Rechtsruck im Kulturbetrieb #4: Kritik

Ein kritischer Geist, ein politisch aktiver Mensch, der sich seine Meinung bildet und die Welt wissen läßt, was er denkt. Wie läuft das?

Wir hatten in Gleisdorf reichlich Gelegenheit, diese junge politische Kraft zu erleben, wie sie sich in die Stadt ergoß, um etablierten Kräften zu zeigen, wo der Hammer hängt; und um einem „Schlafschaf“ wie mir die Welt zu erklären. Oder?

Wir leben zwar in einer „Diktatur“ voller Denkverbote und Zensur, wobei uns eine „Lügenpresse“ im Griff hat, aber auf wundersame Weise konnte mir all das nicht bloß über Wochen, sondern über Monate hinweg immer wieder lautstark und energisch mitgeteilt werden, ohne daß Rollkommandos nachts ausschwärmten, um wenigstens die Rednerinnen und Redner der Gleisdorfer Unruhe verschwinden zu lassen. (Na, das nenn ich „Diktatur“!)

Wie kann das sein? Im Modus „Verkünden statt begründen“ ist alles möglich. Wo sich das Verkünden von Glaubensinhalten als Kritik ausgibt und Andersdenkende als „Lügner“ markiert werden, ist alles machbar, selbst die „Diktatur“, in der Leute öffentlich sagen können, was sie wollen, ohne daran gehindert zu werden.

Was ist was?
In Kontroversen verschaffe ich mir vorzugsweise einen Eindruck, ob jemand a) um Erkenntnisgewinn bemüht ist oder b) sein Gegenüber umhauen, wegräumen möchte. Das können übrigens schon Kinder klären. Dazu muß man kein Genie sein.

Kritik heißt ja nicht obsiegen, sondern vergleichen. Anhand von Kriterien, die bekannt sein sollten, ziehe ich einen Vergleich und werde dann meinen Untersuchungsgegenstand allenfalls auch anhand meiner Kriterien und anhand des Vergleiches bewerten.

Das wäre der Weg des Begründens. Der Weg des Verkündens kommt ohne solche Klärungsschritte aus, sondern begnügt sich mit Behauptungen. Der Lärm auf Gleisdorfs Straßen ist zwar verstummt, doch etliche Erregte mit einem Mindestmaß an Sendungsbewußtsein machen via Social Media weiter.

Das heißt, auf der Ebene von Massenmedien läuft Agitation. Nicht als ein politischer Diskurs, sondern als das Versenden von Memes, Slogans und Links zu den Botschaften anderer Leute. Will sagen: ein Rudel „kritischer Geister“ scheint selbst eher nichts sagen zu wollen/können, sondern dient sich als Boten, als Botschaftslakaien, anderen Leuten an. (Besser eine Hilfskraft sein, als völlig bedeutungslos!)

Häufig genannte Quellen der Botschaften sind im Raum Gleisdorf FPÖ, MfG und Auf1. Außerdem eine Reihe exponierter Denker, kurioserweise kaum Denkerinnen unter den oft zitierten Heilsbringern, von denen mir laufend Youtube-Botschaften etc. angeboten werden.

Ich gebe auf das Verkünden gar nichts. Es fällt unter Propaganda und ist politisch wertlos, strategischer Ramsch. Kritik, das heißt im Auftakt vor allem einmal begründen. Dazu erwarte ich einen simplen Modus.

+) Ich nenne die Aussage, die mir kritikwürdig erscheint.
+) Ich nennen die Quelle, damit überprüft werden kann, ob ich korrekt zitiert habe.
+) Ich nennen meinen Einwand.

Wer mir das schuldig bleibt, mutet mir seine oder ihre Ömpörung zu, bietet mir aber keinen Erkenntnisgewinn, raubt mir demnach meine Zeit mit privater Befindlichkeitsprosa. Ich halte noch ein anderes Kriterium für wichtig. Wir kennen es seit der Antike.

Wer Erkenntnis sucht, wird vor allem Argumente zur Sache vorbringen. Wer sein Gegenüber umhauen und eine Kontroverse gewinnen will, wird vor allem Argumente zur Person vorbringen.

Es macht einen fundamentalen Unterschied, ob ich eine Person oder ob ich ihre Argumente angreife. Wer also in politischen Auseinandersetzungen vor allem auf die Andersdenkenden losgeht, sie beschimpft, herabwürdigt, mag das ja selbst für Kritik halten. Es ist aber bloß Gewalt durch Sprache, wie sie Totengräber der Demokratie bevorzugen.

+) Rechtsruck (Übersicht)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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