schloß dann noch für ein ausführliches Arbeitsgespräch mit Künstlerin Eva Ursprung [link] genützt. Wir repräsentieren einen Bereich dieser Profession, in dem die Überlastung des eigenen Systems durch keinerlei Schonräume und Reserven abgefedert werden kann. Das bedingt schon für gute Zeiten, sehr konzentriert zu arbeiten und stets eine angemessene Balance zwischen primärer künstlerischer Arbeit, Management und betriebswirtschaftlich notwendigen Maßnahmen zu finden.

In Abschnitten außergewöhnlicher Belastungen des Kulturbetriebes ist das Belastungspotential manchmal erdrückend. Ich versuche, das so unaufgeregt wie möglich zu skizzieren. Zugleich sind präzise Darstellungen unserer Profession und unserer Berufsbedingungen von einer Menge Tabus umgeben; auch milieuintern. Das macht es relativ schwierig, diese Angelegenheiten kulturpolitisch zu verhandeln. Wenn es heute gelegentlich heißt „Die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich“, dann ist damit ein extrem heterogenes Milieu gemeint.

Es ist in Österreich eher unüblich, in diesen Fragen Klartext zu reden. Ein aktuelles Beispiel, da mich ja in unseren kulturellen Vorhaben auch der Bereich der agrarischen Welt interessiert. In den Printmedien finden wir momentan Berichte, daß Bauerneinkommen um 12,2 Prozent gestiegen seien, die Situation der Branche sich stabilisiert habe. [Oberösterreichische Nachrichten] [Krone] Der Bauernbund relativiert gleich, zum Aufatmen sei kein Grund gegeben: [link]

>>In Europa verlief die Entwicklung sehr unterschiedlich: Die höchsten Einkommenszuwächse erzielten im Jahresabstand die irischen (plus 30,1 Prozent) und die slowakischen (plus 25,3 Prozent) Bauern. Am stärksten zurück gingen die Bauerneinkommen dagegen in Belgien (minus 22,5 Prozent) und Malta (minus 21,1 Prozent)<< [Die Presse]

Nun erfahre ich in den flott greifbaren Berichten weder, wie sich das zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft aufteilt, noch was jetzt ganz konkret das Jahreseinkommen von Bäuerinnen und Bauern in dieser oder jener Situation ist. (Es soll einen Durchschnittswert von kaum mehr als 23.000,- Euro pro Jahr ergeben.)

So viel Unschärfe. Wo der Nebel des Rätselhaften Bestand hat, blühen auch Spekulationen und Unsinn. Ich denke, wir werden es vor allem für ein wirkungsvolles kulturpolitisches Engagement brauchen, klare Vorstellungen zu vermitteln, was unsere Profession ist und welche sozialen Bedingungen die Arbeit eher fördern oder eher erschweren.

Ich denke, wir müssen unbefangen über Geld reden, über Leistungsaustausch, über all das, was wir als Professionals tun und was es bewirkt.