Die 23er Scooter Session I

Nun liegt die „Langen Nacht der Museen“ hinter uns und mein Ausflug nach Judenburg hatte inhaltlich weit mehr zu bieten als bloß die Befassung mit der Historie der Motorroller.

Die sehr seltenen Puch R 50 Scooter.

Es ging auch um Fragen einer zeitgemäßen Kulturpolitik. Es war überdies ein kleiner Abstecher in die Vergangenheit hinter unserer individuellen Vergangenheit. Damit meine ich, das Biographische hat ja immer auch einen Jahrtausendhintergund, in jener Region mit besonderen Farben und Kontrasten. (Ich werde das hier in dieser kleinen Dokumentation nach und nach aufblättern.)

Judenburg hat mehrere museale Einrichtungen. Ich fand es sehr reizvoll, am Thema Bronzezeit rühren zu können, die dort etwa 3.000 Jahre zurückliegt. Die Legierung von Kupfer und Zink war damals ein metallurgischer Katergoriensprung. Das brachte neue Gußtechniken und machte die Erzeugung von Kleinserien diverser Güter möglich.

Replik eines 3000 Jahre alten Bronzeschwertes.

Außerdem verlangten die verstreut liegenden und nicht gerade häufigen Zink-Fundstellen Europas Fortschritte im Transportwesen und im Handel. Aber zurück zur Scooter-Historie. Bevor mein Vortrag begann, sahen sich allerhand Leute die Fahrzeuge in den zwei Hallen an.

Dabei bemerkte ein Mann laut hörbar: „Wieso stehen im Puchmuseum so viele Vespas herum?“ Die Museumsleute werden ihre Gründe haben. Ich kann ein Sachargument beisteuern. Was uns heute an Motorrollern vertraut erscheint, begann ab Mitte der 1940er Jahre bei den Händlern aufzutauchen.

Es war, wie sich zeigen sollte, ein neuer Kraftfahrzeug-Typ erschienen, der hauptsächlich im Nahverkehr die Volksmotorisierung voranbringen mochte, als Automobile in Anschaffung und Erhalt die meisten Haushalte noch überfordert hätten.

HMW steht für Halleiner Motorenwerke.

Um viele Menschen von langen Fußwegen und von der Strampelei auf den Fahrrad ein wenig zu entlasten, waren handliche Fahrzeuge attraktiv, die durch eine möglichst robuste Technik eher wartungsarm blieben, standfeste Motoren hatten, und gegenüber Motorrädern durch Schürzen wie Trittbretter einen verbesserten Wetterschutz boten.

Mehr Reichweite mit weniger Kraftaufwand, nicht bloß um zur Arbeit zu kommen. Das war auch für die Freizeit vieler Leute ein Gewinn. Puch durfte sich auf Österreichs Zweiradsektor viele Jahrzehnte als herausragender Marktführer durchsetzen, auch wenn es allerhand andere Marken gab, darunter nicht bloß KTM und HMW.

Das hieß ferner, Jahrzehnte Motorradbau im alpinen Raum hatte bei Puch für viel Erfahrung mit thermisch gesunden Motoren und vorzüglichen Bremsen gesorgt. Wer selber Mopperl fährt oder gefahren ist, weiß, wie essenziell solche Qualitäten sind.

Träumchen: Eine 1953er „Faro Basso“.

Doch der Rückblick belegt, daß Puch-Leute am Thema Motorroller kein rasendes Interesse hatten. Als sie den 125er und dann den 150er Roller herausbrachten, waren die Grazer Nachzügler, keine Trendsetter. Das wurden allerdings fraglos hochkarätige Fahrzeuge. Aber dem folgte kaum was Erwähnenswertes und 1987 war damit sowieso Schluß. Da ging der ganze Bereich an die Fiat-Tochter Piaggio.

Das kann man sich in Judenburg alles ansehen, inklusive der Lido-Roller (Suzuki-Lizenzen), auch der Piaggio-Scooter Puch Typhoon ist vorhanden. Nicht zu vergessen die Mopeds, Leichtroller und den Fuchzgerl-Scooter Puch R50. Alles da.

Das Puchmuseum Judenburg.

Aber diese Story endet eben 1987, während inzwischen die Volksmotorisierung der 1960er und 1970er Jahre letztlich zu großen Verkehrsbelastungen in so gut wie jeder österreichischen Stadt geführt hat. Zu viele Autos auf den Straßen, Parkplatzprobleme, stockender Verkehr etc.

Das hat längst einen nächsten Roller-Boom hervorgebracht, weil man per Scooter meistens noch vorankommt, wenn alle Autos stehen; und das Parken ist auch problemloser. Sieh man sich aktuelle Zahlen an, die Anmeldungen von motorisierten Zweirädern, muß man zugeben: Vespa ist erneut die Königin des Genres. Es erscheint mir also schlüssig, daß im Judenburger Museum ein vorzüglicher Querschnitt durch alle Vespa-Jahrzehnte zu sehen ist, von den 1950er Jahren herauf.

Postskriptum
Zum Bronzeschwert, das ich in die Hand nehmen dufte, siehe: „Feuer und Schwert im Museum Murtal“!

Übersicht
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+) Scooter (Die Geschichte)
+) Routen (Laufende Erzählung)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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