Kulturpolitik: Klarheiten und Nebel

Was die Kulturformation Archipel heute stabil macht, beruht unter anderem auf Erfahrungen mit dem Kunst Ost-Konzept „KWW“, dem Zusammenwirken von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft.

Jüngstes Beispiel für den KWW-Modus: Weiterführendes Arbeitsgespräch mit Architekt Winfried Lechner.

Dazu kommt, daß in unserer Arbeit ein Prinzip unbedingt gelten muß: Wenn wir keine Begriffe haben, wissen wir nicht, worüber wird reden. Wie bekommen wir also Klarheiten in den aktuellen Nebel? Es gibt beim Kulturvölkchen eine deutliche Tendenz zu allerhand Wohlfühlsätzchen und sprachlichen Posen, die meist verbergen sollen, was dahinter an Defiziten gähnt.

Manche Begriffe sind Evergreens aus der soziokulturellen Kuschelecke. Zum Beispiel: Autonomie. Das Wort wurde so oft durch lebhafte Münder geschliffen, daß es längst völlig verwaschen, farblos und fadenscheinig ist; ähnlich dem Begriff Kreativität. Wenn Kunstschaffende von der Fähigkeit zur Kreation sprechen, ist das so aufschlußreich wie die Auskunft: Das Wasser ist naß. Oder: Der Papst ist katholisch. Und Autonomie? Eine Duftmarke, kaum mehr.

Was ist eigentlich gemeint?
Das altgriechische Wort Nomos bedeutet Gesetz. Autonomie heißt, daß ich mir selbst die Regeln gebe. In Gemeinschaft handelt Selbstbestimmung freilich von der stets neu zu schaffenden Balance zwischen den Interessen der Beteiligten. Damit bin ich bei einem Punkt, welcher in meinem Milieu gerne ignoriert wird. Egal, um welche Ressourcen es geht, wir bemühen uns stets um Leistungsaustausch. (Ein Begriffs-Tabu.)

Ich kenne zu viele Beispiele, in denen jemand auf Kosten anderer expandiert, aus verfügbaren Mitteln zwar nimmt, aber nichts beiträgt, überdies behauptend, der künstlerische Akt sei Beitrag genug. Das trifft freilich nur dann zu, wenn jemand künstlerisch einen hinreichenden Marktwert hat, um andere als künstlerische Arbeiten bezahlen zu können. Wer das bestreitet, betreibt kulturelle Esoterik.

Ende der 1990er erarbeitet: Sektor 3-Kulturpolitik.

Wir haben in der Kulturformation „Archipel“ da einen klaren Modus, der sowas ausschließt. Das ist in den Grundlagen einer „Sektor 3-Kulturpolitik“ begründet. Die stützt sich auf eine Kooperation im Wechselspiel zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Das meint mit Staat: Politik und Verwaltung, Markt: Geschäftsleute, Unternehmertum, und Zivilgesellschaft: einzelne Personen sowie Rechtspersonen (Vereine).

Kooperation bedeutet genau nicht: „Sie geben was, wir machen dann schon“, sondern: alle Beteiligten haben berechtigte Interessen, die beachtet werden. In diesem Sinn habe ich seinerzeit KWW entworfen, erprobt, eingeführt. Die Zusammenarbeit von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft. Wir hatten am 18. November 2011 im Schloß Hainfeld die erste Session zu dem Thema: [Link] [Das erste KWW-Archiv] [Fortsetzung folgt!]

+) Vorlauf
+) Gleisdorf: Kulturpolitik (Übersicht)
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Kolumne)

Postskriptum
Ein Zitat aus meiner Notiz „Drei Sektoren“ vom März 2021: „Kulturpolitik ist Arbeit, die nach Kompetenzen verlangt. Ich pfeif auf Inspiration und auf Visionen. Leute, die von sich selbst ergriffen sind, weil sie sich in Sachen Kunst ‚berufen‘ fühlen, können mir den Buckel runterrutschen. Sprüchlein wie „Beruf als Berufung“ möchte ich der Theologie überlassen. Mich hat niemand und nichts berufen. In einem Prozeß der Selbstermächtigung habe ich mir diese uralte menschliche Eigenschaft erschlossen: das symbolische Denken. Ein Fundament der Kunstpraxis.“ [Quelle]